Casa et Taberna Petronia

  • Vorsichtig stellte ich den Met vor Catubodus ab. Eigentlich erwartete ich nicht mehr, dass er sich noch weiter mit mir unterhalten wollte. Nicht nachdem, was in seinem Zimmer geschehen war. Ich zog es auch vor, nicht mehr länger darüber nachzudenken, sonst wäre ich nur noch mehr enttäuscht gewesen. Als ich den Entschluss gefasst hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, wusste ich schon, dass es nicht einfach werden würde wenn ich auf mich gestellt war.
    So wollte ich mich schon wieder von Catus Tisch entfernen, als ich seine Entschuldigung hörte. Ich blieb stehen und sah zu ihm auf. So oft entschuldigte sich niemand bei mir. Dieser Moment hatte einen Seltenheitswert! Es war kein einfaches Es tut mir leid. Nein, es war viel mehr. Es war ein Zeichen, dass er sich um den Jungen gesorgt hatte und nur sicher gehen wollte, dass ihm nichts passierte. Es zeigte mir aber auch, wie sehr ich überreagiert hatte.


    Oh, danke. Ja, du hast ja recht. Es war mein Fehler. Ich hätte ihn früher zur Ordnung rufen müssen. Aber ich war so froh, dass ihr euch so gut verstanden habt, als du auf ihn aufgepasst hast.
    Für mich ist das alles noch ein wenig schwierig. Das ist heute mein erster Tag. Nicht nur hier in der Taberna, sondern in jederlei Hinsicht ist dies mein erster Tag, an dem ich auf mich selbst gestellt bin.

    Nun kehrte mein Lächeln wieder zurück und ein wenig fiel auch ein Stein von meinem Herzen, denn nichts schien verloren zu sein.

  • So erstaunt Bridhe auch von Catus Entschuldigung war umso mehr war er nun in Erstaunen darüber versetzt, dass sie den Fehler bei sich suchte. Trotz allem war Diarmuid ein Kind und Catu unterstellte vielmehr sich selbst dass er vielleicht ein wenig zu harsch gewesen war. "Dein Fehler? Nein. Er ist eben ein Kind und die tun was ihnen gerade in den Sinn kommt.
    Dein erster Tag auf eigenen Füßen? Was hat du vorher gemacht?"
    Er konnte es sich schon fast denken, aber sie sollte es ihm lieber selbst sagen. Wenn er es an sprach würde es in jedem Tonfall unangenehm herablassend klingen. Er nahm einen Schluck Met zu sich un blickte sich über den Becherrand um. Es war so gut wie niemand mehr da, also fügte er hinzu: "Setz dich doch." Kaum hatte er es ausgesprochen, fiel ihm ein, dass sie ja nun einen arbeitsreichen Tag hinter sich hatte. Sitzen war zwar sicherlich eine gute Idee, aber er sollte das Gespräch wohl möglichst nicht übermäßig in die Länge ziehen.

  • Ja, das ist wahr, stimmte ich ihm schmunzelnd zu. Ich war froh, dass sich die Situation zwischen uns wieder zu entspannen begann, denn ich war mir nun sicher, er war kein schlechter Kerl.
    Natürlich hatte ich sein Interesse geweckt, mit meinen Andeutungen, dies sei mein erster Tag. Er bot mir an, mich zu ihm zu setzten. Aber ich war mir nicht sicher, ob das gut war. Nach dem langen Tag in der Küche war ich schon sehr müde und meine Beine schmerzten. Ein wenig Ruhe hätte mir gut getan. Vorher sah ich mich aber erst nach Glabrio um. Er bezahlte mich ja schließlich nicht fürs herumsitzen. Es waren aber fast keine Gäste mehr in der Taberna. So entschloss ich mich, mich doch zu setzten.


    Ich bin nicht aus freien Stücken nach Rom gekommen. Vor etwa fünf Jahren wurde ich von meiner Insel verschleppt und hierher gebracht. Bis kurz vor der Geburt meines Sohnes, lebte ich als Sklavin in einer großen Villa.


    Wahrscheinlich hatte er sich das ja schon denken können. Nur war es ihm bestimmt peinlich gewesen. Aber das war mein Leben, mein Schicksal. Ich konnte es nicht mehr rückgängig machen. Aber ich hatte Einfluss auf meine Zukunft.

