• Das Paneion ist ein Heiligtum des Gottes Pan, des Sohn des Dyonisos. Es steht inmitten eines riesigen, künstlich angelegten heiligen Hain, der auch als Tierpark und Botanischer Garten dient und neben dem sakralen Zweck auch für die Wissenschaft und Freizeit verwendet wird.


    Aus der Mitte des Parks ragt das Paneion, das eigentliche Heiligtum hervor. Es besteht aus einem künstlichen Berg in Form eines Pinienzapfens, der von einen sich in Serpentinen hinaufschlängelnden Pfad umrandet ist. Oben liegt ein flaches Plateau mit dem Tempel, von dem aus man eine gute Aussicht über die Stadt und das Umland hat.

  • Nikolaos war endlich angekommen. Zwar war der Weg von seinem Quartier zum Paneion nicht weit gewesen, und verlaufen hatte er sich auch nicht, denn zu gut war das Paneion schon von weitem zu sehen, doch in der Hitze war ihm der Fußmarsch sehr lang vorgekommen. Er hoffte, eines Tages reich zu sein, allein schon deshalb, weil er gerne eine Sänfte hätte und die dazugehörigen Träger bezählen würde. Nun aber stand er im Hain. Die kühle Luft empfing ihn wohltuend. Auf verschlungenen Wegen schlenderte er durch den Park. Er kam an umzäunte Gehege. Seltsame Wesen waren hier eingesperrt. Er erkannte das Tier wieder, mit dem er Bekanntschaft bei seiner Ankunft gemacht hatte. Die Schiffe der Wüste lagen träge in ihrem Gehege und fraßen. Nikolaos betrachtete sie ein wenig. Dann ging er ohne Hast weiter. Am Wegesrand wuchsen Gewächse, die er nie zuvor gesehen hatte. An einigen blieb er stehen und sog ihren Duft auf. Alexandria war in der Tat eine wunderbare Stadt. Er würde noch einige Wunder mehr entdecken. In der Nähe des künstlichen Berges, auf dem der Tempel stand, wurden die Wege breiter und bevölkerter. Offenbar hatten mehr Menschen als Nikolaos in der Hitze des Nachmittags die Kühle des Hains um das Paneion gesucht. Fast kam er sich ärmlich gekleidet vor, denn offenbar trugen die hier versammelten Bürger und reichen Nichtbürger ihren Reichtum auf ihren Körpern zur Schau. Manche leisteten sich sogar die Dekadenz schmale Purpurmuster auf ihrer Kleidung zu tragen. Nikolaos wusste, dass dies bei den Römern nur hochrangigen Persönlichkeiten vorbehalten war. Hier war es denen vorbehalten, die es sich leisten konnten. Er kam an den Berg. Der Pfad schlängelte sich angenehm flach hinauf, sodass selbst alte und fußkranke Menschen, sofern sie die Hitze ertrugen, nach oben gelangen würden. Nikolaos blieb an einigen Stellen stehen und sah auf die Stadt hinab. Gewissermaßen kostete er die Vorfreude auf den noch besseren Ausblick aus, den er oben haben würde. Nach einiger Zeit war er auf der Plattform vor dem Tempel angelangt. Er blickte lange Zeit über die Stadt hinweg. Von hier oben wirkte sie noch viel größer, als es ihm in den Gassen und Straßen, auf den Plätzen vorgekommen war. Er ging einmal um den Tempel herum, um die andere Seite der Stadt zu betrachten. Von hier aus konnte er bis zu den ärmlichen Siedlungen im Westen der Stadt blicken. Er setzte sich auf eine Steinbank und genoss ein Gefühl der Freiheit.

  • Einige Tage nach seiner Ankunft in Alexandria wandert Theodorus durch den Park des Paneions, eine der herrlichsten Gegenden der Stadt - Rom hatte nichts zu bieten, was damit vergleichbar gewesen wäre. Er durchquert die verschlungenen Pfade des Haines, der in einer sehr natürlichen Form angelegt ist, atmet den Duft des Harzes der Bäume und der unzähligen Blüten aus aller Welt ein, hört dem Rascheln der Blätter und Zweige im Wind und den fröhlichen Lärm der Alexandriner in Feierabendstimmung zu. Unter einer schattigen Pinie setzt er sich auf eine Bank und beobachtet die Leute, die vorbeikommen. Dann geht er weiter, hält sich die Hände unter eine erfrischende Quelle aus einem künstlichen Wasserlauf und geht zu einem von einer Kinderschaar umzingelten Händler, wo er sich ein honigtriefendes Süßgebäck kauft. Dann beschließt er, den Turm hinauf zu steigen. Türme, auch so eine Sache, die die Römer bei der Anlage ihrer Stadt vergessen hatten...

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Mit Medeia im Schlepptau betritt Timokrates den Park des Paneions und sofort verebbt der Lärm der Stadt. Tausend Vögel zwitschern ihr Liedchen, ein kleines Bächlein plätschert durch den Rasen und die Luft riecht nach Jasmin und Pinienharz. Ein paar andere ausgelassene und glückliche Spatziergänger schlendern über die verschlungenen Wege, die Sonne scheint freundlich durch die schattenspendenden Blätter und Nadeln der Bäume, die sich sanft im kühlenden Wind hin und her bewegen.


