Officium des Curator Libris

  • Theodorus seufzt ein wenig auf. Das Gespräch erinnert ihn daran, dass seinereins keine Zeit hat, Stundenlang philosophische Gespräche zu führen, sondern arbeiten muss. Und dass Wanderphilosophen manchmal eine penetrante Art haben, die Welt mit ihren Erkenntnissen zu beglücken". Außerdem, dass er, Theodorus, also der alexandrinische, sich zu schnell zu philosophischen Debatten verleiten lässt. Deshalb sagt er etwas bestimmter:


    "Du sprichst Wahres, mein Freund. Sag einmal, wäre es dir bequem, wenn ich dich zu einer günstigeren Zeit einmal aufsuche, dann können wir bis in die Nacht weiter debattieren. Nichts gegen dich, du verstehst, ich muss halt nur meine Arbeit tun."

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Ich redete mich so in Rage, dass ich gar nicht auf die Zeit achtete. Entschuldigend sah ich Theodoros an.


    "Es tut mir leid, ich habe Deine Zeit schon länger als nötig in Anspruch genommen. Sicher können wir zu einem günstigeren Augenblick unser Gespräch fortfahren. Wo kann ich Dich am besten erreichen bzw. welche Adresse benutzt du?"

  • Hmm. Alles was Recht ist, aber einen Wanderphilosophen seine eigene Adresse zu geben hält Theodorus für eine äußerst unkluge Maßnahme. Die Gefahr, Tag und Nacht von einem quasselnden Nervsack belästigt zu werden ist erfahrungsgemäß einfach zu akut.


    "Weißt du was? Sag mir lieber, wo ich dich finden kann. Ich wohne bei einem Angehörigen der Nobilitas als Gast und werde den Ianitor und dem Haushund wohl kaum davon überzeugen können, dir Einlass in das Haus zu gewähren."

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  • An Theodoros Alexandreus
    curator libris, schola atheniensis



    Salve Theodoros !


    Anläßlich meiner Wahl als Vertreter Misenums in die Curia Provinzialis von Italia möchte ich dich zu einer kleinen Cena in die Casa Ferria am ANTE DIEM XV KAL IUL DCCCLVII A.U.C. (17.6.2007/104 n.Chr.) einladen.


    In froher Hoffnung, daß du mich mit deiner Anwesenheit beehrst, verbleibe ich




    C Ferrius Minor
    Casa Ferria, Roma

  • Theodorus nimmt den Brief und liest ihn durch. Interessant, ein Fest in Misenum. Die Gegend dort soll ja sehr schön sein und die Orte sind vor allem griechische Kolonien, also zivilisert und die Menschen reden eine anständige Sprache. Theodorus nimmt seinen Kalender raus und schaut nach.


    Ah! Der XV. vor den Kalenden ist kein Schabbat, es steht der Reise also nichts im Wege. Da hat Minor aber Glück gehabt.

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  • Der sich auf der anderen Seite der Türe befindende Theodorus kauert eher auf seinem Schreibtisch als das er sitzt und ist voll mit kaltem Schweiß bedeckt. Am Vortag hat er nämlich ein wenig einen über den Durst getrunken, oder besser: sich ordentlich zulaufen lassen. Sein Schädel dröhnt vor Schmerz und wirren Bildern und Gesprächsschnipseln vom letzten Abend und es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die Hitze in der sommerlichen Stadt macht die Sitzuation auch nicht wirklich erträglicher. Deswegen ist er auch ein wenig verärgert über den Klopfer an der Türe. Er bemüht sich, eine ordentliche Haltung anzunehmen und beschließt, dem Besucher seine Laune nicht spüren zu lassen, schließlich kann der ja nicht wissen, wie es dem Alexandriner geht.


    "Bitte Herein!"

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  • Hätte da irgendjemand Beliebiger so vor Plotina an seinem Schreibtisch gesessen - es wäre der sensiblen Sergierin nicht verborgen geblieben, wie verlegen er auf ihren Besuch reagierte. Auch so registrierte sie es unbewusst, schenkte dem aber keine größere Beachtung. Stattdessen stand sie strahlend vor ihm, konnte sich gar nicht satt sehen an ihm und sog seine Worte ein.


