• Er schüttelte den Kopf und reichte dem Fremden, der fast nur noch Brot aß, eine seiner beiden Scheiben. Die andere wollte er sich aufheben. Für den Fall....
    Dann sah er seinem Gegenüber wohl ein Weilchen beim Essen zu. Er schien aber großen Hunger gehabt zu haben. Maximian überlegte. Ob er irgendeinem Fremden erzählen sollte, was sich ereignet hatte? Und warum eigentlich nicht?


    Maximian senkte den Kopf und sah auf seine Hände, die aneinander lagen. Die Daumen lagen aufeinander und drückten sich gegenseitig, als wolle er sich ganz heimlich davon überzeugen, ob er wach war oder schlief.


    "Hrm.", räusperte er sich und nickte leicht. "Ich habe in den vergangenen Monaten ziemlich viele Fehler gemacht", begann er, sah dabei nicht auf. "Ich.... habe mich in eine Frau verliebt. Sie ist sehr aufgeweckt und stets da, wenn man sie braucht. Und sie ist.... wunderschön. Damals haben wir zusammen Ausritte unternommen und viel Schabernack getrieben, von dem mein Vater nichts wissen durfte. Er hätte uns nie erlaubt, was wir zusammen.... nun ja." Er lächelte bedröppelt.

  • Varus aß munter weiter, bis der Junge zu erzählen begann. Obwohl zu diesem zeitpunkt noch durchgeweichtes Brot im Teller war, schob er ihn beiseite und legte die Hände locker auf den Tisch. Er wollte Maximian das Gefühl geben, dass er zuhörte und daran interessiert war, was er sagte. Hoffentlich gelang ihm das.


    Was Maximian berichtete, erinnerte Varus an seine eigene Jugend. Sabina und er hatten ähnliches erlebt, wenngleich ihr Vater davon gewusst hatte und trotzdem nichts billigte, bis Sabina und Varus ihn schließlich vor eine Wahl gestellt hatten. Varus lächelte gutmütig, als Maximian verstummte.


    "Begangene Fehler können nicht besser entschuldigt werden als mit dem Geständnis, dass man sie als solche erkennt", sagte er mit scheif gelegtem Kopf und sah dem Jungen direkt in die Augen.
    "Weißt du...alle Fehler, die man hat, sind verzeihlicher, als die Mittel, die man anwendet, um sie zu verbergen. Du sprichst in der Vergangenheit. Was hat euch entzweit?"

  • Einige Jahrhunderte später hatte man die Funktion des Petronius Varus wahrscheinlich mit der des Psychiaters gleichgesetzt, jetzt war es wohl nur Zeitvertreib eines alternden Mannes. ^^ Maximian jedenfalls lauschte ihm. Er war ja keine Autoritätsperson, kein Verwandter, kein Bekannter. Wahrscheinlich würde er ihn auch nicht mehr allzu oft sehen. Irgendwie.... kam er ihm doch gelegen, denn er mochte den Gedanken, dass an seinen Worten vielleicht etwas Wahres sein könnte.


    So dachte er noch einen Moment über Varus letzte Weisheit nach, dachte daran, was sie wie lange hatten verbergen können und kehrte dann zu Valerias und seiner Geschichte zurück, indem er den Kopf anwandte und an die Wand sah, als würden dort Bilder der Vergangenheit ablaufen.


    "Ich denke, es fing bereits damit an, dass sie schwanger wurde. Ja, sie erwartete bald ein Kind... von mir. Einen kleinen Jungen. Er... ihm sollte es nie vergönnt sein, diese Welt zu erblicken." Maximian blinzelte und schluckte einen dicken Kloß herunter. "Damals.... es kam alles so überraschend. Ich war so verwirrt und machtlos und.... wütend. Zu diesem Zeitpunkt wusste meine... besser gesagt unsere Familie schon von unserer Beziehung. Sie hießen es nicht gut. Dann erfuhr mein Vater, der Legat, von der Schwangerschaft und.... es lief alles aus dem Ruder. Ich konnte ihr nicht helfen, ich konnte mir nicht helfen. Alles fühlte sich so unwirklich an, ich entfernte mir von ihr. Im Nachhinein... Im Nachhinein betrachtet fing damit alles an zu zerbrechen. Langsam zwar, aber...."


    Wieder nickte Maximian, gedankenverloren und abwesend. Damals hatte ihre Beziehung den ersten Knicks bekommen, weil er nicht den Mut gehabt hatte zu ihr zu stehen.

  • Varus war sich darüber im Klaren, dass Maximian das hier nicht ihm, sondern im Grunde genommen sich selbst erzählte. Und sicherlich würde im Nachhinein doch einiges Klarer sein, für ihn selbst, nicht für Varus. Er hatte ja jetzt schon Schwierigkeiten, Maximian zu folgen, ließ sie sich aber nicht anmerken und musterte den Jungen nachdenklich. Hatte er deshalb einen so verbitterten Zug um die Mundwinkel herum?


    "War sie eine Peregrina?" fragte Varus dann nach. Anders ergab es keinen Sinn, dass man die Beziehung zwischen den beiden nicht gutgehießen hatte, wo doch schon ein Kind unterwegs gewesen war. Ein Kind, das nun wohl im Elysium weilte. Zumindest hörte es sich so an...
    "Und warum konntest du ihr nicht helfen?"

