Gespräch mit der Sacerdos Publicus Decima Valeria

  • Valeria sah sich in der Halle um und suchte sich ebenfalls einen Platz, an dem sie warten konnte. Die Wahl fiel auf eine einladend aussehende Steinbank, auf die sie sich setzte und wartete. Sie spielte mit dem Rand des Briefes währenddessen.

  • Etwas später erschien Meridius, entdeckte Valeria schon aus der Ferne und ging zielstrebig auf sie zu. Schon auf halbem Weg grüßte er, durchschritt den Rest des Raumes, gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie sich nicht zu bemühen brauchte und nahm ebenfalls Platz.


    "Salve, Valeria."

  • Valeria wollte gerade aufstehen und Meridius begrüßen, als dieser abwehrte und sich neben sie setzte. Sein Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes erahnen. Den Brief hielt sie nun zusammengefaltet in ihren Händen.


    "Salve Meridius", grüßte sie ihn zurück, und fügte hinzu, als er neben ihr saß:
    "Wie geht es dir? Du siehst nicht gut aus."

  • Er sah nicht gut aus? Welch Kompliment. Immerhin war sie der Anlass für dieses Zusammentreffen und seit dem Eintreffen des kaiserlichen Briefes waren mehrere Tage vergangen. Zeit genug um wieder Farbe anzunehmen - eigentlich.


    "Danke, der Nachfrage."


    Er wartete einen Moment.


    "Ich will gleich zum Punkt kommen. Ich habe einen Brief aus Rom erhalten. Vom Kaiser persönlich geschrieben. Er macht sich Sorgen bezüglich diverser Vorgänge in der mir anvetrauten Provinz, wie er sich so schön ausgedrückt hat.


    Wenn sich also schon der Kaiser um die Provinz sorgt, die er mir anvetraut hat, ist das Grund genug für mich, mich nochmehr um diese seine Provinz zu sorgen. Schließlich will ich ja nicht, dass der Kaiser Grund hat sich zu sorgen. Bei Iupiter, es wäre furchtbar, wenn er Nachts nicht mehr schlafen könnte. Womöglich wäre dann mein Name daran schuld, und das wollen wir beide ja auf gar keinen Fall."


    Er sah sie an.


    "Dein Name wurde erwähnt in diesem Schreiben."

  • Valeria seufzte tief, schloss einen Moment die Augen und hob die Hände, um sich rechts und links mit Zeige- und Mittelfinger die Schläfen zu massieren. Der Kaiser!


    "Lass mich raten, er schrieb von einem Streit in der Priesterschaft", murmelte sie.
    Erst dann nahm sie die Hände herunter und sah Meridius an. Das Thema mit all seinen Anschuldigungen und Beschuldigungen hing ihr allmählich zum Halse raus. Vermutlich kam demnächst noch eine persönliche Vorladung nach Rom. Aber dass der Kaiser über die Dinge Bescheid wissen wollte, die in seinem Reich abliefen, war nur zu verständlich und dagegen sagte Valeria auch gar nichts.

  • Meridius nickte nur, sagte nichts, sah Valeria jedoch fragend an. Es mochte ihr vielleicht unangenehm sein, ihm war es dies ebenfalls. Dann brach er das Schweigen.


    "Ich weiß nicht genau, was in Colonia vorgefallen ist, und im Grunde will ich es auch gar nicht so genau wissen. Oder sollte ich es wissen müssen? Jedenfalls, würde ich es begrüßen, wenn in Zukunft Dein Name nicht mehr in Briefen des Kaisers erwähnt wird. Noch im Zusammenhang mit Unruhen, Streitigkeiten und unerwünschten Vorfällen..."

  • "Es wäre auch zu viel, das alles nun wieder durchzukauen. In Colonia gab es einige...Unruhen, wie du es nennst, weil es dort in der Priesterschaft sehr mit der Kommunikation hapert. Man arbeitet lieber allein als zusammen. Auf Schichtungsversuche geht man erst gar nicht ein. Weißt du, Meridius, manchmal frage ich mich, warum ich mir die Finger wund arbeite, wenn es soweiso niemanden interessiert", meinte Valeria verdrießlich und sah Meridius an.


    "Der Pontifex hat mir einen Brief gebracht, ebenfalls vom Kaiser."
    Sie zog den Brief hervor und reichte ihn Meridius.


    "Hältst du es für sinnvoll, wenn ich ihm antworte? Und wenn ja, was soll ich schreiben? Ich bin es allmählich leid, mich erklären zu müssen und als Lügnerin bezichtigt zu werden, nur weil ich die Wahrheit sage, wie es der Pontifex getan hat. Dennoch hat der Imperator ein recht darauf, zu erfahren was in der Priesterschaft vor sich geht; und vorenthalten will ich ihm auch nichts. Mir scheint nur so, als sei er gar nicht daran interessiert, einen Bericht zu erhalten. Zumindest nicht von jemandem, der augenscheinlich aktiv in den erwähnten Streit verwickelt ist."


