Das Spielen mit offenen Karten gehörte nicht gerade zu Laevinas herausstechenden Eigenschaften, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie heute abend zumindest im Rahmen ihrer Familie damit anfangen sollte. Vielleicht war es ja auch an der Zeit, sich ihre "besonderen" Energien mehr für Ereignisse und vermeintliche Gegner ausserhalb dieses Hauses zu aufzuheben.
Nun, ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, wo ich da anfangen soll. Dass mein erster Mann Vindex schon sehr früh gestorben ist, wisst ihr ja wahrscheinlich schon. Meine beiden Söhne Severus und Victorius waren damals erst vier und drei Jahre alt, deshalb habe ich mich dazu entschlossen noch einmal zu heiraten." Dass ihre Verbindung mit Marcilius Lento seinerzeit tatsächlich aus Liebe zustande gekommen war, verschwieg Laevina bewusst. Zum einen würde das die beiden Männer kaum interessieren, und zum anderen hatte sie keinerlei Lust, irgendeinem anderen Menschen Einblick in ihr Gefühlsleben zu offenbaren.
Daher nahm sie noch einen Schluck Wein und sprach dann mit ruhiger Stimme weiter.
"Nach der Hochzeit sind Lento und ich dann mit den beiden Jungs auf das Landgut seiner Familie in Nola gezogen. Damals habe gehofft, es würde nur vorübergehend sein, aber da hatte ich mich leider getäuscht." Laevina seufzte und stocherte ein wenig auf ihrem Teller herum, bevor sie fortfuhr.
"Mein zweiter Mann hatte durchaus einige Fähigkeiten und Talente, und er hätte es weit bringen können, aber leider hat er das nicht gewollt.
Ein Jahr später wurde unsere gemeinsame Tochter geboren, und wir zogen die drei Kinder gemeinsam dort auf dem Land auf und lebten vom Geld seiner Familie und seinem bescheidenen Gehalt als Anwalt.
Nun ja, die Kinder wurden groß und Victorius ging zur Armee". Ohne, dass sie es selbst merkte, fingen Laevinas Augen an zu leuchten, als sie von ihrem Lieblingsssohn erzählte.
"Er war wirklich sehr talentiert, und ich habe von vielen Seiten gehört, dass er eine vielversprechende Karriere vor sich hatte..." an dieser Stelle musste sie schlucken......" aber dann ist er in Germanien gefallen." Laevina räusperte sich und trank noch einen weiteren Schluck Wein. Nein, diese Cena war wirklich nicht nach ihrem Geschmack...
"Mein zweiter Sohn Severus war einige Zeit hier in Rom unterwegs, ich glaube, er hat sogar eine Weile in diesem Haus gelebt. Seit er aus Nola fortgegangen ist, hab ich nichts mehr von ihm gehört, solltet ihr also irgendetwas darüber wissen, wohin er verschwunden ist, wäre ich euch sehr dankbar." fügte sie dann auch mit einem Blick auf Avarus hinzu.
"Und meine Tochter Alba...., nun ja, wie ich schon sagte, war sie ein sehr liebenswertes Mädchen und darüber hinaus auch sehr hübsch. Sie hatte jede Menge gutsituierter Verehrer aus vornehmen Familien, und ich hatte die Hoffnung, dass zumindest sie ihr weiteres Leben in Rom weiterführen würde können. Leider hat sie sich unter all ihren Bewunderern ausgerechnet Iunius Macro ausgesucht, der weder Vermögen noch irgendeine vielversprechende Karriere aufweisen konnte. Lento und ich waren natürlich dagegen, aber sie hat sich trotzdem heimlich mit ihm getroffen und.....nun ja, so wie die Dinge standen, blieb uns nichts anderes übrig, als einer Hochzeit zuzustimmen."
Laevina machte eine kurze Pause und starrte in den Wein in ihrem Becher, als könne sie dort einige Gesichter der Vergangenheit sehen.
"Natürlich hat sich herausgestellt, dass wir mit unserer Ablehnung richtig gelegen hatten. Macro konnte unserer Tochter nur ein armseliges Leben bieten, und kaum war sie tot, hat er sich vom Acker gemacht und sein Kind wie einen Sack Wäsche an unserer Tür abgegeben."
Sie sah von ihrem Becher auf und sah nacheinander die beiden noch anwesenden Männer an.
"Aus diesem Grund bin ich meiner Enkelin und auch einigen anderen Menschen gegenüber vermutlich strenger gewesen, als ich es hätte sein müssen, aber bislang hat sich meine Wachsamkeit bewährt und ich habe auch in Zukunft nicht vor sie abzulegen."
So, das musste an "offenen Karten" für's erste genug sein. Alles was Laevina in den letzten Minuten erzählte hatte, entsprach tatsächlich den Tatsachen, hoffentlich würde das auch entsprechend gewürdigt werden...