Hauptstall

  • Callista sah zum ersten Mal in ihrem Leben wie es am "Morgen danach" so aussehen konnte und stieg mit einer Mischung aus anerzogener Pikiertheit und neugieriger Belustigung über die Bierleichen hinweg und besah sich das Chaos im Garten, zu dessen Beseitigung sich noch niemand hatte aufraffen können. Anscheinend war die Feier zu Ehren ihrer Hochzeit noch bis spät in die Nacht oder auch bis früh in den Morgen weitergegangen. Allzu viel Zeit, sich umzusehen hatte sie allerdings nicht, denn ihr Mann zog sie freudig hinter sich her, bis sie durch den Garten zu den Ställen gekommen waren. In ihrer Kindheit hatte sie mal ein Pony besessen, der typische Pferdegeruch war unverkennbar und sie fragte sich stirnrunzelnd, was das alles zu bedeuten hatte. Wer war Sirwing? Und wieso sollte sie ihre neue Freundin sein? Verwundert und nervös blickte sie von Witjon zu Leif und zurück. Was hatten die Männer denn vor?

  • Leif kam wenige Augenblicke später zurück aus dem Zwielicht des Stalls. Man hörte das Stapfen seiner Stiefel, doch er war nicht allein. Vier Hufe klapperten über den strohbedeckten Boden und ein Schnauben war ebenfalls zu hören. Witjon grinste seine Frau breit an und drückte ihre Hand herzlich. "Callista, darf ich vorstellen: Das ist die Stute Sirwing. Sie ist meine Morgengabe an dich und gehört von nun an dir." Er deutete mit der freien Hand auf den Lichtfuchs, der nun von Leif ins Freie geführt wurde.


    [Blockierte Grafik: http://farm4.static.flickr.com/3084/2606932365_1f5d8cea19_s.jpg]Sirwing


    Sirwing ist fünf Jahre alt, gemütlich und ruhig und ist ein sehr diszipliniertes Tier. Perfekt für Callista, die sicherlich keine allzu große Erfahrung im Reiten besaß. Erwartungsvoll schaute Witjon sie an und war gespannt auf ihre Reaktion.

  • Callista bekam große Augen, als sie Witjons Worte hörte und schüttelte verlegen den Kopf. Ein Pferd, sie bekam tatsächlich ein eigenes Pferd? Leif führte die Stute heran, die irgendwie müde aussah und gelangweilt auf einem Strohhalm kaute, der ihr noch halb seitlich aus dem Maul hing. Ihr Schopf hing ihr wild ins Gesicht und sie schnaubte einmal und schüttelte dann den Kopf um einige Fliegen zu vertreiben. Callista schaute einen Moment und ging dann, Witjons Hand loslassend, auf die Stute los und nahm Leif den Führstrick ab. Sirwing roch an der Hand der Frischvermählten, prustete und pustete und suchte dann nach etwas Essbarem, was Callista natürlich nicht dabei hatte. Ihr Fell glänzte und sie war gut genährt, ihre Augen klar und freundlich, außerdem schien sie ganz ruhig und ausgeglichen. Es dauerte noch einige Augenblicke, in denen Callista ganz ruhig und wortlos die Stute musterte, sie kraulte und mit ihr schmuste und sie einfach nur ansah. Ihr war bewußt, dass Witjon und wohl auch Leif sie musterten und man(n) erwartete sicherlich eine überschwenglichere Reaktion von ihr, doch es gab soviele Gedanken die in ihrem Kopf schwirrten.


    Zum einen überlegte sie, ob sie Witjon von ihrem Pony erzählt hatte. Oder ob er keine Angst hatte, dass sie runterfiel. Vor allem, wenn sie schwanger war. Wozu sie Sirwing überhaupt brauchen sollte. Wieso man einer Römerin ein Pferd schenkte, wo das Reiten bei römischen Frauen doch verpönt war. Und wieso in aller Götter Namen hatte sie kein Geschenk für IHN!? Sie biss sich auf die Unterlippe und ignorierte gekonnt, dass Sirwings große Lippen an ihrer Hand nuckelten und eine Spur von Dreck hinterließen. Was sollte sie denn jetzt sagen? Innerlich wünschte sie sich an einen anderen Ort, in eine andere Zeit, als ihr Leben noch einfacher gewesen war und man sich nicht soviele Gedanken machen brauchte, wen man wie vor den Kopf stieß.