  • Beglückt stellte Catubodus fest, dass sie ihm seinen Tadel wohl nicht länger krumm nahm. Es wäre ihm unvorstellbar unangenehm gewesen, hätte das fürderhin zwischen ihnen gestanden. Auch das sie seiner Einladung Platz zu zu nehmen nachkam erfreute ihn. Es hätte ja auch sein können, das sie sich nicht mit ihm unterhalten wollte.
    Aufmerksam hörte er ihr zu. Eine Geschichte dieser Art hatte er sich schon fast gedacht und vermutlich war Diarmuid der Sohn eines Römers. Blieb noch die sich aufzwingende Frage, ob er ein Produkt der Liebe oder des Zwanges war. Eine Frage allerdings die Catu nur einer seiner Rollen zu stellen gewagt hätte. Außerdem war es ihm nicht so wichtig wie den biedereren Zeitgenossen. Genauso wie die Tatsache, dass sie ein Kind hatte ihn nicht weiter störte. Was vielleicht auch an dem Knirps lag, den er wirklich leiden konnte.


    "Deine Insel? Deiner Sprache nach Britannia?" Catubodus konnte nur raten wo sie genau her kam und er kannte sich in der nördlichsten Provinz und dem 'Drumherum' überhaupt nicht aus. Nördlicher als Lutetia war er noch nie gewesen. Schon gar nicht für längere Zeit. Wie sie sprach erinnerte ihn teilweise an die wenigen Bekanntschaften die er dort mit den Inselbewohnern gemacht hatte.

  • Nicht lange nachdem Catubodus die Backstube erworben hatte und er vergeblich nach einem arbeitslosen Bäcker gesucht hatte, war ihn noch am selben Tag eingefallen war ihm eingefallen, das Bridhe mal erwähnt hatte, dass sie nicht nur Kochen, sondern auch backen konnte. Vielleicht hatte sie ja Interesse daran den Arbeitgeber zu wechseln. Auf seinem Rückweg von den Märkten holte er Diarmuid bei der Frau ab, die in der Straße Kinder gegen Endgeld hütete. Nicht jeden Tag passte er auf ihn auf, seit ihn Glabrio zum Rauswerfer und Ordnungshüter eingestellt hatte. Wie auch bei jener Gelegenheit kam Tumult fast ausschließlich abends vor und tagsüber sah Catu oft nur gelegentlich nach dem Rechten. Seit er in der Nähe der Tür stand, war nichts mehr vorgefallen auch wenn er hier Diarmuid hütete. Entgegen Bridhes Bedenken war der Kleine nicht in Gefahr. Zu oft hatte Catu mit ihm schon das Spiel 'Schnell weg' gespielt. Auf ein Zeichen hin wurde er praktisch unsichtbar und versteckte sich unter einer nahen Bank. Der Weg dorthin wurde von keinem Erwachsenen üblicherweise kekreuzt und einmal dort musste jeder erst an Catu vorbei, der an den Kleinen heran wollte. Mehr Sicherheit war in einer Taberna kaum zu haben.
    Mit Diarmuid am Arm betrat Catu den Raum und ging zur Theke. Er ließ sich von Glabrio einen Met servieren und wartete darauf, dass Bridhe ihr Tagwerk beenden oder ein Päuschen machen würde. Da den Kunden des frühen Abends nicht den Platz streitig machen wollte, stellte er sich wie üblich an die Tür, ging dort in die Hocke und fragte Diarmuid: "Was hast du heute neues erfahren?"


    Sim-Off:

    @ Glabrio: Ich hoff das geht so weit ok
    @Bridhe: siehe Glabrio. Ich dachte ich mach mal die zweite Ebene auf, wie angekündigt

  • Ich rechnete ihm seine Zurückhaltung groß an. Er versuchte (noch)nicht hinter die genauen Hintergründe zu kommen, weswegen Aquilius mich frei gelassen hatte. Offensichtlich war es aber, dass mein Sohn eine große Rolle dabei gespielt hatte. Ich selbst hatte es ja angedeutet. Ganz sicher gab es genug Männer, die mich dafür ablehnten, weil ich einen Sohn hatte, aber keinen Vater dafür. Einen Vater gab es ja sogar. Er hatte sich sogar zu seinem Kind bekannt, nur hatte er uns aus seinem Leben ausgeschlossen, indem er sich von seinem bisherigen Leben und aus Rom zurückgezogen hatte. Natürlich hatte mich das gekränkt, aber mein Leben war zu sehr ruiniert, dass dieser Schmerz kaum mehr wahrgenommen wurde. Längst hatte ich die Hoffnung aufgegeben, mein Leben könnte jemals wieder in geordneten Bahnen verlaufen. So wie es meine Mutter und mein Vater einst für mich erhofft hatten und so wie ich immer davon geträumt hatte, damals vor unendlich langer Zeit.