    "So, da wären wir fürs Erste." meint Timokrates und bremst seine Schritte, um sich sogleich sehr fachkundig zu geben: "Dieser Park wurde zu Ehren des Gottes Pan errichtet und stellt eines der unbekannteren Wunder der Stadt dar. Die Pflanzen und Tiere hier kommen aus der gesamten Oikomene, sie wurden von den Geographen, die mit Alexander den Großen durch die Welt zogen, aus allen Winkeln seines Reiches hierher gebracht und die Sammlung wird seit damals Stück um Stück vergrößert. Hier, sieh:" Timokrates bückt sich zu einer großen, pastellrosanen und braun gesprenkelten Blüte hinunter. "Das hier ist zum Beispiel eine Orchidee von der Quelle des Indusflusses, weit hinter dem Königreich der Parther, wo gigantische Ameisen hausen, die unvorstellbare Goldschätze bewachen..." Natürlich hat Timokrates nicht die geringste Ahnung, um was es sich bei dieser Pflanze handelt, aber er spekuliert darauf, dass Meideia ebenso ahnungslos ist wie er.

  • Es war immer wieder verwunderlich für Medeia, derartige Kontraste in dieser Stadt zu erfahren. In einem Moment stand man noch zwischen 'Tausenden' von Menschen, wurde schier von ihren Gerüchen, ihrer Masse und ihr Lärmen erdrückt oder von dem Elend mancher Straßenzüge ernüchtert und im nächsten Augenblick schien man sich in einer Welt zu befinden, die nicht mehr in die der Stadt Alexandria zu passen schien. Wie ein Paradies, ein Ausflug in ein fremdes Land waren die Streifzüge durch Parkanlagen oder alten Tempeln.


    Erleichtert sog Medeia die frischere Luft in sich ein. Der Bach vermochte ein wenig Kühlung zu verschaffen und das Zwitschern der Vögel die Seele zu beruhigen. Nur mit Mühe war Medeia ihrem energiereichen Begleiter gefolgt, hatte die Kurzatmigkeit verborgen und das Bedürfnis sich nach jedem dritten Schritt hinzusetzen. Doch hier im Park blieb sie kurz stehen. Über ihr in den Zweigen eines Zitronenbaumes gurrte eine Palmtaube. Interessiert betrachtete Medeia das rötliche Gefieder am Rücken und die cremigweiße Farbe am Bauch. So viele Taubenarten wie in Alexandria hatte Medeia zuvor noch nicht erblickt. Die Bewunderung für diesen wunderschönen Park und auch Heiligtum spiegelt sich in Medeias Gesicht wieder.


    „Wundervoll.“, gab sie von sich und folgte dem Deuten von Timokrates. Hinter sich vernahm sie die leisen Schritte ihrer Sklavin Olympia. Die Sänfte wartete vor dem Eingang und am Rande des üblichen Stadttrubels. „Alexandria ist ein Hort voller Wunder. Überall erscheinen diese wunderschönen Oasen.“ Ihr Schatten fiel auf einige der anderen Blüten, doch auch sie beugte sich herunter um das filigrane Kleinod zu betrachten. „Schön.“ Die Farben verschwammen in einem Wirbel als sie sich wieder erhob. Nur mit all ihrer Selbstbeherrschung vermochte sie nicht gleich wieder zu Boden zu sinken oder sich groß etwas davon anmerken zu lassen. Medeia hasste es, eine Schwäche einzugestehen. Egal, welcher Art sie war und wie reichlich sie diese auch besaß. „Ich hörte auch, es gibt dort Löwen, die so klein wie Vögel sind und Menschen mit zwei Köpfen, die Männer griechischer Herkunft besonders gerne verspeisen.“ Ein wenig Schalk war bei Medeia zu erkennen. Doch nur kurz, denn sie wandte sich ab um wieder auf den Weg zu treten. Auch Medeia wusste nicht wirklich die Bezeichnung der Orchidee. Denn die Botanik und Naturphilosophie war nicht das Feld der Wissenschaft, mit der sie sich ausgiebig beschäftigt hatte. Über mehr als die Schriften von Aristoteles war sie nicht hinaus gekommen. In Athen hatte das oft auch genügt.


    Langsam ging Medeia einige Schritte weiter und betrachtete nur kurz eine Statuette, die auf einer Säule thronte. Bunte und nicht immer zusammenpassende Farben schmückten den kleinen Gott und auch die Statue, an deren Sockel zahlreiche Reliefs von dem Leben des Gottes berichteten. Der Sockel war zudem mit auffallend viel Goldarbeit versehen. Doch um welchen Gott es sich handelte, konnte Medeia nicht erahnen. „Im Museion gibt es eine ähnliche Sammlung von Tieren und Pflanzen. Auch diese fand ich bereits überwältigend.“ Medeia blieb kurz stehen, denn ein Pfau mit glänzendblauen Gefieder, schillernd und feinfedrig, stolzierte über den Pfad. Nur seine Schwanzfedern schienen etwas kümmerlich und ausgerupft zu sein, war doch die Balzzeit bereits vorbei. Was den Vogel nicht daran hinderte sich wie ein bunter Geck aufzuführen. Und über einen anderen Pfad trat ein anderer bunter Geck entlang, dieses Mal jedoch ein Mensch. Der Mann trug seine schwarzen geölten Locken aufgetürmt, noch höher als Medeia ihre Frisur. Zahlreiche Ketten, Geschmeide und Gold bedeckten seinen Körper neben roten, blauen und goldenen Stoffen, die sich schon miteinander bissen in ihrer Farbenpracht. Dazu trug er mindestens drei Schichten an Kosmetika im Gesicht. Besonders auffällig war er noch durch seinen Begleiter, der neben ihm in seiner ernst grauen Gelehrtenrobe verblasste.


