• Ich wollte gleich den nächsten Tag in Rom nutzen, um sowohl meine Wege mit Aintzane als auch Assindius zu erledigen. Daher ließ ich den Beiden ausrichten, dass ich sie ausgehbereit erwarten würde. Der Markt und die Schola waren meine Anlaufpunkte und nachdem dies erledigt sein würde, wollte ich eigentlich auf dem schnellsten Wege nach Mantua zurück.

  • Um die Örtlichkeit kennen zu lernen, betrat ich ausnahmsweise einmal die Sklavenunterkünfte. Zumeist schickte ich Samira oder sonstwen, aber es brachte Vorteile, die Villa Claudia zu erkunden. Damit ließen sich auch die Wege und die benötigte Zeit besser einschätzen. Jemand öffnete mir die Tür und trat immerthin mit einen Schritt in den Raum.


    "Ah, sehr gut, du bist schon da", begrüßte ich Aintzane. "Aber wo bleibt Assindius? Sonst ist er immer der Erste. Hast du ihn heute schon gesehen?"


    Ob ihm der Freiraum zu Kopfe gestiegen war? Oder vielleicht das gute Essen und Trinken zu den Saturnalien? Er wird doch jetzt nicht etwa die Rollen verwechselt haben? So weit ging die Gleichheit nicht - zumindest nicht bei der Aurelia und sicher auch nicht bei den Claudiern.

  • "Keine Ahnung, wo der steckt. Schläft womöglich irgendwo seinen Suff aus.", antwortete Aintzane. Wenn man genau hinschaute, sah man leichte Ringe unter ihren Augen. Auch ihr tat noch ein bisschen der Kopf weh von dem guten Wein, den man bei den Saturnalien bekommen hatte.
    "Schade, dass es die Saturnalien nur einmal pro Jahr gibt.", fügte sie hinzu.

  • „Bloß gut, würde ich lieber sagen, denn sonst müsste ich ja öfters auf den Germanen warten.“


    Mit in die Seite eingestützten Armen durchquerte ich einmal die Unterkunft, runzelte mehrmals die Stirn und blieb schließlich vor Aintzane stehen.


    „Ne, also länger warte ich jetzt nicht. Wir gehen alleine auf den Markt.“


    Einem der in der Villa verbleibenden Sklaven gab ich die Anweisung, Assindius nach dessen Auftauchen über mein Vorhaben zu unterrichten. Vielleicht kam er ja noch nach und würde dann sicherlich wie ein Schneepflug durch die Menschmassen streifen, um systematisch die Märkte nach mir abzusuchen.


    „Jetzt musst du den Einkaufskorb tragen. Dort drüben“, ich wies in eine separate Kammer, „stehen welche, suche dir einen aus. Das Geld habe ich bereits bei mir.“ Um mich zu überzeugen, fasste ich an die Taille, wo – verborgen von Stoff – ein Lederbeutel untergebracht war.


    „Eine Palla dann also.“ Ich stellte mich aufrecht hin und erwartete das wollene Tuch um Schultern und Körper.

  • Aintzane räusperte sich, wünschte sich selber viel Glück und warf die Palla über Deandra. Tatasächlich gelang es ihr, die Palla ordentlich zu fixieren und tadellos herzurichten.
    Sie unterdrückte ein erleichtertes Seufzen und sah dann zu den Körben hin. Dieser eine Korb, etwas dunkler als die anderen, schien sauber zu sein und kurz entschlossen nahm sie ihn.
    "Nun, ich bin jetzt fertig. Gehen wir?"

  • Es die Palla geflogen kam, duckte ich unweigerlich den Kopf - derart schwungvoll wurde ich bislang noch nie angekleidet. Aber letztendlich saß alles perfekt, was mich verwunderte und Aintzane ein anerkennendes Nicken einbrachte.


    "Ja, gehen wir", antwortete ich und setzte das Vorhaben sogleich in die Tat um. Wenig später verließ ich die Villa zu Fuß und schlug den Weg Richtung der Märkte ein.

  • Schlecht gelaunt betrat ich die Sklavenunterkunft, zog meine Cabatinae aus und schleuderte sie in eine Ecke.
    "Römer, pah!" bellte ich und ließ mich mürrisch auf das schmale Bett wirken, das eigentlich gar keins war, verglichen mit den protzigen Liegestätten der patrizischen Möchtegern-Adligen.