  • Weiterhin gedankenverloren schüttelte Maximian den Kopf und fuhr sich nun doch mal mit Daumen und Zeigefinger über die beanspruchten Augen.
    "Nein, sie war.... ist eine... Decima. Keine echte, wie sich herausstellte. Also, wir hatten das eine Weile lang geglaubt, bis ein Brief auftauchte. Von ihrer Mutter, die unlängst verstorben war. Darin schrieb sie, dass Decimus Praetorianus nicht ihr Vater war." Das war alles ziemlich komplex und wirr, das wusste Maximian. Manchmal glaubte er, dass selbst er und Valeria irgendwann einfach den Durchblick verloren hatten.


    Weshalb er nicht hatte helfen können? Maximian verstand nicht, wie Varus das meinte. Wann nicht helfen können? Wobei? Er entschied sich diese Frage zu übergehen und notfalls später noch einmal darauf zurück zu kommen.
    "Sie reiste dann nach Germanien. Mein Bruder und ich sollten später folgen. Der Abschied von ihr war... Er war.... Hätte es mal einen gegeben. Nein, es gab keinen. Nicht wirklich. Ich habe sie zu diesem Zeitpunkt stark gemieden, bin ihr aus dem Weg gegangen, habe viel Unterricht bei meinem privaten Fechtlehrer genommen, um mich abzulenken. Ich wollte mich immer noch vor der Verantwortung drücken." So ehrlich war er noch nie zu sich gewesen und jedes Wort, das er einfach aussprach ohne groß darüber nachzudenken, war wie ein Nadelstich direkt ins Herz. "Also reiste sie fort und ich blieb zurück. Man hat ihren Bauch gerade gesehen, als ich sie das letzte mal sah." Er lächelte und dachte daran in Liebe zurück, dann verfinsterte sein Blick sich und die Gesichtszüge wurden starrer.
    "Als Romanus und ich das Boot bestiegen, waren schon ein paar Wochen verstrichen. Und dann... wurde er krank. Wir mussten die Reise unterbrechen, ich ließ einen Medicus kommen. Aber der konnte nichts tun. Während ich selber erkrankte, starb mein Bruder einen langsamen und grauenvollen Tod."


    Es entstand eine langgezogene Stille. Maximian hatte nun schon so häufig über Romanus gesprochen, aber immer noch glaubte er, er hätte etwas falsch gemacht. Hätte er nach Meridius' Leibarzt geschickt, wäre Romanus vielleicht noch am Leben. Aber ob der Arzt überhaupt noch rechtzeitig eingetroffen wäre?
    Und wenn es stimmte, dass die Götter Maximian dieses Fieber geschickt hatten, dann hatte es den falschen umgebracht. Denn dann hätte er sterben müssen, nicht der unschuldige Romanus.

    "Tja.", sprach er und brach damit den Körper der Stille, den dieser Raum dargestellt hatte mit sanfter Gewalt, denn da war sie wieder, diese lähmende Wut. "Nicht nur mein Bruder hat in dieser Zeit den Tod gefunden. Die Geburt war gekommen, hier in Germanien, noch viel zu früh. Mein Bruder war tot, mein Sohn starb und letztlich auch die Liebe, die sie für mich empfunden hatte. Stattdessen fand sie eine andere."
    Scheinbar wollte er etwas sagen, bekam die Worte aber nicht über die Lippen. Also schwieg er nochmal einen Moment und setzte an einer anderen Stelle ein.
    "Von all dem erfuhr ich kurz nach meiner Ankunft hier. Ich ritt zu ihr, um mich vom Gegenteil der ganzen.... Erzählungen zu überzeugen. Aber sie bestätigte sie. Sie beschimpfte mich und.... wich vor mir zurück " Letzteres war kaum mehr ein Flüstern gewesen, kaum mehr verständlich. Maximian schluckte und kämpfte die Tränen, die in seine Augen stiegen, nieder und kämpfte erfolgreich um Fassung. Sein Blick war auf den Boden gerichtet und leer.


    "Heute ist sie hier gewesen, um sich mir zu erklären. Ich habe ihr ihren Ring zurückgegeben, sie im Regen stehen lassen und beschlossen, dass es sie für mich.... jetzt nicht mehr gibt." Das stimmte so nicht ganz, traf es im Kern aber doch. Und mit einer beinahe vor Kälte starrenden Stimme setzte er noch nach: "Sie hat ja jetzt Livianus, einen Cousin meines Vaters."

  • Varus hatte Maximian nicht unterbrochen, auch als das Schweigen zwischen sie gefahren war. Er hatte ihm aufmerksam zugehört, zwar nicht alles verstanden oder nachvollziehen können, aber die essentiellen Dinge hatte er mitbekommen. Dass der junge Decimer in seinem Alter schon in einer solchen Misere steckte, war eine reife Leistung. Reif, im Sinne eines Kopfschüttelns. Varus schwieg auch, nachdem Maximian geendet hatte. Er sah ihn nur an. Dann holte der Quaestor tief Luft und seufzte, erhob sich und räumte die Teller fort, als sei nicht geschehen. Wie beiläufig sprach er dabei.


    "Es ist eine beachtliche Leistung von dir, so offen über deine Fehler zu sprechen. Sie hatte sicher die ihren, daran besteht kein Zweifel. Aber", sagte Varus und drehte sich nun zu Maximian um, "hast du ihr gesagt, was du mir gesagt hast? Dass du dich vor der Verantwortung drücken wolltest?"


    Varus sah Maximian einen Moment an, schüttelte dann den Kopf und wandte sich wieder ab, um mit den Tellern herumzuhantieren. Es war eine rhetorische Frage gewesen und er wollte, dass Maximian darüber nachdachte, nicht ihm antwortete. Und so redete er weiter.