    Catubodus interessierte es nicht, wer der Vater meines Kindes war. Er interessierte sich für mich und das war etwas, womit ich am wenigsten gerechnet hatte. Es war lange her, dass sich jemand um meinetwegen interessiert hatte. Severus hatte sich für mich interessiert und ihn hatte ich geliebt. Er war meine erste und bisher einzige Liebe gewesen. Severus aber hatte ich verloren und ich war mir sicher, niemals wieder einen Mann so lieben zu können.


    Nein nicht Britannia! Meine Insel liegt außerhalb des römischen Machtbereichs. Die Römer nennen sie Hibernia aber wir nennen sie Éire.

  • Sim-Off:

    Zu diesem Zeitpunkt ist Diarmuid etwa2- 2 1/2 Jahre alt! ;)


    Diarmuid hatte sich schon ganz gut in dem neuen Haus, in dem seine Mutter arbeitete und er mit ihr nun auch wohnte, eingelebt. Jeden Tag gab es Neues zu entdecken und Diarmuids Entdeckerdrang war unersättlich. Mit dem Mann, der vor einiger Zeit in die Taberna gekommen war, hatte er sich angefreundet. Er war ganz stolz, einen so großen und starken Freund zu haben. Der kleine Diarmuid mochte die Zeit, wenn Catubodus auf ihn aufpasste. Und auch Diarmuids Mutter war dann wesentlich entspannter, wenn sie sich um den Kleinen keine Sorgen machen musste. Er schien den Jungen zu verstehen und behandelte ihn nicht, wie ein Kleinkind, was er ja auf jeden Fall noch war. Diarmuid begann diese neue Umgebung als seine neue Welt zu lieben, so als hätte er niemals an einem anderen Ort gelebt. Seine spärlichen Erinnerungen, die er noch an die Villa hatte, verblassten allmählich.
    Diarmuid hatte auch einige gleichaltrigen Freunde gefunden, bei der Frau, die gelegentlich auf ihn aufpasste. Aber am liebsten war er mit seinem großen Freund zusammen. Immer wenn er ihn gegen Abend abholte, war seine Freude groß. Genauso wie an diesem Abend. Zusammen gingen sie zur Taberna zurück. Catubodus arbeitete dort mittlerweile als Ordnungshüter. Mit seinem Met in der Hand postierte er sich an der Tür. Wie fast jeden Abend, belagerte der Kleine ihn.
    "Hab heut viel gespielt. Und guck mal, ich hab was!" , beantwortete er Catubodus Frage. Diarmuid grinste frech und zog etwas aus seinem Täschchen, dass er immer dabei hatte. In der kleinen Kinderfaust schien etwas Lebendiges gefangen zu sein. Vorsichtig öffnete er seine Faust ein wenig. Etwas flinkes Türkisfarbenes kam zum Vorschein. "Guck mal, hab ich selbst gefangen." Es war eine kleine Eidechse. Mit viel Glück hatte er es geschafft, die kleine Echse zu fangen. Nun blickte er Catubodus erwartungsvoll an.

  • So sehr er sich auch bemühte konnte Catu doch keiner Erinnerung gewahr werden, die er an eine Insel unweit Britannias haben mochte. In Gedanken malte er sich auf seiner imaginären Landkarte einfach eine solche hinzu. Zwar etwas formlos und unbestimmt, aber Hauptsache er hatte sein Weltbild mal wieder erweitert.
    Von was hatte er sich nur so ablenken lassen, dass ihm nicht aufgefallen war, dass Britannia doch recht unwahrscheinlich war, da es für die Römer doch wenig Grund gab Einwohner aus bereits beherrschten Gebieten zu entführen, von welchen sie Steuern und Tribute erwarten konnten. Zwar wusste er, dass der Norden nicht unter der Kontrolle der Römer stand, sie sich dorthin aber auch nicht wagten, wie einer der Inselbewohner aus Lutetia behauptet hatte.
    Er ließ von derlei Überlegungen ab und freute sich statt dessen, das er sogleich zwei Gemeinsamkeiten entdeckte, die er umgehend kund tat.


