• Lucius stierte mit offenem Mund auf die Hände, die der Blondschopf ihm so gründlich wie nur möglich abwischte, und damit die gesammelten Beweise vernichtete. Eben noch ein Sonnenschein, gab Lucius nun leise Schluchzer von sich und seine Augen füllten sich mit Tränen. Blöder Ahgi. Der war ihm jetzt schon unsympathisch. Bestimmt steckte der mit den Gespenstern und schmierigen Eimern unter einer Decke. Und sein Tata musste auch blöd sein. Der nahm ihn einfach wieder auf den Arm, würdigte die Kübel keines Blickes mehr und trug ihn zurück in die Exedra, während seinem Sohn beim Anblick der befleckten Tunika das Wasser übers Gesicht lief.
    "Danke", meinte Avianus wiederum knapp zu seinem Neffen, da ihm gerade etwas ganz anderes in den Sinn gekommen war. Die Studien waren soeben genauso nebensächlich geworden, wie die schmutzige Tunika, und die Eimer waren nur noch ein klitzekleiner Teil des Ganzen, das drauf und dran war, sich in seinen Gedanken zusammenzufügen. Avianus griff sich mit der freien Hand etwas verkrampft an die Nasenwurzel, während er sich abwandte und zu der Sitzgruppe zurückkehrte. Dass sein Neffe nicht erst den Hortus betreten haben könnte, kurz bevor er sich zu ihnen gesellt hatte, wurde ihm erst jetzt bewusst. Normalerweise rechnete er gar nicht damit, dass Agricola bei der Hitze durch den Garten schlich. Sonst saß er ja auch den lieben langen Tag in der Bibliotheca. Aber wieso standen dann die Eimer ausgerechnet hier bei der Exedra? Standard war das sicherlich nicht, dass die stinkenden Dinger im Säulengang liegen gelassen wurden.
    "Einen Augenblick, bevor du wieder gehst, Caius … sag, wie lange treibst du dich schon hier herum?", fragte er ganz direkt, nachdem er sich wieder gesetzt hatte. Avianus hielt sich zurück, nervös auf seiner Lippe zu kauen oder mit den Fingern herumzuspielen, und hockte stattdessen recht steif und mit seinem weinenden Sohn auf dem Schoß in dem Sessel. Wenn Agricola etwas gehört hatte, würden sich für seinen Neffen Iturius Getas Gerüchte schlussendlich doch noch bewahrheiten. Die Iunii, ein Pack von unbedeutenden Bauern, ohne Anstand und Bewusstsein für Traditionen. Was sein Neffe dann wohl von ihm halten würde. Seine Erzählungen hatten rein gar nichts mit den Geschichten eines Iunius von Stand, erfahrenen Militärs und Tribuns gemein, der er eigentlich sein sollte. Und wenn die ganze Wahrheit die Domus verließe, kaum auszudenken, welche Folgen das für ihn hätte und für seinen Sohn erst recht. Welcher einflussreiche Mann würde den Sohn einer ehemaligen, entlaufenen Sklavin, einer Lupa, zu seinem Klienten machen und für ihn eine Erhebung in den Ritterstand bewirken? Andererseits war Agricola genauso ein Iunius wie Lucius oder er selbst. Niemals würde er es wagen, seiner Familie dermaßen zu schaden, zumal die Verfehlungen seines Onkels sicherlich auch auf ihn abfärben würden, oder? Gleichzeitig war Agricola nicht mehr als ein Kind ... naiv, unüberlegt, aufmüpfig. Wie sicher ein derartiges Geheimnis im Kopf eines Halbstarken tatsächlich war, mochten wohl nur die Götter wissen. Vielleicht sollte er froh sein, dass sich Agricola seine Freunde ledglich in Schriftrollen suchte.
    Schluss damit. Er musste die Gedankenspiele lassen. Erst sollte sein Neffe antworten.
    Lucius hatte untedessen das veränderte Klima im Raum bemerkt und während ihm noch immer still die Tränen übers Gesicht liefen, blickte er mit seinen großen, feuchten Augen zum Patruelis hinüber, mindestens so erwartungsvoll, wie sein Vater verkrampft guckte.

  • An gutem Willen herrschte hier offenbar kein Bedarf. Anstatt sich über die Hilfe seines Vetters zu freuen, begann Lucius zu flennen. Agricola nahm es beleidigt zur Kenntnis. Nun war er also nicht mehr nur der blasse Sonderling, sondern auch noch der finstere Kinderschreck. Diese undankbare Kröte! Eben erst hatte er sich vorgenommen, den Kleinen unter seine Fittiche zu nehmen, und jetzt das. Klebte ihm etwa Dung im Gesicht oder was war es sonst, das in seinen Mitmenschen einen solchen Widerwillen hervorrief? Seine bloße Existenz? Die iunischen Hausviecher in all ihrer treulosen Gleichgültigkeit, machten ihm wenigstens keine Szene, wenn er ihnen den Dreck aus dem Fell zupfte, die wussten offenbar, was sich gehört. Im Gegensatz zu seinem neuen Schützling. Immerhin, Avianus ließ sich zumindest zu einem schmallippigen Danke herab, was nach Agricolas’ Dafürhalten allerdings ebenso unnötig war wie das Geplärr des Vetterchens. Sich so gehen zu lassen, nur wegen ein paar Flecken auf der Tunika. Was für ein würdeloses Schauspiel. Dass das ganze Theater letztlich allein auf die abgestellten Eimer zurückzuführen war, ließ Agricola nicht gelten. Hier ging es um’s Prinzip.