    Sie lächelte Witjon höflich an und nickte ihm zu. "Danke, das ist sehr nett. Sie ist bestimmt ein tolles Pferd." Ihre Stimme klang ernst, aber dankbar und gleichzeitig weich, wobei es aber nicht wirklich herauszuhören war, ob sie sich nun freute oder nur höflich war. "Was bedeutet ihr Name?" fragte sie, denn das interessierte sie wirklich. Anscheinend hatten germanische Ehefrauen eigene Pferde, wozu auch immer und man erwartete, dass sie ritt. Oder war das Pferd nur so, zum angucken und züchten gedacht?

  • Witjon zog amüsiert die rechte Augenbraue nach oben. Seine Frau klang ja hellauf begeistert. Hatte er etwa einen Latrinengriff gemacht? Er schaute zu Leif, der nur die Achseln zuckte. "Ganz ehrlich: Ich habe keinen blassen Schimmer was ihr Name zu bedeuten hat." Er grinste leicht. Er wusste nicht einmal, was der Name seines eigenen Pferdes bedeutete. "Ich finde wir sollten heute Nachmittag eine kleine Runde ausreiten. Du sagtest ja du wärst schon des öfteren geritten, auf einem Pony? Dann solltest du ja keine allzu großen Probleme haben." Vor seinem Auge erschienen bereits idyllische Bilder. Witjon stellte sich vor wie er mit seiner Frau die Routen nutzen würde, die er in seiner Zeit hier in Mogontiacum erkundet hatte. Da gab es wunderbare Plätze auf Wiesen, in Wäldern, an Bächen und Seen, in den Feldern und hunderte urige Dörfer und Weiler in der Umgebung der Civitas, die allesamt sehenswert waren. Und Witjon wollte all das gern mit Callista teilen. Hoffentlich würde sie gefallen daran finden die Gegend zu erforschen und mit ihm zusammen seine Heimat nicht nur aus Büchern, sondern nunmehr aus eigener Erfahrung kennen zu lernen. Denn der junge Duccier wusste, dass ihr Bild von Germanien noch so verschwommen und falsch war wie die Sicht eines Neugeborenen. Es gab hier wesentlich mehr, als wilde Barbaren und römerunwürdige Siedlungen. Vielmehr hatten die linksrheinischen Stämme über die Jahrzehnte eine Mischkultur entwickelt, die viele römische Züge hatte und gleichzeitig keltische sowie germanische Einflüsse vereinte. Natürlich verstand Witjon, dass er seine Frau nicht sofort ins kalte Wasser stoßen durfte, denn der Kulturschock war sicherlich groß und seine Frau würde schon genug Probleme haben sich an die Casa Duccia zu gewöhnen. Dennoch wollte er ihre Eingewöhnung auf mehreren Schienen laufen lassen und dazu gehörte eben auch das Land und seine Leute auf weiter Flur zu erkunden. So viel zum Zweck seines Geschenks. (:D)
    Er trat zu Callista heran und legte seine Hände um ihre Hüfte. Witjon drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und hakte dann nach, denn er befürchtete dass seiner Frau das Geschenk nicht gefiel. "Gefällt sie dir nicht?"

