Officium Proconsularis | Lucius Flavius Furianus

Ich habe dort mit einem kleinen Experiment begonnen. Das Volk soll mehr mitbestimmen können. So bin ich nun daran, eine Reihe kleinerer Erlässe herauszugeben, die den Bürgern mehr Mitbestimmungsrecht geben sollen. Zum Beispiel soll es jedem Bürger erlaubt sein, gegen meine Erlässe Widerspruch einzulegen, den ich zu beachten habe.

"Das erschwert deine Arbeit, wenn wirklich jeder Bürger dagegen widerspruch einlegen kann, es gibt Leute, die sind aus reiner Bosheit dagegen, aber wenn du damit gute Erfahrungen machst, es ist deine Stadt ..."

Nun ja, Willkür soll es nicht geben. Wer Widerspruch einlegt, muss diesen auch begründen können, sonst wird er abgeschmettert.

"Gab es bereits widersprüche gegen eine Entscheidung?"

Agrippa war neugierig ...

Ja, direkt gegen das erste Edikt, das den Bürgern das Widerspruchsrecht zusprach. Merkwürdigerweise fühlten sich die alten, ehrvollen Männer dadurch angegriffen, da sie ja nun auch zur Stadtverwaltung gehören und somit auch unter den Widerspruch fielen.

Die jüngeren dagegen waren wohl sehr angetan dadurch.

Agrippa lachte ...

"Sie haben gegen dieses Widerspruchsrecht Einspruch erhoben? Es gibt wahrhaftig merkwürdige Gestalten, da bekommen sie mehr Mitsprache und dann gegen sie dagegen auch noch vor."

Ich grinste und lehnte mich zurück.

Das Volk muss erst erfahren und zu schätzen wissen, welche Macht es in den Händen hält. Von heute auf morgen kann man niemanden zu einem selbstverantwortlichen Menschen machen. Aber man kann es ihm beibringen bzw. ihm beibringen, dafür zu kämpfen.

"Seid wir einen Kaiser haben, weiss das Volk diese Macht nicht mehr zu nutzen, so sieht es jedenfalls aus, es sollen lieber andere für sie entscheiden ..."

Agrippa schüttelte den Kopf ...

Das sehe ich leider anders, Agrippa. Jeder von uns hat einen eigenen Kopf. Jeder von uns schätzt den Kaiser als Institution repräsentativer Macht. Ich denke jedoch, dass keiner im Volke dumm genug ist, bevormundet zu werden.

"Du denkst also, die Macht des Einzelnen, nennen wir es doch König, Kaiser oder Fürst, ist besser als die Macht des Senates und des Volkes?"

Ich sah ihn fragend an.

Habe ich das behauptet?

"Ich habe es so verstanden ..."

Nein, eher im Gegenteil. Der Einzelne sitzt im Volk und übt zusammen mit diesem Macht aus.

"Der Monarch sitzt im Volk und übt zusammen mit ihn die Macht aus? Bitte erläutere mir dies? Was kann das Volk gegen den Kaiser machen, wenn er sich unbeliebt macht? Ausser Hochverrat natürlich ..."

Ich meine den Einzelnen als Mann des Volkes. Ich kenne da keinen Monarchen. Unter uns gesagt - und Du kannst mich deswegen ruhig ans Kreuz nageln - ist der Imperator kein Mann des Volkes und wird es auch nie sein. Die einzige Macht, die dem Volke bleibt, ist der bewaffnete Widerstand. Soweit soll es nicht kommen. Jedoch sollte auch der Senat endlich begreifen, dass er seit Jahrzehnten instrumentalisiert worden ist. Du bist vielleicht noch einer der wenigen, der noch wirkliche Macht in den Händen hält. Aber auch Du kannst abgesetzt werden vom Kaiser wie es ihm beliebt.

Das soll nicht aufrührerisch sein, aber ich sehe Dich eher als meinen Vorgesetzten an als den Kaiser.

"Nun ja die Macht sollte nicht der Kaiser haben, sondern der Senat und das Volk, wobei der Senat das Volk in die richtige Richtiung lenkt."

Agrippa blickte ihn verwirrt an.

"Ich habe Macht in meinen Händen? Von welcher Macht sprichst du, ich wüsste nicht, welche Macht ich hätte ..."

Ich gebe dir recht. Die Macht sollte wieder vollständig beim Volk und Senat liegen. Leider denkt nicht jeder so wie wir. Meine Reformversuche in Corduba und in der Curia sind Schritte dorthin.

Wo deine Macht liegt? Dein Wort hat viel Gewicht in der Curia und du ernennst Magistrate. Du bist der höchste Vertreter des Volkswillens in der Provinz und höchster Richter. Das würde ich schon als Macht bezeichnen.

"Nun ja in Spanien mag ich die absolute Macht haben, aber in Rom leider nicht. In Rom bin ich bloss ein alter und verbrauchter Mann ..."

Ich war, nach etwas längerer Zeit, beim Officum des Proconsuls abgekommen. Nun klopfte ich an.

*klopf, Klopf*

Herein