    "Du fühlst dich ungerecht behandelt, das kann ich gut nachvollziehen. Du hast deinen Bruder verloren, deinen Sohn und sie. Deswegen fühlst dich im Stich gelassen von ihr, betrogen, belogen und hintergangen, und das sicherlich auch zurecht. Aber - und ich bitte dich, dir diese Frage ernsthaft zu beantworten - hast du schon einmal daran gedacht, was du an ihrer Stelle getan hättest?"


    Varus hatte die Essensreste entsorgt und gesellte sich nun wieder zu Maximian, dem er das Brot hatte liegen lassen. Er faltete die Hände vor sich auf der Tischplatte und sah den Jungen ernsthaft an.


    "Du bist ihr aus dem Weg gegangen, warst nicht für sie da, als sie dich am meisten gebraucht hat. Du wurdest krank und das war sicherlich nicht dein Fehler, aber dennoch ist es eine ungünstige Fügung, denn sie verhinderte die Weiterreise zu deiner Geliebten. Dann verlor sie neben dem Liebsten auch noch das Kind. Ich glaube, in ihrer Situation hätte selbst ich nicht nein zu einer neuen Beziehung gesagt, gleich mit wem. Sie suchte Trost, Zärtlichkeit und Verständnis, vor allem aber jemanden, der für sie da ist und sich nicht abwendet, wenn es ernster wird. So zumindest würde ich das verstehen. Auch sie hat einen Sohn verloren, neben dem Vater ihres Kindes."


    Varus schwieg einen Moment und dachte über Maximians Sicht nach.
    "Dass sie gekommen ist", überlegte er laut, "zeigt doch, dass sie dich nicht einfach abserviert hat. Dass du ihr noch etwas bedeutest, und sei es noch so wenig. Meinst du nicht auch?"


    Er lächelte den jungen Mann freundlich und zuversichtlich an.
    "Gewonnen hat immer der, der lieben, dulden - und verzeihen kann, Maximian. Enttäuschungen und die Schwermut sind nicht da, um uns verdrossen und wertlos zu machen, sondern um uns zu reifen. Das mag dir wie blanker Hohn vorkommen, aber in ein paar Monaten oder Jahren wirst du verstehen, was ich dir damit sagen will. Ich möchte dir eine Geschichte erzählen", begann Varus und lehnte sich bequem zurück.


    "Als ich gerade sechzehn war, verliebte ich mich in eine Frau. Sie war damals noch fast ein Mädchen, doch ihre Schönheit war atemberaubend, ihr Geist wach und ihre Seele klar und rein. Sie erwiderte meine Liebe, doch ihr Vater ließ mich nicht um sie werben. Es zogen zwei ganze Jahre ins Land, in denen wir beide, Sabina und ich, versuchten, das Wort ihres Vaters umzustimmen, doch er wollte mir nicht erlauben, um sie zu werben. Ich sei nur der Sohn eines Kaufmanns, sagte er, seiner Tochter nicht würdig. Er war Senator, ein Soldat, der mit zahlreichen Orden geschmückt war. Aber ich gab nicht auf, wenngleich Sabina es irgendwann tat. Als ich mit einundzwanzig Jahren immer noch um sie warb und Sabina jeden anderen Ehemann ablehnte, willigte ihr Vater schließlich ein, weil er eingesehen hatte, dass selbst der augenscheinlich wertlose Sohn eines Kaufmanns über ein gewisses Ehrgefühl verfügte, über Dinge, die er gut kann und über jene, die er nicht so gut beherrscht. Sabina und ich heirateten und..."


    Varus schluckte und sah schnell zur Seite, als er weitersprach.
    "...was ich dir damit sagen will ist: Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann. Nimm dir Zeit für dich allein, Maximian, und komme mit dir selbst ins Reine. Dass deine Freundin hier war zeigt, dass sie dir schon vergeben hat. Und wenn die Zeit reif ist, sei es in wenigen Wochen, in einigen Monaten oder sogar Jahren, dann sage ihr, was du mir heute abend erzählt hast. Und das, obwohl du mich gar nicht kennst."


    Etwas Trauer hatte sich in Varus' Stimme gemischt. Er hatte nicht erzählt, was mit Sabina war oder warum er ohne sie hier war. Vielleicht fiel Maximian das auf, vielleicht aber auch nicht. Varus jedenfalls hoffte, dass der Junge alles verstanden hatte, was er ihm erzählt hatte - und warum.

  • Varus überrollte Maximian mit seiner Sicht der Dinge, die gut und gern der von Vaeria ähnlich sein könnte. Je weiter der Fremde (uhm, konnte man ihn so noch nennen, nachdem sie zusammen gegessen und er ihm so viel von sich erzählt hatte?) sprach, desto weiter zogen sich Maximians Augenbrauen nachdenklich zusammen und desto häufiger versuchte er, dazwischen zu reden, kam dann aber doch nicht dazu.


    Er wollte ihm antworten, dass er ihr natürlich nicht das gesagt hatte, was er ihm erzählt hatte. Er war viel zu verletzt und stolz gewesen, es zu tun. Würde Valeria jetzt hier sitzen, er würde es ihr immer noch nicht sagen können.


    Was er an ihrer Stelle getan hätte? Maximian sah ungläubig den Boden an. Hatte er das wirklich gefragt? Damals hätte er nichts getan, wahrscheinlich. Er hätte gewartet um ihr in die Augen sehen zu können, was sie denn hatte. Heute.... Was spielte das für eine Rolle?
    Gar geriet der junge Mann darüber ein wenig in Wut auf den Fremden.