    So verging ein Moment, nachdem der letzte Satz des Theodoros verklungen war, bis Plotina selbst antwortete. Zu viele Gedanken gingen durch ihren Kopf, jetzt, da sie vor ihm stand. Da half es nichts, dass sie sich eben diese Szene in den vergangenen Tagen wieder und wieder ausgemalt hatte.


    "Chaire, Theodoros!"


    sagte sie in ihrer Verwirrung noch einmal, raffte sich dann aber wieder ein wenig zusammen.


    "Ich kann dir gar nicht genug Glück wünschen - und dir gar nicht genug danken für deine diskrete Hilfe nach dem peinlichen Zwischenfall in der Taberna "Ad Neptunis", für den ich in Kooperation mit diesem ... Flusskrebs ... gesorgt habe."


    Die Sergierin machte eine kleine Pause und sah an sich herunter, da sie in beiden Händen vor ihrem Bauch irgendetwas trug, das mit einem sauberen Leinentuch bedeckt war. Dann lächelte sie Theodoros wieder verschmitzt an:


    "Natürlich verschmähe ich deinen Wein nicht, ganz im Gegenteil! Aber um dir zu danken - und dir hoffentlich auch eine kleine Freude zu machen - bin ich, wie du siehst, selbst nicht mit leeren Händen gekommen. Ich habe für dich - also, ich selbst, nicht eine Sklavin - einen Honigkuchen gebacken; in der Taverna schien mir, dass du Süßes magst - wenn ich mich daran erinnere, mit wieviel Honig du deinen Wein versüßt hast."


    Bei dieser Erinnerung leuchteten die Augen der Plotina hell auf. Im gleichen Moment stellte sie vorsichtig das Tablett mit dem Kuchen auf den Schreibtisch des Theodoros, immer darauf bedacht, seine wichtigen Dokumente nicht etwa zu beschmutzen. Dann zog sie das Tuch von dem Kuchen, der nun seinen ganzen süßen Duft entfalten konnte.


    "Ich hoffe, ich trete dir damit nicht zu nahe ..."


    Erwartungsvoll, nun aber doch auch etwas ängstlich sah sie den Curator libris an.

  • Theodorus schenkt ihr ein Glas Wein ein, reicht ihr die Wasserkanne (während der Arbeit trinkt er den Wein lieber normal) und fischt nach der richtigen Formulierung einer höflichen Erwiderung zum Dank, da packt Plotina schon den Kuchen aus. Diese Geste bleibt bei dem Alexandriner natürlich nicht ohne Wirkung und sofort verwandelt sich seine Gesichtsfarbe in ein fröhliches Rot.


    "Oh danke, das..." Er schnuppert den Duft des Kuchens ein. Der Kuchen duftet hervorragend. "Das ist aber äußerst nett von dir." Die Sache mit dem Sklaven übergeht er. Schließlich stammt er aus einer Kultur, in der es durchaus nicht üblich ist, Hausarbeiten von Sklaven erledigen zu lassen. Wozu gibt es denn sonst Frauen? :P "Der schaut ja wirklich gut aus. Warte, ich schneide ihn mal an..."


    Er rennt durch den Raum und sucht nach einem Messer, welches er irgendwann unter einem Haufen Papyrus findet. Theodorus hat es nämlich nicht so mit Ordnung. Dem entsprechend stört es ihm auch wenig, dass der Kuchen beim Anschneiden ordentlich auf das daneben liegende Pergament bröselt.


    "Das mit dem Honig ist eine gute Idee. Wusstest du, dass ich Bienen züchte?" meint er, nur um kein peinliches Schweigen entstehen zu lassen. Jede andere Frage der Welt wäre genauso gut gewesen - wenn nicht besser.

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  • Die Aufregung der Plotina schwand ein bisschen, als Theodoros ihr sogleich ein Glas Wein einschenkte und ihr dazu Wasser reichte; offenbar störte sie ihn nicht, und er wollte sie durchaus ein bisschen länger bei sich im Officium behalten. Selbstverständlich hätte sich die Sergierin jetzt sofort für seine zuvorkommende Behandlung bedanken und sich sogleich auf den Stuhl setzen müssen, den er ihr schon vor einer ganzen Weile angeboten hatte. Sie tat allerdings nichts von alledem, sondern blieb einfach stehen und beobachtete fasziniert die flinke Betriebsamkeit des kleines Mannes, der nun alles unternahm, um diesen Dankes-Besuch angenehm auszugestalten.


