• "Ich werde gerne auf dein Angebot zurückkommen. Falls es dir recht ist, werde ich den einen oder den anderen ehrenwerten Mann mitnehmen, der auch dir nützlich sein kann.", antwortete Nikolaos und folgte dem Blick des fetten Juden.

  • Es war schon eine Weile her, dass Penelope das letzte mal hier im Paneion gewesen war. Und sie erinnerte sich nicht mehr daran, wann sie das letzte Mal nachts hier gewesen sein mochte. Fackeln erhellten die Wege, und im Park unter dem Paneion war sogar ein Artist, der mit brennenden Fackeln jonglierte. Einige Menschen standen dabei, beobachteten das Schauspiel, schlenderten durch den Tierpark. Aber Penelope zog es nicht in ihre Gesellschaft.
    Unsicheren Schrittes ging sie an ihnen vorbei und weiter. Ihr Weg führte sie hinauf, zum Heiligtum. Der Weg war anstrengend, aber es kümmerte sie nicht. Sie brauchte dringend Pans Hilfe. Sie wusste doch nicht, was sie machen sollte, sie wollte doch nie mit Ánthimos streiten. Der Gott hatte sie beide zusammengebracht, er würde sicher eine Antwort wissen. Diesmal hatte sie ihm keinen Weihrauch allerdings, den sie ihm opfern konnte, keine Blumen und nichtmal einen Opferkuchen. Sie hatte nur eine kleine Syrinx dabei, die an einem langen Lederband an ihrer Seite hing. Es war das einfachste aller Instrumente, das unscheinbarste. Jeder Schäfer auf den Feldern spielte sie, und die meisten davon besser als Penelope. Und doch hatte sie sie heute mitgenommen, für Pan, damit er ihr helfen würde.
    Als sie endlich oben angekommen war, stand der Mond halb über dem Tempel und verfärbte so alles leicht blau. Lediglich die Fackeln direkt am Schrein bildeten einen goldigroten Kontrast und tauchten die Statue des bocksbeinigen Gottes in Unheimliches Licht. Unten im Park wurde getanzt und gelacht, und leise klangen diese Laute bis hier hoch. Penelope stand eine weile am Rand des Berges und schaute hinunter zu dem Treiben, zu den Fackeln und den lachenden und tanzenden Menschen. Alle schienen sie so fröhlich, und ihr erschien es richtig Unrecht, so betrübt zum Tempel des fröhlichen Gottes gekommen zu sein.
    Sie setzte sich leise auf eine Steinbank und blickte hinauf zum Himmel. Die Sterne leuchteten hell heute Nacht, so dass man mit Leichtigkeit die einzelnen Sternbilder erkennen konnte, so man sie kannte. Auch sie sahen fröhlich aus, und Penelope fühlte sich noch ein wenig schuldiger.
    Warum hatte sie ihm nicht einfach den dummen Zettel gegeben? War es ihr wirklich so wichtig, vertrauenswürdig und integer zu sein, dass sie es nicht einmal ihrem Mann sagen konnte? Was wäre schon dabei gewesen? Nungut, sie hätte das Vertrauen von Nikolaos damit missbraucht, aber der war ja auch nicht mit ihr verlobt. Von dem erwartete sie ja kein Kind. Was kümmerte es sie also, ob er ihr vertraute oder nicht?
    Aber so war sie nun einmal. Anständig, zu jedem. Ohne böse Intrigen und ohne selbstgerechte Ambitionen. Aber warum musste sie das auch sein, wenn es zwischen ihr und Ánthimos stand?
    Penelope hob die Panflöte an ihre Lippen und blies einmal sachte über die Rohre. Die Töne klangen sanft und doch verspielt, aber irgendwie nicht fröhlich. Sie sah hinüber zum Tempel.
    “Es tut mir leid, dass ich dir kein fröhliches Lied spielen kann wie die Menschen da unten. Aber wenn du mir dennoch hilfst, großer Pan… ich spiele, für dich, wenn du willst, die ganze Nacht. Aber bitte, bitte zeig mir einen Weg, wie ich mich mit ihm wieder vertragen kann. Bitte, großer Pan, bitte hilf mir. Ich weiß doch nicht, was ich machen soll.“
    Und wieder hob sie die Syrinx an die Lippen und spielte die alten, traurigen Hirtenmelodien, die schon so alt waren wie die Zeit und wohl immer gespielt werden würden, ohne dass auch nur jemals jemand eine Note dazu aufschreiben würde.