    Was bedeuten.... abservieren. Genau das hatte sie in seinen Augen getan. Was kostete es sie denn noch groß, sich zumindest bei ihm zu entschuldigen? Wenig. Sie hatte sich hinterher einfach umdrehen und in ihr neues Leben zurückkehren müssen. Sie wusste, dass seine Welt gerade erst zerbrochen war und es hatte ihr nichts ausgemacht, ihn in diesem Scherbenhaufen zurück zu lassen.
    Nun wurde er in Gedanken patzig zu Valeria, sich selbst und dem Petronier. Ihm hätte es das Herz gebrochen, Valeria so zurück zu lassen. Aber sie war.... sie hatte gelächelt, als sie gegangen war! Nein, er konnte nicht glauben, dass es ihr schwer gefallen war, ihn einfach auszutauschen. Und das auch noch gegen jemanden, mit dem er blutsverwandt war. Nein, Maximian weigerte sich zu glauben, dass er ihr noch großartig etwas bedeutete. Sonst hätte sie das nicht getan. Wäre die Liebe groß genug gewesen, hätte sie gewartet und das Ausbleiben einer Nachricht oder seiner selbst nicht verurteilt.


    Er bezweifelte, dass sich irgendwann einmal etwas daran ändern würde, wie er es sah. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit und vielleicht auch später nicht. Vielleicht nie, das konnte er jetzt noch nicht sagen.


    Hm. Vom Häufchen Elend war Maximian wieder etwas mehr Mann geworden. Hatte Varus das am Ende beabsichtigt? Hatte er helfen wollen? Oder wie war sein Vortrag zu deuten? Dieser Typ war schwer einzuschätzen und Maximian fühlte sich seltsam, wenn er dachte, er wäre es ihm. Und totzdem dachte er nun ein wenig anders über die ganze Angelegenheit. Er würde schon noch sehen, was Varus vielleicht hatte bezwecken wollen. Oder nicht.


    Dann berichtete der andere über seine erste Liebe. Maximian wusste zuerst nicht, wie er mit der Geschichte umgehen sollte, entschied sich jedoch einfach zuzuhören. So, wie Varus es bei ihm getan hatte. Aber als Varus endete, waren Maximians Brauen schon wieder nachdenklich zusammengezogen. Er wurde nicht wirklich schlau aus der Geschichte, ließ die Worte trotzdem noch einmal einen Moment auf sich wirken, dann musterte er den Petronier, als hätte er eine Frage von großer Wichtigkeit nicht beantwortet. Vielleicht ahnte er aber auch nur etwas über einen Verlust, einem vergleichbaren wie den Maximians hinter der zu rasch beendeten Erzählung.


    "Dann hat sich für dich ja alles zum Guten gewendet. Nach so vielen Jahren des Wartens." Bei ihm würde es nicht so kommen, dachte er sich und fühlte große Enttäuschung. "Siehst du, genau das hatte ich mir vorgenommen. Wenn ich hier eintreffe, hatte ich mir vorgenommen, würde ich zu ihr gehen und ihr sagen, dass ich zu meiner Verantwortung stehen kann. Dann wäre ich der Legio beigetreten und wir hätten geheiratet. Meinen Vater hätte es wahrscheinlich nicht gefreut, aber...." Er wusste, dass Meridius sich schweren Herzens damit auch noch abgefunden hätte. Armer Mann. maximian wusste, dass er ihm viel Kummer bereitet hatte. Nun stand es ihm also nicht mehr bevor, solch einer Heirat zuzustimmen.


    "Ist sie mit dir hier?"

  • Hätte er. Varus nickte.
    "Das sind gute Absichten gewesen. Leider war die Zeit nicht dein Verbündeter, als du dich dazu entschlossen hattest. Und du meinst, dass du sie nicht zurückerobern kannst? Oder willst du es nicht?"


    Als die Frage nach Sabina kam, machte Varus einen bedrückten Eindruck, sprach dann aber ruhig und entspannt.
    "Sie ist bei der Geburt unserer Tochter gestorben", sagte er und faltete die Hände, Maximian ruhig ansehend. Hatte er nichts davon gehört, dass er und Decima Alessa inzwischen verlobt waren? Wohl nicht.

  • Gute Fragen, die ihm der Petronier stellte. Maximian hatte so weit noch nicht gedacht. Valeria zurückerobern... Er würde sich darüber ein andernmal den Kopf zerbrechen. Er vermutete jedoch, dass die Enttäuschung auf beiden Seiten und der Vertrauensverlust auf einer von ihnen nicht sonderlich für eine zweite Chance sprach.
    "Ich weiß es nicht...", antwortete er und zuckte ratlos mit den Schultern. Valeria war ja nun auch kein teures Pferd, das Livianus ihm geklaut hatte. Sie hatte da auch ein Wörtchen mitzureden und wenn er genau hinhörte, dann hatte sie dieses Wörtchen schon ausgesprochen.


    Und dann berichtete Varus von seinem eigenen Schicksal und dem Seiner Frau und seiner Tochter. Also hatte er wirklich in etwa das gleiche durchgemacht, was Maximian momentan so sehr mitnahm. Konnte er dem Petronier also doch etwas von dem glauben, was er ihm zuvor geraten hatte?
    Maximian antwortete dem Fremden eine Weile lang nichts, einfach weil er das Gefühl und das Wissen hatte, dass es nichts nützte etwas zu sagen. Dann stand er auf und ging hinüber zu einer Weinkanne, die am Tage nicht zur Gänze ausgetrunken war. Er goss zwei Becher voll und ging damit zurück an den Tisch, ein wenig die Rolle des Fremden nachahmend, reichte ihm einen Becher und setzte sich mit dem anderen in der Hand zurück auf seinen Schemel.


