Peristylium | Fluch des Vergessens

  • ~ Eine Neumondnacht, bereits einige Zeit vergangen~


    Die Mondlose Nacht legte ein finsteres Tuch aus Dunkelheit über die Stadt Rom. Zaghaft und zögerlich reckten sich die Flammen der Öllampen und Kerzen gegen die Schwärze, nur wenige Wege der Stadt waren durch Fackeln beleuchtet, manche davon steckten fest in eisernen Haltern an den Wänden der Häuser, andere wurden getragen von sich ängstlich umblickenden Sklaven, welche ihre Herren nach Hause geleiteten, oder gar von Freien selbst, welche sich keine Sklaven zu ihrem Schutz, doch ebensowenig es sich leisten konnten, ihr Heim in dieser finsteren Nacht nicht aufzusuchen. Oblgeich hinter den Türen der Häuser gelöste Stimmung in Kerzen und Fackelschein herrschte, denn die Nacht war noch nicht allzu weit fortgeschritten, so war es, wie immer bei Neumond, äußerst gefährlich in den Gassen Roms. In der Villa Flavia jedoch galten die Sorgen anderen Gefahren denn jenen gedungener Mörder, hinterlistigen Diebesgesindels oder angetrunkener Schläger. Im Atrium flackerten hinter den Masken der Ahnen die Kerzenflammen und tanzten im durch das Compluvium hereinziehenden winterlichen Wind. Als Gracchus, gehüllt in eine Toga von dunkelblauer Farbe, die schein als wolle sie der Dunkelheit der Nacht Konkurrenz machen, langsam durch das Atrium schritt, fühlte er die Blicke der Ahnen auf sich ruhen. Er hatte sich sorgfältig auf diesen Abend vorbereitet, hatte an Schriften studiert, was ihm in der Kürze der Zeit möglich war, und die Theorieen zum Exorzismus verinnerlicht. Nun galt es herauszufinden, ob er dem gewachsen war, wovor er einst selbst sein Heil in der Flucht gesucht hatte. Im Peristylium knisterten die Holzscheite in den Feuerschalen, welche den Platz säumten, welcher zum Ort des Geschehens auserkoren worden war. Der Wind strich auch hier durch die Luft, strich durch die Büsche hindurch und bewegte die kahlen Äste, so dass es schien, als wollten die Gewächse mit ihren dürren Armen nach dem Licht greifen. Das Knistern des Holzes klang wie das Flüstern längst verstorbener Seelen, die in diesen dunklen Nächten, da die Bande zwischen den Welten ohnehin stark waren, darauf gierten, den Lebenden ihre Worte einzugeben. Mit einem Wink bedeutete Gracchus den Sklaven den Weihrauch auf die Kohlen zu geben. Sogleich wirbelte der Rauch, tanzte munter im seichten Wind, und ehe Gracchus sich versah war die Luft um ihn herum eingeräuchert und die grauen Nebel hingen schwer unter dem Dach, welches den Säulengang bedeckte. Er beugte sich nieder und nahm eine Schüssel voll Wasser und einen Pinsel aus dem Haar eines schwarzen Stieres, der einst dem Mars in seiner Form als Herr über die Flüche geweiht worden war. Er tunkte den Pinsel in das Wasser und bespritzte damit den aufgestellten Foculus, um ihn zu reinigen.
    "Iove, höchster und reinster aller Götter, Du, der Du mir am nähsten stehst, in dessen Hände ich schon einmal ein Fluch-beschwertes Schicksal legte, Iove, höchster und reinster aller Götter, steh uns bei in diesen Stunden, steh uns bei mit Deiner Kraft und Deiner Stärke. Marmar, der Du die Flüche der Verzweifelten entgegen nimmt, Mars Ultor, der Du die Rache der göttlichen Gewalten bringst, Du, der die Furien bezwingst, Deinen Beistand erbitte ich in diesen Stunden, steh uns bei mit Deiner Kraft und Deiner Stärke und Deiner Rache. Veiovis, unbändiger Heilsbringer, der Du die Sühne entgegen nimmst, Deine Kraft und Deine Stärke erbitte ich in diesen Stunden. Luna, dunkle Mondin in dieser Nacht, Du, die Du mit Deinem Kommen und Gehen die Welt und ihre Frauen in ihre Bahnen ziehst, steh uns bei und lass mit Deiner Rückkehr die Rückkehr der Erinnerung dieser Deiner Tochter einhergehen."
    Die Worte waren kaum mehr als ein leises, eindringliches Flüstern, doch in der Stille der Nacht wurden sie vom winterlichen Wind durch das Peristyl hindurch getragen und erhoben sich schließlich sanft hinaus in die düstere Finsternis. Gracchus nahm das Messer von dem kleinen Altar auf, betrachtete einen Moment lang die scharfe Klinge, die im Feuerschein orangefarben aufblitzte, und steckte es schließlich in die weiche Lederscheide zurück und legte es wiederum auf dem Foculus ab. Sodann zog er sich eine Falte seiner Toga über den Kopf und wandte sich zu einem der Sklaven um. Ein Nicken nur deutete an, dass jener Arrecina nun herbei holen sollte, da alles bereitet war. Ein kalter Hauch zog durch das Peristyl und ließ nicht nur das Feuer in den Becken auflodern, sondern führte zudem dazu, dass die Kohle in den Räucherbecken aufflammte. Doch nur Herzschläge später waren die züngelnden Flammen bereits wieder verloschen, einzig das Licht der Feuerschalen tauchte den Ort in goldenes Licht und das Knistern der Holzscheite kündete flüsternd von Welten jenseits des Sichtbaren.