  • "Doch, natürlich tut sie das!" sagte Callist prompt und versuchte sich nicht zu versteifen, da er sie jetzt berührte. Es fiel ihr leichter solche Zärtlichkeiten zuzulassen, wenn niemand in der Nähe war. Vorhin noch in ihrem Zimmer war es viel entspannter gewesen, war sie viel entspannter gewesen. Und nun hatte sie schon wieder Angst, alles falsch zu machen, sich dumm anzustellen oder zu blamieren. Und so wie es aussah stand ihr genau das bevor. "Ich war höchstens sechs oder sieben, als ich das letzte Mal auf einem Pferd saß. Mein Vater schenkte mir eins, da war ich fünf. Und nachdem er verstarb wollte meine Mutter es mir wegnehmen und nach einer Weile hatte sie sich damit durchgesetzt. Römerinnen reiten nicht." Besonders der letzte Satz klang sehr bestimmt und konsequent, denn ihre Mutter hatte ihn oft genug gesagt, als Callista das kleine Schimmelpony nicht hatte hergeben wollen. Sie seufzte und gab sich einen Ruck. Hatte Balbus eigentlich gewußt, was hier auf sie zukommen würde? Und wenn ja, warum hatte er nicht Thalna genommen? Sie lächelte ihren Ehemann wenig begeistert an, versuchte aber so gut es ging, sich ihre Bedenken nicht anmerken zu lassen. "Aber ich reite selbstverständlich mit dir aus, wenn du mir versprichst, dass wir nur ganz langsam reiten." Was trug man denn eigentlich, wenn man ritt? Ein Kleid, ein langes jedenfalls, wäre wohl eher hinderlich.

  • Witjon bemerkte sofort, dass die Entspannung wieder dieser für Callista typischen Verkrampfung wich, die anzeigte, dass sie Angst hatte etwas falsch zu machen. Er hatte nun schon einige Male beobachtet wie sie lockerer wude, wenn sie beide allein waren, doch wenn andere Menschen hinzukamen versuchte Callista direkt wieder die makellose Dame abzugeben. Witjon seufzte verhalten. Daran würde er noch arbeiten müssen. Er sah wie sich ihre Laune plötzlich verschlechterte und legte seinen Arm um ihre Schulter um sie sanft zum Haus umzudrehen. "Versprochen, schön langsam. Aber ich schlage vor das können wir gleich beim Essen noch näher bereden. Du hast doch sicher Hunger?" Und weil ihm in diesem Moment der leichte Pelz auf seinen Schneidezähnen auffiel ergänzte er: "Selbstverständlich nachdem ich dir das Balneum gezeigt habe und wir uns ausführlich gewaschen haben. Wenn dir das so recht ist..."

  • Callista schaute ihn verblüfft an. "Ich habt ein Balneum im Haus?" Sie hatte mit vielem gerechnet und sich - zugegebenermaßen - noch gar keine Gedanken geamcht wie "typisch" germanische Körperpflege aussah, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es in der Casa eine römische Badeanlage geben würde. Sie lächelte. Sie mochte es, sich im Balneum verwöhnen zu lassen und hegte, wie die meisten andere ihres Volkes, eine Vorliebe für das tägliche, lange und aufopferungsvolle Bad. Allerdings gab es da ein Detail welches sie wiederum etwas verwunderte. "Das heißt wir werden zusammen baden?" Nur um sicher zugehen sich nicht verhört zu haben fragte sie nochmal nach. "Das ist zwar eigentlich unüblich aber ich denke wir machen eine Ausnahme. Schließlich sind wir verheiratet." Sie lächelte und ging neben ihm her, nachdem sie Leif den Führstrick ihrer Stute anvertraut hatte. Sie war naturgemäß etwas nervös, wenn sie daran dachte mit Witjon zusammen im Wasser zu planschen, allerdings hatte es auch den Vorteil, dass wohl dann niemand sonst stören würde. Was wiederum bedeutete, dass man ihr noch eine kurze Galgenfrist einräumte, bevor alle anderen wieder dazu kamen und sie sich als die Ehefrau zu präsentieren hatte, die sie nun war. "Wann kann ich dir denn meine Morgengabe geben?" fragte sie nach, sich an den sanften Druck seines Arms gewöhnend. Sie hatte zwar gar kein Geschenk, aber ihr war bereits ein Gegenstand in ihrem Gepäck eingefallen, dass ihm gefallen könnte. Zwar war das eigentlich für wen anders bestimmt, aber das musste Witjon ja nicht wissen.

