Günther Grass und sein Bekenntnis

  • Schlucken musste ich schon, als ich seine Worte hörte. Wie steht Ihr dazu?


    Das ER, der er selbst stets zur Offenheit mahnte und gegen das Verdrängen war, nun selbst sich geoutet hat - ebenso wie alle anderen zu sein, die er doch kritisierte - das spricht für ihn. Und ich kann mir lebhaft vorstellen, welche Kontroversen er mit sich, nein, gegen sich, führte. Er hat nun gezeigt, wie schwer es ist, wirklich den Idealen zu folgen, und diese konsequent zu leben.


    Die Frage ist natürlich auch, WAS er in der Zeit tat....

  • Irgendwie erinnert mich das an "Galileo Galilei" von Bertold Brecht. Und im Grunde hat ja jeder irgendwo seine Fleischtöpfe aus denen er essen will, weil er essen muss, und weil es so gut schmeckt und so bequem ist. Ein absolut menschliches Verhalten. Ich finde es bedenklich, dass es bei ihm so lange gedauert hat. Ich finde es gut, dass er damit doch noch an die Öffentlichkeit gegangen ist. Was macht man jetzt also mit Grass? Nennt man ihn einen Heuchler? Oder steht man drüber und verehrt weiterhin seine Literatur und seine pazifistische und politische Ader? Kann man beides? Oder nur eines? Muss man urteilen? Oder verurteilen? Und wer hat das Recht dazu?


    Er war ein Jugendlicher als er sich zu den Truppen meldete. Teil einer Gesellschaft, die bis auf wenige Ausnahmen verblendet war. Einem Demagogen glaubte. Er war ein Mann, als er erkannte, dass diese Entscheidung damals falsch war. Und er legte während seiner literarischen Schaffenszeit eigentlich immer seinen Finger in diesen wunden Punkt unserer Vergangenheit. Zu schade, dass er ihn nicht gleichzeitig in die Wunde seiner eigenen Vergangenheit gelegt hat. Er hat da eine große Chance verpasst.


    Aber ich will ihn nicht verurteilen. Er muss selber damit klar kommen.
    Dass er es versucht, sieht man daran, dass er in die Öffentlichkeit geht.

  • Mir fällt dazu spontan ein Zitat ein, das über Mozart gesagt wurde.


    Sim-Off:

    Ich glaube zwar nicht, das es jemanden interessiert, aber ich könnte die Quelle sogar angeben, bin aber zur Zeit zu unmotiviert dazu, ich will auch noch eine Schnuppe sehen.


    Der kluge Mensch meinte also über Mozart:

    Er ist nicht nur ein Genie, viel mehr, er ist ein Mensch!


    Und eben dieses hat Grass auch bewiesen.


  • weil er in der Waffen SS war? Ständig gelogen hat und sich Jahre lang selbst geleugnet hat? Den Moralapostel gespielt hat und wie gesagt ständig gelogen ... dafür bewundern? Mit Verlaub, kein Nazi verdient Bewunderung ...

  • Hehe, wer war denn DAMALS KEIN Nazi? Woran macht man das fest, das NAZI sein? Am Parteibuch? In der Partei war er nicht. Daran, dass er in der Wehrmacht war? Oder in der SS? Der Kerl war 17! Welche Jugend hatte er? Welche Kindheit? Ich denke man muss da Abstriche machen. Ich selbst bin keiner der das Verharmlost, doch ich will nicht wissen, wer von uns allen zur damaligen Zeit stirnscheitelunterschwang mitmarschiert wäre und das aus vollster Überzeugung. Eigentlich ein schrecklicher Gedanke...

  • Zitat

    Original von Maximus Decimus Meridius
    Hehe, wer war denn DAMALS KEIN Nazi? Woran macht man das fest, das NAZI sein? Am Parteibuch? In der Partei war er nicht. Daran, dass er in der Wehrmacht war? Oder in der SS? Der Kerl war 17! Welche Jugend hatte er? Welche Kindheit? Ich denke man muss da Abstriche machen. Ich selbst bin keiner der das Verharmlost, doch ich will nicht wissen, wer von uns allen zur damaligen Zeit stirnscheitelunterschwang mitmarschiert wäre und das aus vollster Überzeugung. Eigentlich ein schrecklicher Gedanke...