    "Wie lange ist das her?", fragte Maximian und sah in den Becher, einen Teil seines Gesichtes darin wiedererkennend. Er wollte wissen, wie lange es dauerte, bis er nicht mehr ständig darüber nachdenken musste und Valerias Bild aus seinem Kopf verschwand. Und dem Herzen, wenn sie das je würde. Wenn er sie je wirklich loslassen können würde.

  • Varus folgte Maximian mit den Blicken. Er war ein guter Junge und würde seinem Vater sicher noch viel Freude und Stolz bereiten. Schade, dass er nie einen Sohn gehabt hatte. Aber vielleicht...wenn Alessa und er... Sie war jung und würde sich sicherlich Kinder wünschen. Varus seufzte und nahm den Becher entgegen, den Maximian ihm reichte. Mit einem Nicken bedankte er sich für den Wein.


    "Arria ist nun einundzwanzig", stellte Varus fest.
    "Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich viel zu lange darauf gehofft hatte, dass es ein böser Traum sei, aus dem ich erwachen würde. So zogen beinahe zwei Jahrzehnte ins Land, ehe ich mich wieder einer Frau öffnete, die nicht meine Tochter oder meine Schwester war."


    Varus trank einen tiefen Schluck Wein, stellte den Becher auf den Tisch und spielte mit ihm herum.
    "Du kennst sie bestimmt. Alessa, deine Verwandte. Wir haben uns verlobt, ehe ich hierher kam, um deinem Vater und dem Kaiser zu dienen."


    Ob er nun denken würde, der alte Varus mit dem Bauchansatz sei ein Soldat? Die Überlegung ließ Varus schmunzeln.

  • Zwei Jahrzehnte?!?!?!? Genau das, mit genau so vielen Ausrufungs- und Fragezeichen betonender Stimme, hätte Maximian beinahe ausgerufen. So lange?! Geschockt sah er den Petronier an, konnte gar nicht glauben, dass es so viel Zeit kosten würde. Und dann.... Er hatte Valeria nicht mal ganz ein Jahr gekannt und geliebt, da musste es für Varus ungleich schwerer zu ertragen gewesen sein, als seine Frau verstarb. Und Valeria lebte ja auch noch, wenn nicht mehr für Maximian. Momentan.
    Der junge Mann seufzte verdrossen und nahm einen großen Schluck Wein. Der war unverdünnt und er wusste, dass er aufpassen musste. Aber er vergaß es und würde sich für den Abend sogar noch etwas Wein mit aufs Cubiculum nehmen.


    Dann nannte er den Namen einer Verwandten. Alessa, Maximian musste beim Gedanken an sie schmunzeln. Offensichtlich hatte er noch nicht ganz verknüpft, was Varus gesagt hatte. Das stellte sich dann jedoch rasch ein, als Varus schmunzelte.
    Alessa würde heiraten? Himmel, und er erfuhr erst jetzt davon. Dabei kam es ihm noch wie gestern vor, als sie durch den Hortus getobt waren, ausgelassen wie zwei kleine Kinder im Gras und am Brunnen herumtollend. Unfassbar. Ja, es war viel Zeit ins Lang gegangen seither. Das war auch noch vor Valeria gewesen.


    Ihn würde also Alessa heiraten. Maximian musterte ihn noch einmal eingehend, sah ihn dann wie zu Anfang skeptisch an und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn, hielt mit den anderen Fingern den Becher.
    "Jetzt wird mir alles klarer. Deswegen weißt du so genau, wer ich bin. Und weil du eh bald zur Familie gehören wirst, dachtest du dir, dass du dich dem jungen Burschen annimmst. Interessant.", quasselte er und grinste gen Ende sogar. Das erklärte zwar alles noch nicht, aus welchen Gründen der Petronier nun wirklich da war, aber egal. Maximian hatte sich an den Gedanken gewöhnt, dass er vor einem angestellten Mehrfachmörder und zugleich seinem neuen Magister saß, der womöglich als Soldat ein Doppelleben führte und demnächst auch noch eine Decima heiraten würde.

  • Varus sah Maximians entsetztes Gesicht und fragte sich, ob es wirklich so gut gewesen war, ihm das mit Sabina zu erzählen. Aber er hatte es nun einmal getan und es war nicht mehr zu ändern. Varus schwieg dazu. Dann vernahm er Maximians Vermutung und hob kurz in einer abwehrenden Geste die Hände, schüttelte leicht den Kopf.


    "Oh nein, ganz sicher nicht deswegen", lachte Varus und schüttelte noch einmal bekräftigend den Kopf und sah Maximian dann amüsiert an.
    "Ich bin von einem jungen Mann für einen Einbrecher gehalten worden. Trotzdem sitzen wir nun hier und reden über lebenswichtige Dinge, wie die Liebe. Es war einfach ein nettes Gespräch mit dir und ich hoffte, dir helfen zu können. Aber wer gibt schon viel auf die lahmen Worte eines alten Mannes, der erst jetzt den Cursus Honorum beschreitet..."


    Varus grinste breit und lachte dann.
    "Mach nur nicht den gleichen Fehler wie ich, Maximian, und überlege zu lange, bis du etwas neues zulässt. Neue Liebe heilt alte Wunden sehr schnell und effektiver als jede Medizin", zwinkerte Varus und stellte fest, dass sein Wein schon leer war. Sprach er deshalb so seltsam?

  • Maximian seufzte und schüttelte amüsiert den Kopf - zumindest das hatte Varus erreicht, alles andere würde Maximian sich nochmal durch den Kopf gehen lassen. Eins wusste er: Er würde gleich am nächsten Morgen Meridius aufsuchen und ihn fragen, was zum Kuckuck Petronius Varus für eine Funktion innehielt, außer der des zukünftigen Ehegatten der Decima Alessa, versteht sich.