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  • Schwarze gusseiserne Kettenringe schabten aufeinander, schwere Schritte mischten sich mit diesem unheilvollen Geräusch, welches die Stille der Nacht, noch vorherrschend in der Villa Flavia, zu durchbrechen suchten. Schwarze Schatten näherten sich mit einem schlürfenden Gang durch die Villa, wurden von einigen wenigen Öllampen nur schwach bekämpft und in dem Moment als das Feuer aufflammte, traten sie in das Peristylium. Das goldene Licht spiegelte sich sanft auf dem Gesicht von Hannibal wieder, der in eine ebenholzfarbene Tunica gekleidet am Rande des Perystils stehen blieb. Hinter sich die drei Männer wissend, große und bullige Sklaven, die für die Grobarbeit in der Villa genutzt wurden.


    Zwischen den drei Männern wurde der germanische Sklave, mit kalten Ketten gebunden, mitgeschleift. Hannibals Mundwinkel zuckten verächtlich einen Atemzug als er an den Augenblick im Carcer zurück dachte. Mit Mordlust in den Augen, so schien es Hannibal, hatte der Sklave ihn beinahe angegriffen. Aber die Übermacht hatte einen langen Kampf verhindert und Rutger war gnadenlos durch die Gänge in die finstere Nacht gezerrt worden. Nicht ein Mal hatte Hannibal ihn berührt, hatte sorgfältig darauf geachtet, nicht mit etwas Unreinen in Berührung zu kommen, für den Fall, dass er während des Ritus anwesend sein sollte. Dennoch regte sich in Hannibal mittlerweile Zorn gegen den Germanen, hätte er sogar sich noch für eine mildere Strafe bei seinem Herren für den Mann ausgesprochen, so war jetzt jedes Bedürfnis dahin gehend entschwunden. Einen Augenblick schwieg Hannibal, dann trat er, als er den Eindruck gewann, dass Gracchus nicht in religiöser Andacht versunken war, sondern ansprechbar, auf den Flavier zu, blieb in respektvollem Abstand stehen und verbeugte sich. „Dominus, der Germane ist hier.“

  • Zwei Sklavinnen hatten sie fertig gemacht. Arrecina wusste nicht was geschehen würde und sie hatte Angst davor, auch wenn ihr immer gesagt wurde, dass sie keine Angst haben musste. Sie war doch noch so jung und hatte keine Ahnung von solchen Riten und Bräuchen. In den letzten Tagen hatte sie nicht einmal Rutger besuchen können und wusste nicht wie es ihm ging. Sie hatte Angst um ihn, dass man ihm etwas anhaben konnte. Arrecina hatte ihm Versprechen gegeben die sie einhalten wollte, aber die nicht passieren durften denn sie hatte ihm auch versprochen, dass sie ihn beschützen würde. Nun trug sie ein langes Gewand und wurde langsam an den Ort gebracht wo das Ritual durchgeführt werden sollte. Was genau geschehen würde wusste sie nicht und sie behielt ihren Blick auf den Boden gerichtet und ließ sich von den Sklavinnen führen. Es gab Dinge aus ihrem Leben an die hatte sie sich angefangen zu erinnern aber es waren nicht wirklich viele, aber der Anfang, nur von was?


    Als sie neben den Sklavinnen raus trat blieb ihr die Luft weg, denn sie musste sehen wie Rutger in Ketten dort war. Ihr Herz setzte einen langen Moment einfach aus und sie blickte ihn an. Oh nein sie durften ihm nichts tun, das würde sie nicht zulassen und mit diesen Gedanken ging sie die letzten Schritte näher und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

  • Wutschnaubend bäumte Rutger sich gegen den Griff der Sklaven, die ihn gewaltsam durch die Villa schleiften. Die dunklen Ketten, in die sie ihn zu dritt gezwungen hatten, umschlossen kalt seine Glieder, machten ihn wehrlos, machten ihn wütend.
    Er hasste Ketten! Er hasste die Römer! Und ebenso ihre erbärmlichen Handlanger.
    Das Aufflammen der Feuerschalen blendete ihn, als sie das Peristyl erreichten. Er kniff die rotgeränderten Augen schmal zusammen, starrte misstrauisch auf den kleinen Altar, die düster glimmenden Kohlen, die kahlen Äste im kalten Wind...
    Ohne Zweifel war dieser Ort heute Nacht vom Unirdischen berührt. Widerlich stieg ihm der Weihrauch in die Nase, und eine abergläubische Scheu kam über ihn, als zwischen den fahlen Rauchschwaden mit einem Mal gespenstisch die Gestalt des flavischen Goden auftauchte...


    Trotzig straffte er sich, sah verächtlich auf die Römer hinab, aufrecht, mit schmal zusammengepressten Lippen. Ein feiner Blutfaden tropfte von der, in dem kurzen Handgemenge aufgeschlagenen Unterlippe und rann ihm über das stoppelige Kinn. Was auch kommen mochte, welche perfiden Pläne die Römer auch ersonnen hatten, er würde es - hoffentlich - tragen wie ein Hallvardunge.
    "Nehmt die Hände von mir!", befahl er den Sklaven mit eisigem Hochmut.
    Die Ketten rasselten, als er sich wieder gegen ihren Griff stemmte, wie ein gefangenes Raubtier ungebärdig gegen sie ankämpfte.