  • "Allerdings haben wir das." Ihre Überraschung ließ ihn schmunzeln. "Erwarte aber nicht zu viel. Der Platz reicht gerade für ein Becken, das höchstens zwei Personen Raum zum baden bietet und etwas mehr Platz für darüber hinausgehende Hygiene. Sveija hat bereits gestern den Auftrag erhalten, das Badewasser aufzuheizen. Wir haben nämlich keine Beheizung im Boden wie in den Thermen, die die römischen Baumeister sogar in Mogontiacum errichtet haben." Manchmal bedauerte er diesen Umstand, doch wenn es nach Lando ginge hätten sie nicht einmal das Balneum bauen lassen.
    Callistas folgende Frage hatte Witjon bereits erwartet. Er nickte. "Genau, wir werden zusammen baden. Bei uns Germanen ist das gerade üblich. Für dich werden wir allerdings dahingehend die Ausnahme machen, dass nur ich mit dir zusammen bade. Für gewöhnlich ist das in der kompletten Familie kein Problem, aber da du aus anderen Verhältnissen stammst..." Er zwinkerte ihr aufmunternd zu, während sie durch die Gartentür ins Innere der Casa traten.
    Auf dem Weg zum Balneum, das im Erdgeschoss lag, beantwortete Witjon seiner Frau dann noch ihre letzte Frage. "Du kannst mich beschenken wann immer du möchtest. Auch wenn du das durch deine blpße Anwesenheit bereits zur Genüge tust." Langsam fand er Gefallen daran seine Gattin mit Komplimenten in Verlegenheit zu bringen. Denn das gelang ihm für gewöhnlich immer! Und dann standen sie auch schon vor der Tür zum Balneum, deren Klinke Witjon herunterdrückte und dann gemächlich eintrat...

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    Da Callista nun offiziell Pferdebesitzerin war, zum zweiten Mal in ihrem Leben, nahm sie sich einen Vormittag vor sich mit Sirwing vertraut zu machen. Als sie noch ein ganz junges Mädchen gewesen war, so ungefähr fünf, hatte ihr Vater ihr ein kleines weißes Pony geschenkt. Damit hatte sie dann immer unter Aufsicht von ihrem Vater oder jemand anderem ihre Zeit verbracht, drauf gesessen hatte sie aber nur wenig, geschweige denn es selbst geputzt oder gepflegt. Leif, der Stallbursche war so nett ihr die Stute zu holen, musste dann aber weg, weil irgendwo im Inneren des Stalls Tumult ausgebrochen war.


    So stand die junge Römerin nun also mit dem Pferd am Strick an der Hros und guckte erstmal ziemlich belämmert. Sirwing nahm diese Gelegenheit wahr und steuerte zielstrebig auf den Wegesrand zu, an dem ein paar saftige Grasbüschel lockten, wodurch Callista mehr oder minder unsanft hinterhergeschliffen wurde. Körperlich hatte sie der stämmigen Stute nichts entgegenzusetzen, loslassen wollte sie diese aber auch nicht. Seufzend stellte sie fest, dass sie hätte auf Witjon warten sollen, er hätte ihr sicherlich genau gezeigt, was sie zu tun hatte. Sirwing schritt gemütlich weiter und knabberte die besten Gräser weg, während Callista ihr notgedrungen folgte. Sie entfernten sich etwas von der Hros und die Römerin hoffte, sie würde die Stute irgendwie wieder in Richtung Stall kriegen. Also begann sie am Führstrick zu ziehen und, so energisch wie eine scheue Frau nru sein konnte (also gar nicht), in Richtung Stall zu laufen. Was Sirwing allerding herzlich wenig beeindruckte.