    Valeria ließ den Kopf sinken.
    "Vielleicht sollte ich austreten und zurück nach Tarraco gehen. Ein Leben in der Abgeschiedenheit führen und die Finger von weltlichen Belangen lassen", murmelte sie. In ein Collegium würde sie nach dieser ganzen verdammten Misere mit dem Claudier und der Aurelierin sowieso nicht mehr kommen, dessen war sie sich sicher. Probatio II hin oder her.

  • Meridius verstand nicht viel, auch wenn Valeria bei ihm schon einmal bezüglich Schwierigkeiten beim Cultus Deorum vorgesprochen hatte. Er hörte ihren Sätzen zu und versuchte die Dinge zusammen zu konstruieren.


    "Ich weiß zu wenig um die Vorgänge im Cultus Deorum. Und noch weniger um die Vorgänge in Colonia. Ich weiß nur, dass ich keine Klagen beim Kaiser mehr hören möchte. Das ist auch für Dich besser."


    Er hielt inne.


    "Ich werde mit dem Pontifex sprechen und ihn bitten, dass er alles in seiner Macht stehende tut, um in Zukunft Streitereien in Colonia von vornherein zu unterbinden. Wenn Du dort Probleme mit einer Priesterin oder einem Priester hast, kann ich da natürlich wenig tun, es wird an Dir liegen, mit Deinen Kollegen auszukommen.


    Doch vergiss nie, dass Du eine Decima bist. Für mich warst Du immer eine und wirst es auch bleiben. Eine Decima lässt sich nicht unterkriegen, eine Decima ist aber auch pflichbewusst und diszipliniert. Die Aufgabe, die Erfüllung der Pflicht steht über eigenen Wünschen, Befindlichkeiten oder dem Anspruch auf Wahrheit. Der Kaiser hat uns an unseren Platz gestellt und er erwartet, dass wir diesen ausfüllen, ohne, dass er ständig von uns hören muss. Also tun wir das auch."


    Wieder hielt er inne.


    "Wenn Du das nächste mal ein Problem mit einer Person hast, und nicht mit einem religiösen Sachverhalt, wende Dich an den Pontifex, sollte dieser die Sache nicht regeln können, wende Dich an mich. Und auf gar keinen Fall an Rom. Der Kaiser hat genug von Dir gehört.


    Was das Schreiben betrifft, würde ich ihm antworten, dass ich seine Wünsche verstanden hätte und sie pflichtbewusst erfüllen werde. "

  • Valeria sah Meridius an und presste die Kiefer aufeinander, während sie ihm zuhörte. Trotz allem, was zwischen ihnen gewesen war, verspürte sie nun etwas Dankbarkeit und seufzte leise. Sie sagte ihm nicht, dass der Claudier abdanken wollte. Das sollte er selbst tun. Wenn sie ein Problem hatte, würde sie sicherlich nicht damit zu Imperiosus laufen. Diesem Mann traute sie nicht mehr. Kein Stück. Das hatte er sich verscherzt. Aber Valeria hatte damit abgeschlossen.


    Als Meridius von den Decima sprach, schlich sich ein bitterer Zug um ihre Mundwinkel. Sie hatte sich nicht unterkriegen lassen. Sie war diszipliniert und ganz sicherlich auch pflichtbewusst. Aber man konnte doch nicht aus lauter Pflichtbewusstsein lügen! Valeria seufzte unmerklich. Oft genug hatte sie sich gewünscht, keine Decima mehr zu sein. Und doch war sie stolz darauf, eine zu sein. Sie senkte den Blick.


    "Danke, Onkel", war das einzige, was sie sagte. Und das sehr leise. Onkel hatte sie Meridius bisher noch nie genannt, zumindest soweit sie sich erinnern konnte. Valeria schniefte. Sie brauchte eine Auszeit.

  • Meridius war überrascht, dass ihre Reaktion so widerspruchslos ausfiel. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie viele Worte machte, wie bei so vielen Treffen, Zusammenkünften und Aussprachen, doch sie tat es nicht. Er überlegte sich, ob sie ihm richtig zugehört hatte, oder woran es liegen könnte, wollte dann jedoch nicht nachbohren. Wenn Valeria mal schwieg, dann mussten es schwerer Probleme sein. Oder sie hatte mit dieser Sache schon abgeschlossen.


    "Es ist nicht so, dass Du die einzige bist, die auf Widerstand stößt. Auch ich musste mir schon eine persönliche Zurechtweisung durch den Kaiser anhören. In solchen Momenten ist es besser Demut zu zeigen und sich gehorsam zu fügen. Daraus zu lernen und es nicht wieder zu solchen Situationen kommen zu lassen."


    Er lächelte.

  • Sie sah auf. Daraus lernen? Sollte sie daraus lernen, dass man besser nicht immer die Wahrheit sprach? Valeria seufzte ergeben.


    "Ist gut. Ich werde dem Kaiser schreiben, was du gesagt hast. Und ich werde mir überlegen, ob ich ihn gleichzeitig bitte, mich aus dem Cultus Deorum zu entlassen. Ich scheine mehr Frust als Nutzen zu bringen, so sehr ich mich auch bemühe. Vielleicht ist es nicht genug, was ich leiste."