    Naja in die Waffen SS kam man auch nicht so ohne weiteres ... is nich mein Spezialgebiet deswegen kann ich das nicht so sagen.
    Jedenfalls gehts mir mehr darum, dass er ständig so gelogen haben muss ... auch die Wahrheit verschweigen ist lügen ...

  • Nun, Grass hat gesagt, dass er zu den U-Booten wollte, oder zur Luftwaffe. Es war kurz vor Kriegsende, da gab es faktisch weder Marine, noch Luftwaffe. Wer sich gemeldet hat, landete automatisch in der Wehrmacht, in den Waffen-SS-Einheiten oder im Landsturm. Faktisch kein großer Unterschied, man hat willkürlich zugeteilt, Hauptsache Verstärkung. Am Ende des Krieges ging es nicht mehr wirklich ideologisch zu.

  • Damals wurden die Leute für Waffen SS und Wehrmacht eingezogen, und nicht wenige gingen zur Waffen SS... Waren das alles Nazis? Waren alle Menschen damals Blutrünstige Bestien die ganz Europa mit Elend, Schrecken und Gewalt überzogen?
    Am wenigsten können doch die Kinder dafür, die damals im Krieg dienen mussten. Was hätte er machen sollen? Kriegsdienst verweigern? Bei der Erziehung unmöglich, kaum einer hat sich gegen das System aufgelehnt. Nur wenige Leute aus der Zeit können offen darüber reden. Mein Großvater nicht, der in Russland vier Jahre lang gekämpft hat, meine Urgroßväter nicht, etc. Von denen wüsste ich es heute auch nicht, wenn ihre Frauen nicht darüber berichtet hätten.
    Die Waffen-SS war zu dem Zeitpunkt als Grass in diese Eintrat keineswegs mehr der Haufen von fanatischen Idioten, der sie am Anfang des Krieges gewesen war. Wenn normale Wehrdienstleistende da eingezogen werden, kann es auch nicht mehr sein.


    Ich kann diese Pauschalisierten Vorurteile nicht leiden. Man muss sich kontrovers damit auseinandersetzen. Besonders bei Personen die später deutlich gegen Krieg und Nazis waren (Karl Dönitz hat diese kritische Betrachtung nicht erhalten)...

  • Hmm ... letztendlich waren damals eine Menge Leute bei der NSDAP, insofern überrascht mich ein Bekenntnis dieser Art nicht unbedingt bei jemandem, der in dieser Zeit aufgewachsen ist, es gehörte einfach dazu und Widerstand zu leisten erforderte nicht nur eine Menge geistiger Unabhängigkeit vom System, sondern auch Todesmut.


    Was ich allerdings ausgesprochen bedenklich finde, ist die Tatsache, dass es bei Grass so lange gedauert hat, bis er zugeben konnte, dass er in einer der an Kriegsverbrechen aktiv beteiligten Gruppe Mitglied war - zur Waffen SS kam man imho nicht einfach so, sondern musste schon einiges an Leistungen und Linientreue aufgebracht haben, um in Frage zu kommen.
    Es ist recht leicht, mit Heuchelei und Schweigen an die Spitze zu kommen, auf der er sich nun ausruhen kann - und nun, da ihm nicht mehr viel geschehen kann, offenbart er seine Vergangenheit. Auf dem aufsteigenden Ast hätte ihm das Bekenntnis wohl deutlich mehr geschadet ... ich empfinde dieses späte Geständnis ehrlich gesagt als ziemlich feige.

  • Zitat

    Original von Maximus Decimus MeridiusEs war kurz vor Kriegsende, da gab es faktisch weder Marine, noch Luftwaffe. Wer sich gemeldet hat, landete automatisch in der Wehrmacht, in den Waffen-SS-Einheiten oder im Landsturm. Faktisch kein großer Unterschied, man hat willkürlich zugeteilt, Hauptsache Verstärkung. Am Ende des Krieges ging es nicht mehr wirklich ideologisch zu.

  • Danke Meridius, ich denke, jeder hier kann lesen *schmunzelt* nur auf die Beiträge, die andere tippen, während man selbst schreibt, einzugehen, ist naturgemäß ein bisschen tricky.