    Erst als Theodoros mit einem Messer ohne große Umstände den Kuchen anschnitt, nahm Plotina endlich Platz.


    "Du züchtest Bienen? Das ist wirklich sehr interessant! Ich will hoffen, dass die Sklaven den Honig für diesen Kuchen von dir bezogen haben - und ich bin gespannt, ob du selbst das rausschmecken kannst!"


    Dabei zeigte sich auf Plotinas Gesicht jetzt das breite Grinsen, das ihre Nase noch viel größer erscheinen ließ als sie ohnehin schon war und das die Sergierin deshalb bei diesem Besuch auf jeden Fall hatte vermeiden wollen. Sie wollte doch hier nur den besten Eindruck machen .... :D

  • >Salve, ich bin Kaeso Annaeus Modestus. Ich weiß zwar nicht genau ob ich hier ob ich hier richtig bin, aber das
    werden wir ja gleich sehen. Ich suche nach Abschriften der Bücher über Architektur die Vitruvius Pollio verfasst
    hat. Vor allem interessiert mich das dritte und vierte Buch. Ich bin schon länger auf der Suche nach den Büchern
    und nun hat mir ein Bekannter geraten mich hier zu erkundigen.<

  • Theodorus nimmt ein Stück von dem Kuchen und probiert. Erst probierend, dann voller Genuss kaut er auf dem süßen, weichen Teig herum. Der Kuchen erinnert ihn irgendwie an das Gebäck, das die Straßenverkäufer in Alexandria oft verkaufen, am Hafen, in den Parks oder auf den Boulevards...


    Mampfend und kauend bestätigt er: "Mmmmh! Sehr gut, der Kuchen! Ist das ein Rezept aus Aigiptos?"


    Dabei trifft er Plotinas Blicke. Das breite Grinsen gefällt ihm, er kann sich nicht erinnern, die Sergierin bisher jemals lachend gesehen zu haben. Gut, die Frau hat kein perfektes Gesicht fällt ihm auf, es ist etwas schief aber gerade das macht es sehr interessant. Und auch die markante Nase hebt sich schön hervor. Ein sehr interessantes Gesicht. Der Grieche muss feststellen, dass Plotina eigentlich eine sehr attraktive Frau ist. Der Gedanke versetzt ihm einen kleinen, warmen Stich in der Brustgegend.

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  • Theodorus schaut auf. "Salve" begrüßt er den Römer. Dass der Mann her gekommen ist um sich Wissen anzueignen, erfreut ihn sichtbar.


    "Ja, wenn du Bücher suchst, bist du bei mir genau an der richtigen Adresse." Theodorus fährt sich mit den Händen über das verkaterte Gesicht und durch die lockigen Haare. "Vitruv suchst du? Ich denke schon, dass der da ist. Lass mich mal gucken..."


    Er nimmt den Katalog heraus, den er gerade mit Stella bearbeitete. Er ist bei weitem noch nicht vollständig und tatsächlich sind die Bücher der Architektur noch nicht erfasst worden.


    Seufzend kramt er auf seinem Schreibtisch herum um den alten Katalog zu finden. Er wird fündig und holt einige sehr abgegriffene Pergamentseiten heraus, die den Anschein machen, als würden sie sich bald auflösen. Konzentriert geht er die Listen durch.


    "Ah, da haben wirs! Ich kann dir jetzt leider nicht garantieren, dass eine Gesamtausgabe vorhanden ist, denn unser Katalogsystem ist etwas veraltet, ein Manko, um das ich mich gerade kümmere."


    Wie jeder weiß, verhält es sich in Bibliotheken selten so, dass ein ganzes Werk vorliegt. Meistens existiert es in Form verschiedener über die Bibliothek verteilter Schriftrollen. Hat man keinen ordentlichen Katalog, gleicht das Aufsuchen einer Schrift der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.


    Theodorus steht, den Katalog in der Hand, auf und meint zu Modestus: "Komm einfach mal mit..."

  • Erfreut sah Plotina zu, wie Theodoros mit Appetit zu dem von ihr mitgebrachten Kuchen griff und aß. Wer die Sergierin in diesem Moment im Profil hätte sehen können, dem wäre aufgefallen, dass sie auf ihrem Stuhl vor dem Schreibtisch des Curator libris leicht vorgebeugt saß. Ihr ganzer Körper drückte eine Spannung aus, der man bei einem Blick in ihr lachendes Gesicht nur das Attribut "freudig" geben konnte. Ihre Hände hatte sie in ihrem Schoß und rieb sie vor Vergnügen.