    "Da haben wir doch was gemein. Auch ich komme von weit her und verließ meine Heimat gezwungenermaßen." Damit verschwieg er, dass er seinen erzwungenen Aufbruch selbst verschuldet hatte nur um eine Gemeinsamkeit feststellen zu können. Was tat man denn nicht alles mit dem vernebelten Blick einer zart knospenden Zuneigung.

  • Auch wenn es für Diarmuid hoffentlich stets den Anschein hatte, dass er die volle Aufmerksamkeit von Catu in Beschlag hatte, so war dem nicht so. Immer wieder kam dieser seinem Auftrag nach und sah sich beiläufig um, ob er nicht irgendwo gebraucht wurde. Aber wie schon in letzter Zeit blieb auch diesen Abend relativ ruhig. Nach einem langen Arbeitstag hatte wohl kaum einer der einfachen Leute, die das Stammklientel stellten noch Interesse an einer Auseinandersetzung. So konnte er sich denn dem Objekt von Diarmuids Stolz widmen. Es freute ihn, dass dieser auf seiner Jagd nach Kleingetier erfolgreich gewesen war, wenn er auch einen Beutel nicht gerade für den richtigen Lebensraum für das arme Geschöpf hielt. Wie konnte er dem Kleinen schonend beibringen, dass es für das Tier besser war, wenn er es wieder laufen ließ? Er schob die Frage auf um erst einmal ein Lob anzubringen. "Die hast du selbst gefangen? Prima. Das war bestimmt nicht leicht, oder?"
    Dann fiel ihm etwas ein, wie er vielleicht den Jungen dazu bringen konnte die Eidechse aus eigenem Entschluss wieder an die Luft zu setzen. "Was hast du nun damit vor? Willst du sie essen?"

  • Die Überraschung stand in meinem Gesicht. Wir hatten etwas gemein? Ich zögerte einen Moment und sah musterte ihn unschlüssig. Doch dann folgte die Erklärung und ich begriff. Nein, eigentlich begriff ich es nicht, denn ich fragte mich, wieso er gezwungenermaßen seine Heimat verlassen musste und außerdem, wo war denn seine Heimat? Er sprach eine, meiner Sprache nicht unähnlichen Sprache und er bezeichnete sich auch als Kelte.


    Ach ja? Wieso? Hat man dich auch verschleppt? Und woher kommst du eigentlich?


    Ganz bestimmt war er nicht verschleppt worden. Er machte einen so selbstbewussten Eindruck, wie ein Mensch, der niemals gezungen worden war, seine Freiheit aufzugeben und dem man alles genommen hatte, sogar noch seine Würde.
    Als ich nun wieder bei ihm saß, kam allmählich dieses gute Gefühl wieder zurück, das zwischenzeitlich auf ein Minimum reduziert gewesen war. Ich saß hier mit einem Mann, der meine Sprache verstand und der sich mit mir einfach so unterhielt. Und das nach all den Jahren in der Fremde! Ich hatte nie groß darüber nachgedacht, was geschehen wäre,hätte man mich nicht entführt. Vielleicht hätte ich eines Tages einen Mann wie Catubodus kennengelernt, an Lughnasadh* villeicht.


    *Lughnasadh war so etwas wie ein Erntedankfest zu Ehren des Gottes Lugh, das man um den 30. Juli gefeiert hat. Im heutigen Sprachgebrauch ist Lúnasa das irische Wort für den Monat August.

  • Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf Catubodus Gesicht, als er das Erstaunen in Bridhes Gesicht sah. Nur wenn er es darauf anlegte wirkte er wie ein Sklave und es war eine Rolle die er nicht schlecht beherrschte. Aber er hatte ohnehin nicht vor sie zu täuschen. Es musste ihr seltsam vorkommen, das jemand, der alle Möglichkeiten hatte in seiner Heimat glücklich zu werden dennoch gezwungen werden konnte diese zu verlassen und das ohne dabei seine Freiheit zu verlieren. Da es allerdings für ihn nicht von Interesse war, sie länger als nötig im Zustand der Unwissenheit zu lassen, klärte er sie über seine Vergangenheit auf. Zumindest über einen Teil.
    "Ich komme aus dem Osten, von jenseits des Meeres, wo sich mein Stamm niedergelassen hatte. Allerdings hat man nicht verschleppt. Das Dorf aus dem ich stamme, würde überfallen und bis auf mich ausgelöscht." Die Tatsache, dass er sich grausam gerächt hatte verschwieg er, es war auch nicht wirklich das passende Gespräch für einen ruhigen Abend. Da ihm allerdings gerade kein besseres einfiel, schwieg er und trank dafür einen Schluck Met.

  • Mein Staunen wollte nicht enden. Was ich da hoerte, liess mich erst etwas unglaeubig drein blicken. Seinem Aussehen nach haette ich vermutet, er kaeme aus Gallien oder von noerdlich der Alpen. Aber weswegen haette er mich denn anluegen sollen? Er gab etwas freiwillig von sich preis und das war mehr, als man von einem Fremden verlangen konnte.
    Er kam also aus dem Osten, jenseits des Meeres. Dort gab es ein Volk, das sich einer Sprache bediente, die meiner sehr aehnelte. Als ich noch in der Villa Flavia lebte, hatte ich dort auch gelegentlich Zugang zur Bibliothek. In den Schriften las ich einiges ueber die Voelker, die die Roemer unterworfen hatten, auch jene des Ostens. Aber von einem Volk, das ganz offensichtlich aehliche Wurzeln aufwies, wie meines, hatte ich nie gelesen. In solchen Momenten wurde mir immer wieder bewusst, wie wenig ich doch ueber die Welt wusste.
    Doch auch die kurze Schilderung ueber sein Schicksal und das seines Dorfes, liess mich nicht unberuehrt. Ich hatte wenigstens die Gewissheit, dass meine Familie noch lebte. Aber er hatte demnach niemand mehr.


    Das.. das ist sehr traurig! Und seitdem wanderst du in der Welt umher?
    Ich weiss, wie schwer es ist, wenn man seine Heimat verloren hat. Aber ein Teil davon wirst du immer in deinem Herzen mit dir tragen. Immer!


    Das klang jetzt wahrscheinlich sehr schwuelstig. Besonders wenn man diesen Rat einem Mann wie Catubodus mit auf den Weg gab. Mir hatte es all die Jahre ueber geholfen. Aber ich hatte auch gelernt, nicht nur in meinen Erinnerungen zu leben, denn dann war kein Platz mehr fuer die Zukunft.

  • Wie sehr sie des Schakals Kern traf konnte sie gar nicht wissen. Doch in der Tat verhielt es sich so, dass er seit jener schrecklichen Ereignisse von einem Ort zum anderen trieb wie ein herrenloses Stück Holz im Ozean. Ein heimatloser Vagabund ohne Ziel und Zukunft. Einmal hatte er versucht sesshaft zu werden, ein erfolgloser Versuch. Er drohte in eine ernstliche Stimmung des Vor-sich-hin-Brütens zu geraten, wenn er an seine Vergangenheit dachte. Er drängte diese trübsinnigen Gedanken von sich und sie verließen gleichsam seinen Geist wie seine Antwort seinen Rachen verließ: "Ja ich trage meine Heimat mit mir. In meinem Herzen, meinen Erinnerungen und in den Narben meiner Seele."
    Es war doch erstaunlich wie offen er in ihrer Gegenwart war. Er vertraute ihr Dinge an, die er sonst in tiefen Abgründen verbarg. Jede Maske die er sich sonst aufsetzte fiel in ihrer Gegenwart unwillkürlich von ihm ab. Er zog die Stirn ein wenig kraus als ihm das auffiel. Schon wieder ein Thema, das zu einem ernsten zu werden drohte. Allerdings gedachte er den Abend mit einem Gespräch über angenehme und nicht über schwere Themen zu beschließen, also lenkte er den Fokus auf ein nahe liegendes und mit seinen beiden letzten Gedanken mehr oder minder in Zusammenhang stehendes Sujet. "Hast du eigentlich eine Vorstellung was du weiter vor hast? Ich passe zwar gerne auf den Kleinen auf, aber ich werde nicht jeden Tag hier sein."
    Ihre Beschäftigung bei Glabrio schien ja eher eine vorübergehende Lösung zu sein und vielleicht konnte Catu etwas auftun, wenn er Augen und Ohren offen hielt.