  • Lando war im Garten gewesen, als in der Hros der Tumult ausgebrochen war. Diese Momente der Ruhe waren rar geworden in letzter Zeit, und jedes Mal, wenn Lando sich einen solchen gönnte wurde ihm klarer, wie sehr die Dinge Gefahr liefen ihm über den Kopf zu wachsen. Es gab immer etwas zu tun, immer etwas zu ändern, immer irgendwelche Interessen durchzudrücken. Und jetzt wurde er auch noch Vater. Mit stummem Blick hockte er auf einem Felsen zwischen den Bäumen und Sträuchern, die Casa selbst war nurnoch durch ein paar Löcher im Blätterwerk zu erkennen, und dachte darüber nach wie er seine Sippe am besten durch diese Zeit steuerte.
    Die ewiggleichen Antworten ("Feinde bekämpfen, Widerstände brechen, Verbündete pflegen") blieben ihm dieses Mal erspart, denn in der Hros machte sich Tumult bemerkbar. Während seine Gedanken noch auf dem Felsen hockten war Lando schon aus dem Mini-Wald hinter der Casa herausgetreten und auf dem Weg zum Stall der Hros, wo sich der Lärm offenbahrte.


    Die wenigen Schritte durch an den Obstbäumen vorbei durch das Tor zum Gelände der Hros waren schnell getan, und einen Augenblick später starrte Lando etwas perplex in den Stall und sah Leif und Pepino dabei zu, wie sie verzweifelt versuchsten eine sichtlich aufgebrachte Moblesi in den Griff zu bekommen. Die temperamentvolle Stute hatte sich anscheinend losgerissen und war nun dabei die Gunst der Stunde in vollen Zügen auszukosten. Als Leif das Tier dann letztendlich doch noch in ihren Stall zurückdrängen konnte, war Lando sich einen Moment lang unschlüssig, ob er jetzt Theater machen sollte, oder nicht. Aber irgendwie wollte er nicht. Er hatte Grund genug dazu, aber alles in ihm sträubte sich. Anstelle dessen schmunzelte er leicht, und ging mit leicht geschütteltem Kopf weiter.


    Um den nächsten merkwürdigen Anblick zu registrieren: da war Sirwing, und sie zog die Ehefrau Witjons durch die Gegend.


    Lando stockte einen Moment. Hatte die Stute sich auch losgerissen? Und Callista bemühte sich, diese jetzt wieder einzufangen, beziehungsweise wieder in Richtung Stall zu ziehen. Lando nahm ihr die Arbeit ab, als er bei ihr war, und zog den Kopf der Stute mit einem gezielten Griff am Zaumzeug nach oben. Die Stute, die Autorität Landos seit Jahren gewohnt, folgte ohne großen Widerstand, und Lando ging ein paar Schritte neben der Prudentia her.


    "Jahre gehörte sie zu den ruhigsten Wesen unserer Riege, und jetzt nutzt sie die Gelegenheit zum Ausbrechen? Will garnicht zu ihr passen... danke, dass du dich ihrer angenommen hast.", sprach er mit ruhigem Lächeln, ohne Callista direkt anzusehen, und streichte der Stute dabei über die Nüstern.

  • Das war so klar gewesen, von allen, die ihr hätten zu Hilfe eilen können war es gerade Lando. Der große Germane mit dem langen Haar war ihr seit jeher immer etwas einschüchternd vorgekommen und sie wenigen Male, die sie miteinander gesprochen hatte, war dieser Eindruck auch nicht verschwunden. Er war der Pater Familias und ein guter dazu, wie man ihr mehrmals gesagt hatte, Balbus hielt große Stücke auf ihn und seine Arbeit. Allerdings wußte sie auch, dass Lando viel mehr auf seine germanische Wurzeln hielt als auf seine römische Zukunft und sie war daher überrascht, dass er Latein mit ihr sprach. Noch auf ihrer Hochzeit hatte er sie auf germanisch in der Familie willkommen geheißen. Wie dem auch war, dankbar war sie auf alle Fälle, dass er ihr half Sirwing wieder in Richtung Stall zu bringen, da sie schon befürchtet hatte die Stute würde auf der Suche nach dem besten Gras erst wieder im freien Germanien halt machen. Sie lächelte dankbar und schüchtern, gleichzeit, was sicherlich seltsam aussah und runzelte dann die Stirn.