  • Zugang zur Waffen SS ist ja jetzt geklärt, wie gesagt, ich habe bei dem Thema nicht so die Ahnung ...


    aber ich mus Iulia Helena insoweit rechtgeben, dass es mir dann auch etwas zulange dauerte. Und mit 17 am Kriegsende ... ist er 1927(oder so) geboren.
    1933 war er 6 Jahre alt ... wurde also vollkommen nach dem Naziideal erzogen ... kannst mir also nicht erzählen, dass das kein Nazi war ...

  • Zitat

    Original von Iulia Helena
    Danke Meridius, ich denke, jeder hier kann lesen *schmunzelt* nur auf die Beiträge, die andere tippen, während man selbst schreibt, einzugehen, ist naturgemäß ein bisschen tricky.


    :D stimmt. ich les mich halt nur selber gerne.

  • Am Ende des Krieges schon:


    "[...]Allerdings gab es auch Soldaten, die sich nicht freiwillig für den Dienst in der Truppe gemeldet hatten. Durch die hohen Verluste an der Front wurde das Prinzip der Freiwilligkeit schließlich ganz aufgegeben. Das SS-Führungshauptamt konnte sich gegen die Wehrmachtsführung durchsetzen und in bestimmten Gebieten Rekruten einziehen. Die akute Personalnot an ausgebildeten Fachleuten führten auch dazu, dass Generalstabsoffiziere oder Generäle des Heeres auf Generalstabsdienstposten in den SS-Divisionen versetzt wurden, um dort ihren Dienst zu verrichten. Vom Heerespersonalamt wurden sie weiterhin als Offiziere des Heeres geführt."


    Es gab also durchaus ne Chance direkt zur SS eingezogen zu werden anstatt zur Wehrmacht


    [http://de.wikipedia.org/wiki/Waffen-SS#Besondere_Problematik]

  • Zitat

    Original von Quintus Serberus
    Zugang zur Waffen SS ist ja jetzt geklärt, wie gesagt, ich habe bei dem Thema nicht so die Ahnung ...


    aber ich mus Iulia Helena insoweit rechtgeben, dass es mir dann auch etwas zulange dauerte. Und mit 17 am Kriegsende ... ist er 1927(oder so) geboren.
    1933 war er 6 Jahre alt ... wurde also vollkommen nach dem Naziideal erzogen ... kannst mir also nicht erzählen, dass das kein Nazi war ...


    Wer wäre das nicht?

  • Nunja, wenn Du zum Beispiel jemanden als CHRIST definierst, nur weil er im Pass Katholisch stehen hat, oder Evangelisch, dann hast Du wohl Recht. Aber ob es so ist? Die ganze Sache finde ich ist sehr schwierig einzuschätzen. Nicht jeder Nazi war Nazi. Wie gesagt: Wie definiert man sowas? Am Parteibuch? An der Erzeihung? Wurdest Du konfirmiert? Bist Du in der Kirche? Glaubst Du? Die Dinge hängen nicht unmittelbar miteinander zusammen. Aber das ist ein Thema für sich.

  • Zitat

    Original von Maximus Decimus Meridius
    Nunja, wenn Du zum Beispiel jemanden als CHRIST definierst, nur weil er im Pass Katholisch stehen hat, oder Evangelisch, dann hast Du wohl Recht. Aber ob es so ist? Die ganze Sache finde ich ist sehr schwierig einzuschätzen. Nicht jeder Nazi war Nazi. Wie gesagt: Wie definiert man sowas? Am Parteibuch? An der Erzeihung? Wurdest Du konfirmiert? Bist Du in der Kirche? Glaubst Du? Die Dinge hängen nicht unmittelbar miteinander zusammen. Aber das ist ein Thema für sich.


    So gut wie jeder wurde so erzogen! Er war 6 als Hitler an die Macht kam!
    Das Erzeihungswesen wurde recht schnell umgestellt ... glaub ich :/
    Seine "Kindheit" und seine "Jugend" verbrachte er denke ich schon in Nazi-Deutschland. Und wenn er zur Schule ging, wurde er auch zum Nazi erzogen ... wie jeder andere in der Zeit auch ...

  • Nur mal als kleine Info nebenbei, die Waffen-SS hatte auch viele Nichtkämpfende Einheiten. z.B. Flakabteilung, Postschutz, Mediziner usw. Nicht alles und jeder in Schwarzer Uniform war gleich ein Kriegsverbrecher.
    Selbst der Papst war in der HJ... vor so etwas konnte man sich halt nicht drücken damals.

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