    Schnell ergriff Medeia Timokrates am Arm und lenkte ihn in eine andere Richtung. „Denen wollen wir besser nicht begegnen.“, erklärte sie und trat zwischen zwei prächtig blühenden Hibiskusbüschen hindurch.„Aber, mein lieber Timokrates, erzähl doch. Was hat Dich nach Alexandria verschlagen? Und hast Du mittlerweile gar geheiratet?“

  • Während sich die Athenerin so umsieht in den Wundern des Parks, steht Timokrates diskret ein bisschen abseits, denn er hat keine Lust, Medeia zu zeigen, wie wenig ihm dieses kitschig drappierte Sammelsurium von Exoten pflanzlicher, tierischer und menschlicher Natur interessiert, welches der heilige Hain des Pan darzustellen pflegt.


    Überhaupt scheint es mehrere Meinungsverschiedenheiten zwischen Medeia und ihm zu geben, zum Beispiel bezüglich dieses Alexandria, das ihrer Meinung nach ein "Hort voller Wunder" zu sein scheint, während Timokrates bei der Stadt immer nur ein Vergleich mit einer öffentlichen Latrine für den Pöbel einfällt, in der man die sich Erleichternden um ihre Habseligkeiten berauben kann. Die Latrine ist zwar gut gepflegt und in Stand gehalten, aber dennoch bleibt sie eben eine Latrine.
    Natürlich verzichtet er darauf, Medeia an dieser Metapher teilhaben zu lassen, statt dessen erwähnt er schwärmerisch: "Oh ja, Alexandria ist wirklich ein Hort voller Überraschungen. Wo man das Auge hinrichtet, überall findet man ein neues Wunder, das es zu bestaunen und zu entdecken gibt. Fast gewinnt man den Eindruck, die Götter selbst hätten bei der Planung dieser Stadt ihre helfende Hand im Spiel gehabt." Der letzte Satz ist gar nicht so verlogen, schließlich würde es zu den komischen Humor der Unsterblichen passen, dem Menschen eine riesengroße Latrine aufzubauen. Ein sehr amüsanter Gedanke, findet Timokrates.


    Dann blickt er Medeia vor der Orchidee knieend überrascht an: "Zweiköpfige Löwen? Davon habe ich wirklich noch nie was gehört. Aber vielleicht finden wir ja ein solches Wunderwesen im zweiten Teil des Parks, der vollgestopft ist mit den exotischsten Kreaturen von den Enden der Oikomene." Timokrates überlegt, welche Tiere und Monster man dort wohl erwarten könnte: Greifen, Harpien, Basilisken, Sphinxen, Sirenen, riesenhafte Schlangen und Ungeheuer aus Äthiopien und dem erythräischem Meer*... Timokrates grinst: "Einst habe ich eine Rotte von Meeresungeheuern gesehen vor der Küste von Arabia Felix..." Dann hält er ein. Moment einmal. Hat Medeia ihn da etwa gerade aufgezogen? "Also, ich weiß nicht, ob es zweiköpfige Löwenvögel gibt, aber der Kosmos beherbergt allerhand Wunder, die wir Menschen des Westens gar nicht glauben können, darüber sollte man nicht spotten." Und die Geschichte mit den Ameisen an der Grenze zu Serea² klingt Timokrates immer noch sehr plausibel...


    Timokrates denkt immer noch mit Schaudern über die unheimlichen Kreaturen nach, als er bemerkt, dass Medeia schon längst weiter gezogen ist. "Ach, im Museion warst du auch schon? Ich habe gehört, die Gelehrten dort benutzen den Park hier ebenfalls für ihre Studien." Nur um mal was gesagt zu haben.


    Er eilt Medeia hinterher um in ihrer Nähe zu bleiben und weiter um sie herum zu tänzeln. Lächelnd antwortet er: "Verheiratet? Ich? Meine Liebe, wo denkst du hin? Ich mag zwar mittlerweile sesshaft geworden sein, aber im Herzen bin ich immer noch der Alte..." Timokrates und verheiratet, was für eine absurde Idee. Genauso absurd wie die Vorstellung, Medeia könnte geheiratet haben. "Und du? Was hat dich nach Alexandria verschlagen? Wie ist es dir ergangen in den letzten Jahren." Dass Medeia es zu Geld gebracht hat, ist ja kaum zu übersehen...


    Sim-Off:

    *erythräisches Meer = Horn von Afrika
    ²Serea = China

  • Weiche Blätter glitten an Medeias Schulter entlang. Vogelstimmen mischten sich zu einem harmonischen Chor und die Sonne wurde durch das zahlreiche Laubdach gemildert, fiel in Flecken auf den Weg, der zum Heiligtum in der Mitte führte. Interessiert betrachtete Medeia schon von Weitem den hoch aufragenden, seltsam anmutenden Bau. Sie hätte auf den ersten Blick eher einen Wassertropfen darin erkannt. Selbst wenn Strabon wohl eine andere Figur darin gesehen hatte. Zustimmend nickte Medeia. „Ja, ein Hort der Wunder.“, wiederholte sie leise und betrachtete den Bau interessiert. Ob sie den Weg ersteigen konnte und wollte, dessen war sich Medeia jetzt noch nicht sicher. Doch die Kühle des Parkes verschafften ihr schon einige Kräfte mehr. „Dass dem göttlichen Alexander auch noch andere Helfer als nur die Menschlichen zur Verfügung stand, daran zweifel ich nicht. Wie sonst soll ein Mensch in seinem kurzen Leben derart viel erreichen?“ Ein wenig schauderte Medeia die Vorstellung, dass jener Mann nicht sehr viel älter als sie an dem Tag seines Todes war. Sie fröstelte kurz. „Nicht zweiköpfige Löwen, mein lieber Timokrates. Löwen so groß wie Vögel. Und Menschen mit zwei Köpfen. Wesen mit einem Auge, Menschen mit drei Augen und Frauen mit acht Armen und vier Brüsten. Alles gibt es dort.“ Wenn in Medeia die Lust zum Reisen vorhanden wäre, sie hätte womöglich es auf sich genommen all jene Wesen zu suchen. Aber Medeia war damit zufrieden über Jahre an einem Ort zu leben und die Dinge in den Schriften Anderer zu ergründen. Zudem ein komfortables Haus zu besitzen, zahllose Kleider und stets ein warmes Bett oder ein reinigendes Bad in ihrer Nähe. Nein, Reisen war nichts für die Griechin, die nicht mehr als Athen, Rom und nun Alexandria gesehen hatte. Selbst Reisen ins Hinterland von Ägypten wären ihr ein Greuel.


    Und somit wäre sie jedem Forscher dankbar, sollte er tatsächlich so eine Kreatur mit sich bringen und in das Paneion oder Museion zur Schau stellen. „Lass uns dies ergründen, mein lieber Timokrates.“ Die beiden Gelehrten des Museions waren entschwunden und Medeia doch erleichtert. „Meeresungeheuer?“ Medeia lächelte freundlich und mit einem wachen Ausdruck in den Augen. Nichts deutete davon, ob sich Medeia über Timokrates amüsierte oder nicht. Aber das war schon früher so gewesen bei Medeia. „Gar der Skylla persönlich?“ Medeia schenkte ihm noch ein milderes Lächeln. „Timokrates. Ich spotte nicht. Das liegt mir fern. Gänzlich unfähig bin ich eines Solchen.“ Jetzt glitt doch ein verschmitztes Lächeln um ihre Lippen. Doch schon nickte sie leicht. „Aber Du hast Recht. Es gibt Wunder, die wir nicht mit Worten erfassen können, selbst wenn wir ihnen Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen. Und wenn man sie noch nie gesehen hat, kann man auch ihre Existenz nicht abstreiten. Höchstens auf der Ebene der Gedankenkraft und mit dem Sinn danach die Rätsel der Welt auf metaphysischer Ebene zu lösen.“


    Mit jedem sehr langsamen Schritt, zu dem Medeia fähig war, näherten sie sich dem Heiligtum. Nein, einen Pinienzapfen konnte Medeia wirklich darin nicht erkennen. Sie blieb einen Moment stehen, da die Luft schwer auf ihre Brust drückte und sie kaum davon in sich einsaugen vermochte. „In der Tat. Ich war des öfteren am Museion. Und es gibt einen Park dort, der sich gänzlich mit der Chimärenforschung beschäftigt. Leider wohl noch ohne Erfolg. Aber dort gibt es auch Tiere aus dem fernen Gupta bis Kushana. Sogar Pflanzen aus dem Reich der Seide finden sich dort. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie auch noch mit Seeungeheuern von der Unterseite unserer Erdenkugel kommen würden. Manche der Gelehrten dort scheinen tollkühnen Abenteurern zu gleichen und weniger den Suchenden der Weisheit.“ Medeia konnte das nicht ganz verstehen. Am liebsten saß sie Stundenlang vor Büchern und Schriften. Oder verfasste selber ihre eigenen (mehr unnützen) Gedanken zu den gedanklichen Problemen.


    Eine Bank aus Zedernholz erschien vor ihnen. Bunt und schrill war das Holz bemalt und mit zahlreichen Mustern versehen. Doch sie kam Medeia gerade Recht. Denn ihre Beine wurden wieder ganz zittrig. „Hast Du etwas dagegen, wenn wir uns kurz setzen?“ Medeia tat es einfach und atmete erleichtert auf. „Aber Timokrates, was hindert Dich daran? Eine hübsche junge Frau in Deinem Hause würde Dir sicherlich Freude bringen. Und eine solche Frau würde Dir sicherlich nicht im Wege stehen, wenn Du auch außer Haus speisen würdest.“ Medeia lächelte amüsiert. Denn natürlich war nicht das Kulinarische damit gemeint. Ihr erster Mann in Athen hatte auch bei Medeia nichts dagegen gesagt. Wobei er auch darauf angewiesen war, lag er doch auf ihrer Tasche und Medeia war die Einzige gewesen, die nicht nur das Geld ausgegeben hatte. Im Grunde war Quintus durchaus stets von Eifersucht geprägt gewesen und ihr Streit an manchen Tagen doch heftiger. Medeia gehörte jedoch nicht zu der Sorte von Frau, die sich der Eifersucht hingab. „Ich wiederum habe in der Tat erneut geheiratet.“ Der Schatten ihrer Sklavin fiel auf Medeia. „Einen römischen Praefectus.“ Mit einem Namen, da war sich Medeia sicher, würde Timokrates gewiss nicht viel anfangen können. „Ein auf und ab war es in den letzten Jahren. Aber ich habe sie in Rom verbracht. Mal am Kaiserhof arbeitend, dann, stell Dir das vor, hab ich tatsächlich noch den Weg in die Politik geschafft. Ich war sogar Aedil in Rom. Aber letztendlich verspürte ich keinen Drang mehr weiter in die Politik dort zu dringen.“ Medeia betrachtete einige exotische Pflanzen ihr gegenüber. Sie kannte sie nicht und würde sie im Museion nachschlagen lassen. „Aber ich bin im Auftrag der Schola von Rom hier. Ich bin dort Praeceptor und soll mich um das Museion von Alexandria kümmern. So werde ich wohl noch eine Weile hier bleiben.“