  • Bor ich krieg das Kotzen, was ist das hier für eine Unruhe. Kann man sich denn nirgedwo das Fell in Ruhe striegeln. Auf jedenfall spricht mir da einer mit seinem geheule aus der Seele


    "Wat is los"

  • "Ach, die Kleene meinte, sie müsste sich so ne dicke Bleikugel auf den Fuß fallen lassen, und nun sitzt sie in ihrem Zimmer und hat den Fuß gebrochen", maulte ich auf germanisch, immerhin war Assindius auch Germane und verstand mich auch so. PLUS: Man hatte Ruhe vor unliebsamen zuhörern. Mit der scheinbar unsittlichen Adoption (die spinnen die Römer) war endlich auch etwas Leben in die Bude gekommen und mit Assindius hatte ich mal jemanden, der meine Meinung teilte.

  • Ach ne, endlich wieder mal wie zu Hause sprechen. Mich weiter kämmend antwortete ich:


    „Auf so ne bescheuerte Idee kommen nur Römer. Stell dir mal vor das würde zu Hause einer machen. Dolladingnes heißt die ne. Wahrscheinlich war die Kugel auch noch schwerer als sie selbst. Die geht mir doch nur knapp bis zum Hals und viel ist an der auch nicht dran.


    Das wird noch lustig. Da dürfen wir ihr den Arsch nach tragen, weil sie sich nicht mehr bewegen kann. Dann sollten wir schon mal die Muskeln lockern, damit wir sie auch den ganzen Tag durch das Haus tragen können. Was würden die Römer bloss ohne uns machen? Stell dir vor zu Hause würde sich eine den Fuss brechen, die würde trotzdem malochen.“


    Ich ließ meine Rechte auf die Stirn platschen und sage noch genervt:


    „Au Mann.“

  • Er hatte es erfasst.
    "Zu Hause war eh alles besser. Wir hatten keine Wasserleitungen, sondern nen Brunnen im Dorf, wir hatte keine Adoptionen, sondern nen nettes Techtelmechtel und haben dabei eben aufgepasst, wir hatten nen ordentlichen Hass auf die Römer und auch noch Spaß dabei. Und was ist hier? Hier gibts Hirsebrei zu futtern, nen Anschiss, wenn du nich gebürstet bist oder du nen winzigen Fleck auf deiner scheißteuren Tunika hast. Vom Hass auf die Römer mal ganz abgesehen. Mann, ich hätt nen Kohldampf auf ein Wildschwein oder nen Reh. Aber nee, hier gibts ja nur diesen scheiß Babybrei."


    Genervt wie Assindius schüttelte ich den Kopf und verdrehte die Augen.
    "Und noch dazu dürfen wir jetzt die Aufpasser für die Kleene spielen. Warum muss die sich auch den Fuß brechen? Sowas ungeschicktes, echt mal, ey."

  • „Na ja alles nicht. Aber fast. Zu Hause können wir leben wie wir wollen, in Rom müssen wir leben wie die es wollen. Tja, so ist das jetzt eben. Aber uns waren die Römer scheiß egal, die haben uns eigentlich in Ruhe gelassen und wir die auch.


    Aber das Essen fehlt mir auch. Und die Jagd. Ja das war noch geil, als man einfach in den Wald ging, eine Fährte aufnahm, drauf los jagte, aufpassen musste das man nicht selber Beute wurde und am Ende seine Hauer in was selber erlegtes rammte. Schmatzen, rülpsen, furzen, saufen und singen.“


    Ich seufzte


    „Das werden wir wohl nicht mehr erleben. Nächstes Jahr vielleicht, wenn wir wieder einen Tag frei kriegen.


    Aber sonst ist es doch gar nicht so übel, hätte schlimmer sein können. Die komischen Sitten muss man eben hinnehmen. Ich stell mir immer vor das ich das zu Hause erzählen würde, abends am Feuer. Da jagte ein Brüller den nächsten. Die meisten sind doch gut drauf und behandeln einen anständig, jedenfalls meine Herrin.“

  • "Meistens, zumindest. Und jetzt müssen wir springen, wenn die rufen. Was ein Rückschritt" maulte ich und boxte in mein strohgefülltes Kissen.
    "Ja, die Jagd. Vielleicht kommt man hier ja auch mal in den Genuss. Was meinst du, der Aurelier dürfte vielleicht für sowas zu begeistern sein, oder? Vielleicht der Claudius Vesuvianus auch oder der Marcellus. Die haben doch Land, da steht sicher auch irgendwo nen Wald drauf rum. Und wo's nen Wald gibt, da gibts auch Wild. Wär zumindest ein Stück Heimat. Ach, hier ne, die Kleene sagte, dass sie meinen Namen nett findet. Weißte was ich gesagt hab? Sie soll doch ihren Sohn so nennen. Lucius Claudius Nordwin, hahaha. Naja. Is ein bisschen naiv, aber doch ganz angenehm. Hat mit Obst angeboten, da hab ich gleich mal zugeschlagen."