    Denn der schwarzhaarige Mann vor ihr verzehrte ihren Kuchen mit echtem, ungekünsteltem Behagen. Auch deshalb war sie anfangs so nervös gewesen, als sie ihm den Kuchen überreichte: Sie hielt den Alexandriner für unfähig zu jedweder Verstellung, so dass sie bei Nicht-Gefallen des Kuchens auch mit einer deutlichen Abfuhr gerechnet hatte. Da nun genau das Gegenteil eingetreten war, mischte sich in ihre Freude auch Erleichterung.


    Zu diesen beiden Zutaten zum Gefühlsmix der Sergia Plotina trat eine dritte Komponente, die die junge Frau allerdings nicht recht einordnen konnte. Diese dritte Komponente war ebenso angenehm wie die Erleichterung und die Freude; doch sie war mehr. Plotina verspürte sie umso stärker, je intensiver sie in das Gesicht ihres Gegenübers blickte. Je angeregter sie den wippenden Bewegungen folgte, die die Nase Theodors bei jedem neuen Zubeißen machte. Je genauer sie versuchte, die Muskeln des Kiefers auszumachen in seinem markanten Gesicht unter dem schwarzen, glänzenden Bart. Je aufmerksamer sie in seine grauen Augen blickte.


    Ach, sie wollte nicht wissen, was das für ein neues Gefühl war, wollte sich diese Frage jetzt nicht stellen. Stattdessen lachte sie wieder auf bei seiner Frage nach dem Rezept und Aigyptos.


    "Ich danke dir für dein Lob, Theodoros! Ich habe ja so gehofft, dass dir dieser Kuchen schmecken wird! Und deswegen habe ich natürlich nach einem Rezept gebacken, dass ich noch von unserer Hausverwalterin in Sais kannte."


    Indem sie dies sagte, überfielen etliche Kindheitserinnerungen die junge Sergierin.


    "Als ich klein war, hat sie oft mit mir zusammen gebacken. Ihr kleiner Junge war dann auch oft bei uns im Haus in der Küche dabei, und der wollte dann natürlich immer vom Teig naschen. Na, du weißt ja. Seine Mama hat ihm dann immer auf die Finger gehauen, aber wenn sie weggeguckt hat, habe ich dem Kleinen doch immer wieder einen Löffel mit Teig dran gegeben. Der war noch viel jünger als ich, musst du wissen. Manchmal habe ich seine Mutter auch abgelenkt und ihr ganz aufgeregt gesagt, ich hätte draußen vor dem Fenster etwas gehört, sie solle mal nachsehen. - Und das alles nur, um dem Kleinen Teig zu geben. Stell dir das mal vor!"


    Plotina lachte hell auf - und erschrak. Nun fing sie doch tatsächlich an, diesen Wissenschaftler mit ihren Kindheitserinnerungen zu langweilen. Sie senkte ihren Blick, konnte aber auch das nicht lange aushalten und begann daher, ihre Augen langsam wieder zu heben. Dabei glitt ihr Blick über das Bäuchlein des Theodoros, das dieser ja gerade mit Behagen füllte. Sie konnte gar nicht wegschauen; es kam ihr ein Gedanke, alle Kontrollmechanismen versagten, sie sah Theodoros an und sprach:


    "Na, du hast als Kind bestimmt auch ganz gerne genascht, was?"


    Dabei schaute sie lächelnd in seine Augen, und das mit einem Blick, der sicher in keinster Weise demjenigen glich, mit dem sie in ihrer Kindheit den kleinen Sohn der Hausverwalterin gefüttert hatte. Denn Plotina war kein Kind mehr.

  • Munter vor sich hin mampfend hört Theodorus den Ausführungen der Sergierin zu. Zum Glück kann er ihre Gedanken nicht lesen, denn die (wahrscheinlich objektiv gesehen überaus richtige) Feststellung, Theodorus wäre zur Verstellung unfähig, hätte ihn doch sehr beleidigt, schließlich ist er, was seinen aristokratischen Stolz und seine gesellschaftlichen Fähigkeiten angeht, überaus eiltel. :P Es stört ihn deshalb im Geringsten, dass Plotina anfängt, Geschichten aus ihrer Kindheit zu erzählen, im Gegenteil, er wünscht sich, dass sie nur weiter fortfahren würde, denn er hört ihr gerne zu.