    Mit einem resignierten Seufzer schlüpfte er in seine Sandalen. Jetzt war es offensichtlich. Auch der kleine Stinker bedurfte seiner Hilfe nicht. Mochten die Götter wissen, wie er auf diese närrische Annahme gekommen war. Er brauchte Lucius nur anzusehen: Antipathie. Ablehnung. Abscheu. In dessen Augen war er wohl so eine Art Lemur. In Avianus’ Augen möglicherweise ebenso. Agricola konnte sich lebhaft vorstellen, wie das in Zukunft ablaufen würde: Immer schön die Hände waschen, Lucius, sonst kommt der böse Ahgi und beißt sie dir ab. Wahrlich deprimierende Aussichten. Höchste Zeit, sich wieder in den friedlichen Dämmer der Bibliotheca zu verziehen. Aber erst mussten die verfluchten Kübel in die Culina.


    Mit den Gedanken bereits bei Aesara’s göttlicher Kehrseite schnappte er sich die Futtereimer und schlurfte küchenwärts. Eigentlich hatte er seinem Patruus von der niederträchtigen Post aus Cales erzählen wollen. Jetzt wollte er das nicht mehr. Wozu auch? Avianus war mit der eigenen Vita schon mehr als bedient, wie Agricola inzwischen wusste, dem ging im Moment wahrscheinlich nichts anderes durch den Kopf als die Frage, wie er seine Familiengeheimnisse auch künftig vor unbefugten Ohren wie denen seines halb-iturischen Neffen verbergen konnte. Dass er plötzlich wissen wollte, wie lange sich der Filius Fratris schon hier herumtrieb, passte denn auch wunderbar in’s Bild.


    Mit zusammen gepressten Kiefern blieb Agricola stehen und glotzte Avianus düster an. Wie lange er sich schon hier herumtrieb? Ach, so war das. Er trieb sich herum. Das wurde ja immer besser! Wenn andere Familienmitglieder sich hier draußen aufhielten, dann um zu flanieren, zu lustwandeln, um Luft zu schnappen, sich die Beine zu vertreten und so. Er dagegen trieb sich rum. Schön, dann wusste er ja Bescheid. Sollten sie sich ihr stickiges Peristylum doch sonstwo hinstecken. Denen würde er schon noch zeigen, was es hieß, sich rumzutreiben
    „Schon viel zu lange, wie es scheint.“, grummelte er missmutig, „Soll nicht wieder vorkommen.“
    Ob er nun die Sache mit den Eimern meinte oder etwas ganz anderes, überließ er der Phantasie seines geschätzten Onkels.

  • Avianus blickte irritiert. Was hatte der Junge für einen Grund, derart eingeschnappt zu reagieren? Er sollte pampig sein. Nicht Agricola. Und jetzt erst recht, nach der missmutigen Antwort seines Neffen, die ihm kein Stück weiterhalf. Und zu allem Überfluss quengelte Lucius noch immer.
    "Lucius …", sagte er schärfer, als er es beabsichtigt hatte, und folglich wurde das Gejammer seines Sohnes nicht weniger. Schöne Scheiße, in die er sich hier reingeritten hatte. Avianus atmete kurz durch und musterte wieder seinen Neffen.
    "Das war keine Antwort, Caius", gab er zurück und bedachte den Jungen mit strengem Blick. Dessen, dass er weder Agricolas Vater noch ein Ersatz war, war er sich durchaus bewusst, doch als Patruus, ältester Mann im Haus, Eques, Tribunus und vor allem derjenige, der mehr oder weniger für Agricolas Lebensunterhalt aufkam, erwartete er sich ein gewisses Maß an Respekt von seinem Neffen. Den vom einen Ende der Exedra zu ihm herüber gebrummten, überflüssigen Kommentar hätte der Neffe sich eindeutig sparen können. Zumal es hier um viel mehr ging als reine persönliche Empfindlichkeiten. Hier ging es um seine Familie, so ziemlich das einzige, was Avianus seit jeher absolut heilig war. Gleichzeitig könnte Agricola aber genauso gut recht haben. Wenn er den Geschichten seines Onkels gelauscht hatte, trieb er sich tatsächlich schon weit länger hier herum als es Avianus lieb war. Dass Agricola daran eigentlich keine Schuld trug, war wieder ein anderes Thema. Es war ja nicht so als würde der Garten allein ihm und seinem Sohn gehören, und vielleicht war es dumm gewesen, ausgerechnet hier darüber zu sprechen. Doch wer rechnete schon damit, dass ausgerechnet Agricola sich in zu exakt diesem einen, ungünstigen Zeitpunkt ans Tageslicht wagte.
    "Komm wieder zurück ...", meinte Avianus zerknirscht zu seinem Neffen, der den Eindruck machte, als wollte er sich am liebsten gleich wieder verziehen. Mit einer kleinen Geste deutete er vor sich in die Exedra. Lucius schniefte und schmierte sich Rotz und Tränen in die Hände. Seine freien Hände. Irgendwas fehlte doch … natürlich! Das Pferd! Avianus streckte den Hals, um es vielleicht in der Richtung zu erspähen, wo sein Sohn zuvor die Eimer entdeckt hatte. Keine Chance. Das war ja ums Eck rum.
    "… und bring deinem Cousin sein Spielzeug mit, falls du es irgendwo siehst. Er muss es vorhin fallen gelassen haben." Er lehnte sich wieder zurück auf seinen Sessel, rückte Lucius zurecht und blickte seinen Neffen eindringlich an. "Und wenn du mir eine anständige Antwort gegeben hast, kannst du wieder deiner Arbeit nachgehen. Oder bleiben. Ganz wie du möchtest." Denn grundsätzlich war der Junge ja willkommen, sogar sehr.

