Cubiculum | Sklavenunterkunft

  • Derweil schlief Phaeneas tief und fest. Gefangen vom Schlaf bekam er rein gar nichts von dem mit, was um ihn herum eigentlich nicht geschehen sollte.
    Das Gesicht zur Seite gedreht schlief er ruhig weiter und sah dabei nur das Dunkel seines Traums...

  • Beiläufig ließ der bithynische Sklave seinen Blick über die Lager der Hausbediensteten schweifen, während er auf das zustrebte, was ihn an diesem Tag hier in diesem Zimmer wirklich interessierte: ein Fenster war es, da, in der der Tür gegenüberliegenden Wand. Phaeneas schritt darauf zu, bis er unmittelbar davor stand. Versonnen blickte er hinaus, mit dem Vorsatz, das noch länger zu tun, und ließ sich dabei auch nicht von zwei anderen Sklaven, die ebenfalls im Raum waren, stören.
    Phaeneas’ Vorliebe für Fenster hatte Tradition. Selbst wenn man nichts besonderes sah, das war für Phaeneas kein Problem. Egal ob es der Blick in den üppigsten Garten oder die dunkelste, trostloseste Gasse war, ob man weit in die Ferne sah oder das Fenster unmittelbar gegenüber einer Wand lag, das war wirklich nicht ausschlaggebend.
    Ein Fenster war bekanntermaßen die Öffnung zur Welt, zur großen, weiten Welt, die Phaeneas nur in Form der Stadt, in der er lebte, interessierte. Aber von einem Fenster aus sah das Weite, Ferne wirklich direkt sehenswert aus, zumindest wenn man sowieso nur hinaussah, um nicht sehen zu wollen, was dort draußen wirklich war, sondern um die Bilder selbst zu zeichnen.
    Wenn man nachdachte, beschäftigte man sich im Allgemeinen mit den Dingen, so wie sie waren. Wenn man aber vor sich hinträumte, waren die Grenzen, die einem die Welt setzte, gar nichts mehr, es brauchte nur einen verträumten Geist, um einfach über sie hinwegzufliegen, sie in Luft aufzulösen. Phaeneas mochte es zu träumen, die Wirklichkeit Wirklichkeit sein zu lassen und vorübergehend zu vergessen – nur was, das ist die große Frage, denn das war von Laune zu Laune anders, mal die Welt, mal das Leben, sich selbst, dass es überhaupt etwas gab – einfach an ganz anderen, fremden Orten sein, von denen wohl niemand wusste, wo sie lagen, die Weite kosten bis man vor lauter Ferne nicht mehr wusste, was nah und was entfernt war, mit den Füßen in nicht existenten Bächen zu plätschern, aber vor allem den Kopf damit freibekommen, den Kopf, der manchmal viel zu viel grübelte, mit viel zu düsteren Gedanken beschäftigt war und sich an schlicht zu viel erinnerte.
    Dazu waren Fenster zweifelsohne perfekt geeignet, hindurchzustarren und dabei vor sich hinzuträumen – was man auf der anderen Seite sah, konnte schließlich dem Fenster egal sein.
    Und genau das tat Phaeneas jetzt. Versunkenen Blicks betrachtete er das, was sich seinen Augen darbot – und sein inneres Auge im offenbarte.

  • Ganz egal, was es war, wenn die Herrin rief, hatte natürlich alles andere hintenanzustehen. Genau so – wie es zu erwarten war - reagierte Phaeneas auch, als er die Benachrichtigung durch die Sklavin entgegennahm.
    „Certo, gewiss, ich werde sie dort aufsuchen“, antwortete er ihr und machte sich auf den Weg.

  • Es war früh am morgen als Crinon erwachte. Doch im Gegensatz zur letzten Zeit waren nicht die Schmerzen in seinem Bein schuld daran. Vielmehr hatte ihn eine ziemliche Rastlosigkeit beschlichen, seit seine Bewegungsfreiheit so unangenehm eingeschränkt worden war.
    Er stand auf und humpelte mit dem geschienten Bein zur leeren Waschschüssel. Angekommen stellte er fest, dass auch die Kanne leer war. Er überlegte sich, ob er seinem Bein den Gang in die Küche zumuten konnte und stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass von den Schmerzen, die ohnehin bereits abgenommen hatten, kaum noch etwas festzustellen war. Erfreut machte er sich auf den Weg zur Culina..