    Valeria nickte. So musste es sein.
    Sie war es einfach nur leid. Alles. Vielleicht sollte sie wirklich Urlaub machen oder einfach fortgehen. Mal sehen.

  • Meridius schüttelte den Kopf.


    "Du bist eine gute Priesterin. Diesen Schritt würde ich nicht gehen. Du bist für diesen Beruf geboren. Vergiss das nicht."


    Sie machte einen niedergeschlagenen Eindruck.


    "Wie geht es mit Dir und Marcus weiter?
    Wirst Du ihm nach Mantua folgen?"

  • "Hm", machte Valeria nur ob des Lobes und zuckte mit den Schultern. Sie würde diesen Schritt in Erwägung ziehen.
    Als er auf Marcus zu sprechen kam, seufzte sie und hob den Blick nun wieder.


    "Vorerst nicht. Ich habe hier noch einiges zu...nein, ich möchte hier noch einiges tun. Ich möchte meine Schülerinnen fertig ausbilden und ich möchte...ich weiß nicht, mit Maximian ins Reine kommen?"
    Sie sah Meridius an.
    "Verstehst du, was ich meine?

  • Meridius verstand nicht ganz, was sie meinte.


    "Manche Dinge sind zu kompliziert um sie ins Reine zu bringen, Valeria. Man kann sich bemühen, doch wenn es nicht geht, sollte man die Finger davon lassen. Manchmal ist es besser, wenn man die Dinge lässt, so wie sie sind. Lucius wird Dich irgendwann überwunden haben. Und es wird ihn stärker gemacht haben."

  • Valeria sah Meridius an und lächelte leicht.
    "Ich weiß", sagte sie.
    "Aber ich glaube fest daran, dass er mir verzeihen wird, irgendwann. Dass er mich verstehen wird."


    Seltsam, dass sie nun mit Meridius hier saß und über Maximian sprach. Valeria musste kurz schmunzeln und schüttelte den Kopf leicht.
    "Ich wollte dich damit nicht belästigen. Das sind nur Gedanken", meinte sie.


    "Gibt es denn sonst noch etwas, das du mir sagen möchtest?"

  • Meridius überlegte.


    "Mir fällt gerade nichts weiter ein. Das wichtigste Anliegen haben wir ja besprochen. Den Cultus Deorum. Ich möchte diesbezüglich keine Klagen mehr hören. Und ich denke, es werden auch keine mehr kommen. Du bist eine vernüftige Frau. Zumindest rede ich mir das ein, auch wenn ich es nicht immer glauben kann..."


    Er schmunzelte.

  • Hm, im Grunde genommen hatten sie das nicht wirklich besprochen. Eher...naja, abgehandelt? Beide Seiten wussten, was passiert war, die eine mehr, die andere weniger. Beide Seiten hatten ein Anliegen gehabt, nämlich diese Vorfälle zu vergessen und sich nicht mehr wiederholen zu lassen. Und genau das würde geschehen: Es würde Gras über die Sache wachsen und zumindest Valeria hatte mit sich vereinbart, dass sie mit dem Pontifex nichts mehr zutun haben würde, so oder so. Und wenn sie dieses strickt befolgte, dann würde sie auch nicht mehr mit ihm in verbindung gebracht werden und somit negativ auffallen. Das Problem wäre gelöst. Für diese wenigen Worte war sie nun so weit gereist. Bald würde es dunkel werden, sie musste sich noch eine Unterkunft für die Nacht suchen und würde dann morgen wieder zurückreisen. Vielleicht blieb noch etwas Zeit, um auf dem örtlichen Sklavenmarkt vorbeizusehen.


    "Ich kann mich auch manchmal nicht entscheiden, ob ich vernünftig sein sollte oder doch nicht", meinte Valeria und lächelte kurz.
    "Ah, mir fällt noch etwas ein. Du hast nicht zufällig einen Scriba namens Titus Flaminius?"

  • Titus Flaminicus? Den Namen hatte er nie gehört, aber wer wusste schon wie all die Scriba im Scriptorium hießen, die den ganzen Tag nichts anderes taten, als Abschriften von Dokumenten zu erstellen.


    "Der Name sagt mir momentan nichts, nein.
    Wieso fragst Du?"


    Nun interessierte es ihn doch.

  • "Hmmm...." machte Valeria.
    "Er war vor ein paar Tagen im Marstempel und stellte mir allerlei Fragen im Auftrag der Regia Mogontiaci. Wenn du mich fragst... er sieht deinem Magister Officiorum mehr als ähnlich. Wenn der keinen Zwillingsbruder hat, der zufällig diesen Namen trägt..."
    Valeria zuckte mit den Schultern. Es ging sie nichts an, aber Meridius sollte schon Bescheid wissen, was Angestellte seiner Regia unter anderen Namen in seinem Auftrag taten und wissen wollten.

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