Cubiculum | Apollonius

  • Einige Zeit nach dem Gespräch mit Meridius hatte sich Apollonius zu den Räumlichkeiten innerhalb der Regia führen lassen. Interessierten Blickes musterte er den Raum, nickte langsam und wanderte wieder, mit einem nach innen gerichteten Blick, nach draußen.


    Einige Stunden sollten vergehen ehe der Medicus mit seinen Sklaven, Sack und Pack wieder zurückkehrte. Mit einem Winken zeigte er seinen Sklaven die Räumlichkeiten und verschwand wieder. Doch die Sklaven fingen mit ihrer emsigen Arbeit an. Kisten wurden hineingeschleppt, Säcke herangetragen und dann mit dem Einräumen begonnen. Die Männer, die meisten davon doch recht kräftig, räumten Kisten mit Möbeln, Instrumenten, privaten Dingen von Apollonius aus und in Truhen, die sie an den Rand stellten. Einer der Sklaven, ein blonder junger Mann, kletterte auf einen Schemel und hängte über die Tür eine Schrifttafel, in die griechische Buchstaben gemeißelt waren.


    Ein ältlicher Sklave mit verkniffener Miene sah sich eher stirnrunzelnd um, räumte aber auch ein. Schriftrollen wanderten durch seine Hände und er kümmerte sich liebevoll um die Papyri, die er nacheinander in ein Papyrusregal räumte, was kurz zuvor aufgebaut wurde. In dem Moment kam Apollonius wieder hinein. In seinen Armen trug er liebevoll eine Kiste aus der es brummte und summte. Diese Kiste stellte er ganz vorsichtig am Fenster ab und zog ein Stück Stoff herunter, was er an einer Seite der Kiste befestigt hatte. Selig lächelnd sah er durch die Glasscheibe, die er vor langer Zeit in Rom erworben hatte. Dahinter war ein kleiner Bienenstock zu sehen. Wie um seine Bienen zu beruhigen, tätschelte Apollonius den Deckel des Kastens. „Brutus! Befestige den Kasten vor dem Fenster. Schließlich müssen sie doch bald frische Luft schnuppern. Außerdem kümmere Dich doch um die Bienenkästen auf dem hinteren Wagen!“


    Der kräftige Sklave, der angesprochen war, nickte knapp und trat an ein Fenster. Er öffnete es und holte etwas Werkzeug herbei. Nach einigem Werkeln und Klopfen konnte er dort den Kasten mit den Bienen befestigen, unter Apollonius ständig wechselnden Anweisungen und aufmerksamen Augen. Schließlich sollte die Glasscheibe zum Fenster zeigen. Wollte doch Apollonius aus sicherer Distanz weiter seinen Bienenstamm beobachten, die immer noch aufgeregt im Bienenstock umhersummten. Als alles fertig war, schloss Apollonius das Fenster und nahm eine kleine Kordel, die mit einer Öffnung an der Kiste verbunden war. Vorsichtig zog er daran und das Loch öffnete sich. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Bienen ihren Stock vorsichtig verließen, um die neue Umgebung zu erkunden.

  • ~Das Museion! Apollonius stand in der großen Bibliothek von Alexandria. Sonnenlicht fiel durch die vielen weit geöffneten Fenster und wehte die trockene Luft der Wüste Ägyptens hinein, vermischt mit der Brise des Meeres. Das unendliche Wissen der griechischen Welt lag vor ihm. Apollonius lächelte selig und suchte sich ein Buch über die Mechanik eines Wasserrades hervor. Dem alten Opylos würde er noch ordentlich seine Meinung in der nächsten Disputation sagen. Das konnte Apollonius doch nicht auf sich sitzen lassen, nicht das letzte Wort gehabt zu haben. Schritte näherten sich. „Medicus...Apollonius“ Apollonius wandte sich um. Die Sonne verschwand hinter düsteren Wolken. Apollonius wich einen Schritt zurück und starrte den Mann hinter sich an. Sein Gesicht war zerkratzt, seine Augen ausgestochen, seine Handgelenke aufgeschnitten. Und Apollonius kannte ihn. „Du bist schuld...“ Die Hand griff nach Apollonius und schlang sich um seinen Hals, drückte zu mit der Gier der Rache. Apollonius keuchte und versuchte nach der Hand zu schlagen, doch er konnte sich nicht bewegen. Es war als ob ihn etwas festhalten würde...“Dominus...“~


    „Dominus!“ Apollonius schlug die Augen auf. Über ihn hatten sich zwei Männer gebeugt. Der alte Phokas, der mitleidslos auf Apollonius herunter sah und Brutus. Doch Apollonius erkannte keinen von Beiden. Zu sehr war er in dem Traum von Alexandria gefangen. Sein Hals war wie zugeschnürt, hatte er immer noch das Gefühl erwürgt zu werden. Und seine Brust schmerzte höllisch. Als ob ein Daimon versuchte, sein Herz rauszureißen. Apollonius keuchte heftig und schlug einige Male noch um sich. Beide Sklaven wussten nicht recht was sie tun sollten. Phokas murmelte leise. „Ich glaube, er stirbt! Ob er sein Testament schon gemacht hat?“ Brutus warf Phokas, dem älteren Sklaven, einen tadelnden Blick zu. Doch dann erschrak auch er. „Meinst Du, er lässt uns dann doch nicht frei?“ Phokas kniff die Augen leicht zusammen. „Wenn er tot ist? Wie denn? Nur wenn es in seinem Testament steht.“ Ein rasselndes Keuchen unterbrach die Beiden jedoch wieder. „Wasser...!“ murmelte Apollonius matt und stierte gen Decke. Brutus eilte sogleich von dannen und holte ein Krug und einen Becher. Phokas starrte ungerührt auf seinen Herren herunter. Als Brutus zurückkam, lag Apollonius mit geschlossenen Augen auf seinem Lager. „Er ist tot!“ murmelte Brutus entsetzt. Vielleicht würden die Leute glauben, dass die Sklaven ihn umgebracht hatten. Dann würden sie alle sterben...am Kreuz. „Nein, ist er nicht, Du Idiot! Sieh, seine Brust hebt und senkt sich. Er lebt also noch!“ Brutus atmete erleichtert auf.