    Sanft plätscherte das Wasser an ihnen vorbei, das Idyll beruhigte Medeia immer mehr. „Und Dir? Erzähle, wo hast Du die letzten Jahre verbracht? Hier in Alexandria oder auf einem Schiff, die Charybdis jagend?“ Medeia konnte sich das bei Timokrates durchaus vorstellen. Er hatte das Blut eines Abenteurers, eines Charmeurs und eines Trickbetrügers gleichermaßen. Genau das war es, was Medeia stets an jenen Mann fasziniert hatte. Nachdenklich betrachtete sie Timokrates. Womöglich könnte sie...? Doch, doch. Er könnte sicherlich damit etwas anfangen. „Sag, Timokrates, ist es Männern hier in der Politik erlaubt, jegliches Geschäft und Gewerbe nachzugehen?“

  • Bereitwillig folgt Timokrates der Athenerin, nun nicht mehr ganz überzeugt, sondern lediglich noch versuchend, die Fassade des Charmeurs aufrecht zu erhalten und die sich dahinter aufblähende von Medeias Gebähren erzeugte Unsicherheit zu verbergen. Unsicherheit und das Wiederaufkeimen des tiefen Respektes vor ihr, den er bereits damals in Attika empfand. Medeia: Dieser Name stand in seinem Gedächtnis immer für das Gegenteil jener hübschen, fein drappierten, geistlosen und leicht zu habenden Puppengestalten, denen man mit der kleinsten Kleinigkeit ein albernes, verhaltenes Kichern entlocken konnte. Medeia war alles: Attraktiv, klug, temperamentvoll, verführerisch und sich dessen immer allzu bewusst. Und vor allem: Unberechenbar, geheimnisvoll, ihm immer eine Nase voraus. Sie war wie Feuer. Kein Mann in Athen, ob junger Student oder verheirateter Mann mit acht Kindern, dem sie, die einfache Hetäre, nicht das Herz gebrochen hatte. Während der ganzen Zeit in Athen, als es ihm oft genug so vorkam, als hätten sie ihr Leben miteinander geteilt, als wäre ihre Beziehung so innig und fest wie nichts anderes auf der Welt, hatte er dennoch immer das Gefühl, ihr unerreichbar fern geblieben zu sein, sie niemals wirklich knacken zu können. Waren sie sich überhaupt wirklich so nahe oder hatte sie es ihm nur vorgespielt, genauso wie sie mit so vielen anderen gespielt hatte in jenen Tagen in Athen?


    Das sind so seine Gedanken, als er ihr zuhört, wie sie munter über das gesamte Sammelsurium von Obskuritäten, Ungeheuern und Wundern palavert, von dem die Schriften der Alten und Gesprächen der Wandernden und Seefahrer seit Beginn der Zeit unaufhörlich Zeugnis ablegen. Er hört nur halb zu und treibt so in Erinnerungen, während er sich auf der Parkbank langsam näher an sie heran tastet, als Medeia plötzlich das mühsam aufgebaute Band dieses gemeinsamen Treffen zerschneidet:


    „Ich wiederum habe in der Tat erneut geheiratet.“


    Dem Kyrener klappt die Kinnlade weit herunter und schließt sich auch nicht mehr als sie fortführt. Geheiratet... Rom... Kaiserhof... Politische Laufbahn... Das hätte er sogar Medeia nicht zugetraut!


    Schnell zieht er seinen Arm, der sich in den letzten Minuten ganz unauffällig über die Banklehne in Richtung Medeias Nacken bewegt hatte, zurück und räuspert sich verlegen. Er setzt zum sprechen an, aber heraus kommt nur abermals ein verlegener Räusper. Er probiert es noch einmal, mit dem selben Resultat. Dann endlich gehorcht ihm seine Stimme wieder und er fragt, immer noch vollkommen fassunglos: "Du... Du bist jetzt also Rhomäerin? Wohnst in einem edlen Haus? Hast die Stufen römischer Politik erklommen? Ich mein, äh..." Ja, was meint er eigentlich? Fest steht auf jedem Fall, dass seine eigene Karriere seitdem ihm gar nicht mehr so groß erscheint. Diese Frau konnte ihm in allen Feldern das Wasser reichen. Nein, sie brachte es ungleich weiter. Wahrscheinlich war es damals gar nicht so, dass er sie verließ, sondern umgekehrt, sie sich ihm entledigen wollte. "Na, dann, Gratuliere. stöpselt er hervor und wünscht in Gedanken dem Glücklichen, der sie geheiratet hatte, irgendein hässliches und qualvolles Ende und zwar möglichst bald, in irgendeinem Wald Britanniens oder Germaniens, in den Bergen Armeniens oder in der Wüste Orsrohenes.