    Dann kam sie. Und sah ihn an, aus ihren Sternenaugen. So schmerzlich schön, und so verloren.
    Er wurde still.
    Wandte nur mit Mühe den Blick von ihr, heftete ihn schließlich krampfhaft auf das rote Züngeln in einer Feuerschale.
    Arrecina...

  • Wie Larven schälten sich die Protagonisten des Rituales aus dem feinen Dunstschleier der Räucherung heraus, doch Gracchus konnte nicht mehr benennen, ob es tatsächlich nur noch der dünne Rauch war, welcher durch die Luft zog, oder ob nicht bereits die Grenzen der Welten sich verflüchtigten. Von rationaler Seite her war natürlich jegliches Empfinden und jegliche Wahrnehmung durch die Dämpfe zu erklären, betrachtete man deren Wirkung von Außerhalb, so war es leicht, Urteil zu ziehen über Dinge, welche niemand verstand, doch wer einmal begonnen hatte, tiefer hinter die tatsächliche Welt zu blicken, der konnte sich nicht einfach mehr von dem lösen, was er gesehen und erlebt hatte, von jenen Dingen, welche bereits in dieser und anderer doch gleichsam gleicher Form von den Vorfahren der Vorfahren so erfahren worden waren, von Dingen, welche keiner Erklärung bedurften um in ihrer Existenz berechtigt zu sein, da sie gleichsam nicht der Erklärung, sondern Erfahrung bedurften um sie zu erfassen. Hannibal, Sklave des Marcus Aristides, schälte sich aus der Dunkelheit heraus, blieb doch gleichsam selbst Dunkelheit und brachte den Keim des Vergessens mit sich. Längst hatte Gracchus den Namen des Germanen vergessen gehabt, obgleich ihm dessen Antlitz in Erinnerung geblieben war. Er war nicht wenig erstaunt gewesen, als er erfahren hatte, dass der blonde Sklave, welcher an den Saturnalia ihren Tisch geteilt hatte, jener Übeltäter und Fluchsprecher war, und mehr noch hatte ihn erstaunt, dass Aristides dies tatsächlich den ganzen Abend über geduldet hatte. Manches mal war ihm die Denkweise seines Vetters noch unverständlicher, als sie dies bisweilen ohnehin schon war. Unter der Falte der Toga hervor musterte Gracchus den Sklaven und fühlte nicht zum ersten Male an diesem Abend einen ernsthaften Stich des Bedauerns über solch eine Verschwendung, denn er war sich sicher, dass er mit Aquilius trotz allem vielleicht überein gekommen wäre, ihn gelegentlich für seine Dienste beanspruchen zu dürfen, da Caius selbst doch ohnehin an den Menschen von nördlichem Schlage wenig fand. Ein Rascheln der Kiesel auf den Boden ließ Gracchus aus seiner nachdenklichen Betrachtung des Sklaven, dessen Namen er von Hannibal für das Ritual erfahren hatte, aufmerken, als Arrecina den Schauplatz betrat, an den Feuerschalen vorbei und sich schließlich mit den Flammen im Hintergrund zu einer schattenhaften Silhouette wandelte, ohne Gesicht, ohne Persönlichkeit, ohne Erinnerung, und gleichsam mit ihrem Erscheinen sich wieder Stille über die Szenerie legte, obgleich Gracchus das Aufbegehren des Germanen ohnehin nur am Rande in sein Bewusstsein gedrungen war.
    "Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna!"
    Tief dröhnend durchschnitt Gracchus' Stimme die Stille als er die Arme ausbreitete und die Götter gen Himmel beim Namen anrief.
    "Ihr Überirdischen hört unseren Ruf und steht uns bei in dieser Stunde!"
    In einer fließenden Bewegung nahm Gracchus das Messer von dem kleinen Altartisch in die Linke und fuhr schließlich herum, streckte seinen rechten Arm aus und deutete auf den germanischen Sklaven.
    "Rutger Thidriksohn, Sohn der Fremde, erschlich sich Übel von den seinen niederen Göttern, auf dem Euch gehörenden Land, zum Schaden einer Eurer Töchter, Flavia Arrecina, Tochter des Marcus Flavius Aristides, Sohn des Lucius Flavius Corvinus, die Euch treu ergeben und wie die Ehre gebietet Euch stets verpflichtet waren und sind! Rutger Thidriksohns Wort zu den Göttern des Infernos, Rutger Thidriksohns Flehen zu den Göttern des Chaos raubten Flavia Arrecina den Geist, raubten Flavia Arrecina den Sinn, raubten Flavia Arrecina das Wissen selbst um Euch! Iove! In Deine Hände das Schicksal der Flavia Arrecina, in Deine Hände ihr Sein! Veiovis! In Deine Hände die Erinnerung der Flavia Arrecina, in Deine Hände ihren Geist! Marmar! In Deine Hände den Fluch, Band zwischen zwei, die nicht zusammen gehören, auf dass Du trennst, was nicht zusammengehört! Mars Ultor! In Deine Hände die Rache den niederen Göttern, die sich erdreisten zu nehmen, was den Deinen gehört!"
    Mit einem Schritt war Gracchus bei Rutger, beachtete nicht, was der Germane tat oder nicht tat, war in seinem Tun gefangen, denn als erst der Anfang gemacht war, gab es kein Entkommen ohne Ende.
    "Götter des Infernos! Götter des Chaos! Ihr, die Ihr das Flehen des Rutger Thidriksohn erhörtet, Euch sei geraten zu nehmen, was Rutger Thidriksohn ist, denn nichts mehr kann er geben, nichts mehr ist sein Recht, nichts mehr ist sein Besitz! Das Leben des Rutger Thidriksohn muss Euch genügen, darum gebt frei, was nicht Euch zusteht, gebt frei und nehmt, was Euer ist."
    Er hob seinen linken Arm, zog das Messer in einer schnellen Bewegung über des Sklaven Stirn, so dass ein kleiner Schnitt entstand, doch bevor noch Blut fließen konnte hatte Gracchus bereits seine Rechte erhoben und presste seinen Handballen fest auf die Stirn des Germanen.
    "Rutger Thidriksohn! Löse deinen Bann und nimm zurück, was dein Recht nicht ist! Rutger Thidriksohn, weiche aus dem Geist der Flavia Arrecian! Rutger Thidriksohn, dein Leben für die Freiheit der Flavia Arrecina!"
    Erneut eine Drehung, zu Arrecina hin, in welcher Gracchus die Berührung löste, nur um Augenblicke später seine Hand, an welcher nun das Blut des Germanen klebte, an Arrecinas Stirn zu drücken.
    "Flavia Arrecina! Dein Geist zurück in deinen Körper, deine Erinnerung dorthin, wo ihr Ursprung ist! Trenne dich von dem, was nicht sein darf, löse die Bindung, die nicht dein eigen ist!"
    Er löste seine Hand und wandte sich dem düsteren Himmel zu.
    "Mondin Luna, neuer Mond, neue Erinnerung! Dunkelheit weiche! Wie du anwachsen wirst, lass die Erinnerung erwachsen!"

