ZitatOriginal von Flavia Leontia et Hannibal
Wie gebannt lauschte Gracchus den Worten seiner Base und nickte ab und an in stiller Zustimmung zu jenen wahren Worten des Platon, denen er zwar nicht mehr mit ganz ungeteilter Aufmerksamkeit folgen konnte, doch er erinnerte sich daran, sich einst sehr intensiv mit jenen Schriften auseinander gesetzt und sie dabei für durchaus stimmig befunden zu haben. Oder war es gar anders gewesen, waren Zweifel in ihm erwachsen und er hatte dem nur bedingt zustimmen können, da er, obwohl Platons Ideenlehre durchaus überzeugend schien, gerade bei der Liebe anderer Ansicht war? Wie dem auch war, aus Leontias Mund zumindest klangen die Gedanken wie der Weisheit letzter Schluss, wie beinahe alles, was aus ihrem Munde kam. Warum konnte nicht Antonia ein wenig mehr wie seine Base sein, denn wäre Leontia seine Gattin, womöglich wäre Gracchus dazu fähig sie zu Lieben. Nachdenklich und überaus angestrengt, einen Augenblick auf seiner Unterlippe kauend, musterte Gracchus seine Base. Nein, er würde auch Leontia nicht lieben können, es machte keinen Unterschied. Doch zumindest konnte er ihre Gegenwart genießen, sich mit ihr unterhalten, ihr zuhören, ohne dass es ihm ein kalter Schauer über den Rücken zog. Auf die Worte Hannibals hin fiel Gracchus nun endlich ein, dass ihm Aristides' Sklave doch bereits einmal aufgefallen war. Sofern er sich korrekt erinnerte, war er eine Zeit lang mit Aristides in Achaia gewesen, möglicherweise hatten sie bereits das ein oder andere Mal den gleichen Tisch geteilt, in den abendlichen Runden Achaias waren die diesbezüglichen Sitten meist ein wenig lockerer gewesen. Nachdem er sich mit einem Schluck Wein gestärkt hatte, setzte auch Gracchus erneut zu einer Erwiderung an, obwohl ihm die Gedankengänge langsam schwerer erschienen, als üblich.
"Mag die Liebe nur dem Schönen gelten, doch wer bestimmt über Schönheit? Das Gute? Da mag ich dir Recht geben. Doch dass Liebe nur dem reinen Guten gelten kann, dem möchte ich beileibe nicht zustimmen. Gerade die wahre Liebe vermag uns über Dinge hinweg sehen zu lassen, welches andernfalls unmöglich ist."
Waren dies nun noch philosophische Ideen, oder brach zu sehr sein eigenes Empfinden aus Gracchus heraus? Er hielt einen Moment inne, um sich dessen gewahr zu werden, doch musste er erfolglos kapitulieren.
"Der Hass ist denn ein sehr guter Ansatzpunkt, sofern du ihn zum Gegenpol einzig der Liebe erklärst. Ist es möglich ein wenig zu Hassen? Nur ein bisschen zu Hassen? Hass ist ein starker Ausdruck, ebenso wie die damit einhergehende Empfindung, und ebenso wenig, wie es möglich ist ein wenig zu Hassen, so möchte ich es zumindest behaupten, ist es möglich nur ein wenig zu Lieben. Rausch ist beides und keines von beiden kann versiegen, wie der Tropfen im Sand, nicht Hass, nicht Liebe, denn wenn es so ist, war es weder Hass, noch Liebe, sondern Abneigung oder Zuneigung."
Er wollte darauf einen weiteren Schluck Wein nehmen, doch sein Becher war leer, hatte er ihn doch während seiner Rede in den Händen gehalten, so dass kein Freier herangekommen war. So hob er den Becher denn vor sich.
"Der Wein jedoch kann zur Neige gehen, um auf den Ursprung dieser Diskussion zurück zu kommen, und dann scheint manches mal das Versiegen des letzten Tropfens im sandigen Rachenraum wahrlich deplorabel.
Junge, schenke Falernerwein aus, an die Alten!
Mit herbem Weine fülle jetzt die Becher,
Wie Postumia es befiehlt, die Herrin,
Die, genau wie die trunkene Traube, abgefüllt mit
Wein ist! Fort mit dem Wasser, das ja doch nur den Wein verdirbt!
Mag es fließen zu Philistern!
Nicht gemischt ist hier des Bacchus' reines Geschenk!
So drückte es bereits Catullus aus mit Worten, die zwar derb sind, doch in Anbetracht der niederschmetternden Begrenztheit des Daseins möchte ich in diesem Augenblick darüber hinweg sehen. Sciurus, nimm dir ein Beispiel an Postumia und befiehl! Hätte ich geahnt, was für ein dürftiger Rex Bibendi du bist, ich hätte dafür Sorge getragen, dass Aristides gekrönt wird. In Achaia nannten wir ihn den Amphorenkönig, denn keiner konnte so schnell so viele Amphoren hintereinander leeren und sie schließlich an die Wand stellen, dass sie nicht umkippten, wie Aristides."
Mit einem hintergründigen Grinsen prostete Gracchus seinem Vetter mit dem nun endlich wieder gefüllten Becher zu.
"Kannst du dich daran noch erinnern, Marcus? Bei Bacchus, es scheint mir schon eine Ewigkeit her zu sein, dabei ist es nicht einmal ein Jahrzehnt."