  • Anthi hatte Penelope überall gesucht. Zuerst natürlich im Museion, aber da hatte man ihm gesagt sie sei schon vor einer Weile gegangen. In der Basileia war sie auch nicht, wie ihm die Torwache glaubhaft versichert hatte. So war er zu Inhapy gegangen: Diese war mit ihren Kindern auf dem Hof gewesen, allerings auch ohne Penelope, also hatte er sich dort wieder verzogen, bevor sie ihn gesehen hatte. Dann war er ins Gymnasion geeilt, vielleicht war sie ja ins Stadion gegangen. Wie er auf die Idee kam wusste er auch nicht, aber er war bereits nahe an einer Panik und so wollte er auch dort nachschauen-nichts!


    Als er dort schon eine Weile gesessen war. sah er sie in Gedanken schon irgendwo tot im Straßengraben liegen, sie und ihr gemeinsames Kind. Wieso hatte er sich im Museion nur so gehen lassen, und war so gemein zu ihr gewesen? Warum hatte er ihr nicht einfach vertraut und das Ganze auf sich beruhen lassen? Dann würde er jetzt zusammen mit ihr im Bett liegen, und ihren warmen Körper spüren...und so wusste er nicht wo sie war, und ob er sie jemals wieder sehen würde. Die Trauer drohte ihn zu übermannen, als er an ihr erstes treffen im Paneion dachte, und wie sich dort ihre Liebe geschworen hatten. Ein Schluchzen entrann ihm, aber dann...


    Das Paneion! Pan war ihnen beiden bisher so wohlgesonnen gewesen, vielleicht war ihm der Gott abermals gewogen und er würde dort einen Hinweis auf Penelopes Verbleib finden. Da er sie nirgends gefunden hatte, blieb ihm auch nichts mehr anderes übrig, als zu beten. Also machte er sich auf den wohlbekannten Weg zum Paneion.


    Die Wege des Parks waren mit Fackeln erhellt. Fröhliche Musik war zu hören- es kam Anthi vor wie ein Albtraum! Wollte Pan ihn etwa für seine Dummheit verhöhnen? Nein, so durfte er nicht denken! Pan war ihnen immer wohlgesonnen gewesen, also gab es auch keinen Grund an seinem Wohlwollen zu zweifeln.


    Anthi lief alle Wege ab. Er kam an der Bank vorbei, auf der er ihr seine Seelenqualen gebeichtet hatte, und an dem Fleck an dem sie sich das erste mal geliebt hatten. Jeder dieser Orte versetzte ihm einen Stich tief ins Herz. Auch bei den Tieren war sie nicht. Nun blieb ihm wirklich nur noch übrig zu hoffen, dass sie wieder zu ihm zurückkehren würde.
    Wie in Trance bewegte er sich auf das eigentliche Heiligtum zu, als er auf einmal eine Flöte hörte, die eine herzerreißend traurige Melodie spielte. Irgendwo hatte er diese Melodie schon einmal gehört aber erst heute berührte sie ihn wirklich. Er folgte weiter dem Weg und die Musik wurde immer lauter, offenbar kam sie wirklich aus dem innersten des Paneions.


    Anthi gelangte an den Eingang und blieb erstaunt stehen. Nicht weil die Statue des Gottes in ein merkwürdiges Wechsellicht getaucht war und wirklich furchterregend aussah, sondern weil Penelope davor kniete und auf einer Panflöte eben jenes traurige Lied spielte.
    Er wollte zu ihr laufen und sie umarmen, aber sie spielte für Pan, und er durfte sie dabei nicht unterbrechen. So blieb er gut sichtbar am Eingang stehen und wartete ab, dass sie endete.