    "Also ... ehrlich gesagt ... das war etwas anders." Sie holte tief Luft und versuchte so ihre Nervösität und auch das Stottern loszuwerden. "Eigentlich hatte ich vorgehabt mich ... nun ja ... mit ihr zu beschäftigen. Witjon hat sie mir geschenkt und will demnächst mit mir ausreiten. Aber es scheint ich habe kein Händchen für sie." Ihr war nicht entgangen wie Sirwing auf die starke männliche Hand reagiert hatte und wie problemlos sie nun folgte. An was es ihr wohl fehlte? Kraft? Autorität? Durchsetzungskraft? Wahrscheinlich eine Mischung aus allem und noch etwas mehr. Jedenfalls war die Stute reichlich unbeeindruckt von der schmächtigen Römerin.

  • Witjon hatte WAS? Lando stockte einen Moment, und sah Callista irritiert an. Er hatte ihr Sirwing geschenkt? Wieso wusste er nichts davon? Und wieso kam Witjon überhaupt auf die Idee, etwas zu verschenken was ihm überhaupt nicht gehört?
    Wut flackerte in ihm auf, aber nur für einen Moment, denn er entsann sich der Möglichkeit, die Gelegenheit einfach so souverän wie möglich zu klären: indem er Witjon einfach in einem stillen Kämmerlein den Kopf abriss. Und die Sache nicht noch vor seiner Frau ausbreitete.
    Es war wichtig, dass Witjon seiner Frau gegenüber eine gewisse Autorität zeigte, und gerade mit Autorität hatte der junge Mann sich seit je her schwer getan. Es wäre kontraproduktiv diese Sache jetzt auch noch zu einer Krise hochzustilisieren. Nicht, dass es Lando auf das Geld ankam, Geld hatte er für siene Verhältnisse mehr als er ausgeben konnte. Er wurde einfach nur gerne vorher gefragt, denn er hasste nichts mehr als über etwas im unklaren zu sein. Wie seine Schwester schon immer zu sagen pflegte: Scientia potestas est.


    "Achso? Kannst du denn reiten? In meinen vielen Gesprächen mit meinen römischen Freunden musste ich erkennen, dass römische Frauen oftmals nicht reiten können. Wie sagt ihr noch dazu... unschicklich, ja, das war das Wort: unschicklich. Nicht, dass ich das befürworte. Eine der vielen seltsamen Marotten der Römer. Also, kannst du reiten? Mit Verlaub, deine Kleidung lässt nicht darauf schließen. Außer du wolltest mit Sirwing einen Spaziergang machen.", Lando warf, unverhohlen und sich nichts schlimmes dabei denkend, einen taxierenden Blick am Körper der Römerin herunter, einer der vielen Momente, in denen ein Germane die Privatssphäre eines Römers brutalstmöglichst missachtete, denn schließlich gab es sowas für Germanen nicht.

  • "Ja, genau das ist es ja. Unschicklich." Callista nickte und versuchte unter seinem Blick nicht rot anzulaufen. Was er wohl dachte? Und wieso guckte er überhaupt so? Sie sah einen Augenblick auf den Boden und besah sich ihre Füße, die in typischen Sandalen steckten. Er hatte Recht, zum Reiten war ihre Kleidung wirklich nicht geeignet, aber was sonst sollte sie anziehen? Ein kurzes Kleid!? Niemals! Sie konnte spüren wie ihr Puls sich beschleunigte und ihr die Hitze ins egsicht schoß und hoffte, der Moment würde bald verfliegen. Was musste sie sich auch immer so dumm anstellen? Hätte sie nicht einfach ein Buch lesen können? Oder lernen? Oder sonst etwas, in dem sie wenigstens etwas Talent hatte!?