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  • Die Dämpfe des exotischen Räucherwerkes stachen Rutger in die Nase und kratzten unangenehm in seiner Kehle, doch es lag nicht am Weihrauch, dass sein Mund plötzlich ganz trocken wurde, als der flavische Gode auf einmal so kraftvoll die Stimme zu seinen Göttern erhob...
    Die Male, wo Rutger diesem Mann bisher begegnet war, hatte er - für einen Römer - menschlich, geradezu freundlich gewirkt, aber nun, in dieser finsteren Neumondnacht, sah er, dass dieser Mann ohne Zweifel über eine gewaltige dunkle Zaubermacht verfügte... Die er nun gegen ihn, Rutger, wandte!
    Er schluckte trocken, und wich instinktiv zurück, als der Gode auf ihn zeigte, und ihn in seiner Anrufung immer wieder beim Namen nannte. Die Eisenringe schabten übereinander, die Sklaven hielten ihn fest. Warum nur hatte er den Römern auch seinen Namen verraten, seinen vollen, wahren Namen?! Aus Stolz natürlich - aber trotzdem, wie dumm!
    "Oh ihr Asen und Wanen steht mir bei!", flüsterte Rutger bang und immer bänger, während der Gode fortfuhr, seine Götter heraufzubeschwören.
    "Ziu! Wodan! Fro Ingwe und Frowe Hulda! Donar! Donar, beschirme mich vor dem bösen Zauber!"
    Klirrend spannten sich die Ketten, hielten Rutgers Hände zurück, die das Zeichen des Hammers Mjöllnir formen wollten.
    Hilflos musste er mit anhören, wie der Gode ihn bezichtigte, Arrecina Geist und Sinn geraubt zu haben. Sie wußten es! Irgendwie waren sie dahintergekommen, was zwischen ihm und Arrecina war, und es musste, in ihren Augen, natürlich wie ein Fluch erscheinen.... Abwehrend schüttelte er den Kopf. Es war doch kein Fluch! Es war... Liebe - ...Band zwischen zwei, die nicht zusammen gehören... - oder nicht?


    Mit schreckgeweiteten Augen sah er den Goden auf sich zukommen. Er war verloren. Gänzlich verloren. Schon fühlte er die Kälte des Todes nach sich greifen, sah wieder den grauenvollen Abgrund, und die Leere, die ihn verschlingen wollte.
    Es war weniger unerschütterlicher Gleichmut als Schockstarre, die ihn still, ganz regungslos verharren ließ, als das Messer über seine Stirn fuhr. Den Schmerz spürte er gar nicht, er starrte nur entsetzt in das Gesicht des Goden, als der ihn an der Stirn berührte, und weiter seinen schrecklichen Zauber webte. Dann war da sein Blut auf Arrecinas Stirn, es sah schwarz aus, auf ihrer hellen Haut, und glänzte feucht im Feuerschein...
    Es war vorbei. Der Gode hatte das Band zwischen ihnen zerissen. Rutgers Schultern sanken geschlagen herab, sein Blick ging starr in die Ferne. Jetzt würde sie ihn hassen. Er wagte es nicht, sie anzusehen.