  • Sie spielte und spielte im Licht der Fackeln, und immer wieder flossen still Tränen über ihre Wangen. Aber dennoch spielte Penelope einfach immer weiter. Sie brauchte die Hilfe des Gottes so sehr, denn diese Sache war einfach zu groß für so ein kleines, menschliches Nichts wie sie. Und wenn sie auch sonst nichts zu geben hatte, die Musik konnte sie dem Gott schenken. Und so spielte sie eine ganze Weile, während der Gott stumm zusah, bis ihr schließlich die Knie weh taten, und dennoch spielte sie einfach ruhig weiter. Eine Melodie floss in die nächste hinüber, ohne wirklichen Anfang und ohne wirkliches Ende. Aber irgendwann waren die Tränen doch zu viel und sie bekam nicht mehr genügend Luft, um vernünftig weiterzuspielen. Und sie wollte den Gott nicht mit schiefen oder halben Tönen beleidigen. Also ließ sie die Melodie verklingen und setzte die Flöte ab, um sich kurz die Augen zu wischen und sich zu beruhigen.
    Sie saß einen Moment nur da, als sie sich beobachtet fühlte. Beim Spielen blendete sie immer ihre Umgebung aus, aber jetzt, als sie geendet hatte, fühlte sie sich beobachtet. Sie sah zum Eingang, und sah Ánthimos. Auch, wenn sie nur seinen dunklen Umriss erkennen konnte, wusste sie, dass er es war. Selbst, wenn sie von ihm nicht mehr gesehen hätte als den Hauch eines Schattens hätte sie ihn noch erkannt.
    “Danke“, flüsterte sie kurz der Statue zu und stand auf. Ihre Knie waren taub und ihre Schritte wackelig, aber dennoch lief sie flink wie eine Gazelle in die Arme ihres Mannes. Die Flöte fiel auf halben Weg klappernd auf den Boden, weil sie sie losgelassen hatte, um ihn zu umarmen.
    Schluchzend und weinend umarmte Penelope einfach Ánthimos und vergrub dabei ihr Gesicht an seiner Brust. Sie war ja so dankbar, dass Pan ihn hierher geführt hatte. Sie wollte einfach alles wieder gut machen, aber im Moment konnte sie nur weinen und brachte kaum das “Es tut mir leid“ zusammenhängend und verständlich heraus. Sie wollte nur, dass er nicht mehr böse auf sie war.

  • Anthi hielt sie einfach nur fest und kämpfte ebenfalls mit den Tränen. Er war so froh sie wieder in seinen Armen zu haben, dass ihm passende Worte fehlten. Nur ein "Es ist alles gut." brachte er heraus. Wie dumm er nur gewesen war! Das alles wegen eines dummen Zettels! Er strich ihr über die Haare. Ihr Körper bebte und sie schluchzte bitterlich. "Ich hab mir solche Sorgen gemacht!"

  • “Ich…schuld. …leid…bitte…alles…meine Schuld…. Ich hätte… Zettel… sollen. Bitte… nicht mehr böse…“
    Das war in etwa das, was man als verständliche Worte zwischen dem Schluchzen bei Penelope ausmachen konnte. Sie hatte so ein furchtbar schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Jetzt hatte er sich ihretwegen auch noch Sorgen gemacht! Da hätte sie aber auch dran denken müssen, dass er sich wohl Sorgen machen würde, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit noch nicht zuhause war! Sie hoffte nur, er konnte ihr verzeihen. Sie würde ihm alles, alles versprechen, wenn er ihr nur verzeihen würde.

  • "Ich bin dir nicht mehr böse." Er legte seine Hände auf ihre Wangen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Du bist wieder bei mir, alles andere ist mir egal. Vergiss diesen blöden Zettel!"
    So sah keine Lügnerin aus, die hinter seinem Rücken mit anderen Männern flirtete oder konspirierte. Es schmerzte Anthi sie so zu sehen, und es tat ihm furchtbar leid, sie in diese Situation gebracht zu haben.

