Es war Gracchus ein wenig unangenehm, dass man dem Septemvir von seinem Wirken im capitolinischen Tempel berichtet hatte und er dies nun ansprach.
"Der Dienst im Tempel des Iuppiter war ein rein zusätzlicher. Ich habe in keinstem Maße meine Pflichten hinieden vernachlässigt und nur jene Zeit dafür aufgewandt, welche mir ohnehin zur freien Verfügung zustand. Ob der Arbeiten bin ich sicher, keinen Irrtümern unterlegen zu sein, sind doch die Aufgaben in den Tempeln nur mäßig verschieden. Was dein Angebot betrifft, so bedaure ich, doch mein Platz ist ein anderer."
Ohne zögern schob der Commentarius den Stapel mit den angebotenen Fragen hinfort.
"Während meiner Zeit in diesem Tempel des Mars konnte ich die gewaltige Präsenz und Austrahlung des Gottes spüren und ein wenig meine ich auch, ihm näher gekommen zu sein. Möglicherweise könnte ich dem Stadtvater ein guter Diener sein, doch spätestens in Zeiten der Not würde sich zeigen, wie wenig geeignet ich hierfür bin. Weder den Krieger noch Heeresführer könnte ich in vertretbarem Maße preisen, geschweige denn vor einem Heer stehend dieses durch ein angemessenes Opfer beflügeln."
Zudem war der Tempel des Iuppiter auf dem Kapitol Gracchus erstes Ziel, denn dies war das religiöse Zentrum des Reiches .
"Dies ist jedoch nur ein weiterer Grund. Der primäre und ohnehin viel gewichtigere ist jener, dass ich dem Iuppiter einst ein Gelübde ablegte. Ich schwor, im Zuge für seine Hilfe in seinem Tempel Dienst zu tun und ich werde dieses Gelübde erfüllen, mehr noch, ich werde ihm sicherlich auch darüber hinaus erhalten bleiben."
Institutio|Discipuli Martialis
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Mit seinem Gefasel hätte Vic den Flavier eher in den Merkurtempel geschickt, aber Gelübde ist Gelübde wie Traum Traum. Die Fragen auf den Tafel unterscheiden sich sowieso nur in einer einzigen Götterspezifischen Frage, denn Vic ist der Meinung, dass sich ein Sacerdos auf Grundlagen stützen können muss. Das Wissen um die Götter kennt sowieso jeder von Kindesbeinen an, vertiefen kann man das eigenständig, und jeder Priester sollte in der Lage sein, auch in anderen Tempeln Dienst zu tun, als in den von ihm präferierten.
"Na dann leg los. Möge dir Fortuna beistehen, du ihre Hilfe aber nicht brauchen." Vic lehnt sich zurück und nimmt seine Wachstafel zur Hand. Sie enthält einige Ideen zur Umsätzung einiger Pläne und ist noch ergänzungsfähig.
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Bedächtig nahm Gracchus den Griffel zur Hand und wies Sciurus mit einem Wink die stehende Luft im Raum zu durchbrechen und für einen angenehmeren Lufthauch Sorge zu tragen, woraufhin der Sklave sogleich begann eben dies mithilfe des Fächers zu tun. Fortuna würde ihm hold sein, dessen war sich Gracchus sicher, obwohl er wusste, dass er ihre Hilfe nicht benötigen würde. In seinem grenzenlosen Selbstvertrauen, zumindest, was sein Wissen betraf, war er sich sicher, dass er mindestens einen ebenso breiten Wissensschatz in sich trug wie der Septemvir, denn er hatte sich nicht umsonst jahrelang den Studien gewidmet und diese in den vergangenen Monaten innerhalb des Cultus Deorum weiter um das vielfache vertieft. So nahm er die erste der Tafeln vor sich und schlug sie auf, um sich den Fragen zu widmen.