  • Leise murrend stellte Agricola die Eimer wieder ab. Der Tribunus gedachte also nicht, sich mit der patzigen Bemerkung zufrieden zu geben. Auch recht. Agricola hatte nichts anderes erwartet. Natürlich war der hingerotzte Satz keine Antwort, zumindest nicht auf die Frage, die Avianus in Wirklichkeit umtrieb. Wie auch? Wenn der werte Patruus wissen wollte, ob sein nichtsnutziger Neffe gelauscht hatte, sollte er es einfach klipp und klar ansprechen, anstatt neblige Fragen zu stellen. Wie lange er sich schon hier herumtrieb vermochte Agricola ohnehin nicht zu sagen. Jede Wette, Avianus wusste selbst nicht so genau, wie lange er schon mit Lucius hier draußen war. Dass es um den genauen Zeitraum im Grunde gar nicht ging, tat dabei nichts zur Sache. Schwammige Fragen provozierten schwammige Antworten. Zugegeben, er hatte sich da eben etwas respektlos benommen, aber der Onkel musste auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Immerhin hatte er seinen Filius Fratris einen Rumtreiber genannt. Ein gestandener Tribunus konnte doch nicht so empfindlich sein. Aber gut, genug davon. Bekanntlich gab der Klügere nach, und da der Klügere sich in diesem Fall im Recht wähnte, musste eben der Dümmere nachgeben und das war nunmal Agricola.


    Vor dem Nachgeben galt es allerdings erst mal, das vermisste Holzpferd ausfindig zu machen, und das schien sich in Luft aufgelöst zu haben. In der Exedra war nichts zu finden und auch der Säulengang gähnte blitzblank und völlig leer in den Abend hinaus. Ein Bild vollkommener Ruhe und Harmonie, getrübt lediglich von Agricola’s abgestellten Futterkübeln. Einer plötzlichen Eingebung folgend ging er zu den dreckigen Eimern zurück und warf einen Blick hinein. Tatsächlich. Da war er, der vermaledeite Gaul. Nicht etwa in die welken Gemüsereste hatte Lucius sein Ross geschmissen, nein, ausgerechnet der stinkende Fleischeimer musste es sein. Mit einem tiefen Seufzer griff Agricola in den Eimer, fischte die tropfende Holzfigur heraus und begann sie, an seiner Tunika zu säubern. Vielleicht würde es den Bengel ja aufmuntern, wenn er sah, dass sein Vetter nun genauso verdreckt herumlief wie er selbst.


    „Guck mal, Lucius..“ säuselte er mit süßsaurem Lächeln, und hielt dem schniefenden Zwerg sein frisch gereinigtes Spielzeug entgegen, „Schau, was Ahgi gefunden hat .. ein Hottehü.“ Lucius griff nach seinem Eigentum, ließ aber nicht erkennen, ob die glückliche Rettung des Gauls ausreichte, um ihn mit dem unheimlichen Patruelis zu versöhnen. Agricola hatte da so seine Zweifel. Immerhin, seinen guten Willen hatte er damit bewiesen, und wo er schon mal dabei war, wandte er sich auch gleich an seinen Patruus. „Ich glaube, ich hab’ mich da etwas im Ton vergriffen, Onkel Avianus. Das tut mir leid. Es war nur ..“ Es war nur die Sache mit dem Rumtreiber, die mich so wütend gemacht hat, vollendete er den Satz im Geiste. Sollte er jetzt wirklich darauf rumreiten? Hatte er nicht nachgeben wollen? „Es war nicht so gemeint.“ Doch, war es schon. Im Moment, als er es gesagt hatte, war es durchaus so gemeint gewesen. Ehrlich musste er zu Avianus schon sein, sonst kamen sie hier nicht weiter.


    „Was nun deine Frage betrifft .. wie lange genau ich schon hier draußen bin, kann ich dir auch nicht sagen. Eine Stunde oder so.“ Bitteschön. Mehr hatte der Onkel nicht gefragt, mehr brauchte ihm der Neffe auch nicht zu sagen. Jetzt wusste Avianus in etwa so viel wie vorher. So konnten sie noch stundenlang weitermachen. Ein Gespräch unter Männern sah gewiss anders aus. Agricola blies sich eine Haarlocke aus der schweißfeuchten Stirn. Halbe Sachen lagen ihm einfach nicht. „Jedenfalls lange genug, um wieder zu vergessen, was ich eventuell gehört haben könnte, wenn dich das beruhigt. Du traust mir keinen Fußbreit über den Weg, oder?“