    Allerdings löst ihre Frage, ob Theodorus als Kind gerne genascht habe, unbewusst eine andere Reaktion aus: Beschämt schaut er zu Boden, wo sein dicklicher Rumpf seinen Blicken bis zu einen gewissen Grad den Weg zum Boden versperrt. Er fühlt sich mit einem Mal fett. Fett, alt, nutzlos, unbrauchbar. Er hätte es sich eigentlich gleich denken können: Eine junge Rhomäerin und ein alter, dicker Jude, so etwas würde und könnte auf dieser Welt niemals funktionieren. Innerlich verflucht der Alexandriner sein Schicksal. Aber wieso muss ihn die junge Frau auch noch derart verspotten? Das ist grausam und schmerzt Theodorus in der Seele.


    Eingeschüchtert und vollkommen an den Kopf gestoßen Aufgrund des derart erlittenen Schmerzes (welcher eher seinen eigenen Gedanken als der Sergierin zuzuschreiben ist) antwortet er:


    "Ja, ich habe als Kind gerne genascht..." Dabei schwillt sein Kopf hochrot an aber irgendwie gelingt es ihm, ein schwaches, schüchternes Lächeln auf seine Lippen zu zaubern, ein Lächeln wie bei einem Kind, das sich bewusst ist, gerade etwas angestellt zu haben und nun versucht, die Mutter zu überzeugen, von einer Strafe abzusehen.

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  • Dass Plotina bisher von ihrem Wein noch nicht einmal genippt hatte, reihte sich nahtlos ein in die Phalanx der Unhöflichkeiten, die sie bisher hier bei ihrem "Dankes-Besuch" aufgestellt hatte. Es wollte ihr aber einfach nicht gelingen, ihre Augen vom Bäuchlein des Alexandriners zu lösen; zuviel Spaß machte ihr die Vorstellung, wie er wohl als kleiner schwarzhaariger Junge umhergetollt war und sich einiges - zweifellos nur sehr Geistreiches - hatte einfallen lassen, um einen Löffel Teig zu bekommen. Und vielleicht auch noch einen.


    Die Sergierin schmunzelte vor sich hin und freute sich, als Theodoros leise ihre Vermutung bestätigte, dass er als kleiner Junge gerne genascht habe. Aber was war das für ein Ton, in dem er das gesagt hatte? Plotina wurde aus ihren Träumereien gerissen und fuhr auf. Sie sah Theodoros an, sah dass er zwar lächelte, doch dass sein ganzer Kopf bis zum Halse hin sich rötete.


    Nun war es an Plotina, rot zu werden. War sie ihm etwa doch zu nahe getreten? Aber sie hatte doch nur ... In ihre ganze Gestalt auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch kam Bewegung. Stammelnd brachte sie hervor:


    "A, ich meinte eigentlich nur ... Ich sehe, dass du gerne Kuchen isst, und ich auch als Kind, und Kinder essen doch gerne Teig ... und solche Sachen, oder? Du nicht auch? Doch, bestimmt!"


    War damit alles gesagt? Plotina wurde erst jetzt bewusst, dass Theodoros sofort nach ihrer Frage nach seiner kindlichen Nascherei an sich herunter geschaut hatte, und zwar irgendwie beschämt, so kam es ihr jetzt vor. Dabei hatte er doch nun wirklich keinen Grund, sich für sein Aussehen zu schämen, im Gegenteil.


    Aber vielleicht hatte sie hier bei ihm doch eine Art wunden Punkt erwischt. Sie hätte sich gar nicht vorstellen können, dass jemand wie Theodoros wunde Punkte hatte; er war ihr bis jetzt immer so überlegt und selbstsicher vorgekommen. Zum Beispiel doch auch damals in der Taberna - und da war das Bild wieder, ganz kurz, das die Sergierin seit jenem Tage immer wieder heimsuchte. Oder beglückte.