    Kurz darauf kam er mit gefüllter Kanne zurück, wusch sich und kehrte zu seinem Lager zurück. Da die Schmerzen weiterhin unmerklich geblieben waren, entfernte er die unbequemen Schienen und bewegte vorsichtig seinen Fuß. Wie es aussah war er weitestgehend wiederhergestellt und damit wieder in der Lage seine Aufgaben in vollem Umfang wahrzunehmen. Erfreut streckte er sich auf seinem Lager aus um noch ein Wenig zu dösen, bevor die Regia zum Leben erwachte.

  • „Gibt es noch jemanden, der Zeit hat mit mir das Peristyl durchzufegen, Phaeneas?“ Fragend lastete Manias Blick auf dem Sklaven. „Ja, nimm Iotape mit, die hat gerade nichts zu tun“, antwortete Phaeneas. Mania bedankte sich, froh, die Arbeit nicht allein machen zu müssen, und machte sich von dannen.
    Gerade morgens war die große Frage, wer sich um was kümmerte. Phaeneas setzte dabei auf Selbstständigkeit – schließlich war er der Meinung, dass ein Sklave jederzeit fähig sein musste, selbstständig eine Entscheidung zu treffen - und griff nur ein, wenn es nicht anders ging – und in genau diesen Fällen diskutierte er dann nicht gern. Wenn er sich schon einschaltete, sollten sie es auch gefälligst so tun wie er es gesagt hatte.
    Die anderen Sklaven hatten sich gut daran gewöhnt, dass Phaeneas lieber im Stillen agierte, als unauffälliger Organisator im Hintergrund. Sein Prinzip war einfach: Er erwartete schlicht, dass alles reibungslos lief.
    Genauso wussten sie um seine Genauigkeit in allen Dingen, die die Herrschaft in irgendeiner Weise betrafen.


    Tja, es war wieder eine „Freude“ zu sehen, wie alles im Haus funktionierte, davon abgesehen, dass es Phaeneas relativ egal war. Ihn persönlich interessierte nicht, ob alles wunderbar klappte oder irgendwo noch Schwierigkeiten waren, geduldig kümmerte er sich um alles und tat sein möglichstes, einfach nur weil es seine Aufgabe war.
    Er betrachtete seine Arbeit nicht einmal als Teil seines Lebens. Arbeit, das war das, was man tat ohne dabei nachzudenken. Das, was nicht unbedingt einen Sinn haben und erst recht nicht spannend oder eine Herausforderung sein musste.
    Leben, das war das, was Phaeneas von sich aus tat oder was ihm würdig genug erschien, in sein Leben aufgenommen zu werden. Nur Dinge, denen er wirklich Beachtung schenkte und sich nicht nur am Rande damit beschäftigte bekamen dort einen Platz. Denn nur was Teil seines Lebens war beachtete er wirklich, und wenn ihn alles kümmern würde, was ihm begegnete, müsste er sich schließlich ständig wegen allem möglichen Gedanken machen.
    Von dem, was in den Aufgabenbereich des bithynischen Sklaven gehörte, zählte einzig Lucianus nicht als Arbeit. Er war schließlich keine mühselige Pflicht, sondern mehr Freude und Vergnügen. Genauer gesagt das Schönste, was Phaeneas derzeit hatte.


    Persönliche Sympathien für Lucianus hin oder her, der Herr war immer Mittelpunkt von Phaeneas’ Handeln. Die einzige Person, der er verantwortlich war, der, der zum einen schon aus Prinzip in keiner Weise zu Schaden kommen durfte und weil man es sonst selbst spürte.
    Die anderen Sklaven wussten um seine Treue zu Lucianus. Phaeneas hatte nie einen Hehl daraus gemacht. Er, der er sein Leben lang gelernt hatte, dass Treue zum Herrn alles war. Besonders eben die zur Schau gestellte. Die andere durfte offen nicht existieren, niemand durfte um sie wissen. Das, was im Herzen stand, war unwichtig, egal. Und so wusste niemand, wie Phaeneas wirklich zu Lucianus stand ...