  • Und tatsächlich, sein Neffe stellte die Eimer ab und begann das Spielzeug zu suchen. Ganz so übel war der Junge ja nicht, wenn er wollte, und Avianus fragte sich, ob er auf diese eine patzige Meldung nicht ein kleines bisschen zu harsch reagiert hatte und sich ab und zu zu viele Sorgen wegen dieser einen Sache machte. Selbst in den eigenen vier Wänden ließen sie ihn nicht los. Und dann war da eben sein Neffe, der sich absolut keine Mühe gab … ja, womit eigentlich? Außer dem Getier und dem Studieren alter Schriften hatte er ihm ja keine Aufgaben gegeben. Die verrichtete er, jedenfalls soweit ein Onkel, der sich nie groß danach erkundigte, das beurteilen konnte, ganz passabel. Lesen und Vieh. Der Lebensinhalt seines Neffen. Zum ersten Mal kam Avianus in den Sinn, dass das Leben des Jungen in der Domus womöglich sehr viel weniger erfüllt war, als er gehofft hatte. Wenn dem so war … der Onkel allein trug daran bestimmt nicht die Schuld, immerhin war es ja sein Neffe, der sich zwischen den Schriften vergrub, doch vielleicht konnte er zumindest helfen.
    "Hohü", quakte Lucius etwas verspätet nach, schniefte den letzten Rest Rotze weg, nachdem er sein wiedergefundenes Spielzeug eingehend beäugt hatte, und streckte das Pferd seinem Tata entgegen. Wer wusste schon, was der seltsame Blondschopf damit angestellt hatte. Vielleicht wusste sein Tata ja, was es war.
    "Danke", sagte Avianus versöhnlich und betrachtete das Spielzeug mit nachdenklicher Miene, bevor er wieder aufsah. Nicht so gemeint. Was Besseres würde bestimmt nicht nachkommen. Gut. Avianus gab sich zufrieden mit der Entschuldigung. Immerhin bekam er eine. Der Patruus nickte also leicht. Die Andeutung in der letzten Aussage seines Neffen verstand er durchaus. Er hatte also was gehört? Davon war auszugehen. Und nun? Dann war es eben so. Daran war nichts zu ändern. Er konnte seinem Neffen ja schlecht die Erinnerungen an die letzte halbe Stunde wieder aus den Gehirnwindungen bohren. Und wenn man im selben Haus wohnte, kamen solche Dinge vermutlich früher oder später immer ans Licht, sagte er sich selbst. Es war nur eine Frage der Zeit. Dummerweise war es nach seinem Geschmack etwas zu früh passiert. Mit Caius persönlich hatte das alles natürlich gar nichts zu tun, da irrte der Junge sich gewaltig. Bisher hatte sein Onkel zu Beginn noch jedem misstraut, was die Geschichte mit Sibel - und später auch dem Kind - anging.
    "In gewissen Dingen traue ich keinem über den Weg", sagte Avianus deshalb mit einem bitteren Lächeln. Wenn sein Neffe tatsächlich alles gehört hatte, würde er hoffentlich verstehen, und wenn nicht, dann würde ihn vielleicht eine andere Sache davon überzeugen, dass er dem Onkel keinesfalls nur lästig und unerwünscht war. Da kam es Avianus auch gerade recht, dass der Junge sich nicht gleich wieder davongemacht hatte, als er die Gelegenheit dazu erhalten hatte.
    Lucius verfolgte das eigenartige Gespräch mit großen Augen. Erst recht, da man ihn währenddessen komplett zu ignorieren schien. "Hohü?", machte Lucius erneut leise und streckte die Holzfigur zu dem Blondschopf hoch. Der Typ mochte noch so seltsam sein, sein Tata war letztens so furchtbar langweilig, dass ihm ja gar nichts anderes übrig blieb, wenn er ein wenig Aufmerksamkeit haben wollte.
    "Etwas anderes … ich wollte dich noch um einen Gefallen bitten, Caius", begann Avianus, "Eine ... Bekannte von mir wird uns in der Domus besuchen. Quintilia Pina ist ihr Name. Ich möchte dass du, sollte ich dann nicht anwesend sein, sie begrüßt und ihr das Haus zeigst. Sie wird sich ein wenig um Lucius kümmern. Hab ein Auge auf die beiden. Kannst du das?" Verflucht nochmal. Wie das schon wieder klang. Als hielte er seinen Neffen für zu dämlich, einem Mädchen und einem Kleinkind beim herumblödeln zuzuschauen. "Kannst du das für mich tun?", verbesserte er sich.

  • „Aber selbstverständlich!“ sprudelte es reflexhaft über Agricola’s Lippen – viel zu hastig und mit deutlich mehr Begeisterung als beabsichtigt. So einfach wollte er es dem Onkel eigentlich nicht machen. Auch ein vermeintlicher Herumtreiber hatte seinen Stolz. Andererseits wurde er es langsam müde, die gekränkte Mimose zu mimen. Auf Dauer war das anstrengend. Außerdem führte es zu nichts. Immerhin hatte Avianus eben ein durchaus plausibles Argument für sein Misstrauen vorgebracht. Dass es gewisse Dinge gab, in denen der Patruus schlichtweg niemandem über Weg traute, konnte Agricola sehr gut nachvollziehen. Solche Dinge kannte er auch. Überhaupt gab es – wenn er seine ewig beleidigte Sicht auf die Welt einmal beiseite ließ – im Verhalten seines Onkels nichts, woran er ernsthaft hätte Anstoß nehmen können, jedenfalls nichts Gravierendes. Wahrscheinlich hielt es Avianus gar nicht für seine Aufgabe, den unterforderten Filius Fratris zu beschäftigen, sondern ging davon aus, dass der sich schon irgendwie selbst zu beschäftigten wusste. Um so überraschender kam denn auch die Frage, ob der Neffe den Onkel gegebenenfalls als Gastgeber vertreten konnte, und sei es auch nur für eine schlabberige alte Aushilfsamme. Natürlich konnte er. Und ob er das konnte. Schließlich war er ein Bewohner dieser Domus, noch dazu ein Iunier.
    „Nun, ich denke, das geht in Ordnung.“, verkündete er gönnerhaft, „Wenn du mich als vorzeigbar erachtest, sehe ich da kein Problem.“