  • Erleichtert atmete Penelope durch und sank dabei noch ein wenig mehr in Anthis Armen zusammen. Sie schmiegte sich einfach nur an ihn und war so froh, dass er ihr nicht böse deswegen war. Sie hätte es sich niemals verziehen, ihn wegen so einer dummen Sache zu verlieren. Sie küsste ihn, erst zärtlich, dann leidenschaftlich. Dann brach sie aber noch mal ab und schaute zu Boden, wischte sich mit den Händen die Tränen aus dem Gesicht und anschließend auch ihm vom Chiton – wobei letzteres eher sinnlos war.
    “Ich bin ganz verheult, tut mir leid“, meinte sie kleinlaut, musste dann aber lächeln und küsste ihn noch einmal, diesmal sanfter. Sie war einfach nur glücklich, dass er sie trotzdem wiederhaben wollte. Denn das wäre ihre größte Angst gewesen, dass sie ihn wirklich verlieren könnte.
    “Ich mach’s wieder gut. Ich versprech es“, brachte sie kurz hervor, ehe sie ihn weiter küsste.

  • Es war so schön sie bei sich zu haben und zu küssen. Das sie verheult war, störte ihn nicht, denn es zeigte ja eigentlich nur ihre Gefühle für ihn. Er schob sie kurz von sich weg, damit er was sagen konnte.
    "Versprech mir nie wieder wegzulaufen, wenn wir uns mal streiten." Meinte er kleinlaut. "Ich dachte schon dir wär etwas passiert. Ich war ganz krank vor Sorge und hab die ganze Stadt nach dir abgesucht!" Er hatte nicht vor vielen Dingen Angst, aber sie zu verlieren, stand ganz oben auf der Liste die er fürchtete.

  • “Ich versprech es dir. Alles.“
    In diesem Moment hätte ihm Penelope wirklich alles versprochen, egal, was er auch verlangt hätte. Sie wollte nur bei ihm sein und sich nicht mehr streiten, und sie wollte ihn nicht verlieren. Und sie machte sich schreckliche Vorwürfe, ihn in solche Sorgen versetzt zu haben. Was sie selbst vorhin alles durchgemacht hatte, war dabei vollkommen vergessen. Sie konnte ihm noch nicht einmal ansatzweise einen Vorwurf machen über seine Reaktion vorhin, obwohl sie dazu durchaus Gründe hätte. Aber für sie war sie allein Schuld an der Situation, und daher war ganz selbstverständlich, dass sie ihm alles gewähren würde, was er wollte, solange sie sich nur wieder vertrugen.
    “Ich will nur mit dir wieder nach Hause. In unser Zuhause.“

  • Auch er wollte nur mit ihr zusammen nach Hause. Im Moment konnte er sich nicht schöneres vorstellen als mit ihr im Bett zu liegen. "Komm, lass uns gehen. Ich will auch nach Hause." Er legte seinen Arm um sie. Sicher waren sie so nicht besonders schnell, aber darum ging es nicht. Sie war wieder bei ihm, und er wollte sie nicht loslassen, selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte.

  • Firas war in seinem Element, während er mit raumgreifenden Schritten immer ein wenig vor Frau Seiana herlief, nur um sich dann wieder ein wenig zu besinnen, anzuhalten und zu warten, bis sie aufgeholt hatte. Freundestrahlend deutete er mal hierhin und mal dorthin. “Dies ist meine Stadt!“, erläuterte er grinsend und machte eine ausholende Handbewegung, fast so, als wäre er höchst selbst es gewesen, der sie mit den eigenen Händen auf der Kalksteinerhebung errichtet hätte. Es war eine wunderbare Gelegenheit, den Alltag fahren zu lassen und obendrein war die Nase auf diese Art mal von einer Luft umweht, die nichts mit den gebratenen „Köstlichkeiten“ aus der wohnungseigenen Küche zu tun hatte mit denen der Herr Archias versorgt sein wollte. Innerlich jubilierte er, denn es war schon eine Frage der Ehre, dass auf diesem Ausflug er es sein sollte, der der Dame die Stadt zeigen durfte. Immerhin hatte er hier die entscheidenden Jahre seines Daseins verbracht: nämlich alle!
    Firas lächelte Frau Seiana entgegen und sogar der Stress war vergessen. Schließlich hatte er an diesem Tag alles etwas früher erledigen müssen und auch schneller als gewöhnlich, doch entgegen seiner Art hatte er dieses Mal nicht innerlich herumgemurrt.


