Officium des Kommandeurs

"Traditionen, die nur um der Tradition Willen bestehen, während andere Lösungen die besseren wären, werden eines Tages verschwinden. Niemand führt im Kampf ein altes Schwert, weil es Tradition ist, wenn er ein besseres haben kann. Er nutzt es vielleicht zu Paraden, doch hier ist der Zweck nicht mehr der des Kampfes, sondern der der Zierde.

Deine Klienten engagieren sich sowieso für dich, zumindest nehme ich das an. Für dich reden können sie ja auch, wenn du von dir aus auf die Rostra steigst. Ich halte es ja auch gar nicht für falsch, sich von seinen Klienten ausrufen zu lassen - aber ich halte es schlicht nicht für nötig. Wir leben in einer Zeit, in der die Tatkraft des einzelnen Mannes zählt. Der Princeps lebt es vor, da dürfen wir als Kandidaten seinem Beispiel gerne folgen."

Lächelnd gießt er ein.

"Zumindest ist dies meine Meinung."

"Nun, so hat eben jeder seinen Stil des Wahlkampfes und seine Art, die Stimmung im Volk zu testen und zu beeinflussen. Ich habe mir in letzter Zeit angewöhnt, nicht Menschen, sondern Wände für mich sprechen zu lassen. Mit ein paar wohl platzierten Wahlparolen oder anderen Ankündigungen auf einigen Wänden der Stadt erreicht man auch jene, die nicht den langen Reden auf der Rostra zuhören. Und bei einem unauffälligen Rundgang kann man problemlos sehen, was die Leute von den Sprüchen halten, wenn sie sie überpinseln oder überdecken - oder es eben nicht tun."

Er hob seinen Becher.

"Aber so gibt es eben viele Wege zum Ziel. Mögen jeder den nutzen, der für ihn am besten ist."

Zitat

Original von Lucius Annaeus Florus
So sei es, darauf kann ich ohne Problem trinken! Doch eigentlich wollte ich einfach einmal wieder in diesen Hallen vorbeischauen, jetzt wo ich hier nicht mehr lernen MUSS.

"Hast du vielleicht Lust, eines Tages einmal auf der anderen Seite zu stehen und einen Cursus hier abzuhalten?" griff Macer das Thema sofort auf. "Als Praefectus der Classis hast du doch sicher schon recht viel Erfahrung in der Ausbildung von Offizieren gesammelt. Wenn du davon auch einmal etwas hier anbringen möchtest, wärst du willkommen."

Bisher hatte es nur sehr selten Gastdozenten an der Academia gegeben, was sich nicht immer positiv auf die Wartezeit zwischen zwei Kursen auswirkte. Auch für den nächsten Kurs existierte bisher nicht viel mehr als eine Stichwortliste und einige Ideen in Macers Kopf.

Das Klopfen an der Tür überraschte ihn, da ihn der Scriba aus dem Vorzimmer selten zu stören pflegte, wenn er im Gespräch war. Es musste wohl etwas wichtiges geben.

"Ja, bitte?"

"Danke."

Macer quittierte die Meldung mit einem Nicken und fragte sich, warum der Soldat im Vorzimmer nicht seinen Pflichten nachgekommen war.

Dann blickte er wieder Annaeus Florus an, der kurz vor der Störung zu einer Antwort anheben wollte.

"Es sind ja nicht nur die Schlachten, die einen Offizier qualifizieren. Da habe ich auch nur wenig vorzuweisen. Andere Erfahrungen zählen genauso viel. Immerhin werden hier auch Offiziere ausgebildet, die ihr ganzes Leben lang womöglich keine Schlacht erleben werden. Außerdem lernt man die Praxis der Kriegsführung ohnehin besser im Feld, als in einem Auditorium."

Er nahm wieder einen Schluck und überlegte kurz, ob er dem Praefecten ein Thema vorschlagen sollte, entschied sich dann aber dagegen.

"Das Thema wäre dir im Prinzip freigestellt. Es sollte natürlich ein Bereich sein, in dem du dich selber entsprechen auskennst und der für die Offiziere von Interesse ist. Es muss nichts nautisches sein, wenn dir andere Themen näher liegen."

Macer hatte es noch nie als Nachteil empfunden, dass ein Teil der Flottenoffiziere keine nautische Ausbildung hatten und erwartete daher auch gar nicht unbedingt ein nautisches Thema vom Flottenpräfekten.

"Sicher, das hat alles keine Eile", stimmte Macer der Bitte um Bedenkzeit zu. "Die Frage meinerseits bot sich nur gerade an, da wollte ich die Möglichkeit nicht ungenutzt lassen. Ich möchte den Studenten die Chance geben, einmal nicht nur von mir lernen zu müssen. Je mehr Dozenten, desto facettenreicher die Ausbildung."

Das baldige Ende seines Aedilats sollte ihm zwar etwas mehr Zeit geben, weitere Kurse abzuhalten, aber trotzdem war er für jede Mitarbeit dankbar.

"Aber du hast recht, warten wir zunächst einmal die Wahl ab, dann sehen wir weiter."

"Die Freude war ganz meinerseits, hier von dir besucht zu werden", antwortete Macer und erhob sich ebenfalls.

"Wir werden uns sicher in nächster Zeit noch öfter hier in Rom treffen."

Er begleitete den Gast bis zur Tür, verabschiedete sich und bat dann den wartenden Besucher hinein.

Macer fragte sich zwar, warum er diese Frage nicht einfach dem Scriba im Vorzimmer gestellt hatte, der für derartige Antworten befugt war, beantwortete sie dann aber doch in ruhigem Ton.

"Ja, der nächste Kurs wird zum Examen Tertium führen. Thema und Inhalte stehen weitgehend fest, jedoch fehlte mir bisher die Zeit zur Vorbereitung der Vorlesungen. Einen festen Termin kann ich noch nicht nennen. Sobald er feststeht, wird er bekannt gegeben werden."

Macer war selbst ein wenig überrascht darüber, wie häufig ihn seine Schritte in den letzten Tagen in sein Büro in der Academia Militaris geführt hatten. Jetzt saß er schon wieder über einigen großen Wachtafeln und machte sich die letzten Notizen für die Vorlesung zum nächsten Examen Tertium. Die Prüfung musste er noch vorbereiten und vor allem das Kolloquium. Grübelnd blickte er an die Decke. Eine Landkarte benötigte er dafür. Nicht detailiert, nicht einmal von einer bestimmten Gegend, aber groß genug müsste sie sein. Er kratzte sich am Kopf und überlegte, wo er eine solche am einfachsten beschaffen konnte.