    Gruseliger als Nysa, die Amme von Crassus und Marsa, konnte die Quintilierin auch nicht sein. Und wenn doch, musste er sich eben zusammenreißen. Haltung bewahren. Das konnte er. Richtig gut sogar. Wenn er wollte. Letztlich ging es ja nicht um ihn, sondern um Lucius. Wenn der die Kinderfrau in seiner Nähe duldete, konnte sein Patruelis das auch. Wobei es natürlich eine Kunst für sich war, es dem kleinen Scheißer recht zu machen. Aber das war im Zweifelsfall nicht sein Problem, sondern das dieser Quintilia.
    „Wann wäre denn mit diesem Besuch zu rechnen, Onkel? Ich möchte deiner Bekannten ungern in meiner Viehfuttertunika entgegentreten.“

  • Avianus zog mit einem leichten Lächeln die Brauen in die Höhe. Agricola schien über seine Antwort gar nicht groß nachgedacht zu haben. Hoffentlich war ihm trotzdem bewusst, welche Verantwortung er mit der Aufgabe tragen würde, die sein Onkel ihm überließ. Der Junge würde nicht nur ein Auge auf den Gast, sondern auch auf den kleinen Lucius haben müssen. Keine Kleinigkeit. Aber wenn der Neffe das zuvor nicht bedacht hatte, so wurde es ihm sicherlich noch bewusst. Ob er seinen Neffen überhaupt für vorzeigbar hielt, die Frage hatte Avianus sich dabei noch gar nicht gestellt, und im Grunde war es egal, denn eine Alternative gab es nicht, wenn die Quintilia nicht von einem Sklaven empfangen werden sollte. Wenn er nun aber darüber nachdachte … Agricola war ja erstens nicht blöd und die Quintilia nicht übermäßig kompliziert.
    "Wisch den Dreck nächstes Mal einfach mit einem Lappen ab, sei höflich und freundlich zu unserem Gast und du bist vorzeigbar genug", scherzte er ein wenig, "Ich bin dein Patruus. Würde selbst ich dir das nicht zutrauen, wäre das bedenklich." Denn als Patruus sah er es durchaus als seine Aufgabe, den Neffen zu einem Teil der Familie zu machen, wofür er ihm eben auch das nötige Vertrauen schenken musste, und ihn in die richtige Richtung zu lenken. Dass er dabei bisher keine außerordentlich gute Figur abgegeben hatte, sondern zugelassen hatte, dass der Junge in der Domus versauerte, wusste er inzwischen selbst. Dass es nicht reichte, dem Jungen zu sagen, er solle Bekanntschaften schließen, hatte er eben erst lernen müssen, ebenso wie er zuvor nie darüber nachgedacht hatte, dass Agricola auch an seinen Standardaufgaben in der Domus womöglich keine Freude hatte. Doch selbst wenn nicht, hatte er sie trotzdem zu machen, oder? Selbstverständlich. Nicht alles im Leben war immer nur lustig und spaßig. Und Agricola machte ja auch. Nur sollte ab und an auch etwas dabei sein, das seinem Neffen Freude bereitete. Und darum sollte sich der Neffe eigentlich selbst kümmern. Furchtbar kompliziert war das alles. Avianus konnte sich nicht erinnern, dass das zu seiner Zeit als Kind genauso gewesen war. Er und Regulus hatten sich stets selbst zu beschäftigen gewusst. Aber der Agricola hatte ein wenig Gesellschaft dringend nötig, und wenn er selbst nicht dazu in der Lage war, sich darum zu kümmern, musste man ihn eben zu seinem Glück zwingen.
    "Keine Sorge. Heute wird sie nicht mehr vorbeikommen. Sie wollte morgen kommen. Zieh dich aber trotzdem um. Bei der Cena macht sich sowas auch nicht gut", meinte er, "Und sollte irgendetwas schief gehen, wirst du mich sofort benachrichtigen." Am besten war es natürlich, wenn gar nichts passierte.
    Lucius hatte den Arm mit seinem Spielzeugpferdchen wieder eingezogen, blickte unglücklich in die Runde, da offenbar kein Mensch mehr Interesse daran hatte, ihn zu unterhalten, mit einem Gesicht, dem man das Geheule, das wohl in den nächsten Sekunden weider anfangen würde, bereits ansah, pfefferte der Zwerg seinem Patruelis das Holzpferd vor die Füße.
    "Und du gehst am besten ins Bett, hm? Ins Bett?" Lucius blickte als Antwort quengelnd und nicht viel unglücklicher zurück. Avianus wandte sich, bevor er aufstand, noch einmal an seinen Neffen. "Bei dir ist soweit aber alles in Ordnung, ja …?", fragte er hoffnungsvoll, obwohl er ja eigentlich so eine Ahnung hatte, dass dem nicht so war-

  • Weil so ein schöner Tag war wurde der Gast nicht ins Atrium sondern ins Peristylum geführt. "Einen Moment bitte die Domina wird gleich erscheinen."

  • Widerstandslos ließ sich Licinus isn Atrium führen und dort Parken. In Gedanken rätselte er vor sich hin, was diese merkwürdige Aussage sollte. Iunius Silanus hatte die Frau doch sicherlich in seinen Haushalt bringen lassen, das hatte er doch gesagt, richtig? nur warum wusste man dann hier nichts von ihr. Wieder ein Rätsel. Großartig.