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Victor verkneift sich das Hochziehen einer Augenbraue, als der Sklave mit dem Fächern anfängt, beobachtet den Flavier die esten Minuten und widmet sich dann ganz seinen Notizen. Eine Weile lang kritzelt er in seiner unleserlichen Schrift Sinnvolles hin, dann fällt ihm eine Aufgabe ein, die er in seinem Büro noch zu erledigen hat und von da aus gibt es keinen Weg, der an der Erinnerung an Helena vorbei führt. Seit dem Tag als sie dort war hat er nichts mehr von ihr gehört oder gesehen und Vic ist sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist. Er denkt an die kurze Berührung ihrer hellen Haut, die ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen ist, an ihr tiefschwarzes Haar, das samtig glänzt, wenn sie es mal nicht unter iherer Palla versteckt, und an ihre Augen, die so tief wie das Mare Nostrum scheinen.
Als würde der Sklave des Patriziers in seinen Gedanken lesen, bewegt er sich und das leise Geräusch reißt Vic aus seinen Gedanken. Schnell löscht er die Kritzeleien, die er währenddessen fabriziert hat, von der Tafel. Zwar würde außer ihm sowieso niemand die Kreise, Kästchenmuster und diffusen Wolkenknäule von seinem übrigen Geschreibsel unterscheiden können, aber sicher ist sicher.
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Jede einzelne Frage beantwortete Gracchus ausführlich und gewissenhaft. Nach der ersten Wachstafel folgte eine weitere, Wort um Wort, Satz um Satz fand seinen Weg in das weiche Wachs und schließlich war alles getan. Mit einem leichten Räuspern beabsichtigte Gracchus die Aufmerksamkeit des Septemvir erneut auf sich zu lenken. Er reichte ihm die beschriebenen Tafeln.
"Wie lange wird es dauern, bis das Ergebnis feststeht?"
Ein Wink ließ Sciurus in seinem Tun innehalten, denn im Gespräch war das stetige Fächern störend. -
"Wenn dus nicht eilig hast, dann werde ich direkt drüberlesen. Im Fall deines Bestehens geb ich das dann nur noch zur offiziellen Ernennung weiter." Er nimmt die erste Tafel zur Hand und fängt an zu lesen. Schnell ist er bei der nächsten und bald bei der letzten. Bei den letzten Sätzen murmelt er ein leises "Naja.", wiegt seinen Kopf hin und her und versucht Gracchus aus dem Augenwinkel zu beobachten. Er lässt ihn noch etwas zappeln, dann schaut er auf.
"Den Rest des Tages kannst du frei machen. Morgen früh meldest du dich dann im Tempel des Iuppiter, Sacerdos Flavius Gracchus." Vic grinst breit. "Gratuliere."
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Gracchus zeigte den Anschein einer Gefühlsregung und gestattete sich ein entzücktes Lächeln.
"Ich danke dir, Septemvir Valerius. Nicht nur für die Glückwünsche, auch für die Ausbildung."
Zufrieden erhob sich der frisch gebackene Sacerdos, verabschiedete sich von seinem Ausbilder und verließ, gefolgt von Sciurus, den Raum. Auf dem Forum Augustum nahm er in der Sänfte Platz, den Fächer in Empfang und dirigierte die Träger zur Villa Flavia. -
Vic schaut dem seltsamen Paar hinterher und seufzt dann. Damit ist sein Dienst als Sacerdos im Tempel des Mars Ultor endgültig beendet. Sein zweiter Discipulus ist nun Sacerdos und selbst für einen Tempel verantwortlich. Mit einem leichten Gefühl von Stolz denkt Victor daran, dass sein erster Discipulus mittlerweile Pontifex Germania ist, auch wenn der dem Merkur weiße Stiere opfert. Bedauerlich ist nur, dass die anderen Discipuli nicht durchgehalten haben. Doch Fähigkeiten sind nicht alles und ohne Willen und Freude ist es so sicher besser gewesen. Vic nimmt seine Wachstafel und die von Gracchus und verlässt den Raum. Auf dem Platz vor dem Tempel schaut er schich nochmal wehmütig um, bevor er den Weg zur Regia des Cultus Deorum antritt.
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