Die Hitze hielt nun schon lange Tage in Rom an, die Gräser in den meisten öffentlichen Parkanlagen vegetierten langsam vor sich dahin, die Bediensteten in den privaten Gärten trugen Eimer um Eimer Wasser herbei, um nicht die Pflanzenpracht ihrer Herren vergehen zu sehen. Der Tiberis, lebensbringender Strom und Qual der Stadt zugleich, führte nur noch mäßig Wasser mit sich und man munkelte, dass sich in der Cloaca aufgrund des Wassermangels bereits ein Sumpf bildete, den kein Römer gerne zu Gesicht und dessen Geruch er nicht gerne in die Nase bekam.
In diesen Tagen kamen die Feiern der Neptunalia gerade recht und die Tatsache, dass es sich um ein sehr altes Fest handelte, bewies, dass das Problem kein neues war, sowie andererseits Roms Größe bewies, dass Neptun noch immer auf sein Fest hin Gnade gezeigt hatte. Gracchus hoffte sehr, dass dies auch in diesem Jahr wieder der Fall sein würde. Es gab Opferungen, deren Wirkung bezog sich vorwiegend auf die Menschen, doch die Neptunalia gehörten nicht dazu. Auch wenn es für sie ein sehr populärer Anlass war zu feiern, der primäre Anlass war es, Neptun milde zu stimmen.
Zu diesem Zwecke waren bereits den Tag über die Laubhütten auf dem Campus Martialis errichtet worden. Nun, da sich mehr und mehr Römer sammelten, war die Zeit gekommen, das Opfer zu halten. Dem Neptun war ein Opferaltar errichtet worden, auf dem die Voropfer dargebracht wurden: Kränze aus Sommerblumen, Opferplätzchen und eine Amphore besten Falerners.
Schließlich wurde der Opferstier herbeigeführt. Es war ein prächtiges Tier, dessen vergoldete Hörner im Sonnenlicht glänzten und dessen schwarzes und geschwärztes Fell in starkem Kontrast zu den weiß-roten Bändern um seinen Kopf stand. Nachdem die Anwesenden symbolisch gereinigt und zur Ruhe aufgefordert waren, weihte Gracchus das Tier mit einem Becher Wein. Er ließ sich das Opfermesser reichen, strich über den Rücken des Tieres und entfernte dabei die aufgelegte Wolldecke. Schließlich wandte der Sacerdos publicus sich mit dem Opfergebet an Neptun.
"O Neptun, Herr über Wasser in Flüssen und Seen, Herr über Ozeane und Gezeiten, Herr des Wassers, nimmt dieses Opfer und schenke uns Dein süßes Nass! Dieser Stier für Dich, auf dass Du uns die Mehrung des Wassers in Deinen Flüssen bescherst! Wir laden Dich ein, diesen Deinen Tag mit uns zu feiern, in den Hütten, die wir Dir errichtet haben!"
Gracchus trat einen Schritt zurück und bedeutete dem Popa fortzufahren, woraufhin dieser fragte, ob das Opfer vollzogen werden solle. Mit einem "Age!" bestätigte der Sacerdos dies und sogleich fuhr ein Schlegel auf des Tieres Kopf herab und eine Axt in seine Kehle. Blut rann aus der Wunde hervor und binnen weniger Augenblicke war das Tier in die Welt jenseits der Realität übergetreten. Die rote Flüssigkeit floss reichlich und tränkte den ausgedörrten Boden. Schließlich wurden die Eingeweide dem Tier entnommen und der Eruierung des göttlichen Willens unterzogen.