  • Nach ein paar Minuten kam auch Axilla ins Peristyl. Es war ein herrlich warmer Frühlingstag, daher waren die Türen der Zimmer alle weit geöffnet und Axilla trug ein Kleid aus fließender, grüner Seide, das sich in der lauen Luft geschmeidig bewegte. Araros hatte ihr gesagt, dass sie Besuch hatten, war dabei aber ein wenig kryptisch gewesen, was der Grund des Besuchs war. Offenbar verstand der alte Ianitor es selber nicht so ganz.
    Wie dem auch sei, Araros hatte zumindest gesagt, der Gast käme auf Empfehlung von Silanus – der diese nur an seine Cousine weiterzugeben vergessen hatte. Und wenn ihr Cousin einen Gast empfahl, dann nahm Axilla sich diesem natürlich auch freundlich an.
    “Salve! Mein Ianitor sagte, mein Cousin hätte dich hier hergeschickt, allerdings war er sich nicht ganz sicher, weswegen. Mein Name ist Iunia Axilla“, begrüßte sie ihn also mit einem freundlichen Lächeln und hoffte, mit dieser offenen Einlassung vielleicht ein paar der offenen Antworten hervorzukitzeln.

  • "Salve et tu, Marcus Iulius Licinus mein Name." antwortete Licinus, der noch immer nicht wusste, was er von der ganzen Situation halten sollte. Es konnte doch wohl nicht so schwierig sein, eine Unterhaltung mit einer Sklavin zu führen, verdammt.
    "Ja, das heißt nein. Dein Ianitor hat da etwas falsch verstanden. Richtig ist folgendes: Dein Cousin, wenn wir von tribunus Iunius Silanus reden,"
    Licinus hoffte zumindest, dass wenigstens das korrekt angekommen war. Direkt, wie es ein Soldat nun mal war, stellte er die Situation richtig.
    "hat mir die Erlaubnis gegeben dieses haus aufzusuchen, um mit seiner neuen Sklavin, Hiera, zu sprechen. Nun erfahre ich hier aber, dass es eine solche nicht gibt und bin nun einigermaßen verwirrt, da ich selbst Zeuge ihrer Versklavung war. Vielleicht kannst du mir das erklären?"
    Auch wenn es höflich gesprochen war, Licinus Stimme klang hart und es kam wohl herüber, dass er auf eienr Erklärung bestehen würde. Wenn nicht hier von Axilla, dann wohl von Silanus in der castra. Immerhin war auch sein verhalten bzgl. der Thermyskerin nicht buchstabengetreu zu den Befehlen gewesen, wenn auch nicht so sehr, wie das des tribunus.

  • Da hatte Silanus in seiner Erzählung wohl eine Kleinigkeit wie einen Zeugen vergessen. Axilla war kurz davor, durch halb Rom in die Cstra Praetoria zu stiefeln, nur um ihren Cousin an den Ohren rauszerren und übers Knie legen zu können. Wie konnte man einen Zeugen mal eben einfach so unter den Tisch fallen lassen? War der Mann vollkommen wahnsinnig geworden?
    Aber wahrscheinlich würde der Mann vor ihr etwas verdattert gucken, wenn sie ihn nun stehen ließ, um wutschnaubend loszustapfen und eben genau das zu tun. So blieb ihr nichts weiter übrig, als weiterhin freundlich zu lächeln und die Sache erst einmal selbst in die Hand zu nehmen. So wie immer halt. Männer!
    “Setzen wir uns doch“, wies Axilla also zunächst einmal mit der Hand auf eine nahe Steinbank und ließ sich auch gleich darauf nieder. Auch wenn sie kein Militärs war und bei weitem nicht schroff oder zackig agierte, ließ ihr Lächeln und ihr Blick aber ebenso erkennen, dass auch sie keine Ruhe geben würde, bis der Gast sich nicht zu ihr gesetzt hatte, um dort bequem zu reden.
    “CORINNA?“ rief Axilla einmal flötend in Richtung der Küche und wartete nur kurz auf das Tapsen von Schritten. “Such doch bitte Lea und sage ihr, sie soll für mich und meinen Gast hier etwas von dem hellen Posca mitbringen.“ Wein wäre vermutlich nervenberuhigender, aber Axilla musste einen klaren Kopf behalten.


    Wenn dieser Iulius Licinus also Zeuge der Versklavung war, dann lag nahe, dass auch er Praetorianer war. Das würde auch gleich die Verbindung zwischen ihm und Silanus erklären.
    “Um deine Verwirrung zu erklären... Nun...“ Axilla überlegte ihre Worte sorgfältig. Dass Silanus den Mann hergeschickt hatte, hieß, dass er prinzipiell wohl vertrauenswürdig in dieser Sache war. Wobei ihr Cousin in der letzten Zeit nicht unbedingt wohlüberlegte Entscheidungen getroffen hatte. Aber Axilla wollte einmal annehmen,d ass sie es mit einem intelligenten Mann zu tun hatte, der ein Geheimnis bewahren konnte. Und wenn nicht... nunja, sie hatte schon einen Praetorianerpraefecten ruiniert und ins Exil getrieben.
    “Natürlich wohnt in diesem Haus keine zum Tode verurteilte Amazone. Diese Hiera, die du suchst, die ist natürlich gestorben.“ Axilla beobachtete sehr genau das Gesicht des Iuliers, um zu sehen, ob er auch wirklich verstand. “Allerdings hat mein Cousin ungefähr zur selben Zeit eine Sklavin auf dem Markt gekauft namens Lea, die einige interessante Geschichten zu erzählen hat. Ich bin mir sicher, dass sich dieses... Missverständnis gänzlich aufklären wird, wenn du dich mit ihr unterhältst.“
    Jetzt blieb nur zu hoffen, dass der Mann wirklich so intelligent war, wie Axilla ihn eingeschätzt hatte. Aber sie konnte ja wohl kaum irgendwo oder irgendwann zu irgendwem sagen, dass sie hier im Haus zum Tode verurteilte Amazonen beherbergten!