    “Also, wenn wir hier jetzt weiter gehen, dann kommen wir an die große Straße, die Meson Pedion und von da dann auf die Via Argeus. Die kommt dann von rechts oder links, je nachdem wie man drauf kommt. Und wenn man Ausdauer hat, dann kommt man von einem Ende der Stadt ans andere!“ Ein bestätigendes Nicken folgte den schnell hervor gebrachten Worten, das hastig darüber hinweg täuschen sollte, dass er eher sinnlos daher faselte, als wirklich etwas Produktives von sich zu bringen. Es dauerte einen Moment, in dem er blinzelnd in die Sonne schaute und dann die Hand vor die Augen hob. Er sollte sich wirklich dringend sortieren, doch es würde schon kommen. Der Trick dabei war, dass man einfach nur so schnell sprechen durfte, wie der Verstand voraus planen konnte! Firas zog tief Luft ein und seufzte zufrieden, bevor er fragend zu Frau Seiana schaute. Es würde noch so viel geben, was er ihr erzählen konnte und er würde es mit Freude tun, denn noch nie waren seine Dienste als Stadtführer in Anspruch genommen worden. Böse Zungen würden behaupten, dass dies durchaus seinen Grund hatte, doch diese waren in diesem Moment fern und allerhöchstens ein fernes Flüstern hinter seiner Stirn, das er verdrängte, indem er diese flüchtig runzelte. Wie oft war er schon auf einer Besichtigungstour durch diese Stadt gewesen? Noch nie, was erstaunlich war, wenn man bedachte wie alt er schon war. Vorfreude machte sich breit und endete in einem Kribbeln in seinen Händen. Gerne hätte er sofort alles erzählt, was er wusste, doch er musste sich beherrschen.

  • Seiana grinste, als sie gemeinsam mit Lanassa hinter Firas herlief. Sie hatte schon einiges von Alexandria zu sehen bekommen, weil sie mit Elena ein paar Erkundungen gemacht hatte, aber bisher hatte sie noch keinen Ausflug wie diesen gemacht. Firas hatte vor, ihr alles mögliche zu zeigen, und da er hier schon immer gelebt hatte, konnte er ihr sicher einiges erzählen. Ein kurzer Blick streifte ihre Leibwächterin, die sie, eher spontan, in der letzten Woche gekauft hatte. Faustus hatte auf ihren letzten Brief noch nicht geantwortet, aber sie hatte sich trotzdem mal auf dem Sklavenmarkt umgesehen, einfach um einen Eindruck zu bekommen. Und da war Lanassa gewesen. Es hatte schon einige Interessenten gegeben – die deutlich an etwas anderem interessiert gewesen waren als an ihren kämpferischen Fähigkeiten –, aber Seiana war letztlich stehen geblieben, weil sie gehört hatte, wie der Händler sie angepriesen hatte. Elena hatte sie schon weiter ziehen wollen, aber Seiana war aufmerksam geworden, und sie hatte sich durch die Menge nach vorne gedrängt und ein paar Fragen gestellt, und schließlich hatte Lanassa auch etwas von dem gezeigt, was sie konnte. Das war der Moment gewesen, in dem einige der Männer um sie herum urplötzlich das Interesse verloren hatten – während das ihre nur gestiegen war. Eine Leibwächterin hatte immer den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite, weil kaum jemand von einer Frau erwartete, kämpfen zu können. Und wenn sie dann noch in Betracht zog, dass sie eigentlich nicht der Meinung war, einen Leibwächter zu brauchen… da konnte sie dieses Risiko gut eingehen. Nur hatte sie ihre Zweifel, ob Faustus von einer Frau als Leibwächter so begeistert wäre.


    Seiana lächelte ihrer neuen Sklavin kurz zu und sah dann wieder zu Firas, der sich zu freuen schien, ihnen seine Stadt zeigen zu können. „Wo sollen wir denn als erstes hin?“

  • Lanassa, erst seit einigen Wochen im Besitz der jungen Decima, ging mutigen Schrittes vor ihrer neuen Herrin. Sie war es gewöhnt zu dienen, sie war dazu erzogen worden. Sie war immer eine Sklavin und hatte sich mit diesem belanglosen Schicksal abgefunden.