    Aber Medeia lässt ihm keine Ruhe. Sofort fragt sie weiter. "Was ich so gemacht habe? Naja, nichts was der Rede wert gewesen wäre, ich meine, im Vergleich mit dem, was du gemacht hast..." Dann stockt er kurz. "Unsaubere Geschäfte?" und kommt wieder in Fahrt: "Die Menschen, die in Alexandria reich und einflussreich geworden sind, sind entweder selbst Verbrecher, Lügner, Betrüger, Mörder und Halsabschneider oder ihre Vorväter waren es vor unzähligen Generationen, wenn du das meinst. Da unterscheidet sich Alexandria wohl nicht sonderlich von Rom."

  • Die ägyptische Sonne, unablässig strahlte sie vom blauen Himmel herab, erdrückte die Menschen, beglückte so manchen und machte Medeia jeden Tag mehr zu schaffen. Nachdenklich sah sie in den Himmel. Regnete es in Alexandria niemals? Seit dem Zeitpunkt ihrer Ankunft zumindest nicht. Ohne sie dazu aufgefordert zu haben, fächerte Olympia mit einem kleinen Palmwedel neben Medeia. Ärgerlich sah Medeia zu der Sklavin, die schnell das Blatt wieder hinter ihren Rücken nahm. Zwei plappernde Männer kamen vorbei, in Begleitung einer Schar von Sklavinnen. Medeia folgte ihnen mit dem Blick. So entging ihr durchaus das Wandern einer menschlichen Hand. Und erst als sie wieder dort war, wo sie hingehörte, sah Medeia zu Timokrates. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Das Erstaunen von Timokrates amüsierte Medeia durchaus. „Ich bin nicht mehr oder weniger eine Römerin als noch vor zwanzig Jahren.“ Natürlich sagte Medeia nicht 'vor mehr als dreißig Jahren zum Zeitpunkt ihrer Geburt'. Denn seitdem sie jenes schicksalhaftes Jahr überschritten hatte, versuchte sie das erstmal zu ignorieren. „Meine Mutter war eine Griechin, aber mein Vater ein Römer. Mein erster Mann ebenso.“ In Athen war die Mischung von Römern und Griechen doch an manchen Stellen recht ausgeprägt. Die Früchte all jener Römer, die der Bildung wegen in das Land kamen. Mit einem Mal merkte Medeia. Sie vermißte ihre Heimatstadt kaum noch. Wann hatte sie aufgehört, sich nach Athen zu sehnen? Wann wurde Rom zu ihrem neuen Heim? Sie wußte es nicht mehr.


    Nur schwer konnte Medeia das Zucken um ihre Mundwinkel unterdrücken. Sie wollte auch nicht die Fassunglosigkeit von Timokrates mit irgendwelchen Ordines mehren, in der sie der Kaiser berufen hatte. Aber das Domus Artoria würde Medeia nicht als ein edles Haus bezeichnen, wenn auch nicht ärmlich. „Vorerst habe ich mir ein Haus außerhalb von Alexandria erworben. Aber es ist noch ein wenig herunter gekommen. Und weitere Stufen der Politik in Rom werde ich nicht erklimmen. Ich habe auf eine Ernennung in den Senat verzichtet. Aber ich wäre auch niemals dorthin hinein berufen worden. Denn die Zeiten, in denen auch noch eine Frau es in Rom zu etwas bringen kann, sind entgültig vorbei. Kleingeister und Neider haben das zu verhindern gewußt.“ Medeia übersah dabei großzügig, dass auch der Kaiser maßgeblich an den Änderungen beteiligt war. Aber dem Kaiser gegenüber würde sie niemals Kritik zulassen. Zu lange hatte sie für ihn gearbeitet und wusste um die schwere Bürde, die er trug. „Ich danke Dir, Timokrates. Aber eine Gratulation ist unnötig. Sieh Dir die römische Politik an und dann wirst Du schnell erkennen, dass selbst der dümmste Römer noch Karriere machen kann. Hauptsache er hat den richtigen Patron und Unterstützer. Immerhin gibt es wenigstens noch einige wenige Männer, die ehrbar und lauter der Politik frönen.“ Natürlich dachte Medeia da an Männer wie Flavius Gracchus, der Medeia nachhaltig beeindruckt hatte. „Oder gratulierst Du mir gar zu meinem Praefectus?“ Medeia musterte ihn erheitert.


    Dass er wohl nicht über die letzten Jahre sprechen wollte, bemerkte Medeia durchaus. So bohrte sie dort nicht weiter. Wenn er etwas erzählen wollte, dann würde er das sicherlich noch freimütig tun. Selten lachte Medeia, es kam nur alle paar Wochen vor und dann meist auch recht verhalten. Doch jetzt tat es Medeia. Wenn auch milde und sanft dennoch. „Womöglich hast Du Recht, Timokrates. Allfällig gehört zu einem guten Politiker auch die Würze eines Ganoven, Schurken und Halsabschneiders.“ Medeia winkte Olympia heran und ließ sich eine Tabula reichen. Diese gab sie an Timokrates weiter. Die Tabula bestand aus zwei Teilen und war mit einem Lederband umwickelt. Innen waren die Wachsanteile einander zu gekehrt, so dass man die Tabula erst aufklappen musste. „Mir ist ein Haus hier in Alexandria in die...sagen wir Hände gefallen. Ich kann jedoch leidlich wenig damit anfangen. Mein Ehemann genauso wenig. Und meiner Familie möchte ich das nicht aufbürden.“ Medeia wartete einen Moment, dann fügte sie an. „Unter Umständen wärst Du daran interessiert?“ Die Art dieses Hauses und die Lage war in der Tabula niedergeschrieben.