  • Ich laechelte milde, denn ich konnte sehr wohl nachvollziehen, wie er sich fuehlen musste. Auch sein Gesicht sprach Baende. Es fiel ihm nicht leicht ueber seine Vergangenheit zu sprechen und noch weniger, sich an die schrecklichen Ereignisse zu erinnern. Im Leben gab es manchmal Dinge, an die man sich lieber nicht mehr erinnert werden wollte. In der Tat, wir hatten etwas gemeinsam, vielleicht sogar mehr, als wie wir es uns eingestehen wollten. Vielleicht war es sogar ein Wink meiner Goettin, dass wir uns kennengelernt hatten. Ein Zufall konnte das bestimmt nicht gewesen sein!
    Ich hatte daher auch vollstes Verstaendnis, als er unser Gespraech auf ein anderes Thema hinbewegte. Vielleicht war er eines Tages dafuer bereit, noch mehr ueber seine Vergangenheit zu sprechen.


    Was ich weiter vor habe?


    Auf diese Frage hatte ich selbst keine genaue Antwort. Ich war wie ein Blatt, das auf der Oberflaeche des Wassers dahin trieb. Ich glaubte, selbst keinen grossen Einfluss auf mein Ziel zu haben. Die aeusseren Umstaende waren massgebend, so glaubte ich. Ich war nichts und ich hatte nichts, ausser meinem Leben und die Verpflichtung, alles fuer meinen Sohn zu tun, damit er es einmal besser hatte.


    Ich weiss dein Angebot sehr zu schaetzen und ich hoffe, ich kann es eines Tages wieder gut machen. Aber du musst dich nicht verpflichtet fuehlen. Ich muss eine Loesung dafuer finden. Also mache dir deswegen keine Gedanken!


    Je mehr ich seine Bedenken abtat, desto mehr nagte wieder diese eine Frage an mir. Was habe ich weiter vor?
    An dem Tag, als ich die Villa verliess, hatte ich eine klare Vorstellung davon, was ich vor hatte. Ich wollte auf eigenen Beinen stehen und wollte wieder frei sein. Frei von allen Zwaengen und frei von allen Abhaengigkeiten. Aber noch am gleichen Tag musste ich feststellen, wie sehr doch diese neugewonnene Freiheit eine Illusion war. Freiheit alleine war nicht ausreichend, um ein kleines Kind und sich selbst satt zu bekommen. Ich musste mich wieder einer Abhaengigkeit beugen.


    Ich hoffe, mir eines Tages etwas Eigenes aufbauen zu koennen, antwortete ich. In meinen Worten aber schwang die Ungewissheit mit, ob dies jemals Realitaet werden koennte.

  • Die Kinderaugen des Jungen begannen zu leuchten, als Catu ihn lobte. Die freundliche Ansprache des Erwachsenen waren wie Balsam fuer den Jungen. Seit er mit seiner Mutter in der Taberna lebte, hatte diese noch weniger fuer ihn Zeit. Eigentlich blieb ihnen nur der Abend, bevor Diarmuid zu Bett ging. Dann war seine Mutter oftmals so muede, dass ihr einfach die Augen zu fielen und sie noch vor dem Jungen einschlief.
    Aber Catu hier nahm sich meistens Zeit fuer ihn. Es war auch ganz anders mit ihm, als mit seiner Mutter. Diarmuid hatte in Gegenwart des erwachsenen Mannes das Gefuehl, ernst genommen zu werden und nicht wie ein kleiner Junge behandelt zu werden, was er ja zweifellos noch war. Da der Junge niemals einen Vater gehabt hatte, war ihm auch nicht bewusst, was ihm fehlte. Drum war die Beziehung zu Catu eine ganz besondere, die er sehr schaetzte.
    "Weiß nicht. Was soll ich denn mit der machen?" Diarmuid zuckte mit den Schultern, bis sich sein Gesicht vor Abscheu verzog. "Igitt! Essen? Das geht doch nicht! Die kann man doch nicht essen!"
    Diarmuid nahm alles fuer bare Muenze, was man ihm sagte. Aber eine Eidechse essen, das ging doch nicht, oder?