    "ALs ich ein kleines Kind war, hatte ich ein Pony. Ein Geschenk meines Vaters. Darauf wurde ich herumgeführt." Sie dachte nach und schüttelte dann den Kopf. "Also nein, ich kann nicht reiten." sagte sie entschuldigend und wagte es immer noch nicht, ihren Blick wieder zu heben. Sandalen konnten ungemein interessant sein, nur, dass das die meisten Leute nicht wußten. Lando mochte die Römer nicht besonders und sie tat nicht wirklich viel um dagegen zu steuern und seine Meinung zu ändern. Sie seufzte kurz und wünschte sich zurück nach Mantua.

  • Lando war nicht unbedingt die hellste Gestalt, die in Mogontiacum rumlief. Und er konnte überhaupt nichts mit Subtext anfangen, weder dem verbalen noch dem physischen. So hielt er Callistas auf-die-Füße-starren auch für etwas vollkommen anderes: "Die Sandalen sind in Ordnung. Festes Schuhwerk ist von Nutzen, wenn auch nicht unbedingt notwendig, immerhin berührt man den Boden bestenfalls nur beim Auf- und Absteigen. Aber dieses Kleid... tut mir Leid Callista, damit machst du dir das Leben auf dem Rücken eines Pferds nur selbst schwer. Hat Witjon dir mittlerweile etwas bequemere Kleidung organisiert? Hier im Kreis der Familie und auf der Hros ist schön anzusehende Kleidung meistens nur eins: hinderlich. Wenn du also das Reiten lernen willst, brauchst du aqäquate Kleidung. Später kannst du dich dann am Reiten in vornehmerer Kluft versuchen. Aber ich verspreche dir: steig in dieser Montur auf ein Pferde, und der schöne Stoff wird in Fetzen hängen bevor du zehn Schritte mit dem Tier gemacht hast."


    Das sollte eigentlich genügen. Lando verschränkte die Arme und sah Callista abschätzig lächelnd an, während er darauf wartete, dass sie verschwand um sich etwas bequemeres anzuziehen.

  • "Oh ... " sagte die rothaarige und schaute verwundert auf. Seine pragmatische Art wunderten sie und sie fragte sich irritiert, ob sie irgendwie aneinander vorbei geredet hätten. Doch das Gesicht des Germanen war weder erbost noch ablehnend, er lächelte sogar! Sie grinste verlegen zurück und wußte nicht recht, was sie sagen sollte. Neuerdings war schöne Kleidung etwas negatives, sie durfte nicht nur machen, was sonst verpönt war, nein, sie sollte es sogar, angestiftet durch ihren Mann. Es war schon alles irgendwie sehr anders als bei ihrer Mutter oder bei Balbus und mit einem resignierten Seufzen realisierte Callista, dass sie ihr Selbstbild würde überarbeiten müssen. Diese Ehe würde viel mehr von ihr abverlangen, als sie sich jemals hätte ausmalen können und wenn sie wollte, dass es erfolgreich verlief, würde sie sich wirklich ins Zeug legen müssen. Oder viel eher, in die richtige Kleidung schmeißen. Worauf Lando jetzt sowieso zu warten schien. " ... und was ziehe ich am besten an?" fragte sie daher und traute sich endlich, ihn anzusehen.

  • "Wenn du es so bequem wie möglich haben willst: eine Tunika.", meinte Lando, dem eine Sekunde einfiel, das Römerinnen manchmal Probleme damit hatten sich in Kleidung zu zeigen, die blicken ließ was an ihrem Körper manchmal so dran war. Was er nicht verstand, immerhin wusste jeder erwachsene Mann wie eine Frau aussah. Aber bevor das wieder zu Missverständnissen führte, fügte er noch hinzu: "Dein Mann dürfte eine für den Winter haben, die etwas länger ist und an Kragen und Ärmeln geschlossen, damit der Wind nicht so durchzieht. Das dürfte dir passen. Wenn du es NOCH bequemer haben willst: nimm eine Hose und ein Hemd."