  • In dem Moment kam Aintzane herein und wäre fast am Türstock angestoßen (logischerweise hatte man in der Casa Aurelia, wo sie schon einmal drei groß gewachsene Sklaven waren, speziell niedrige Türstöcke anbringen lassen :( ). Dies trug nicht besonders dazu bei, dass ihr Laune aufgehellt wurde. Drinnen saßen schon Assindius und Nordwin, die sich in ihrer Muttersprache unterhielten.
    Sie war gerade noch von Dolabellas Cubiculum gekommen, wo sie noch geblieben war, jetzt betrat sie die Unterkünfte, setzte sich neben die beiden Germanen hin und starrte ausdruckslos ein großes Loch in die Luft. Dann senkte sie den Kopf zu Boden.
    "Was werden die bloß mit mir machen...? Nicht auszudenken. Ich bin doch schon so gut wie erledigt." Sie sagte dies auf Latein und mit einer gedämpften, bedrückten Stimme. "Ich werde der Sündenbock dafür sein, dass der Claudierin die Kugel auf den Fuß gefallen ist."

  • Da ging die Tür auf und die nette Sklavin von vorhin kam herein. Augenblicklich setzte ich mich auf und grinste entschuldigend. Erst dann fiel mir ein, dass sie ja gar kein Germanisch konnte. Glaubte ich zumindest.
    "Na hallo, wen haben wir denn da?"
    Auf germanisch: "Flossen weg, die angel ich mir."
    Auf Latein: "Ach Quatsch. Die Kleene ist selbst schuld, die hätt ja nich mitspielen müssen, oder? Mach dir mal keinen Kopp."

  • „Selbst wenn die für die Jagd zu begeistern sind, glaubt du wirklich das die uns jagen lassen? Nicht wirklich, oder? Wenn ich meine Herrin bitte, dann erlaubt sie es vielleicht, aber warum sollte ich sie um etwas bitten. Sie ist doch ständig unterwegs, mal in Rom, mal in Matua, mal hier, mal da. Nä, da bin ich kein Typ für. Außerdem, dann geh ich eben nicht jagen, dann lebe ich eben nicht wie ein Germane. Scheiße davon geht die Welt auch nicht unter. Fressen oder verrecken, hinnehmen oder heulen. Das war schon zu Hause so, das ist überall und immer so. Es ist zwar schlimm aber auch gut. Denk mal an die vielen hungrigen Tage die auch du bestimmt früher hattest, die ständigen Raubzüge wegen dem Essen. Seit ich hier bin hab ich nicht mehr hungern müssen. Und das bisschen Leibwächter spielen ist doch kein Problem. Mit einer Arschbacke erledige ich das.“


    Ich griff mir in den frisch gekämmten Bart.


    „Was sollte denn die Sache mit dem sie soll ihren Sohn so nennen. Das kapier ich nicht. Aber wenn sie dir danach Obst anbot ist sie doch bestimmt gar nicht so schlimm. So was sagen doch nur Leute die angepisst sind. Und ein Sklave der sich einem Römer so äußert pisst doch eigentlich nie wieder.“


    Dann kam Aintzane. Was hat die denn schon wieder. Zum Thema heulen konnte sie offensichtlich auch was beisteuern.


    „Kannst du haben, Alter“

  • Irgendwie ärgerte sich Aintzane, dass sie in ihrem Leben nie die Gelegenheit gehabt hatte, sich ein paar Wörter Germanisch anzueignen, aber sie nahm einfach einmal an, dass die beiden nichts sagten, was von Belang war.
    "Keinen Kopf machen..." Unwillkürlich schoss ihr ein Bild durch den Kopf, nämlich das eines Töpfers, der einen Menschenkopf modellierte... aber Aintzane bekam mit, was er meinte.
    "Danke für die Aufmunterung... aber ich weiß nicht, ob die Römer so rational denken. Die brauchen immer jemanden, auf dem sie herumtrampeln können.", ein gewisser Unterton der Hoffnungslosigkeit schwang bei ihren Worten mit.

  • "Genau darüber haben wir uns eben auch unterhalten, über die Römer und ihren Hang zur, wie heißt das doch gleich, Irrationalität."
    Ich grinste und war insgeheim stolz darauf, etwas so Kluges sagen zu können. Dann setzte ich mich auf und rutschte ein bisschen zur Seite, damit die nette Sklavin sich näher zu uns setzen konnte.
    "Die Kleene wird ne ganze Weile nicht mehr laufen können, so viel steht fest. Und dreimal darfst du raten, wer ihr dann alles nachtragen darf."

  • "Ein gutes Gesprächsthema. Da geht einem nie der Stoff aus.", meinte Aintzane, während sie zu Nordwin hinsah und die Augen verdrehte.
    "Ich darf dreimal raten? Schön... Ich, du, Assindius?"

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