  • Arrecina hatte Angst als sie Rutger sah, denn sie hatte Angst um sein Leben, hatte Angst vor dieser ganzen düsteren und unheimlichen Atmosphäre, hatte Angst davor was kommen würde, denn sie glaubte nicht daran, dass es etwas Gutes sein würde. Nein es würde nichts gutes sein, nicht hier draussen, nicht hinter diesen Mauern, in diesem Garten unter diesem Himmel!
    Ihr Herz schlug bis zu ihrer kehle und sie konnte ihrem Atem hören, der schwer ihre Nase verließ und wie sie bald durch den Mund atmen musste. Die beiden Sklavinnen, darunter Anaxandra der sie eigentlich vertraut hatte, Vertrauen geschenkt hatte nach so langer Zeit, legten beide ihre Hände an ihre Arme als wollten sie vermeiden, dass sie abhauen oder etwas anderes machen wollte. Sie hatte bis dahin ja noch keine Ahnung was geschehen sollte und es wäre ihr auch lieber gewesen es nicht zu wissen. Der Herzschlag in ihrer Brust tat unendlich weh und wurde immer schlimmer genau wie auch die Luft in ihren Lungen zu brennen schien, als hätte alles in ihr Feuer gefangen.
    Arrecina schluckte als sie sah wie das Messer in die Hand von Gracchus gelangte und ihre Augen weiteten sich, doch als sie sich bewegen wollte hielten sie Hände zurück.


    Sie konnte nichts dagegen machen nur ihr überraschter Blick traf ihren Liebsten und die Bewegung ihrer Lippen die ein lautloses NEIN bildeten. Es war fast als würde sie hören können wie das Messer seine Haut anritzte und das Blut hinausquoll auch wenn es fast keine Chance zu Anfang hatte zu laufen da da noch die Hand des Flaviers war.


    Noch bevor sie sagen konnte was sie eigentlich wollte spürte sie diese blutverschmiert Hand auf ihrer Stirn und sah ihren Onkel mit großem Entsetzen an. "Ihr seid wahnsinnig," flüsterte sie als er sich wieder von ihr wandte und sah zu Rutger um sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging. Wie ein Feuermal prangte der Schnitt auf seiner Stirn und ein weiterer dünner Blutfaden lief an seinem Gesicht entlang. Wie gerne wäre sie nun einfach weggerannt, zusammen mit ihm, einfach weit weit weg. Dies hier war ein Schauspiel dem man nicht beiwohnen sollte, weder als Zuschauer noch als Beteiligter.

  • Serenus, Dido und Nero verfolgten aufmerksam die Entfluchung in sicherem Abstand aus den Schatten. Zum einem um nicht entdeckt zu werden, zum anderen um das Ritual nicht zu stören. Dabei waren sie vermutlich nicht die einzigen Zuschauer, denn als sie aus dem Zimmer in Richtung Ritual geschlichen waren (wer wollte schon schlafen, wenn endlich mal was Spannendes in diesem öden Mausoleum passierte), war ihnen noch Tante Leontia begegnet und die hatte nichts gesagt. Und Serenus glaubte von den Säulen auf der linken Seite das Duftöl von Tante Leontia zu riechen. Also war entweder sie, Solambo oder dieser Daphnus auch anwesend. Das war nicht so einfach zu sagen, denn dort wo Serenus und Anhang stand war es recht düster.
    Und Hannibal musste schon blind sein, wenn er sie nicht bemerkt hatte, denn der war ja ganz nah an ihnen mit diesem Germanen vorbei gelaufen.


    Aber sicher würde das Ritual so gar nicht klappen. Das wusste doch jeder Kenner von thessalischen Gruselgeschichten, dass der Fluch erst enden würde, wenn die Ursache beseitigt war.
    Onkel Gracchus würde dem Germanen mit einen Opferdolch den Brustkorb öffnen und ihn das noch schlagende Herz heraus reissen müssen. Das würde er dann in eine Feuerschale mit brennendem Öl werfen und alles war gut. Anschließend musste man den toten Germanen enthaupten und den Kopf in einen Sack stecken, damit er sich nicht als Untoter erheben konnte. Und beim ersten Morgengrauen würde man seinen Kadaver verbrennen und die Asche vom Wind verwehen lassen.


    Offensichtlich schien sein Onkel wert auf Spannung zu legen, dass er es erst einmal mit einer reinen Verbalentfluchung versuchte, bevor er dem Germanen das Herz heraus riss. So eiskalt und berechnend hatte er seinen Onkel Gracchus gar nicht eingeschätzt. Onkel Lucullus schon, aber Onkel Gracchus. Der wirkte immer so wie ein sensibler Pantoffelträger, der schon sprang, wenn Tante Antonia nur hustete. Aber vielleicht wollte er allen Anwesenden, insbesondere Serenus, beweisen was für ein guter Schauspieler ein Priester sein musste.

