Ob von der Wut des dreisten Thrakers angespornt, oder von Selbstsicherheit über seine eigenen Kräfte, können die Zuschauer nicht beurteilen, aber Mithradates denkt gar nicht daran den jetzt noch unhandlicheren Schild fortzuwerfen. Er setzt lieber seinem Gegner nach, der sogar Mithradates den Rücken zudrehen muss, um schleunigst zu entkommen - klarer kann man seine Flucht gar nicht eingestehen!
So bleiben auch keine Buh- und Spottrufe aus, als Rhaskos die hoch aufragenden Mauerbegrenzungen der Arena erreicht. Der Pontier ist aber nicht weit hinterher und erreicht den Retiarier nur einen Lidschlag später. Zweimal kann Rhaskos den ungestümen Angriffen ausweichen, dann aber rammt Mithradates den kleineren Thraker mit seinem Schild zu Boden. Rücklings landet er auf dem hellen Sand, während Mithradates schon nachsetzt um mit seinem Gladius dem Kampf ein Ende zu machen.
Dem "Piraten" fällt nunmehr scheinbar nichts mehr ein, außer dem ältesten Trick der Gladiatoren: Hastig wirft er dem Secutor eine Hand voll Sand entgegen... Eine Aktion, die der erfahrene Mithradates vorhersehen konnte, und so reißt er den Scutum empor, so dass keine störenden Sandkörner ihn durch das Visier behindern können.
So weit, so bekannt. Nun aber überrascht Rhaskos wirklich nahezu alle Besucher des Kolloseums: Blitzschnell huscht er auf allen Vieren nach vorne, nutzt die Abgelenktheit seines Gegners und macht eine Handbewegung an der Ferse des Pontiers. Bevor der überhaupt versteht, was so eben passiert ist, rollt sich der Retiarius schon zur Seite und steht auf, im Begriff sich seinem fern im Arenarund liegenden Netz zuzuwenden. Erst jetzt bemerken die weniger aufmerksamen Zuschauer die blutende Wunde Mithradates' am Knöchel und den bluttriefenden Dolch in der Hand des Thrakers... Doch woher hatte Rhaskos die Waffe? Grundsätzlich ist es dem Retiarius erlaubt, einen Dolch mitzuführen, doch an der Ausrüstung des Gladiators trug er keinen, da waren sich alle Zuschauer sicher!
Noch lange sollten die Römer diskutieren, an welcher Stelle der hinterlistige Seemann die Waffe wohl versteckte, denn nur die Wenigsten hatten gesehen, wie er insgeheim im Liegen ein schwarzes, etui-artiges Täschchen an der Innenseite seiner nachtschwarzen Manica öffnete und den ebenso dunklen Dolch hervorholte.
Schon wendet sich Rhaskos mit eiligen Schritten dem verlorengegangenen Netz zu, da wird er des tosenden Lärms gewahr, der plötzlich aufbrandete. Neugierig blickt er sich um und sieht den knieenden Secutor, der durch das aufgesetzte Schild schon zu genüge seine Kapitulation zeigen würde, dies aber durch das Fortwerfen seines Gladius noch unterstreicht. Der Summa Rudis fährt mit dem Stab zwischen die Kontrahenten, so darstellend, dass der Kampf beendet ist.
Ebenso flink wie zuvor huscht der Thraker zurück zu seinem wild schnaufendem Gegner, hebt die Waffe auf und schaut dann in Richtung des Publikums - denn ihre Entscheidung wird Leben oder Tod für Mithradates bedeuten...