    Die Vorstellung ließ ihn schmunzeln. Callista in Hemd und Hose. Hatte was, wie er fand. :D

  • Tunika!? Hemd und Hose!? Callista schaute Lando einen Moment ungläubig an und sah dann aber ein, dass er nicht scherzte. Wäre sie ein etwas gelassenerer Mensch gewesen, hätte sie jetzt vielleicht geschmunzelt, aber so machte sie sich direkt wieder Sorgen. Sorgen, ob Witjon ihr das Kleidungsstück ausleihen würden, Sorgen darüber falls es kaputt ging, Sorgen darüber darin lächerlich auszusehen oder sich dumm anzustellen. Allerdings schien Lando nicht vor zu haben sie allzu schnell aus dieser Einweisung zu entlassen und so lächelte sie artig und ging. Erst als sie aus seiner Sichtweite war, begann sie schneller zu laufen und kam schließlich außer Atem in dem Zimmer an, wo sie und Witjon lebten. Der, den Göttern sei Dank, nicht da war. Unschlüssig blickte sich die junge Matrona um und suchte eine Kiste oder ähnliches, worin Witjon seine Winterkleidung aufbewahren könnte. Es dauerte, aber schließlich war es gefunden, angezogen und alles andere wieder aufgeräumt. Es gab hier drin zum Glück keinen Spiegel, so dass Callista ihr Anblick erspart blieb. Sie schmunzelte, als sie an sich herunter sah und hoffte niemand würde es ihr übel nehmen. Ihr Waden waren zu sehen! In Rom völlig unschicklich, außer man verfolgte damit ein gewisses Ziel, aber hier anscheinend kein Grund zur Panik.


    So kam sie dann, angemessenen Schrittes, zu Lando und ihrer Stute zurück.

  • Sie hatte tatsächlich den wärmsten Fummel gefunden, den sie auftreiben konnte. Lando lehnte lässig an der Stute und sah mit innerlich schüttelndem Kopf wie sie sich betont herrschaftlich näherte.


    "Römer.", murrte er in sich selbst hinein. Er hätte es vorgezogen, hätte die Dame sich einfach einen einfachen Rock angezogen, weil es schlichtweg bequemer gewesen wäre. Dabei hätte man natürlich auch mehr von Callistas Körper zu sehen bekommen, aber da war Lando so Germane wie Mann: wenn er etwas zu sehen bekommen hätte, hätte es ihn erstens nicht gestört, und zweitens wäre es vollkommen normal gewesen.
    So aber war er sich sicher, dass die Römerin fix ins Schwitzen kommen würde, sobald es etwas schneller herging.


    "Nun gut... dann wollen wir mal, folge mir auf die Koppel, Callista.", sprach er, nahm die Stute an die Hand und führte die beiden Damen auf den Trainingsplatz der Hros.

  • Da man ihm damals am Stand des Handelskonsortiums Freya Mercurioque den Weg zu diesem Gestütt gewiesen hatte, nachdem er nach Pferdehandel gefragt hatte, war Vibulanus an diesem Tag hier. Sein Sklave Casticus begleitete ihn und er fluchte innerlich über den für ihn außerst unbequemen Weg hierher. Es wurde Zeit für ein neues Pferd, denn er wollte trotz seines Alters und seiner Malheure verdammt sein, wenn er sich wie einer dieser feinen Pinkel in einer Sänfte herumtragen lies.


    "Salve, wer ist hier zuständig, wenn ich ein Pferd kaufen will?"


    wandte er sich sogleich an die nächstbeste Person, die ihm über den Weg lief.

  • Leif:
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    “Das wär dann wohl ich“, meldete sich Leif aus dem Inneren des Stalles. Er hängte das Zaumzeug, das er gerade gerichtet hatte, an einen Haken und trat dann auf den Besucher zu. Der Stallbursche, der angesprochen wurde, nickte nur und ging dann weiter seiner Arbeit nach.
    “Und wenn du ein gutes Pferd brauchst, bist du hier genau richtig. Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie das Tier sein soll?“ Ein temperamentvoller Junghengst war eben was anderes als eine gesetzte Stute.

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