  • Grau und matt saß Apollonius in einem Korbsessel am Eingang. Sein Blick, der zwar aus dem Fenster ging, war eher nach innen gerichtet, seine Schultern herunter gesackt. Apollonius Sklave, Marcus, trat heran und reichte dem Medicus einen dampfenden Becher. Es dauerte eine Weile bis Apollonius dessen Anwesenheit überhaupt wahrnahm. Geduldig wartete der junge Marcus einfach ab. Erst nach einer Weile griff Apollonius nach dem Becher. Seine Hände zitterten und er verschüttete prompt etwas von dem heißen Getränk. Marcus setzte sich neben Apollonius und wartete bis der Medicus einen Schluck davon genommen hatte. Dann nahm er wieder den Becher entgegen. Ernst und niedergeschlagen sah Apollonius wieder nach draußen. Selbst das muntere Sirren der Bienen in dem kleinen Kasten mit der Glasscheibe vermochte ihn nicht aufzuheitern, auch das leise Klacken eines Käfers nicht, den er in Süditalia gefangen hatte. Marcus sah den Medicus unverwandt an und leichte Besorgnis stand in seinem Gesicht geschrieben. Er war wohl auch der Einzige der Sklaven, der besorgt um seinen Herren war. Alle anderen sorgten sich nur darum, dass das Testament schon geschrieben war.


    „Herr? Soll ich nicht doch einen Medicus aus der Stadt holen?“ Apollonius sah zu dem jungen Mann. Dabei lächelte Apollonius tatsächlich kurz und ehrlich. „Nein, Marcus, ich bin doch einer. Hast Du das vergessen?“ Marcus schüttelte den Kopf. „Aber Herr, was würdet ihr denn bei einem Patienten mit den ...Anzeichen machen?“ Apollonius sah ihn lange und stumm an. „Ruhe und eine gute Diät! Wenn er nicht die Reise in die Unterwelt antreten will!“ Marcus nickte eifrig. „Ja, Herr, das solltest Du dann machen.“ Schwer seufzend zog Apollonius die Decke enger um sich. „Ich hab zuviel Arbeit hier zu tun...die Bauten, mein Patron, die Rundreise...“ Sehnsüchtig sah Apollonius nach draußen. Schließlich wollte er das barbarische Land Germania kennen lernen, die Flora und Fauna erkunden und die Gebarden dieser wilden und unzivilisierten Menschen hier erfahren. „...na ja, wenn ich sterbe, dann seid ihr doch alle frei!“ Marcus schüttelte heftig den Kopf. „Herr, das will ich aber nicht. Dass ihr sterbt! Euch zu dienen ist gut! Und was soll ich denn da draußen?“


    Apollonius lächelte noch mal, erstaunlich oft an einem Tag. Durchaus gerührt von den Worten seines Sklaven, sah er ihn an und legte ihm kurz seine kühle Hand auf die Wange. „Herr, wenn ihr hier keine Ruhe findet, dann geht doch zu der schönen Insel, die mit der blauen Grotte.“ Verwirrt sah Apollonius zu Marcus und blieb stumm. Eine Weile musterte er das Gesicht des Sklaven und nickte langsam. „Ja, sich zurückziehen! Nur der Natur frönen. Ja...bei der blauen Grotte das Land beziehen...“ Apollonius nickte. Der junge Marcus hatte wohl Recht. Wenn Apollonius nicht bald Hades Gericht über sich ergehen lassen wollte, sollte er schleunigst sich etwas Ruhe gönnen. Capri...dort wo er das Stück Land gekauft hatte. Apollonius lächelte leicht. Der Plan reifte in seinem Geist. Nur, wie würde er es seinem Patron am Besten sagen können?

  • Tage vergingen, Apollonius war nicht in der Lage sich viel zu bewegen oder gar Reisepläne zu machen. Doch schnell hatte es sich unter seinen Sklaven herumgesprochen, dass Apollonius baldig nach Italia aufbrechen würde. Sein Ziel war die kleine Insel Capri, wo früher die Kaiser residierten, die jetzt jedoch von diesen nicht mehr beachtet wurde. Alle wichtigen Sachen wurden von Apollonius eingepackt und für die Reise bereit gemacht. Apollonius bekam nicht viel davon mit, außer mal ein Fluchen aus dem Nebenzimmer oder wenn wieder mal etwas von seinen Sachen heraus getragen wurde. Das Wetter der Tage setzte dem Medicus noch zusätzlich zu. Die Kälte und die feuchte Luft nagten an seiner Konstitution und so hatte er ständig eine graue Gesichtsfarbe, trotz Diät und Ruhe. Eine Woche nach seinem Herzanfall war es dann schließlich soweit. Alles wurde aus der Regia heraus getragen und sein Sklave Brutus spannte den Wagen mit den Maultieren ein. Zwei Sklaven kamen herein und trugen Apollonius mit seinem Korbstuhl nach draußen und auf den Wagen hinauf. Ein Sklave legte noch ein Papyrus auf den leeren Tisch, worauf stand:




    Dann war alles in dem Zimmer wieder ruhig und nur eine einzelne Biene surrte immer wieder gegen das Fenster. Das einzige Geschöpf aus Apollonius Sammlung, die ausgebrochen und somit von den Männer vergessen war.

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