    Er nahm einen Schluck und sinnierte einen Moment lang darüber nach, was Varus zuletzt sagte. Das eine andere Frau an seiner Seite alte Wunden schneller heilen ließe und er deshalb nicht allzu lange Warten solle. Hm. Nein, erst einmal würde er sich auf wichtigere Dinge konzentrieren. Wieder nahm er einen Schluck. Ach was sollte es, dachte er, diese Frage würde er sich irgendwann mal stellen, jetzt war die Zeit dafür noch lange nicht gekommen.


    Skeptisch sah der Sohn des Legaten wieder zum Petronier, der gerade feststellte, dass sein Becher schon geleert war. Maximian seufzte und stellte seinen Becher auf den Tisch, hielt ihn mit der Hand aber fest.
    "Vielen Dank für das tiefgründige Gespräch, Varus. Ich weiß nicht, ob ich sonst überhaupt etwas gegessen hätte. Aber jetzt ist es an der Zeit der Nacht ins Auge zu sehen, die kommenden Tage werden ohne Zweifel anstrengend und gleichermaßen aufregend genug sein. Also -", sprach er und stand auf, nahm die Karaffe und bot dem Petronier an, noch einmal nachzuschenken und tat das dann auch bei sich, ehe er die Karaffe wieder wegstellte. "- entschuldige mich nun. Noch eine geruhsame Nacht."

  • Varus sah Maximian zufrieden an. Er hatte das Gefühl, dass der junge Mann nun beruhigter würde einschlafen können als noch vor ihrem Gespräch. Er lächelte und nickte, als Maximian noch etwas Wein anbot, und verabschiedete sich dann mit den Worten:


    "Dann wünsche ich dir einen gesunden Schlaf,.....Maximian", sprach er und hätte doch beinahe 'mein Junge' gesagt statt seinen Namen. Er wartete, bis der Junge fort war, dann nahm er seinen Weinbecher und stand auf, um in der Küche herumzugehen. Er dachte an Alessa, und wie er sie vermisste. Wenige Minuten später war auch dieser Becher geleert und auch Varus verließ die Küche, um sich hinzulegen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden.

  • Maximian war schon lange nicht mehr der Fresssack, der er einst gewesen war. Man hatte ihn ja beinahe nur noch mit etwas Essbarem in der Hand gesehen, nie ohne. Und auch wenn es nie angesetzt hatte, so waren doch irgendwann alle so ein wenig besorgt um den jungen Menschen gewesen, der ohne Unterbrechung essen konnte.


    Einige Monate später war ersichtlich, wofür er all die Energie gebraucht hatte. Er war ein ganzes Stückchen gewachsen und das nicht nur einfach in die Höhe, sondern auch in die Breite, sodass er ein schon viel breiteres Kreuz und eine enorm männlichere Figur aufweisen konnte.
    Trotzdem gehörte es immer noch zu seinen Gewohnheiten des nachts in die Culina zu pilgern und dort (so gut wie immer allein) die Vorräte zu plündern. Ja, mittlerweile stellte die fette Küchensklavin sogar manchmal einen Teller mit Leckereien für ihn bereit. Scheinbar hatte sie soetwas wie ein Gefühl für Maximians unerklärliche Gelüste.


    In dieser Nacht sollte es also wieder einmal so weit sein. Zu nächtlicher Stunde, die Familienmitglieder und auch die meisten der Sklaven schliefen friedlich, lief ein verschlafener Decimus bedacht auf Lautlosigkeit noch beinahe im Halbschlaf den Weg zur Culina ab, um sich dort erst einmal Licht zu verschaffen.
    Gähnend sah er sich um. Ging an einen Topf und sah hinein. Sah nach irgendeinem Brei aus. Sicherlich für den Folgetag bestimmt. Nicht so seine Sache, aber seine Mutter aß vieles, das er nie anrühren würde. Nein, ihm war nach etwas Herzhaftem.... Hm. Sich den Bauch kratzend sah er sich um. Die Köchin hatte diesmal auch nicht an ihn gedacht, sodass ihm die Futtersuche doch erheblich erschwert wurde, zumal er sich tagsüber eher selten in der Culina rumtrieb.


    "Hmmmmmmmm...." murmelte er und ging an ein Regal, in dem verschiedenste Dinge aufbewahrt wurden. Von dort nahm er sich ein kleines, tönerndes Gefäß, in dem die gutschmeckenden, marinierten Oliven aufbewahrt wurden. Mit bloßen Fingern nahm er sich eine heraus und ließ sie im Mund verschwinden. Gleich danach noch eine.


    "Lecker." Ja, das waren sie. Da war er, dessen kurze Haare immer noch verstrubbelt aussehen konnten, urplötzlich auch so richtig wach. Weiter. Da musste es noch mehr geben. Ah! A wie Apfelmus. Hmmm. Da konnte es einem doch egal sein, ob das zu Oliven passte. Dazu noch ein paar lukanische Würste und etwas Brot. Ha. Perfekt.
    Maximian stellte das alles auf den kleinen Tisch. Dann nahm er sich aus einer Amphore noch ein Glas unverdünnten Wein und weil er darüber stolperte auch noch ein halbvolles Glas irgendeiner Milch.


    Sein Magen hatte mittlerweile laut zu knurren begonnen. Also setzte er sich, rieb die Hände aneinander und begann dann.... Tjaaaaa, was begann er dann? Es schien, als würde er die Evolution im Folgenden rückwärts durchleben. Er mampfte... und wie! Man hätte meinen können, er würde am Tage nichts zu essen bekommen, so ging er, der sich allein wusste und so keine Manieren zeigen brauchte, da plötzlich zu Werke. Eine Herde Wildschweine war nichts gegen den jungen Mann - oder was der Hunger von ihm noch übrig gelassen hatte.