  • Die Reaktion von Diarmuid war so ziemlich wie er erwartet hatte. Auf das Lob hin schwoll dessen Brust regelrecht an und zwar solcher Art, dass sich Catubodus fast sorgen machte, sie möchte ihm nicht zerspringen. Mit Freude sah er, dass seine zweite Taktik zu wirken schien, denn der Junge war augenscheinlich wenig erpicht darauf die Eidechse zu verzehren und so konnte er ihn vermutlich dazu bewegen, sie wieder frei zu lassen. Sogleich startete er darin seinen ersten Versuch. "Sie schmecken nicht besonders, vor allem ist kaum Fleisch an diesen Kreaturen. Also sottest du sie vielleicht wieder frei lassen. Was würdest du denn davon halten, würde dich ein Riese fangen und in einen Lederbeutel stecken?"
    In der Tat hatte er schon derartiges Kleinvieh gegessen und konnte ihm allerdings keine besonderen kulinarischen Vorzüge einräumen. Somit war es wohl wirklich angeraten, das Tier wieder in die Freiheit zu entlassen. das war für Catubodus keine barmherzige Geste, vielmehr konnte er unglaublich grausam sein. Doch da er es nur war, wenn es notwendig war oder bezahlt wurde, war er der Meinung, dass alle Kreaturen nur zu einem gewissen Zweck gequält werden durften. Da er bei der Eidechse keinen Zweck sah wäre ihr Hungertod nutzlos und somit nicht gerechtfertigt. Doch dann fiel ihm noch etwas ein, das für den Knaben sicher wichtig war. "Behalt sie aber noch und zeig sie deiner Mutter. Sie soll schließlich auch sehen was für ein guter Jäger du bist. Dann aber lass sie wieder laufen, versprochen?"

  • Tief war Catubodus wieder in seine Gedankenwelt abgeglitten und Bridhe konnte ihn mit ihren Antworten, die er nur am Rand wahrnahm nur teilweise in der Gegenwart halten. Nicht desto trotz war er aufmerksam genug um die Essenz ihrer Aussagen zu begreifen. Allerdings brauchte er einen Moment um seine Gedanken zu trennen und ordnen, ehe er ihr antworten konnte.
    "Hier in der Straße gegenüber gibt es eine Frau, die sich ihr Brot mit dem Beaufsichtigen von Kindern verdient. Vielleicht kann der Kleine da unter kommen."
    Verbunden wie sich Catubodus mit Bridhe fühlte, wollte er mehr tun als nur Diarmuid zu versorgen. Also überlegte er kurz und hatte dann auch eine Idee, wie er vielleicht einen Beitrag zu ihrer Zukunft leisen konnte.
    "Hast du denn irgend ein Talent, eine besondere Fähigkeit neben deinen Kochkünsten? Ich bekomme so einiges mit. Es wär doch schade, wenn eine Gelegenheit ungenutzt vorbei zöge, nur weil ich nicht weiß das es eine ist."
    Kaum hatte er es gesagt, las in ihm auch schon die Befürchtung aufkeimte, sie könne ihn für aufdringlich halten. Es gab ja genug Männer, die sich auf solchen Umwegen das Wohlwollen einer Frau kaufen wollten. Da ihm aber nichts einfiel um derartige Bedenken gleich wieder zu zerstreuen, wartete er erst darauf, wie sie reagieren würde.

  • Mir kam es so vor, als sei Catubodus zeitweise mit seinen Gedanken abgeschweift, als höre er mir gar nicht richtig zu. Ich ließ mir nichts anmerken, auch wenn es mir einen leichten Stich versetzte. Je größer war min Erstaunen, als er mir einen Vorschlag unterbreitete. Diarmuid einer fremden Frau anvertrauen? Da musste ich erst einmal schlucken. Aber wieso auch nicht! Catubodus war auch ein Fremder gewesen und wenn er irgendwann einmal nicht mehr da war… Ein wenig verwirrt sah ich zu ihm auf.


    Du willst gehen? Ja, natürlich! Dann sollte ich mit dieser Frau einmal sprechen. Bald.


