Eine gewisse Zeit nahm die Verladung der Festgesellschaft in ihre Sänften in Anspruch, denn noch immer weinte der Himmel, selbst wenn die dicksten Tropfen bereits versiegt waren und es ein wenig heller geworden zu sein schien. Bei vermindertem Regen also hatten die Träger die delikateste Etappe ihrer heutigen Obliegenheit, den Aufstieg zum Capitolium und dem dort befindlichen Tabularium, zu vollziehen. Neuerlich enthielt sich Manius Minor bei gewisser Unruhe seines Tragegefährts, welche der Anstrengung wohl zu verschulden war, jedweden Kommentars gegenüber seinem ihm wie bereits zuvor opposit platzierten Vater, der sich wohl mit Titus befassen und diesem die Riten des Tages explizieren mochte. Stattdessen schob er den Vorhang vor dem Fenster ein wenig beiseite, was zur Folge hatte, dass sich immer wieder einzelne Tropfen ins Innere der Sänfte verirrten ohne den Knaben aber im geringsten zu disturbieren, welcher das ihn passierende Forum Romanum, dann die Grundmauern des Tabulariums betrachtete, die allerdings nicht sonders ansehnlich waren, zumal er ohnehin außerstande war, die Bauten beständig scharf zu fixieren.
Endlich kam das Gefährt zum Halten und der junge Flavius konnte endlich die displaisierliche Situation in der Enge der Sänfte aufheben, indem er neuerlich, gestützt durch seinen aufs Neue befeuchteten Patrokolos, ins Freie stieg und sich eilte, die kurze Distanz bis zur Pforte des Tabulariums zu überwinden. Dahinter saß ein ältlicher, wohl bereits seit Jahrzehnten kahler Archivar, dessen matte Glatze von einem recht dünn gewordenen Kranz ergrauten Haares umfasst wurde, hinter einem Tisch.
"Der ehrenwerte Manius Flavius Gracchus, Sohn des Manius, beantragt die Einschreibung in den Tribus Velina und in die Libri Iuniorum."
, verlautbarte Patrokolos, da es sich hier zweifelsohne nicht um eine Person hohen Status' handelte, mit dem selbst ein knabenhafter Patrizier nur ungern zu parlieren pflegte.
"Libri Iuniorum? Kannst du denn die praetorische Bestätigung vorlegen?"
, fragte der Beamte zurück und legte die Schriftrolle beiseite, als nach und nach ein Togaträger nach dem nächsten das Foyer betrat. Der junge Flavius reichte Patrokolos das soeben erhaltene Schreiben, womit es endlich in die Hände des Archivars gelangte, welcher es wiederum eingehend inspizierte, aufblickte, den Knaben fixierte und eine spöttische Miene aufsetzte, welche der Verspottete selbstredend bei dem spärlichen Licht, das eine von der Decke hängende Öllampe hier produzierte, kaum zu identifizieren imstande war.
"Die Erwachsenen werden auch immer jünger heutzutage..."
, murmelte er endlich und griff zu einem Stabel Tabula, von welchem er die oberste ergriff und beschriftete, wobei er eben jene Daten neuerlich erfragte, welche zweifelsohne auch dem Schreiben des Praetors zu entnehmen waren:
"Name?"
"Manius Flavius Gracchus."
"Vater?"
"Manius Flavius Gracchus."
"Patria Potestas?"
"Manius Flavius Gracchus."
"Bürgen?"
"Manius Flavius Gracchus und Lucius Flavius Furianus."
"Alter?"
"Dreizehn."
"Tribus?"
"Velina."
"Ordo?"
"Senatorius."
"Centuria?"
"Equites."
In der Tat handelte es sich bei der Immatrikulation in die Bürgerlisten lediglich um eine verwaltungstechnische Formalität, doch deren nüchterne, ja geradezu ennuyante Qualität schreckte den Knaben doch nicht wenig, da der private Anteil der Festivität doch so überaus festlich sich gestaltet hatte, da eine große Zahl an Freunden, Klienten und Familiaren die Mühen auf sich genommen hatte, ihn hierher zu geleiten, während man nun schnöde Lebensdaten erfragte und in eine Tabula ritzte, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, ja ihm sogar Spott vonseiten eines einfachen Scriba angedeihen ließ.