  • Sie wusste nicht, woher es kam, aber in den vier, fast fünf Tagen, die sie nun schon hier war und im Bett liegen musste, wie es der Arzt gesagt hatte, bekam sie nachts immer einen solchen Durst, dass die Amphore mit Wasser nie ausreichte, um ihn zu stillen. Valeria wachte mitten in der Nacht auf, geplagt von einem entsetzlich trockenen Hals und einem solchen Durst, dass sie die Amphore innerhalb erniger Minuten leerte. Normalerweise reichte der Inhalt der selbigen, doch heute musste sie feststellen, dass die Amphore geleert, der Durst jedoch nicht gestillt war. Valeria versuchte, das Gefühl zu ignorieren, doch das gelang ihr nicht, sodass sie nach einer halben Stunde mitten in der Nacht die Füße aus dem Bett schwang und sich benommen aufsetzte und umsah. Die Sklavin, die auf sie aufpassen sollte, wie Meridius es verlangt hatte, schnarchte glücklich in ihrem Sessel und so beschloss Valeria, sie nicht zu wecken. Wär ja noch schöner, wenn sie nicht einmal den Weg bis in die Küche schaffte, um nachschub zu holen!


    Wie es der Zufall allerdings wollte, so suchte Valeria einen Moment lang vergeblich nach Hausschuhen, Sandelen, Stiefeln, was auch immer, damit sie nicht die Kälte des Bodens spüren musste. Natürlich fand sie nichts dergleichen, doch wenigstens eine Art Überwurf hing an einem Haken neben der Tür. Zwar in blassrosa, was ihre blasse Haut noch hervorhob, aber Valeria schnappte sich die Amphore und wackelte mit pochendem Kopf, glühender Stirn und schmerzenden Gliedern zur Tür. wo sie den dünnen Mantel umständlich anzog und sich dann - barfuß - zur Culina schleppte.


    Schon vier Schritte entfernt blieb sie stehen und lauschte angestrengt. Wer war denn zu dieser Zeit noch wach? Und vor allem, was um Himmels willen tat dieser Jemand in der Küche? Sie hörte ein kauen und Schmatzen, ein Rülpsen, Futtern, das Mahlen von Zähnen und ein Schlürfen. Langsam schlich sie näher, während ihre Füße sich bereits in Eis verwandelt hatten. Mit großen Augen stand sie dann in der Tür, barfuß, gewandet in einen rosanen Morgenmantel und mit mindestens so zerzaustem Haar wie es Maximian hatte. Mit dem verblüfften Ausdruck auf ihrem Gesicht konnte er aber nicht mithalten. Sie sagte nichts und beobachtete nur fasziniert, wie er aß.

  • In ihn hinein ging folgendes: Essen, Trinken, eine Menge Luft und vor allem die Geräusche, die er beim Futtern, Trinken und zwischendurch Atmen so verursachte.
    Hinaus kam hingegen: Luft, begleitet von eben jenen Geräuschen.


    Wie das vonstatten ging, soll an dieser Stelle unbeschrieben bleiben. Er war jedenfalls so mit sich, seinem Essen und der Verarbeitung davon so beschäftigt, dass er nicht hörte, dass sich jemand näherte. Das nur mehr menschenähnliche Wesen bemerkte diesen Jemand auch nicht, als er schon in der Tür zur Culina stand und ihn erstaunt beobachtete. (Später soll sich aus eben solchen Situationen der ein oder andere Zoo entwickelt haben.)


    Erst, als er den Kopf mit dem Weinbecher (schon leer!) an den Lippen weit zurücklegen musste, um an die letzten Tropfen heranzukommen, musste sein Unterbewusstsein feststellen, dass da irgendetwas im Augenwinkel zu sehen gewesen war, das Aufmerksamkeit bedurfte. Es dauerte noch einige Sekunden, bis das Hirn an Arme, Beine und vor allem Futterluke gefunkt hatte, dass das Fressen kurzzeitig unterbrochen werden musste, aber dann ging wahrhaftig der Kopf Maximians in die Höhe und die Augen fanden über Umwege (Weinamphore, Brotlaib, Breitopf) tatsächlich hin zur Tür, wo er immer noch voller Faszination beobachtet wurde.


    Ein Rülpsen gerade noch so unterdrückend (ah, Mann fand in die Zivilisation zurück), erkannte Maximian Valerias dürre und blasse Gestalt. Sie hatte sich scheinbar einen dünnen Umhang umgewickelt und hielt sich wackelig auf den Beinen.
    (Es brauchte im Folgenden wieder einige Momente, bis seine Augen dem Hirn glaubhaft versichert hatten, dass ihn das, was er sah, beunruhigen musste.)
    Schließlich blinzelte Maximian verdattert und rieb sich sogar nochmal ungläubig über die Augen. Dann machte er aber sogleich Anstalten sich zu erheben, wobei sich ein Schwall von Krümeln aus den Falten seiner Nachttunika über den Tisch ergoss.


    "Valeria... Was suchst du denn hier unten?"

  • Es schien ihr im ersten Moment unmöglich, dass ein Mensch so viel Luft fassen konnte. Wo die nur her kam? Hatte er die nun geschluckt oder war sie durch die Ohren in seinen Körper gekrochen? Während Valeria noch rätselte, zog ein Schwall übelriechender Luft an ihr vorbei, um sich außerhalb der Culina irgendwo zu verflüchtigen. Sicherlich fanden sich unter den vielen Köstlichkeiten auf dem Tischauch Zweibeln. Das musste es sein. Trotzdem glaubte Valeria nicht, dass sie ihn jemals so erlebt hatte. Sie verzog das Gesicht und machte dann einen Schritt in den Raum hinein, blieb dann auf einem Bein stehen und legte die nackte Fußsohle des anderen Beines an die Wade, damit der Fuß nicht vor Kälte abfiel oder dergleichen. Nachdem Maximian sich endlich losreißen konnte von seinem Gelage, stellte er auch eine recht einfache Frage, die Valeria dazu veranlasste, die Amphore zu heben.