  • Unentwegt flackerten die lodernden Flammen und mit einem zischenden Knistern erhob sich ein rotfarben glühender Funke aus dem Opferfeuer, hoch in die Nacht hinaus, wo er irgendwo zwischen Himmel und Erde verlosch. Das Knistern des Feuers, das nervöse, vergeblich zu unterdrücken gesuchte Scharren von Füßen auf dem steinigen Weg, leises Knarzen der Bäume und säuselndes Rascheln ihrer Blätter, dies war alles, was über dem Peristylium lag. Nicht der Boden tat sich auf, um die Unterirdischen zu entlassen, auf dass sie den Germanen mit sich rissen, nicht der Himmel, um die Oberirdischen zu zeigen, die den Sklaven in ihrer Gewalt zerdrückten, und doch konnte Gracchus das Flüstern der Götter in seinen Ohren hören, wie ein Tanz aus tausend Stimmen, wie eine Kakophonie aus einer anderen Welt. Die Ohren der Menschen waren nie dazu bestimmt, die Worte der Götter zu vernehmen, nicht ohne Sinn waren die Sybillen den Menschen weit entrückt, nicht ohne Sinn wurde die Divination in all ihren römischen Formen nur durch das Auge gesichtet, in Texten gesucht, im Vogelflug gedeutet oder im Inneren eines Opfertieres gelesen. Gracchus' Arme sanken herab und mit dem Rücken noch immer zu den übrigen gewandt blieb sein Blick auf dem blutigen Fleck an seiner Hand haften. Es war das Blut des Sklaven ... das Blut ... des Sklaven ... . Ein leichtes, unscheinbares Zittern ergriff von Gracchus' Körper Besitz, während er auf seine Hand starrte und spürte, wie ihm die Sinne langsam schwanden, wie Übelkeit in ihm emporkroch, sich aus den Tiefen seines Bauches erhob und ihre gierigen Klauen nach jeder Faser seines Selbst ausstreckte, wie sich Dunkelheit, noch tiefer als die fahle Nacht, langsam vor seine Augen schob. Er schloss die Augen und atmete tief durch, tief den Rauch der noch immer vor sich hinbrennenden Räucherung ein.
    Es ist nur ein Sklaver ... nur ein Sklave ... fast ein Tier ... nur ein Sklave, versuchte er sich zu beruhigen.
    Nur ein Sklave, flüsterten auch die Ahnen, Nur ein Sklave, bestätigten die Überirdischen, Nur ein Sklave, stimmten die Unteridischen zu, Nur ein Sklave seiner Selbst, kreischten die Infernalischen in seinen Ohren.
    Ein Fluch war nichts, mit dem ein ehrbarer Mann sich befassen sollte, erst recht nicht ein jener, dessen Lebensfäden selbst die Götter des Chaos in ihren Blick gefasst hatten. Wie ein Spinnennetz zogen sich die feinen Stränge des Schicksals dahin, manche kreuzten, manche berührten sich, und zog einer an seinem Ende, so bebte das ganze Gefüge und zeigte der Spinne, wo ihre Beute zu finden war. Als Gracchus sich umdrehte waren seine Augen geweitet, ob der Dunkelheit wegen, ob des Rauches wegen, doch viel eher deswegen, da sein ganzes Antlitz den Anschein bot, als hätte er selbst in den Abrund des Hades geblickt. Er trat zu Rutger hin, brachte sein Gesicht nahe an das des Sklaven, seinen Mund nah zu dessen Ohr. Seine Stimme war nur ein Flüstern, ein Hauch in der Nacht, und niemand außer dem Germanen würde hören, was er sprach.
    "Flehe zu deinen Göttern, Rutger Thidriksohn, flehe zu allen Göttern deren Namen du kennst, dass sie deine Schuld auf sich nehmen und den Fluch und das Vergessen von meiner Nichte nehmen."
    Noch während er im Abwenden inbegriffen war, begann Gracchus mit tiefdröhnender Stimme und ungebrochener Ernsthaftigkeit zu Ende zu bringen, was begonnen worden war.
    "Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna! Unser Dank in dieser Stunde, unser Dank in aller Ewigkeit! Wie es Euch zusteht, höchste und reinste Götter, wie es uns Ehre ist!"
    Gewandet in eine dunkle Tunika trat ein Sklave heran, eine weiße Gans auf seinem Arm, die ob ihrere Reinheit um so mehr von ihm abstach. Obgleich sie mit ihrem letzten Futter auf diesen Augenblick vorbereitet worden war, so wirkte sie unruhig, versuchte aus dem Griff des Sklaven zu gelangen, und nur ein rotes Band, welches sich um ihren Schnabel wand, verhinderte dass sie keinen Laut würde ausstoßen können. Gracchus nahm das Tier mit festem Griff und ebenso das Messer wieder auf, hielt nur einen kurzen Augenblick inne und zog dann die Klinge über die Kehle des Tieres, die so dünn war, dass es nicht viel zu schneiden gab, und der Kopf hernach zur Seite klappte und nur noch an wenigen Strängen Fleisch traurig zur Seite hing, während Gracchus den Leib des Vogels fest an seine Brust presste, um das letzte Aufbäumen zu unterdrücken.
    "Unser Dank für unsere Bitte! Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna! Eure Gunst für unsere Gabe!"
    Unentwegt rann das dunkle Gänseblut aus dem leblosen Leib, färbte den Boden zu Gracchus' Füßen, tränkte seine Toga und bald seine Tunika, so dass er die feuchte, klebrige Masse auf seiner Haut konnte spüren. Er hob die tote Gans und übergab sie gänzlich und in ihrer Gesamtheit dem Feuer, denn nichts, was im Zusammenhang mit einem Fluch stand, sollte hernach von Menschen verspeist werden.
    "Unser Dank für unsere Bitte! Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna! Eure Gunst für unsere Gabe!",
    wiederholte er noch einmal seine Worte und schloss damit den Ritus ab.

