Vala lauschte andächtig, wie Axilla sich zu erklären versuchte. Er faltete die Hände über dem Kopfende und versuchte ihr zu folgen. Dieses Mal gelang es ihm, doch wirklich begeistert war er nicht von dem, was er hörte.
"Also siehst du Ehre wirklich als das grundlegende der römischen Gesellschaft an?", er runzelte die Stirn und griff nach dem Becher mit Wasser, den er sich selbst wieder füllte. Er winkte nicht nach einem Sklaven als die Schale mit Oliven schließlich leer waren, noch ließ er das jemanden anderen machen als Axillas Becher ebenfalls leer war. Es war auch niemand da. Vala hatte sie weggeschickt, weil er der Meinung war die prudentischen Sklaven hätten besseres zu tun als ihm hinterher zu arbeiten, und er selbst sah es als Verschwendung von Arbeitskraft an, wenn man dies zuließ. Dafür war er von den Sklaven der Casa kurzum für verrückt erklärt worden und als Vernichter von Arbeitsplätzen verschrien.
"Was ist dann mit dem Gesetz? Und wie definierst du Ehre? Fangen wir erst einmal da an.. obwohl, ich weiß es schon. Ehre ist für dich eine Heldentat im Angesicht des sicheren Untergangs. Eine Aufopferung für eine größere Sache, vielleicht für die eigene Liebe, die eigene Familie? Aus reiner Selbstlosigkeit vollbrachte Heldentaten am Gemeinwohl.", er ließ diese Worte sacken und fischte nach einem Stück getrocknetem Obstes bevor er fortfuhr: "Und du denkst es ist die Ehre, die das Wort gültig macht was ein Mann gibt? Ich sage dir, es sind andere Dinge die einen Mann sein Wort halten lassen. Was du als Ehre bezeichnest sehe ich als das komplexe System der Zwänge und Notwendigkeiten an. Ein Mann könnte ohne Probleme sein Wort brechen, wenn er denn nicht mit der Konsequenz rechnen müsste, dass dieser Wortbruch irgendwann einmal negative Folgen für ihn haben wird. Menschen die nichts zu verlieren haben pfeifen auf Ehre, eben weil sie nichts zu verlieren haben. Ein Mann der einen anderen um Geld prellt hofft darauf, dass dieser sich nicht an ihm rächen kann. Wenn er aber um der Ehre willen das Geld zurück gibt, hofft er darauf sich irgendwann wieder Geld von ihm leihen zu können. Das hat mit Selbstlosigkeit und Ehre nichts zu tun. Verschiebe es in die höheren Schichten der Gesellschaft, und du findest ähnliche Handlungsmuster. Selbstverständlich glaube ich an so etwas wie Ehre. Aber nicht als Handlungsmaßstab wie du ihn siehst, sondern als Konsequenz von Aufrichtigkeit der eben losgelöst von diesen Notwendigkeiten ist. Damit ist dann auch dein Mord hinfällig. Das was im Falle des gehörnten Ehemannes zu der Tat regt ist nicht seine verletzte Ehre, sondern sein verletzter Stolz. Ehrenvoll wäre es meiner Definition nach gewesen den verletzten Stolz herunter zu schlucken und den Mann zum Duell zu fordern. So ist das nichts anderes als tumber Mord. Da ist nichts ehrenvolles dran. Ehre ist das Bestehen gegen große Hindernisse, selbst wenn dieses Hindernis man selbst ist."
Er kaute genüsslich auf einem Stück Trockenobst herum, hob den Finger um Axilla daran zu hindern etwas zu sagen, und fuhr nach einem weiteren Schluck Wasser fort: "Nehmen wie Leonidas, der mit seinen Mannen an den Thermopylen den Medern eine einigermaßen effektive Wehr entgegengesetzt hat. Ich habe mich vor kurzem damit befasst, und es ist glasklar: er hat das eben nicht aus heroischem Uneigennutz gemacht, sondern weil ein Rückzug seinerseits die griechische Flotte in einer nahen Meerenge der persischen Artillerie ausgeliefert hätte. Er konnte da garnicht weg, ohne den letztendlich möglichen Sieg der Griechen über die Perser auf's Spiel zu setzen. Nun frage ich dich, was ist ehrenvoller? Dass Leonidas aus keinem erkennbaren strategischen Grund sich und seine Männer geopfert hat, oder um die griechische Flotte zu retten?"