Schmutzige Insulae-Blöcke umgaben die Straße, durch die ich auf den alten Tempel zueilte; wie die Wände einer Klamm ragen sie hoch auf, und ließen auch an diesem hellen Frühlingstag keinen Sonnenstrahl auf den Grund der Häuserschlucht dringen. Ich war hier, weil ich einen Mann suchte, von dem ich vage hoffte, dass er mir möglicherweise aus meiner Misere helfen konnte...
Nachdem mich der unverschämter Zwischenrufer auf dem Pons Cestius vorhin haarscharf vor einer großen Dummheit bewahrt hatte, hatte ich mir verzweifelt das Hirn zermartert, wen ich um Hilfe bitten könnte. Aber alle die mir einfielen waren entweder selber pleite, oder gleichgültig, oder aus diversen Gründen, nicht gut auf mich zu sprechen.
Zum Beispiel Orestes, völlig angepisst, hatte gleich versucht mir eine zu verpassen und mich angebrüllt, wegen mir sei er jetzt bei Callistus unten durch, und er wolle für neues Lotus von mir erst mal nen Haufen Kohle sehen...
Tja. Wenn ich mir die Summe nicht zusammenklauen wollte, brauchte ich eindeutig einen Retter. Und da fiel mir nur noch einer ein, den ich anhauen könnte. Wobei ich mir nicht sicher war, ob dieser Mann nicht vielleicht noch viel gefährlicher als die beiden Sicarii von heute morgen war... Oder, genaugenommen, hielt ich das sogar für sehr wahrscheinlich.
Aber die Zeit rann mir davon. Ich hatte keine Wahl. In dem Lupanar, wo er oft zu finden war, hatte ich vergeblich nach ihm gefragt. Aber eine Freundin, die dort arbeitete, hatte mir verstohlen zugeraunt, dass er gerade vor kurzem zum alten Tempel aufgebrochen war, warum auch immer.
Und da war ich nun. Wie erdrückt von den hohen Insulae ringsherum lag das alte Gemäuer vor mir. Hinter einem sumpfigen Vorplatz duckten sich zerbröckelnde Mauern an die Flanke des Berges. Geborstene Säulen lagen kreuz und quer, inmitten von Brennesseln und wuchernden Ranken. Was für ein Tempel das war, welchen Gott man hier einst verehrt hatte, wusste keiner mehr. Die Inschriften waren längst verwittert, die Fresken verblasst.
Einzig die weitläufige, offene Form des Pronaos, der noch zu erahnenden Vorhalle vor dem Tempelinneren, ließ auf einen etruskischen Ursprung schließen.
Es war ein schauriger Ort. Ganz in der Nähe mussten früher auch die Leichengruben für die Armen gelegen haben, und ich hatte hier in dieser Ecke ständig das Gefühl, dass sich in den allgegenwärtigen Sumpf-Geruch noch immer ein leiser Hauch von Verwesung mischte.
Beklommen folgte ich einem kleinen Trampelpfad, der sich um Müll und Schutt herum durch die Brennesseln wand, trat dann über schiefe und ausgetretene Stufen ins Pronaos. Mit einem leisen Schaben glitt eine Viper davon, verschwand blitzschnell in ein einer Mauerritze.
Vorsichtig setzte ich meine Füße, ging leise, Schritt für Schritt, auf den Eingang zur noch erhaltenen Cella zu, trat dann in den schmalen Torbogen. Dunkel war es dahinter, ich konnte nur ein Stück des wasserfleckigen Bodens und der rissigen, terakottaverzierten Wände erkennen...
"Hannibal?"