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  • Wie vor einer giftigen Schlange zuckte Rutger vor dem Goden zurück. Jeden Moment erwartete er den tödlichen Stoß, mit dem der Hexer ihm, zur Vollendung seines unreinen Zaubers, das Leben nehmen und ihn seinen grauenvollen Göttern übergeben würde. Die Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Im Rauch zeichneten sich jetzt deutlich Fratzen ab, und tote Hände, die sich gierig nach ihm reckten. Schrille Stimmen hörte er im Wind.
    Rutger wurde kreidebleich. Mit vor Blut und Rauch tränenden Augen starrte er an dem Flavier vorbei in das Opferfeuer, sah verschwommen Funken aufstieben und in der Schwärze verglimmen...
    Wie mein Leben. Ich verlösche. Ohne Ruhm, ohne Kampf, sang- und klanglos. Geschlachtet wie ein Tier.
    Statt dessen: ein Flüstern. Worte wie aus weiter Ferne. Benommen, die Zunge wie gelähmt, versuchte er Worte zu finden, sich gegen die ungeheuerliche Anschuldigung endlich zur Wehr zu setzen.
    "Nein!" brachte er kratzig hervor. "...kein... Fluch! Ich habe niemals einen Fluch gegen Arrecina gesprochen!"


    Scheußlich drang ihm der Rauch in die Lungen. Er hustete, krümmte sich. Als er wieder aufsah, war der Gode blutbesudelt, der Boden zu seinen Füßen dunkel getränkt.
    Eiseskälte breitete sich in dem Germanen aus. Es war ihm, als würde er da sein eigenes Blut strömen sehen. Der stechende Gestank von verbranntem Horn und Fleisch erfüllte nun den Säulenhof - ebenso könnte sein Fleisch in den Flammen verkohlen.
    Er fror entsetzlich. Langsam und stockend wandte er den Kopf zu Arrecina, heftete seine Augen, in denen noch immer das blanke Grauen stand, auf seine Geliebte - voll Furcht, dass sie ihn nun mit Hass betrachten würde, und doch sehnlich, verzweifelt auf der Suche nach einem festen Halt in diesem Schrecken und Irrsinn.