  • Natürlich werden Timokrates Ohren ganz spitz und groß und die Augen nehmen ein gieriges Glänzen an, als Medeia diesen Betrieb erwähnt. Es gibt eine Sache, die Timokrates lieber mag als Frauen, und das ist die Möglichkeit, irgendwo irgendein Geschäftchen zu drehen...


    "Was für ein Haus? Worum handelt es sich?"


    Die Gier in Timokrates Stimme ist kaum zu überhören.

  • Aufmerksam betrachtete Medeia Timokrates. Sie studierte den Glanz in seinen Augen, seine Mimik und seinen Gesichtsausdruck. Doch, in dieser Hinsicht war Timokrates ganz der Alte. Dabei fielen Medeia die feinen Fältchen um seine Augen auf. Auch um seinen Mundwinkel hatten sie sich tiefer eingegraben. Doch man sah ihm an, dass er das Vergnügen und Leben liebte. Es hatte sich auf seinem Gesicht verewigt. Mit einer Hand deutete Medeia auf die Tabula. „Mein lieber Timokrates, öffne es und Du wirst sehen, worum es sich dabei handelt.“ Medeias Blick wanderte im Park herum. Derartige schnöde Angelegenheiten waren ihr eigentlich selber zuwider. Aber sie wollte dieses Haus los werden und Timokrates konnte bestimmt mehr damit anfangen als Medeia. Dennoch würde sie nicht derart offen über solche Belange mitten im Heiligtum sprechen.

  • Timokrates nimmt die Tabula, liest gespannt und ihm entfährt ein kräftiges "Potzblitz!" Er schaut wieder, diesmal sehr erstaunt wie ein Mann, der es nicht gewohnt ist, von Tyche Freundlichkeit noch von anderen Leuten Geschenke zu bekommen, zu Medeia. "Und das kann ich haben? Einfach so?" Er hält kurz ein, dann schaut er sie verführerisch an. "... oder erwartest du dafür eine kleine Gegenleistung?" Wenn man schon mal von Tyche geküsst wurde, kann man ja gleich noch mal höflich nach mehr fragen... 8)

  • Nachdem sie schon einige Hundert Sesterzen in den schwarzen Rachen von Rom wegen dieses Hauses geworfen hatte, war für für Medeia der kleine Betrag, was es tatsächlich wert war, nicht mehr von großer Bedeutung. Dennoch und bei dem freudigen Ausdruck von Timokrates fühlte sich Medeia wie an den Saturnalien. Nur, daß es heiß war, sie nicht in Rom und Timokrates natürlich kein Römer war. Trotzdem, Medeia freute das durchaus. Und zudem war damit ihr kleines Problem auch gelöst. Und ihr Besitz somit in sicheren Händen. Zumindest für die nächsten Wochen. So schüttelte sie den Kopf. „Einfach so. Im Gegenteil, mein lieber Timokrates. Tu tust mir damit sogar noch einen Gefallen.“ Medeia lächelte andeutungsweise. „Ich bin mir sicher, Du kannst mit dem Haus doch sehr viel mehr anfangen als ich. Selbst früher hätte ichso ein Haus nicht gebrauchen könne.“ Ihr Olymp war nie ein Lupanar im herkömmlichen Sinne gewesen und Medeia hatte stets großen Wert auf eine Distanzierung ihrer anderen Tätigkeit und dem Olymp gelegt. Im Olymp wurde gespeist, getrunken und immer wieder gepflegte Gastmähler abgehalten. Was danach oder an anderem Ort geschah, mit Medeias Billigung, war eine andere Sache. Medeia hat auch niemals ihren Angstellten das Geld ihrer nächtlichen Verdienste abgenommen. Zudem hatte Medeia das damals nicht nötig gehabt. „Dann nimmst Du es an?“, fragte sie noch überflüssigerweise.

  • Zwar war Medeias Antwort nicht ganz die erhoffte, aber immerhin scheint sie auch nicht wütend zu sein...


    "Klar nehm ich den Betrieb..."


    Ein Hetairion lohnte sich nicht nur wegen des anstehenden Einkommens, sondern war auch immer ein guter Ort für Politik, schließlich redeten Leute gerne nach gewissen Situationen...

  • Ein unsichtbarer Stein von Medeias Kreuz fiel herunter und sie fühlte, daß der Tag sich doch wirklich gelohnt hatte. Natürlich davon abgesehen, daß sie sich wirklich gefreut hatte, Timokrates begegnet zu sein. „Wunderbar! Dann behalte die Besitzurkunde. Ich werde meinen Sklaven veranlassen, dass auch noch die lästigen Verwaltungsgänge erledigt werden. Du wirst schon in den nächsten Tagen das Haus Dein Eigen nennen dürfen, Timokrates. Möchtest Du es womöglich umbenennen? Aber da kannst Du noch darüber nachdenken und mir eine Nachricht zukommen lassen. Es wird dann dementsprechend auf Dich eingetragen werden.“ Mit all diesen Dingen war Medeia wirklich mehr als genug vertraut. Wie oft hatte sie das nicht schon selber machen müssen, wie oft hatte sie Betriebe umbenannt, umgetragen oder gar aus den Listen gestrichen? Medeia wußte es nicht, aber es kümmerte sie nicht mehr. Die Zeit lag bereits hinter ihr. Doch das Geschäftliche (sofern man das überhaupt so nennen dürfte) war passé. Medeia wollte sich so lieber den angenehmen Dingen widmen. „Gehen wir noch ein Stück, mein lieber Timokrates? Übrigens. Du musst mich unbedingt in meinem neuen Haus besuchen kommen.“ Medeia lächelte freundlich und erhob sich. „Ich denke darüber nach, ein kleines Symposion abzuhalten. Mit einigen ausgewählten Gästen.“ Es schwankte kurz um sie herum, doch dann ging es wieder.