    "Wasser?" war die leicht spöttische Antwort, die sie mit der kratzigen Stimme einer Frau sprach, die vielmehr ins Bett gehörte denn mit einem rosanen Mantel bekleidet und baren Fußes in die Culina. Die Krümel, die Maximians Tunika zu Tage förderte, hätten einem Schwarm hungriger Tauben zum Nachtmahl gereicht, waren hier drinnen aber lediglich das Zeugnis einer nächtlichen Plünderung, über die die dickliche Köchin einige Stunden später vermutlich schimpfen würde. Valeria machte noch einen Schritt und wärmte dieses Mal den anderen Fuß. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie, dass die Sohle nicht etwa in zartem rosé gehalten, sondern vielmehr braunschwarz verfärbt und krümelig war. Die Sklaven schienen es mit dem Putzen also nicht so genau zu nehmen. Sie zuckte mit den Schultern, stellte die Karaffe auf die Anrichte und zog sich mit einer mühseligen Bewegung rückwärts daran hoch. Nach dem zweiten Anlauf schaffte sie es auch hinauf, sodass sie Maximian nun auf der Anrichte sitzend und mit baumelnden Beinen beobachtete.


    "Schmeckt's?"

  • Wo Wasser? ging es dem Menschenaffen durch den Kopf, der in diesem Moment immer noch nur nach einfachsten Mustern funktionierte. Alles ging ums blanke Überleben und Wasser stellte da sicher eine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Erst, als Valeria die Amphore auf die Anrichte stellte, was ein Geräusch verursachte, auf das Maximians Instinkte reagieren konnte, glaubte er zu verstehen. Wobei... Amphore, Wasser.... naaaa, das war dann doch noch ein wenig schwer. Gleich kam er nicht drauf, was Valeria nur gemeint haben könnte. Wasser gab es doch überall. Wozu brauchte sie da eine Amphore für?


    Valeria hievte sich auf die Anrichte. Jetzt fielen Maxmimian auf ihre baren Füße auf, die völlig verdreckt waren. Er verstand noch weniger und überhörte ihre Frage.


    Also, langsam. Valeria tauchte des nachts in der Culina auf. Valeria suchte Wasser. Valeria hatte eine Amphore bei sich. So weit, so gut. Das sollte vorkommen. Aber warum trug sie keine Schuhe? Warum standen ihre blonden Locken so wirr ab? Und um Himmels Willen: Was suchte sie hier, wo sie doch nicht einmal kräftig genug war, um sich allein zu waschen?


    Weiterhin blinzelte Maximian, sah hinunter auf sein Schlachtfeld und mit leicht verklärtem Blick zurück zu Valeria.
    "Uhm... ja. Magst du etwas abhaben?" fragte er völlig verdattert. Dann ließ er sich zurück auf den Schemel fallen, schloss die Augen und fasste sich mit Daumen, Ring- und Zeigefinger ans Nasenbein, um einen Moment angestrengt nachzudenken.
    "Moment" bat er, verharrte einige Augenblicke und sah dann, als er glaubte wieder alles mehr oder weniger im Griff zu haben, auf. Er stand auch auf, fuhr sich mit der Hand über den Mund und ging hinüber zu Valeria, die immer noch auf der Anrichte saß. Erneut sah er einmal an ihr herab, dann sucht sein Blick unter einer gerunzelten Stirn hervor ihren.


    "Du solltest nicht hier sein. Aber du bist hier. Warum... bist du hier?"

  • Valeria musterte Maximian skeptisch und ihr Blick wurde dabei immer skeptischer, bis sie ihn schließlich mit großer Verwirrung ansah und trotzdem nicht verstand, was sie da sah. Sicherlich hatte er abends die gleichen (Un-)Mengen wie auch sonst verdrückt. Aber warum kam er dann mitten in der Nacht hierher und aß das alles? Ihre Hand wanderte an die Schläfe, die bereits wieder unangenehm pochte und die Küche leicht vor ihren Augen verschwimmen ließ, während Maximians wahrhaft flinkes Gehirn gerade die ganzen einzelnen Puzzleteilchen zusammensetzte, die sie ihm hingeworfen hatte. Auf seine Frage nach der Teilnahme am Essen schüttelte sie den Kopf und versuchte ein zaghaftes Lächeln. Sie hatte keinen Appetit, aber das war ja normal, wenn man sich den verlauf der letzten Woche zu gemüte führte. Urplötzlich fiel ihr ein, dass sie Maximian noch nicht von der Sache mit Liianus erzählt hatte, aber das wollte sie lieber später tun, nicht jetzt, wo Maximian offensichtlich....


    ...schlafwandelte. Schlafwandelte? Tatsächlich, das musste es sein, deswegen war er so verwirrt und deswegen stellte er so dumme Fragen. Sie grinste kurz.


    "Ich bin hier, weil Alesia schläft und ich sie nicht wecken wollte. Ich wollte nur schnell neues Wasser holen", erklärte sie dann ernst und schon klarer als von vor drei Tagen.
    "Und warum bist du hier? Hunger vermutlich. Aber um diese Zeit? Du schlafwandelst doch nicht etwa?"

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