    Der Bithynier hatte keine Lust, alle Sklaven ständig zu kontrollieren. Er wäre ja den ganzen Tag nur damit beschäftigt.
    Das war auch nicht nötig, denn er hatte ein geschlossenes Überwachungssystem über die Sklavenschaft gelegt, ohne dass die es überhaupt wussten. Bei manchen im Haus wusste Phaeneas um ihre Treue zum Herrn, zum einen, weil die Überzeugung aus ihnen sprach oder kühle Berechnung sie zu dem Schluss kommen hatte lassen, dass das der einzig lohnende Weg war. Und da diese Sklaven Lucianus treu waren, standen sie auch hinter Phaeneas. Sprich, wenn irgendwo ein Sklave auf die Idee kommen würde zu faulenzen oder schlecht zu arbeiten, würde der Bithynier es durch die erfahren, die loyal zum Herrn standen.


    Vor allem eines fiel auf: Während Phaeneas das Sagen in der Sklavenschaft hatte, gab es manche, die mehr mitzureden hatte, als es ihnen offiziell zustand. Die, denen niemand je Macht gegeben hatte, und deren Stimme trotzdem entscheidend war. Sie waren Phaeneas’ Exekutive, die, die im Alltag für die Umsetzung all dessen sorgten, was gemacht werden musste. Er selbst hatte seine Zweifel daran, ob er es tagtäglich schaffen würde, die nötige Ordnung durchzusetzen, weshalb es ihm sehr lieb gewesen war zu entdecken, dass es andere gab, die das für ihn erledigen konnten. Die, die seit jeher schon bei den Sklaven angesehen waren und ein aus Phaeneas’ Sicht bewundernswertes Durchsetzungsvermögen hatten. Deshalb sah der Bithynier bedenkenlos zu, wie sie ihre ohnehin schon naturgegebene Autorität noch ein bisschen ausbauten ...


    Von seinen Aufgaben war Phaeneas die Herrschaft über die anderen Sklaven die einzig unangenehme. Auch wenn er damit umzugehen gelernt hatte, das Seine würde es nie sein. Warum er das Lucianus in keiner Weise wissen ließ – ja, das war eine interessante Frage, die sich verstandesmäßig wohl nur schwer beantworten ließ.

  • Da stand sie nun, vor ihr die Tür zu ihrer neuen Unterkunft und zu ihrer Zukunft. Sie seufzte, dann setzte sie ein Lächeln auf und klopfte erst einmal an die Tür. Da niemand antwortete öffnete sie vorsichtig die Tür. Es war gerade niemand hier. Wahrscheinlich bereiteten alle das Bankett vor, dass zu ehren Livianus, zu seinem Amtsantritt als Statthalter, abgehalten wurde.


    Es war ihr so lieber. Sie würde ihre Mitbewohner noch früh genug kennenlernen, dachte sie bei sich. Kurz ging sie in die Hocke um ihr Gepäck aufzulesen und betrat die Stube. Von dort aus gingen noch weitere Türen zu den Schlafgemächern und dem Waschraum. Aufmerksam sah sie sich im Raum um, es sah gemütlich aus und war schön eingerichtet. Sie nickte bei sich, damit konnte sie leben.


    Als nächstes betrat sie ihr Zimmer, in der ein Bettstatt, ein kleiner Tisch mit Stuhl und ein Regal für ihre Sachen stand. Einfach, aber Zweckmäßig. Es gab sogar ein kleines Fenster, durch das man in den Garten blicken konnte. Sie fühlte sich auf anhieb wohl. Gemächlich legte sie ihr Gepäck auf die Liege und begann sich einzurichten. Danach kleidete sie sich um und machte sich auf dem Weg zum Empfang von Marcus Decimus Livianus, der Augusta und ihrem Gefolge. Sie waren wie Fannia am heutigen Tag eingetroffen.

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