  • Ganz schnell, bevor Medeia es sich anders überlegt, schiebt er, der sich keine angenehmeren Dinge vorstellen kann, als Geld zu verdienen, die Besitzurkunde ein. "Ich werde dann den Agoranomos aufsuchen und die Formalitäten klären...


    Und liebend gerne werde ich dir noch weiter die Zeit stehlen an diesem schönen Nachmittag. Wollen wir es wagen, den Turm zu erklimmen?" Voller Elan springt Timokrates von der Bank auf. Und ein Symposion ist immer eine schicke Sache. Timokrates bemerkt zwar vorerst nichts dazu, aber in seinem Gesicht ist die Vorfreude deutlich ablesbar...

  • Einige Vögel erhoben sich flatternd, die Blumen in ihrer Nähe verstrahlten einen betörenden Duft und immer noch war die Hitze kaum zum Aushalten (für Medeia zumindestens.) Den Turm hätte sie zwar lieber nicht erklommen, aber sie fügte sich der Idee mit einem deutlichen Zeichen der Zustimmung. Sie würde einfach langsam gehen und Stufe für Stufe erklimmen, dann würde es bestimmt schon gehen. Und bestimmt war diese Mühsal mit einer schönen Aussicht belohnt. Und so spazierte Medeia noch mit Timokrates hinauf zum Heiligtum des Pan. Man tauschte die üblichen Floskeln aus, unterhielt sich über manch eine Belanglosigkeit oder schwelgte in alten Erinnerungen. Alles, was man so an einem Nachmittagsspaziergang zu tun pflegte, ob in Rom oder in einem Park in Alexandria. Erst ein wenig später und zu einem Zeitpunkt, wo Medeia schon sehr am Rande ihrer Kräfte zehrte, verabschiedete sie sich. Gewiss würde man sich erneut in Alexandria über den Weg laufen.

  • Nach einen schönen Nachmittag in Begleitung der Frau, die ihn einst das Herz gebrochen hatte, sitzt Timokrates wieder alleine im Park auf einer Bank und kaut gedankenverloren auf einem Khatblatt herum. Er betrachtet die sorglosen Nachtbummler um ihn herum, die ausgelassen unter den Lampions spatzieren, sich unterhalten und den ein oder anderen Akrobaten und dessen Kunststückchen bewundern. Überall wo er hinsieht sind sie, die Blumen des Lebens, der Freude, der Liebe. Timokrates, außerhalb dieses Freudentaumels stehend, beobachtet diese fern von ihm stehende, einfache aber bunte Welt, von der er nie ein Teil sein wird. Er, der Außenseiter, der Freie, der Unabhängige, der jede Situation durchgemacht hat, der jeden Winkel dieser Welt durchreiste, seufzt laut auf. Vielleicht sind die Dinge in Echt anders, vielleicht ist das hier das richtige Leben, das Einfache, Gesicherte, wo man genau weiß, wie der Tag anfängt und wo er aufhört. Medeia hat, kaum zu glauben, sich für diesen Weg entschieden, alle seine Kameraden, Partner und Weggefährten sind irgendwann vom Schiff gesprungen um einer ehrlichen Arbeit nachzugehen, zu heiraten und sich niederzulassen. Timokrates kommt sich vor wie ein unbrauchbares Relikt, das Produkt einer nie wirklich existierenden Welt, ein Gefangener in einem Gedankenkonstrukt, das Freiheit heißt.


    Dann schaut er auf die Tafel in seiner Hand und seine Mine erhellt sich wieder. Scheiß doch auf das Ganze! Gut oder Schlecht, so ist es halt! Und jetzt nicht verzagen, weiterwürfeln! Timokrates steht auf um den Park zu verlassen. Vielleicht gibt es irgendwo ein nettes Gelage, eine Gelegenheit zum Glücksspiel oder eine andere Medeia, nicht die Rhomäerin, mit der er den Tag verbracht hatte, sondern die Kurtisane aus athen, dreckig, verrucht und immer für einen Spaß zu haben. Natürlich gibt es das, da ist er sich ganz sicher, die Straßen Alexandrias sind voll mit solchen Frauen! Und außerdem ist er jetzt auch noch Eigentümer eines Porneions, eine gute Anfangsbasis für die nächste Zeit. Glücklich zieht Timokrates von dannen.

  • Der Judäer und Nikolaos erreichten schließlich den Hain, der das Paneion umgab. Nikolaos war froh, diesen Ort gewählt zu haben. Im Schatten der Bäume herrschte eine wohltuende Kühle. Er stieg von seiner Sänfte ab und gebot dem schirmtragenden Diener, ihm nicht zu folgen. Dann begann er seinen Spaziergang mit dem fetten Judäer.

  • Die Sänften erreichten den Hain und unter einer Ansammlung hoher Pinien parkte man sie im Schatten der Bäume, während Ioshua dem städtischen Würdenträger per Fuss folgte.
    Das war keine Kleinigkeit für Ioshua. Die angelegten Wege gingen teilweise immer wieder bergauf und regelmäßig kam der Tylusier dabei ins Stöhnen. Indes er lächelte, freundlich, wenn auch gequält, die inneren Anstrengungen so gut als möglich verbergend.

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