    Sie war bereits durch mehrere Hände gegangen. Ihr erster Besitzer war ein dreckiger Großgrundbesitzer und Handelsfürst in Ägypten. Sie war für ihn nur eine bessere Lustsklavin und sie muss sich heute noch ekeln, sofern sie an diesen windigen Lurch denkt. Als dieser verstarb, verkaufte seine Gens Lanassa an einen Sklavenhändler. Dieser war auch nicht viel besser. Er ließ Lanassa in den Kampfkünsten ausbilden, um sie als Luxus-Kampf-Objekt zu verkaufen. Widerwillig unterwarf sie sich ihrem Schicksal. Sie lernte begierig, da es vielleicht einmal von Nutzen sein könnte, um sich einen weiteren Lustmolch von der Haut zu halten. Sie schwor sich, dass sie niemals mehr ein Mann ohne Liebe berühren würde und die Kampfkünste konnten dabei helfen.


    Als schließlich der Tag kam, an dem Lanassa verkauft werden sollte, wurde sie nicht an eine Gladiatorenschule verkauft, sondern an eine edle Dame. Diese gebrauchte sie als Cubicularia, weit unter ihren Talenten. Sie dürfte Stoffe auswählen und der Herrin beim Ankleiden helfen. Schließlich gefiel ihr der Umgang mit der Mode und sie selbst wurde zu einem Abziehbild eben dieser. Sie wollte auch einmal, so modisch sein.
    Schließlich als sie einen seidenen Stoff anprobierte, natürlich heimlich, wurde sie entdeckt und erneut verkauft. Nach einem weiteren Curriculum erwarb sie Decima Seiana. Mal sehen, was das Schicksal nun für sie bereiten würde.


    Schweigend beäugte sie den anderen Sklaven. Ein Schönling, wohl wahr. Man könnte sich glatt in ihn verlieben, so dachte sie. Sie drehte sich um und wartete auf ihre Herrin. Als diese freundlich lächelte, lächelte Lanassa entspann zurück. Es war wirklich ein fast schöner Tag.


    EDIT - Schreibfehler ausgebessert

  • Es war ja nicht so, dass er sich aufgedrängt hatte, doch im Grunde war es ja so gewesen. Frau Seiana hatte die Stadt kennen lernen wollen und das war nun einmal ein Wunsch, der sofort sein Ego angesprochen hatte. Er war der richtige Mann dafür! Seine eigene Begeisterung jedoch schien in den beiden Damen nicht unbedingt ihr Gegenüber zu finden und so blinzelte er rasch, wobei er sich bemühte in seinem Kopf neue Worte zu formieren. Das Gedränge in den Straßen nahm mehr und mehr zu, doch das war kein Wunder zu dieser Tageszeit. Firas wusste, dass nicht nur rechtschaffene Menschen unterwegs waren, sondern auch allerlei zwielichtiges Gesocks, wie damals Nikolaós schon immer gesagt hatte. Dennoch verstand er nicht ganz, warum Frau Seiana ihre Leibwächterin mitgenommen hatte.


    Wenn er ehrlich war, schüchterte es ihn ein, denn er war in einem Männerhaushalt aufgewachsen, in dem es nicht viel mehr gegeben hatte als Gaius und Nikolaós. Trotzdem, oder gerade deswegen hatte auch immer ein besonderer Geist deren Haus beherrscht, der – zugegebener Maßen - nicht selten dem Wein entsprungen war. Nikolaós war es auch gewesen, der ihm vieles über die Stadt berichtet hatte, während Firas ihm bei dem Sortieren der Flugblätter half, die Gaius geschäftsmäßig immer als „seine Buchhaltung“ bezeichnet hatte. Sofern man bei einer solchen Unterrichtseinheit in der Lage gewesen war, die mannigfachen Schimpfwörter von dem eigentlichen Inhalt zu trennen, so konnte man doch eine Menge interessanter Dinge lernen.


    Die Erinnerungen gingen so schnell wie sie gekommen waren. “Wo sollen wir denn als ersten hin?“ Beide Damen schenkten sich ein Lächeln und schon war ihre Aufmerksamkeit wieder bei ihm. Firas grinste unsicher und zog dabei einen Mundwinkel nach oben, was halbseitig eine strahlend weiße Zahnreihe entblößte. So ganz konnte er Lanassa noch nicht einschätzen, doch das würde sich schon geben. Auf jeden Fall schien sie keine Haare auf den Zähnen zu haben. Zwar war ihm eine Frau mit verborgenen Kampfkünsten suspekt, besonders wenn sie so aussah wie jene vor ihm, doch war eine Frau mit verborgenen Kampfkünsten ihm doch lieber als eine Frau mit Haaren auf den Zähnen UND verborgenen Kampfkünsten.


