Brüderlicher Besuch

  • Schon lange hatte Meridius seine Schwester nicht mehr gesehen. Bevor er nach Germanien abreisen würde, wollte er dies nachholen. Er trat folglich auf den Platz vor dem Gebäude und ließ nach seiner Schwester fragen. Hoffend, dass sie da sein würde, dachte er über die vergangenen Tage nach.

  • Zuerst wollte sie es nicht ganz glauben, als man ihr mitteilte ihr Bruder wolle sie sprechen, als sie ihn dann aber von weitem erkannte, zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Er schien allerdings nicht ganz so glücklich.


    Wie geht es dir?"


    Unschlüssig wie man als Vestalin männliche Verwandte am besten begrüßte blieb sie vor ihm stehen.

  • "Salve Tertia."


    Meridius wandte sich ihr zu und trat näher.


    "Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Ich dachte, es wäre nötig, das mal nachzuholen, bevor ich nach Germanien aufbreche."


    Er hielt inne.


    "Wie geht es Dir?"

  • Es war schon seltsam das er ihr nicht antwortete.


    "Ja aus dem Grund stört es mich auch, dass ich Rom nicht verlassen kann. Ich konnte nicht mal zu Onkel Mercators Begräbnis kommen...


    Sie machte eine Pause.


    "Aber sonst geht es einem als Vestalin ganz gut, solange es keine Staatskrise gibt. Aber seit wann weichst du Fragen aus?"

  • Meridius lächelte.


    "Tut mir leid. Ich bin etwas durch den Wind. Zum einen die Ernennung zum Legatus Augusti Pro Praetore, auf der anderen Seite jedoch die Ereignisse in der Familie und dann auch noch Neider. Anders kann ich es nicht bezeichnen. Ich will Dich damit nicht belästigen..."


    Er sah sie an.


    "Es ist aber schön, Dich mal wieder zu sehen."


    Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie wenig er seine Schwester noch kannte. Wieviel Zeit war seit dem letzten Zusammentreffen vergangen? Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

  • "Ja das finde ich auch, wenn du jetzt nach Germanien gehst, wird es wohl wieder eine Zeit dauern...Aber ich freu mich trotzdem für dich und Vater würde es sicher auch so gehen."


    Sie hatte in letzter Zeit häufiger an ihre Familie gedacht, vielleicht lag es an Mercators Tod.


    Und auch wenn du mich nicht belästigen willst und das hier vielleicht zwischen uns steht." Sie deutet auf ihre Vestalinnentracht "würde es mich interessieren."

  • Meridius überlegte lange.


    "Es geht um Lucilla. Sie hat sich mit diesem Avarus verlobt. Ich erfuhr es hinterher, aus einer Nebenzeile in einem Schreiben. Dieser Mann passt nicht zu ihr. Er entfernt sie von der Familie. Dass die Nota Censoria über ihn ausgesprochen wurde, ist Dir sicher nicht entgangen."


    Er sah sie an.


    "Er hat die Loyalität unserer Familie im Senat in Frage gestellt. Die meine, die von Livianus, die von Magnus und sogar eines meiner Klienten. Und bringt es fertig im selben Atemzug unsere Schwester spazieren zu führen. Ich weiß nicht ob er sie liebt. Ich kann es mir nicht denken. Würde er es tun, würde er ihrer Familie nicht ständig in die Quere kommen, oder? Lucilla ist doch Teil ihrer Familie. Wir sind ihre Identität. Sie liebte mich. Und was tut er? Wo es geht säht er nichts als Hass."

  • Über das soeben gehörte regt sich Tertia doch so auf, dass sie unwillkürlich lauter wird. Schon der Grund für die Nota Censoria hat ihr Avarus unsympatisch werden lassen und nun das.


    "Was hat er getan? Ich weiß das er die Götter beleidigt hat und sonst scheint ihm auch nichts heilig zu sein...Lucilla tut mir so leid, sie liebt ihn wirklich aber wenn er ihr nichts davon gesagt hat und das glaube ich, sonst wäre sie nie mit ihm spazieren gegangen, dann hat er sie vorgeführt. Wenn er sie wirklich kennen oder lieben würde hätte er das nicht getan..."

  • Meridius seufzte.


    "Lassen wird das Thema. Eigentlich bin ich hier her gekommen um mit Dir zu reden und um Abschied zu nehmen. Ich weiß nicht, wann es mir mein Kommando erlaubt zurückzukehren. Ich werde es jedoch versuchen Dich zu besuchen, wann immer ich in Rom bin.


    Und... Ich werde heiraten. Du kennst Iulia Severa sicher noch von früher. Nächsten Monat ist es soweit."

  • Tertia musste immer noch an Lucilla denken und konnte sich in dem Moment einfach nicht richtig für ihren Bruder freuen, zudem sorgten Hochzeiten bei ihr sowieso für ein wehmütiges Gefühl. Sie antwortete ziemlich tonlos.


    "Ja...und ich werde sicher nicht kommen können.Ich hab mir schon gedacht das wir uns lange nicht mehr sehen werden, ich wünsche dir das alles so wird wie du es dir vorstellst. Spätestens wenn ich mit dem Dienst an Vesta abschließe wird es besser...."

  • Meridius sah sie fragend an.


    "Wie kann ich diesen Satz interpretieren? Hörst Du vorher auf? Oder bleibst Du Rom als Vestalin erhalten?"


    Soweit er sich erinnern konnte, hatte sie zumindest bisher die Absicht gehabt, der Göttin ganz und auf Dauer zu dienen.

  • Sie überlegte wie sie es am besten erklären sollte...


    "Nach dem Ende der Zeit, die man sich zum Dienst an Vesta verpflichtet hat kann man wieder ins normale Leben zurückkehren, ich denke darüber nach dies zumindest irgendwann kurzfristig zu tun. Ich will nicht für den Rest meines Lebens nur in Rom bleiben, ich will zumindest noch einmal nach Hispania zurückkehren... Sofern sich nichts grundlegendes verändert hat, kann man danach ins Atrium Vestae zurückkehren. Aber du wüsstest Bescheid wenn es soweit wäre."

  • Meridius verstand. Er nickte.


    "Gut."


    sagte er nur und trat dann näher auf seine Schwester zu.
    Er hatte sie schon lange nicht mehr berührt.


    Er streckte seine Hand aus und strich ihr ein Haar aus dem Gesicht.


    "Du darfst mir schreiben, wenn ich in Germanien bin. Und teile mir vielleicht mit, was Lucilla macht. Ich fürchte, dass sie nicht weiß was sie tut und wenn ich nicht hier bin..."


    Er sprach nicht weiter.


    "Pass auf Dich auf."

  • Wann hatte ihr jemand das letzte Mal das Haar aus dem Gesicht gestrichen? Es war damals in Tarraco gewesen aber sie wollte sich lieber nicht daran erinnern...


    "Du auch, dein Leben ist gefährlicher als meines."


    Ihr Blick wurde ernster und entschlossener.


    Ich bin ihre Schwester und als solche werde ich mit ihr reden."

  • "Ich danke Dir, Schwester."


    Meridius neigte sich nach vorne und küsste sie auf die Stirn. Dann lächelte er und wandte sich um. Mit bedächtigen Schritten verließ er den Platz und nahm den Weg zurück zur Casa.

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