    Sie sah den Alexandriner verwirrt an. Jetzt sah er anders aus, entsprach nicht ganz dem Bild von den Parilia. Jetzt sah er fast noch schöner aus. Plotina selbst traute sich gar nicht, diesen Gedanken zu denken. Sie saß nur da und schaute, schaute, wie sich die Röte seines Gesichts wie Purpur unter seinen Bart legte und wie wunderschön seine roten Lippen sich von den schwarzen Haaren abhoben. Ganz bestimmt hatten ihm schon viele gesagt, wie schön er war, sehr viele, und auch Frauen.


    Plotina wandte ihr Gesicht ruckartig ab und biss sich auf die Unterlippe, denn ein Stich ging in diesem Augenblick durch ihr Herz. Sie versuchte, sich zu beruhigen, schalt sich, wie sie sich so etwas überhaupt nur überlegen konnte: Was ging es sie denn an, was er mit Frauen hatte?


    Und doch marterte es sie. Es gelang ihr, Theodoros wieder anzusehen, nun aber nicht mehr lächelnd, sondern verkniffen und voller Trauer. Sie holte kurz Atem und sagte dann:


    "Ich freue mich wirklich, dass mein Kuchen dir schmeckt! Nun beunruhige ich mich aber darüber, dass ich dir hier deine wertvolle Zeit stehle. Der Kuchen läuft dir ja nicht weg, lass ihn dir schmecken, wie du willst! Aber für mich ist es jetzt wohl Zeit zu gehen."


    Immer noch stand das Glas Wein unberührt vor der Sergierin auf dem Schreibtisch.

  • Theodorus bemerkt die Blicke der Römerin gar nicht richtig. In Gedanken ist er wieder vollkommen in sich gekehrt.


    "Nein Nein, schon okay..." meint er, aber man bemerkt, dass das wohl nicht ganz stimmt. Tief im Inneren brodelt es in dem Mann.


    Bilder, Situationen, Gesprächsfetzen, dunkle Schatten, die tief in seinem Unterbewusstes vergraben liegen, verdunkeln die Sicht. Was ihn da angreift ist nicht mehr und nicht weniger die Erkenntnis seiner eigenen Unfähigkeit, die er als Kind immer zu spüren bekam: das Lachen der Gleichaltrigen, das Weinen der Mutter, die Wutausbrüche des Vaters. Theodorus hat seinen Weg gemacht, seine Nische gefunden, aber oft offenbart sich eben diese Nische als reiner Zufluchtsort, die Wunden von früher sind nie ganz verheilt.


    Immer noch lächelnd, das Lächeln eines traurigen Clowns, meint er dann:


    "Nein, geh nicht... Bleib doch noch eine Weile..."


    Egal was mit ihm los ist, egal wie schlimm es um ihn steht, egal wie dick, missgebildet und tollpatschig er ist, er will nicht, dass Plotina ihn jetzt verlässt...

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  • Plotina hatte sich gerade noch davor bewahren können, in allerlei Verschwörungstheorien abzugleiten, deren Inhalt ungefähr war, wie ihr armer Theodoros von listigen Frauen in ein klebriges Garn von Verführung und Ausbeutung eingesponnen wurde. Begleitet wurden ihre düsteren Gedanken von einem weiteren Herumbeißen auf der Unterlippe, so dass diese schon drohte anzuschwellen.


    Beinahe mit dem routinierten Griff einer Kummer-Trinkerin langte jetzt auch Plotina nach ihrem Weinglas und stürzte dessen Inhalt mit einem Mal fast vollständig hinunter. Danach drückte sie den kühlen Rand des Glases noch eine Weile an ihre schmerzende Unterlippe und hätte auch fast schon wieder mit ihrer tadelnswerten Gewohnheit begonnen, am Rand des Glases herumzuknabbern - wenn ihr nicht endlich die Augen dafür aufgegangen wären, wie es ihrem Gastgeber eigentlich ging.


    Zwar hatte sie Theodoros fast die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen, nun wo sie ihm endlich so nahe war, aber sie war derart in dunkle Mutmaßungen - eben: eingesponnen - gewesen, dass ihr entgangen war, wie sehr der Alexandriner mit sich selbst zu kämpfen hatte. Nun aber bemerkte sie endlich den traurigen Ausdruck unter seinem Lächeln, wurde gewahr, dass sie der Grund dafür sein musste, und war umso überraschter, als sie ihn leise sagen hörte, sie solle bleiben.


