Der Frühling war mit ganzer Macht gekommen, brachte milde Düften und frisches Grün. Knospen öffneten sich über Nacht, der Mandelbaum im Garten stand in voller Blüte und der Rasen war allerliebst getupft mit violetten Veilchen, sonnengelben Himmelsschlüssel und weißen Märzenbechern. Eine sanfte Brise wehte durch den Garten, und sacht rieselten ein paar Mandelblüten zu Boden… doch im Inneren der Villa, da wehte ein ganz anderer Wind.
Einem Frühlingssturm gleich, einem Wirbelwind gar, fegte Leontia schon seit dem frühen Morgen durch das Haus und koordinierte eine unübersehbare Schar von Sklaven zum großen Frühjahrsputz – in Verbindung mit der lange geplanten Neudekorierung der Villa, versteht sich. Da sie bei diesem Projekt in ihrer lieben Schwägerin Antonia eine Verbündete gefunden hatte, war ihres Tatendranges nun kein Halten mehr. Alle Familienmitglieder, derer sie in den letzten Tagen hatte habhaft werden können, hatte sie informiert, sie gewarnt, damit sie sich beizeiten in Sicherheit bringen konnten - oder, sofern sie sich ebenfalls als Dekorateure berufen fühlten, sie herzlich zum Mitwirken eingeladen.
Das Herz der ganzen Aktion, die Kommandozentrale sozusagen, war das Atrium. Gerade trug eine Abteilung von Sklaven wohlgeordnet die Möbel auf einer Seite zusammen, um auf der anderen Platz zu schaffen für ein paar von Leontia herbei bestellte Freskenmaler. In eine schlichte roséfarbene Tunika gewandet, die mit weißen Bändern geschnürt war, das Haar gerade zurückgeflochten, schritt Leontia energisch auf die Künstler zu, um ihnen ihre Anweisungen zu geben, während die Sklaven den Mamorboden bereits mit Segeltuch abdeckten. Alsbald standen die Maler auf ihren Leitern, hatten die Pinsel gezückt, und waren damit beschäftigt, die leicht verblassten Farben eines oben an der Wand entlanglaufenden Freskenbandes von Göttern und Mythengestalten sorgsam wieder aufzufrischen.
Leontia stemmte die Hände in die Seiten, und gönnte sich eine kurze Atempause, während sie den Fortgang der Arbeit überblickte. Da erblickte sie unter den Frauen, die gerade dabei waren, das trockengelegte Impluvium zu scheuern eine die schwatzte, und nur langsam arbeitete. Wie ein Raubvogel, wenn er die Beute erspäht, richtete Leontia die Augen auf die Übeltäterin, und gab ihrer Leibsklavin, die sie wie ein Schatten flankierte, mit einem Fingerschnippen einen Wink. Salambo, die sich auf die Wünsche ihrer Herrin verstand, reichte ihr unverzüglich eine geschmeidige lange Gerte, aus schwarzem und rotem Leder in schönen Mustern umflochten, und mit einem eleganten Griff aus nachtschwarzem Onyx, von dem lange Trodeln herunterhingen.
Ein schönes Stück!, dachte sich Leontia wieder einmal – sie setzte die Gerte heute nicht zum ersten Mal ein. Und wie gut sie in der Hand liegt, ein wahrer Glückskauf! Lächelnd trat sie zum Rande des Impluviums und sah hinunter zu der Sklavin, einer verhärmten mittelalten Frau, die jetzt erschrocken aufblickte. „Tz, tz, tz…“, Leontia schüttelte tadelnd den Kopf und schlug lächelnd mit der Gerte drein, zog sie der Sklavin kräftig über die Hände. „Arbeiten sollst du.“, belehrte Leontia die Geschlagene von oben herab. „Merk dir das. Beim nächsten Mal lasse ich dir vielleicht die Zunge herausschneiden.“ Verächtlich wandte sie sich ab und reichte die Gerte wieder an Salambo zurück. „Unverbesserlich, Schlingel und Taugenichtse allesamt.“, seufzte Leontia blasiert, und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass um sie herum nun alle stumm und eifrig den Anschein zu erwecken versuchten, tief in die Arbeit versunken zu sein.
Mit schwerem Schritt trat in diesem Moment ihr Custos Hamilkar ins Atrium, er trug eine große Holzkiste – zerbrechlich! – stand darauf, und kündigte laut an: „Die minoischen Vasen sind da, Domina!“ – „Sehr gut.“ Leontia freute sich schon aufs Auspacken. „Stell sie einstweilen im Chrysotriclinium ab, bei den neuen Pflanzen. Ich seh sie mir gleich an… Und sag Claudia Antonia bescheid, falls sie sie auch begutachten möchte. Außerdem sieh nach ob Daphnus schon zurück ist, er soll uns dann gleich die Stoffproben für die neuen Klinenbezüge vorlegen.“ – „Ja, Domina.“ Hamilkar trat samt Kiste ab und Leontia, eine zarte Gestalt in rosé, schritt hochaufgerichtet durch den ganzen Trouble, um weiter alles mit Argusaugen zu überwachen und gutgelaunt die wehrlosen Sklaven herum zu kommandieren - und zu traktieren.
Über Gesellschaft dabei würde ich mich freuen.