Am späten Nachmittag saß Ocella im hortus der Casa Helvetia und genoß die laue Herbstluft. Sie war nicht mehr so heiß, wie noch im Sommer, und erst recht nicht so heiß, wie im stets überhitzten Rom. Er hatte sich mit einer Gedichtsammlung auf eine Bank gesetzt und las in Ruhe eins der Gedichte, als er plötzlich innehielt. Ich wusste, dass ich was vergessen habe..., murmelte er vor sich hin, rief einen Sklaven zu sich, der Promachos rufen solle. Kurze Zeit später erschien der Grieche und erlaubte sich, zu unterbrechen.
[Blockierte Grafik: http://www.abload.de/img/pragerq8a5s.jpg] |Promachos
Was kann ich für dich tun?
Ocella sah Promachos lange an und bedeutete ihm dann mit einer Kopfbewegung, sich zu ihm zu setzen. Sie hatten sich gestern über seine Erlebnisse in Rom unterhalten, jedoch hatte Ocella bereits seit gestern eine Frage im Kopf rumgeschwirrt, die er jetzt beantwortet haben wollte. Er legte die Gedichtsammlung beiseite und blickt dann in den Garten. Du hast mir noch gar nicht erzählt, wo Virenus abgeblieben ist. stellte Ocella die Abwesenheit des eigentlichen Verwalters nüchtern fest.
Promachos war die Frage sichtbar unangenehm. Er hatte vermutlich gehofft, sich nicht mehr mit dem Thema beschäftigen zu müssen, sah sich nun aber gezwungen, es erneut auszubreiten. Virenus war ja immer schon ein eher mürrischer Mensch. Als die meisten Helvetier nach Rom abreisten, hatte er hier sozusagen die Zügel alleine in der Hand und begann sich mehr... wie soll ich es ausdrücken... mit den Weinvorräten des Hauses zu beschäftigen, anstatt sich um die Belange des Hauses zu kümmern. Nachdem ihm die Vorräte hier nicht mehr genügten, hielt er sich zumeist in den Tabernae der Stadt auf und ich begann mehr und mehr Aufgaben hier zu übernehmen. Du kennst mich, ich mache es nicht gerne, aber da sich alle hier einig darüber waren, dass ich es als ältester und erfahrenster Hausbewohner übernehmen sollte, und so beugte ich mich der Mehrheit. Promachos räsuperte sich, doch noch bevor er mit seiner Geschichte fortfahren konnte, sagte Ocella sanft ab bestimmt: Promachos, bitte komm zum Punkt. Der Grieche schluckte. Also: Eines Tages fanden wir eine Notiz von Virenus, er habe sich entschlossen, das Haus zu verlassen. Er sei Libertatus, könne das also jederzeit machen, und verschwand dann, als er seinen letzten Lohn erhalten hatte, auf Nimmerwiedersehen. Promachos atmete tief ein und aus.
Ocella machte nach dem letzten Wort des Griechen eine mittellange Pause und beobachtete einen Schmetterling, bevor er ansetzte Warum wurden wir darüber in Roma nicht informiert?, fragte er kurz, aber keinesfalls wütend. Es überraschte ihn kaum, da Virenus oft genug über seine Anstellung in der Casa geklagt hatte, und lieber woanders gelebt hätte, was er dann stets auch offen kundgetan hatte. Das Einzige, was ihn etwas ärgerte, war die Art und Weise seines Verschwindens. Da man ihm von Roma aus weiterhin den Lohn zukommen ließ, ohne zu wissen, dass er gar nichts mehr dafür tat. Er würde bereits morgen die Lohnzahlungen beenden lassen, damit diesem treulosen Menschen nicht weiterhin für nichts Geld hinterher geschmissen werden würde.
Promachos rutschte auf seinem Platz herum, ein seltsames Bild bei diesem sonst recht gesitteten älteren Mann. Das war ein Fehler, Dominus., wechselte er nun in die ebenfalls für ihn ungewöhnliche Sprachart eines untertänigen Sklaven, vermutlich mit dem Wissen, dass ihn das seine Anstellung kosten könnte. Der Haushalt entschied dies erstmal für sich zu behalten, um die Helvetii in Rom nicht mit trivialen Neuigkeiten von wichtigeren Sachen abzuhalten. Und deswegen... Ocella unterbrach ihn unwirsch, jedoch ohne irgendeinen Anflug von Wut. Innerlich war er froh, dass er sich hier nicht mit Virenus auseinandersetzen musste und jetzt hier neue Strukturen einrichten konnte: In Zukunft entscheiden wir Helvetier selbst, was wichtig und unwichtig ist, haben wir uns verstanden? Der Grieche zuckte dennoch leicht zusammen nickte dann jedoch schnell: Selbstverständlich, Dominus.
Da danach lange nichts von Ocella kam, stand Promachos auf und wollte wieder zurück in die Casa gehen, als Ocella ihn zurückrief: Natürlich brauchen wir dann jetzt einen neuen Maiordomus. Ich hatte da an dich gedacht, zumal du ja jetzt ohnehin bereits eingearbeitet bist. Natürlich müsstest du dann deine Anstellung als Paedagogus aufgeben. Das dürfte aber kein Problem sein. Also bist du bereit diese Aufgabe zu übernehmen? Der Grieche blieb, wie vom Blitz getroffen, stehen und drehte sich langsam um. Im fehlten wohl die Worte und er brachte daher nur ein Natürlich. heraus. Daraufhin nickte Ocella und nahm die Gedichtsammlung wieder in die Hand. Das untrügerische Zeichen, dass das Gespräch beendet war.