Kurz kitzelte die verbliebene Haarsträhne ihre Nase, dann wurde auch diese von ihrer Hand eingefangen, ein recht geübter, energischer Griff, der verriet, dass sich gerade solches öfter zuzutragen schien und sie die Selbständigkeiten ihres Haars bereits gewöhnt war. "Du hast meine Erwartungen sogar übertroffen, denn ich muss gestehen, ich hätte nicht erwartet, dass ein Patrizier mir eine höfliche und umfassende Antwort zu geben bereit sein würde. Aber Du hast einer Frau, einer Plebejerin noch dazu, so höflich und ernst geantwortet, als hättest Du Deinesgleichen vor Dir. Es war einer der Gründe, warum ich Dir meine Stimme gab, als die Wahl anstand."
Auch jetzt gab es keinen Grund, die Wahrheit zu verhehlen, und sie wusste, er würde sie verstehen. Zwischen ihm und ihr gab es Welten, und es würde diesen Abstand nicht ändern, wenn man ihn verleugnete oder verschwieg, egal wie sehr man noch versuchte, aus dem römischen Volk ein Volk zu machen. Es gab solche, die höher standen als andere.
Die Worte über seine Mutter ließen sie hingegen von diesem Thema fortschweifen, und sie blickte ihn sinnierend und aufmerksam an. Von seinen Eltern hatte er bisher fast nie gesprochen, immer nur von seinem Großvater. Dies waren die ersten persönlichen Worte über seine Mutter, sie bemerkte es sehr wohl, und ihre Gedanken verloren sich für einige Momente. Was für eine bittere Erinnerung musste es sein, wenn er diese Menschen, die wichtigsten im Leben eines Kindes, eigentlich nie erwähnte? Es musste etwas Schreckliches geschehen sein, das ihn dies so verschließen ließ. "Mein Vater sagte mir stets, ich dürfe meine Ahnen nicht vergessen, was immer ich auch täte, und wenn Deine Mutter stolz darauf gewesen wäre, dass Du Consul wirst, dann ist es doch ein Grund mehr, diesen Weg zu beschreiten. Es liegt Dir im Blut."
Genau wie es vielen anderen Familien im Blut gelegen hatte, über Generationen hinweg Consulare, sogar Kaiser zu stellen, was sollte ihn scheitern lassen? Sie blickte auf sein Amulett und griff selbst an das Lederband um ihren Hals, um den zierlichen, geschnitzten Holztaubenanhänger herauszuziehen und ihm zu zeigen. "Ich bin mir sicher, dass Deine Mutter nur das Beste für Dich wollte, als sie Dir dies gab - wie auch mein Bruder, als er mir einen Talisman schnitzte." Lächelnd nun blickte sie ihn an und just in diesem Augenblick rutschte die Haarsträhne wieder hinter ihrem Ohr hervor und wand sich im Seewind hin und her.