    Ich tat mir sehr schwer dabei, meine Enttäuschung zu verbergen. Ich versuchte sogar dabei zu lächeln. Dabei wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, wie sehr ich mich schon an Caubodus gewöhnt hatte und wenn ich ehrlich war, hatte ich mir sogar Hoffnungen gemacht, er könne eines Tages sogar mehr sein, als nur der, der auf meinen Sohn aufpasste. Da kam mir die Frage nach meinen Talenten eher nebensächlich vor.

    Eine besondere Fähigkeit? Nein nicht wirklich. Mein Herr hatte meinen Gesang geschätzt. Aber damit kann man sicher nicht sein Brot verdienen. Nein, Kochen, Backen, einen Haushalt versorgen, das ist alles, was ich kann.

  • Eine Weile hatte ich die beiden aus einem Augenwinkel beobachtet. Allerdings wollte ich die Vertrautheit zwischen ihnen nicht stören und hatte mich deshalb entschlossen vorerst fern zu bleiben. Diarmuid mochte Catubodus sehr, denn er gab ihm etwas, was er bisher noch nicht gehabt hatte und etwas, was ich ihm nie geben konnte. Ob der Kleine mit einem Vater glücklicher gewesen wäre? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Was gewesen wäre, wenn sich Aquilius tatsächlich mit seinem Sohn auseinander gesetzt hätte, konnte ich nur vermuten. Vielleicht hätte er nicht zugelassen, dass dann auch ich in der Nähe des Jungen sein durfte, was mir letztlich das Herz gebrochen hätte. Womöglich war es so besser und es lag nun an mir, eines Tages einen Ersatzvater für meinen Jungen zu finden.


    Diarmuid hatte etwas in der Hand. Ich konnte nicht sehen, was es war. Aber es war etwas lebendiges. Er hatte doch nicht etwa eine Maus oder gar eine Ratte gefangen! Mit einiger Besorgnis ging ich dann doch zu den beiden.


    Na, ihr zwei! Ich hoffe, Diarmuid hat dich nicht gestört, meinte ich zu Catubodus, lenkte dann aber gleich meinen Blick auf meinen Sohn, der in seiner Hand immer noch dieses Ding verbarg.


    Was hast du denn da, Diarmuid?


    Der Kleine grinste ganz verschmitzt und öffnete langsam seine Hand.


    "Hier Mama! Sieh mal, die ist für dich! Die habe ich selbst gefangen." Diarmuid war ganz stolz auf seinen Fang und ich musste mich beherrschen nicht vor Schreck aufzuschreien. Dann sah ich aber, dass es eine harmlose Eidechse war, nichts weiter. Eidechsen waren sehr scheue Tiere die man nicht so ohne weiteres fangen konnte. Man brauchte schon etwas Geschick und vor allem viel Geduld.


    Die hast du selbst gefangen? fragte ich anerkennend. Alle Achtung! Aber willst du sie nicht lieber wieder frei lassen?
    Diuarmuid sah zu Catubodus auf und dann sah er wieder mich an und nickte.

  • Gehen? Catubodus konnte sich nicht denken auf welche seiner Antworten sie damit einging. Er wollte nicht nirgendwohin gehen, höchstens bald zu Bett, denn er war ebenso müde wie Bridhe zu sein schien. Er zog kurz die Stirn in Falten und gedachte dann das Missverständnis auszubügeln: "Ich will nicht 'gehen', immerhin hab ich die Miete gezahlt. Aber ich werde, so gerne ich Zeit mit dem Kleinen verbringe, eben auch meinen Geschäften nachgehen müssen. Da braucht es also eine andere Lösung und so weit ich gehört habe, hat eben jene Frau einen guten Ruf." Zwar hatte Catubodus nur im Vorbeigehen einen einzigen positiven Kommentar aufgeschnappt, aber das klang weit weniger überzeugend, als wenn er ein wenig übertrieb. Natürlich würde er sich die Frau auch mit Bridhe ansehen gehen, wenn sie dies wollte um sie erst zu überprüfen.
    Aufmerksamer als zuvor lauschte Catu der Antwort Bridhes bezüglich ihrer Kenntnisse. Er würde Augen und Ohren auch in dieser Richtung offen halten und nickte. "Mal sehen." Mit einem Blick, der darauf schließen ließ, dass er etwas überlegte trank er seinen Met aus, um dann zu verkünden: "Ich glaube es wird nun Zeit." Er erhob sich wodurch deutlich wurde, dass er sich nun des Schlafes zu widmen gedachte.

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