  • Srciba, Dienstbote, Erklärbär und nun auch noch Bedienung? Was bei der großen Göttin kam noch? Sie wusste es nicht und doch blieb ihr wohl kaum etwas anderes übrig. Obwohl sie sich natürlich fragte ob gerade alle anderen Sklaven im Haus verhindert, ausgeflogen oder irgendwie darniederlagen. Sie balancierte vorsichtig das Tablett mit zwei Bechern und dem hellen Posca durch die Gegend. Das hier lag ihr wirklich nicht, so musste sie auch mehrfach das Zeugs auf ihrem Tablett zurechtrücken. Wenigstens hatte sie nichts verschüttet, als sie bei der Domina ankam. „Domina du wolltest…“ Weiter kam sie nicht. Was … ähm, das war doch dieser Prätorianer, der sie festgenommen hatte. Was wollte der hier? Hiera hatte inzwischen wohl verdrängt, dass er noch ein mal hatte mit ihr reden wollen. Hoffentlich erkannte er sie nicht, so drehte sie ihm schnell den Rücken zu und sah die Domina fragend an.

  • "Gern!" antwortete Licinus mechanisch, stehen oder sitzen war ihm einerlei, zumal im gegenwärtigen Stand der Verwirrung.
    "Und danke für die posca." Licinus wusste nicht, ob die Iunia ihn als Militär erkannt hatte, aber tatsächlcih war er posca so gewohnt, dass er sie Wein vorzog, wenn den sauren Obstwein in Germania ausnahm.


    Der erste Satz löste seine Verwirrung nicht. Kein bisschen. Warum sollte Hiera tot sein? Das war nicht logisch. Und wurde es doch, als der nächste Satz fiel und eine Sklavin den Raum betrat. Hätte sie sich weniger auffällig unauffällig verhalten, nun, dann hätte Licinus sie wohl nicht sonderlich beachtet. So aber fasste er sie genauer ins Auge und erkannte eine Ähnlichkeit, die bemerkenswert gut kaschiert war.
    "Ich ... verstehe" antwortete Licinus gedehnt. Natürlich. Das war eine Lösung, die allen gerecht wurde, ging ihm auf. Hiera/Lea musste keine Repressalien fürchten, die Iunier keine Angst haben, dass sie selbst Ziel der Untersuchung wurden. Raffiniert, musst er zugestehen.
    "Das ist natürlich bedauerlich für mich persönlich. Denn mein Interesse ist kein dienstliches, sondern ein privates," erklärte er der Iunia, meinte aber Hiera/Lea, um ihr zu signalisieren, dass er zu seinem Wort stand und von ihm für sie keine Gefahr ausging.
    ""In meiner Dienstzeit an der germanischen Grenze habe ich begonnen, mich für die verschiedenen Kulturen innerhalb und an unseren Grenzen zu interessieren. Und von etwas ähnlichem wie Hieras Stamm habe ich noch nie gehört. Wenn du meinst, dass jene ANDERE Sklavin, Informationen über deren Kulturen hat, wäre das ein gewisser Trost, zumindest Informationen aus zweiter Hand zu bekommen."
    Mit diesen Worten legte er nicht nur den Grund seines Interesse offen, sondern signalisierte auch, dass er bereit war, das Spiel, dass die Iunia begonnen hatte, mitzuspielen.

  • Für jemanden, der von sich vorgab, hinter feindlichen Linien herumzuschnüffeln und dort Leute zu ermorden, gab sich Lea aber reichlich ertappt. Wieder ein Punkt, an dem Axilla Teile von ihrer Geschichte eher als jugendliche Übertreibung abtat. Aber ohnehin galt ihre Aufmerksamkeit mehr dem Iulius, dem es langsam aber sicher zu dämmern schien. Erst ganz langsam, dann aber doch zunehmend überzeugender ging er auf das kleine Spiel ein. Gut. Sehr gut. Axilla hoffte nur, dass der Mann wirklich so vertrauenswürdig war, wie er wohl für Silanus sein musste, so dass sie sich hier keine weiteren Gedanken zu machen brauchte. Sie wollte nur ein wenig Ruhe und Friede für ihre Familie, und selbstverständlich Sicherheit. Ein unkalkulierbares Risiko stand da nicht auf dem Wunschzettel.


    Als Iulius Licinus aber nun den Grund seiner Anwesenheit etwas besser erklärte, entspannte sich Axilla ein klein wenig. Rein private Neugier war ihr allemal lieber als eine dienstliche Ermittlung der Prätorianer im Haus!
    “Oh, unsere Lea hier ist sehr gebildet. Wenn jemand in diesem Haus etwas über dieses Volk weiß, dann gewiss sie.“ Axilla stand auf und nahm sich erst einen Becher Posca vom Tablett, den sie an Iulius Licinus weiterreichte, dann den anderen. Mit der freien Hand nahm sie Lea das Tablett ab und deutete dann Lea, sie solle sich doch zu Iulius Licinus sitzen. Für drei Leute war die Steinbank wohl doch etwas ungesellig. Abgesehen davon war sie selbst ja nun nicht unbedingt beteiligter Gesprächspartner dabei.
    “Unterhaltet euch also ruhig. Ich bleibe aber in der Nähe. Wir sind hier schließlich kein Lupanar.“ Ein fremder Mann allein mit einer der Sklavinnen des Hauses, das käme definitiv nicht in Frage. Auch, wenn es ja sonst keiner wissen würde, auch Sklaven untereinander tuschelten genug, und Axilla verteidigte die Ehre jeden Familienmitgliedes.