  • In einem letzten Akt nahm Gracchus die Schüssel mit Wasser und den Pinsel aus Rinderhaar auf und besprengte damit die Anwesenden nacheinander, Arrecina an erster Stelle samt ihrer Sklavinnen, ohne irgendwem dabei einen Blick in die Augen zu schenken, sodann die helfenden Sklaven, schließlich Hannibal und auch Rutger, und nach dem Altar und den zeremoniellen Utensilien nicht zuletzt seine eigene Person. Er drehte sich zu seiner Nichte und noch immer ohne sie direkt anzusehen, sprach er mehr zu den Sklavinnen, als denn zu ihrer Herrin.
    "Bringt sie hinein in ihr Cubiculum. Sie braucht jetzt Ruhe und Schlaf."
    Nichts erinnerte mehr an den lieben Onkel, der noch am Abend zuvor seine Nichte schützend im Arm gehalten, sie beruhigt und getröstet hatte, Gracchus Stimme war kalt und hart, denn dies war es was die Stunde von ihm verlangte. Ohne auf Ausführung der Anweisung zu warten - dies würde ohnehin geschehen- wandte er sich dem Sklaven seines Vetters zu.
    "Schaffe den Germanen zurück in den Carcer. Keine Flüssigkeit für ihn, als bis die Sonne aufgegangen ist."
    Gracchus drehte sich um und trat ohne ein weiteres Wort vom Ort des Geschehens hinfort, überquerte die unsichtbare Grenze zwischen aus Feuerschein erwachsenem rotgoldfarbenen Licht und blauschwarzfarbener Dunkelheit der Nacht, entgegen jedoch der Casa, zum Hortus der Villa hin, tiefer in die triste Finsternis hinein. Das Knistern der Flammen, das Rascheln der Bewegungen der Sklaven verklang hinter ihm, gleichsam die ferne Stille der Stadt Rom, kein Wort, kein Laut existierte, und der beißende Geruch nach verbrannten Fleisch verflog, während um ihn herum die düstere Nacht ihre Finger nach seinem Körper ausstreckte, ihn zu umhüllen suchte. Obgleich überall in der Villa Flavia Wachpersonal aufgestellt war, so war Gracchus doch in wenigen Augenblicken, in wenigen Schritten völlig allein mit sich selbst, ohne es zu wissen verfolgt von seinem Sklaven Sciurus, welcher den Ritus von außerhalb des Handlungsortes verfolgt hatte und der jegliche Person von ihm nun würde fernhalten. Kaum bewusst, mehr einer Ahnung folgend, Reminiszenz seiner Kindheit, durchquerte er den Garten zum mächtigen Mandelbaum hin, dessen Silhouette sich vor dem schwarzen Himmel der Nacht abzeichnete, graufarben, wie alles andere zu dieser Zeit. Mit jedem Schritt begann die Fassade des aufrechten Sacerdos sukzessive zu bröckeln. Erst war es nur ein marginales Zittern, kaum sichtbar unter den Stoffmassen der Toga, schließlich jedoch sanken die Schultern herab, der Körper erbebte, die Schritte traten unkoordiniert in die dunkle Nacht hinein, und waren zuletzt kaum mehr als ein Stolpern. Schwer atmend streckte Gracchus seine Hand nach der rauen Rinde des Stammes aus, lehnte schließlich seine Schulter gegen den Baum, presste seine Stirne gegen den Stamm und schloss die Augen. Kein Mann von Ehre sollte sich mit Flüchen befassen müssen. Das Verhältnis zu den Göttern war ein Geben und Nehmen, Flüche jedoch kosteten nur Kraft, sowohl beim Sprechen, als auch beim Brechen, denn die Götter des Chaos forderten immer ihren Tribut. Gracchus hatte das Gefühl, ein Stück von sich selbst verloren zu haben, ein Stück sorgloses Leben womöglich, ein Stück seiner Achtung vor sich selbst oder ein Stück seiner Unschuld. Einst hatte er sein Schicksal in die Hände der Götter gelegt und sie hatten es ihm vergolten, doch das Geschehen an diesem Abend war nicht, wozu er den Göttern diente. Er hoffte, er flehte in stummer Verzweiflung, dass dies alles zumindest die selbstlose Hingabe wert gewesen war, denn obgleich er immer bereit war, ein Stück seines eigenen Seins für das Wohl der Familie zu geben, so graute ihm doch bereits davor, den Ritus zu wiederholen, mehr noch, die eigentliche Ursache des Fluches aus der Welt zu beseitigen, den Germanen zu Opfern, um den Fluch zu lösen. Allein der Gedanken führte zu Übelkeit, sein Magen zog sich zusammen, Gracchus krümmte sich und würgte, doch nichts wollte seinem Körper entkommen, nichts war darin. Er war so leer wie sein Selbst, ausgehöhlt, verdorrt und vertrocknet. In der Ferne gellte ein heller Schrei durch die Nacht, ein nächtlicher Raubvogel auf seinem erfolgreichen Beutezug, doch Gracchus hörte nur den Schrei der Infernalischen, fuhr erschrocken zusammen und erbebte erneut unter Zittern. Er hörte es wieder, das Flüstern der Unterirdischen, er hörte die rastlosen Larven, die empörten Ahnen, sie säuselten, flüsterten, zischten in seinem Kopf, er konnte die Stimme seines Vaters vernehmen, fern und undeutlich, doch er verstand nur allzu genau den Vorwurf, die harten Worte, dass er tiefer noch gesunken war als Animus, der sich, wenn schon von den Göttern abgewandt, zumindest einem anderen Gotte zugewandt hatte, während er sich den finstersten Praktiken der Menschheit hingab.
    "Nein.", flüsterte Gracchus tonlos, kraftlos.
    Er hatte sich nicht von den Göttern abgewandt. Er war dem gefolgt, was Generationen vor ihm bereits getan hatten, aus einer Notwendigkeit heraus, aus der Bedrohung heraus, wie Soldaten dazu gezwungen waren den Feind zu töten. Selbst wenn der Germane sterben musste, niemand würde zum Episit werden, denn Rutger war kein Opfer, er war der Feind im unbeschwerten römischen Dasein, Eindringling in die flavische Idylle, der das Leben in seinem gewohnten Gang zerrissen hatte. Was geschah, geschah für die Familie. Doch das Flüstern verstummte nicht und Kälte kroch trotz der milden Nachtluft in Gracchus' Glieder, während das Blut der Opfergans schwer auf seiner Haut und in seinen Sinnen klebte. Nie zuvor war ihm das Blut eines Opfers so unrein erschienen wie an diesem Tag, da die dunkle Flüssigkeit durch Toga und Tunika gedrungen nun allmählich trocknete.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Tränen glänzten in ihren Augen weil sie nicht verstehen konnte warum das alles auf eine so grausame Art geschah. Am liebsten hätte sie sich losgerissen um Rutger zu helfen doch sie spürte wie ihre Kräfte einfach nachließen und sie nichts machen konnte. Es war als hätte man ihre ganze Energie geklaut und nur eine Hülle dagelassen die nichts machen konnte. Die ganzen Bilder waren wieder da, wie die Frau umgebracht wurde und das ganze Blut was hier war es war auch da gewesen. Ihr wurde schwindelig aber sie hielt sich dank der beiden Sklavinnen auf den Beinen.
    Ein Blick traf wieder Rutger und es tat ihr so leid was man ihm antat, das hatte sie doch alles nicht gewollt. Sie hatte ihn doch schützen wollen und was war nun? Er war verletzt und wurde gedemütigt. Sie musste ihn retten, irgendwie musste sie das schaffen nur wusste sie noch nicht wie, aber es musste geschehen. Sie hatte solche Angst davor, dass man ihn noch wirklich töten würde oder so verletzten, dass er daran starb und keinem die Schuld zugewiesen konnte. Was würde ihre Familie sagen wenn sie erfuhren, dass sie ihn liebte? Ihr Vater würde sicher auf der Stelle kommen und ihn töten.
    Warum Gracchus sie nicht ansah sondern die Befehle an die Sklavinnen gab verstand sie nicht. Vorwurfsvoll sah sie ihn dafür an auch wenn er das nicht sehen konnte, doch sie musste mit ihm später noch einmal sprechen,w as war aus dem Onkel geworden der sie so liebevoll in den Arm genommen hatte. Als sie wieder zu Rutger sah bildeteten ihre Lippen ein es tut mir so leid, aber sie sprach es nicht aus, zeigte es ihm nur. Dann brachten die Sklavinnen sie in ihr Cubiculum und ihr Beine kamen ihr beim Laufen so unendlich schwer vor.

  • Langweilig. Der Germane lebte noch, also war der Fluch nicht gebrochen. Serenus überlegte sich, ob sein Onkel Gracchus hier wirklich der richtige Entflucher war oder ob er als kleiner Bruder von Arrecina nicht ran mußte. Zwischen ihm und seiner Schwester floss das Blut reiner und dicker als zwischen Arrecina und Onkel Gracchus. Er musste also Rutger töten um den Fluch zu beenden!


    Serenus entschloss sich das mal in Angriff zu nehmen und ging zu Bett.

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