    Die Eindringlichkeit dieser Bitte fuhr ihr ins Herz wie keine ihrer Mutmaßungen nur annähernd. Als sei mit einem Male ein Gewebe zerrissen, das ihr bis jetzt ihren Blick getrübt hatte, konnte sie nun klar sehen, so glaubte sie, und so drängte sich ihr einer ihrer bisher stummen Gedanken auf ihre Zunge:


    "Ich bleibe schrecklich gern, weil ich gern bei dir bin und dich immer ansehen muss. Denn du weißt doch, dass du schön bist?"


    Es war ihr nicht peinlich, und es verlangte sie nicht nach Wein.

  • Es gibt in der jüdischen Mythologie eine Geschichte von einer Frau, die sich umdreht und von dem was sie sieht, derart in Erstauenen versetzt wird, dass sie zu einer Salzsäule erstarrt. Lassen wir die Geschichte mal Geschichte sein und wenden wir uns der Reaktion des Alexandriners zu: Denn gäbe es einen Wettbewerb bezüglich der Imitation oben genannter Salzsäulenfrau, Theodorus hätte genau in diesem Augenblick alle anderen Teilnehmer bei weitem abgeschlagen. Der Grieche steht da wie eingefroren. Würde nicht eine leichte Brise durch das Fenster wehen und sanft durch die Papyri rascheln, man könnte durchaus befürchten, im Zimmer des Curator Libris wäre die Zeit auf einmal zum endgültigen Stillstand gekommen.


    Ein anderes bemerkenswertes Detail sind die tellergroßen, weit aufgerissenen Augen, deren Ausdruck man wirklich nicht mehr deuten kann. Die menschliche Sprache reicht einfach nicht aus, alle Gefühle dieser Welt zu beschreiben, vor allem wenn sie sehr speziell sind und nicht einmal der Träger in der Lage ist, sie zu verstehen. In Theodorus Kopf zumindest ist es ruhig. Nur irgendwo aus weiter Ferne schwingt die Sehne von Eros Bogen nach, hallt Discordias boshaftes Lachen...


    All das dauert allerdings nur einen kurzen Augenblick, dann bricht die Zeit wieder in die Szene zurück. Ein vollkommen verwirrter Theodorus reibt sich das Gesicht, massiert sich die Schläfen. Dann schaut er Plotina vollkommen ungläubig und irritiert an:


    "Könntest du deinen letzten Satz noch einmal widerholen, bitte."


    Es könnte ja durchaus sein, dass Theodorus sich verhört hat...

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  • Plotina hatte es wirklich gesagt. Und wie sie da saß und ihren eigenen Worten hinterherlauschte, die eine feine Brise hinübertrug zu Theodoros, kam ihr nichts natürlicher vor als ihre letzte Bemerkung. Warum, warum nur habe ich das nicht schon früher gesagt - fragte sie selbst sich mit einem Schmunzeln. So lange schon saß sie hier im Officium des Curator Libris, sah diesem dabei zu, wie er ihren Kuchen verspeiste, trank seinen Wein, trank seine Worte, spürte seine Blicke und genoss seine Gegenwart - und hatte nichts gesagt. So viele verlorene Momente, so viele dumme Gedanken. Doch nun fühlte Plotina sich sicher und ruhig und völlig anders als je zuvor.


    Regungslos saß sie auf ihrem Stuhl, spürte ihren Atem in ruhigen, tiefen Zügen, fühlte den Boden unter ihren Füßen und die Luft, die sie einsog. Ohne jede Bewegung saß sie da und kam sich so lebendig vor wie selten in ihrem Leben. Ja, sie hatte lustige Sachen erlebt als Kind in Sais, viel Spaß gehabt mir anderen Kindern, war weit gereist, hatte auf Kamelen gesessen, hatte das Tote Meer gesehen - doch dies hier war so ganz anders und als wäre sie von Neuem geboren. Unverwandt sah sie Theodoros an.


    Auch dieser hatte regungslos gesessen, schien aber weitab in den Fernen von Traum und Angst und Erinnerung zu sein. Als wollte er sich selbst wieder zurückrufen in diese Stunde in seinem Officium mit Plotina, rieb er sich dann Gesicht und Schläfen - und kehrte tatsächlich zurück. Auf seine ganz und gar ungläubige Frage sagte die Sergierin nur lächelnd:


    "Ich sag' es dir auch tausendmal: Ich finde dich so strahlend schön. Du bist für mich einfach ein Wunder."

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