  • Herje man wurde ja auch nicht jeden Tag mit den Mann konfrontiert, der einem den Tod hatte zuführen wollen. Aber gut Sie würde also auch hier im haus aufmerksamer sein müssen. Sie hatte nun wirklich nicht damit gerechnet hier ins offene Messer zu laufen.
    Zumindest schien der Mann aus Privatem Interesse hier zu sein, was die Domina beruhig. Lea jedoch blieb misstrauisch. Männern konnte man per se nur selten über den Weg trauen.
    So setzet sie sich also im gebührenden Abstand so weit weg wie es die Bank zuließ neben den Mann. nahm sich dann aber zusammen und blickte ihn an. "Welche Fragen hast du?"

  • Das hatte gesessen. Gewaltig gesessen. In dem Moment, in dem Axilla ihm den Becher mit posca gereicht hatte, hatte er sie tatsächlich noch für eine einigermaßen nette Person gehalten und auch dieses Possenspiel um die Person der Sklavin als eigenwillige, aber durchaus rationale Methode gesehen, die Sicherheit aller Familienmitglieder zu sichern. Auch hatte er nichts dagegen, wenn die Iunia in der Nähe blieb, von ihm aus hätte sie sich bei entsprechendem interesse auch an der unterhaltung beteiligen können.


    Aber diese letzte Klarstellung, die mehr den Charakter einer Unterstellung hatte, verschlug ihm tatsächlich die Sprache. Für einen Augenblick sah er sie nur mit leicht geöffnetem Mund an, dann sah er sich gezwungen klarzustellen, auch wenn es ihm schwerfiel die richtigen Worte zu finden.
    "Du dachtest doch nicht ... nicht ernsthaft ... Ich versichere dir, nichts liegt mir ferner, als ein Mitglied deines Haushalts zu entehren, ja."
    Sancta Simplicitas, heilige Einfalt, nie wäre er auf den Gedanken gekommen, dass durch sein Zusammensein mit einer Frau, Sklavin hin oder her -- Licinus hatte diesbezüglich ohnehin ähnlich altmodische Vorstellungen, genau wie Axilla -- der Ruf der Frau Schaden nehmen konnte.
    Dass auch Hiera/Lea zwischenzeitlich was gesagt hatte, war ihm ob seiner Überraschtheit völlig entgangen.

  • Jetzt hätte Axilla beinahe ihren Posca verschüttet. Bei allen Olympiern und Pan selbst, hatte der Iulier ihre Bemerkung jetzt so ernst genommen? Ja, natürlich konnte man eine weibliche Sklavin nicht allein lassen, um auch nur den Verdacht eines solchen Vorwurfes auszuschließen, aber sie hatte doch nicht ernsthaft angenommen, er würde hier jetzt gleich ihre Sklavin bespringen.
    Axilla drehte sich noch einmal um und sah Iulius Licinus nicht minder verwirrt an. “Natürlich hab ich das nicht angenommen. Aber das hier ist Rom, Iulius. Und deine tadellose Ehre liegt mir genauso am Herzen, wie die meiner Sklaven. Und in Rom wird getuschelt“, zwinkerte sie ihm zu.
    Eigentlich lag ihr ja nur die Ehre ihrer Familie und die der Sklaven am Herzen, aber in diesem konkreten Fall profitierte er eben auch davon. Anscheinend aber war der Iulius noch nicht allzu lange in Rom, oder aber, er hatte noch nichts davon mitbekommen, dass in Rom das getuschelte Wort fast genauso schwer wog wie jede Tatsache.

  • "Daran werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen. In einem Militärlager schwirren zwar auch Gerüchte wie die Fliegen, aber meist klärt sich auch recht schnell, was wahr und was erfunden ist." Mit diesen Worten erklärte (entschuldigte?) Licinus seine unwillkürliche Reaktion und gab sich wohl auch als unverbesserliches Landei zu erkennen. "Danke jedenfalls" er ließ offen, wofür er sich genau ein weiteres Mal bedankte und wandte sich dann wie vereinbart an Hiera.
    "Nun, Lea, was kannst du mir über die Themysker erzählen?" Natürlich, dass hatte er sich bereits zurechtgelegt, klang diese Frage sehr danach, dass er sie aushorchen wollte, daher hatte er sich zum Einstieg etwas recht unverfängliches zurechtgelegt.
    "Wie verehren sie Beispielsweise ihre Götter, hast du vielleicht gehört, wie bei ihnen Orakel funktionieren?"

  • Lea nickte. „Natürlich kann ich dir über ein Volk erzählen welches am Thermodon lebt. Sie verehren die größer Göttin. Die Mutter allen Lebens. Die Griechen sagen über die Göttin sie heiße Artemis - Göttin der Jagd und Schutzpatronin der Amazonen. Orakel nun die haben sie nicht. Aber es gibt einige unter den älteren Frauen, die in der Lage sind in dem Flug der Vögel oder in den Flammen des Feuers Dinge zu sehen, die anderen verschlossen bleiben.“ Sagte Lea und spielte während der Erzählen immerzu mit ihrem Anhänger. Sie war nervös, denn auch wenn der Mann ihr versichert hatte, das sein Interesse rein privater Natur war, war er immerhin Prätorianer und in ihrer zeit hier in Rom hatte sie zumindest eine Spruch immer wieder gehört. 'Traue keinem Mann in schwarz.' So wusste sie auch nicht genau, was der Mann nun eigentlich wissen wollte. „Würdest du deine Frage bitte konkretisieren? Was genau möchtest du wissen? Etwas über ihr Leben? Über ihre Kulte, ihre Kämpferinnen?“

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