    “Ja!“, brachte er dann hervor und patschte unternehmungslustig die Hände zusammen. Firas verfügte zwar über einen grob gemeißelten Plan, doch fehlte diesem eindeutig noch der Feinschliff. “Ich denke, wir sehen und zuerst das Paneion an. Das ist ein aufgeschütterter Hügelturm mit nem Park drumrum. Von oben kann man auf die Stadt gucken und unten dann die Blumen und so genießen. Da hats auch Tiere!“ Firas überlegte kurz, ehe er anfügte: “...und so!“
    Der Sklave entschloss sich dann doch dazu, eine Antwort - oder noch schlimmer: Fragen! - gar nicht erst abzuwarten und schritt weiter die Meson Pedion entlang. Gut, aus ihm würde wohl nie ein bedeutender Rhetoriker werden, doch wer konnte es ihm schon verdenken. Da wo er herkam konnte jemand wie er überhaupt froh sein unbeschadet das Sprechen und dergleichen erlernt zu haben, ohne jedem elenden Wort ein handfestes Schimpfwort anzuhängen. Aber was sollte es schon. Die Pferde in den Ställen des Gaius hatten ihm dies immer nachgesehen, dass er seine Worte nicht immer mit Bedacht wählte, ebenso wie die gerupften Hühner in den Töpfen des Herrn Archias.
    Dennoch hielt Firas es in dieser Situation schon irgendwie als erforderlich, denn immerhin hatte er sich hier zum Reiseführer aufgeschwungen und der Kundschaft musste man etwas bieten.


    “Pan....das ist so ein..“, setzte er innehaltend seine Bemühungen fort, wobei er mit den Armen wedelte, “...Gott...den die Hirten verehren und er ist eine Mischung aus einem menschlichen Oberkörper und dem Unterleib von einem Ziegenbock.“ Firas musste insgeheim lächeln, denn die mitschwingende Vorstellung einer solchen Kreatur erinnerte ihn an Gaius. Nicht vom Aussehen her, sondern vielmehr durch dessen Art der Fortbewegung. “Nun denn....“ sagte er weiter. Frau Seiana wusste das sicher und so richtete er seine folgenden Worte mit einem schulmeisterlichen Unterton an Lanassa. “Er ist recht fröhlich, also auch für Wollust und dergleichen und er sorgt bei Dionysos mit für Fruchtbarkeit und Ekstase...also...was damit so zu tun hat...“ Der Sklave schaute kurz irritiert drein und kam zu dem Entschluss für die folgenden Erläuterungen doch einen anderen Adressaten zu wählen. Er wandte sich wieder Frau Seiana zu. “Er bläst für ihn auch die Flöte und er hat selber nen krummen Stab...uuuuund....!“


    Fast war der Sklave froh, dass er in diesem Moment von einem vorbei eilenden Fremden übel angerempelt wurde. Dieser grunzte etwas wie: “Weg da!“ und entschwand sogleich aus seinem Gesichtsfeld.
    “Tjaaaaa....“, überspielte Firas diese Begebenheit. “Pan ist auch bekannt dafür, dass er paaaanischen Schrecken verbreitet, wenn er in seiner Mittagsruhe gestört wird.“ Ganz wie der Herr Archias, fügte er in Gedanken hinzu und grinste ein wenig vor sich hin.
    “Da geht’s lang!“, sagte er in der fröhlichen Manier eines Fremdenführers, bevor er sich umdrehe und sich und den folgenden Damen den Weg durch die Menge bahnte.

  • Seiana warf Lanassa gelegentlich einen Seitenblick zu. Lange war sie noch nicht bei ihnen, nicht lange genug, um sich wirklich schon kennen gelernt zu haben, zumal die Sklavin ziemlich zurückhaltend war. Was Firas davon halten mochte, dass sie die Leibwächterin mitnahm, war ihr nicht bewusst, aber sie hatte Lanassa ja auch nicht unbedingt gekauft, weil sie selbst der Meinung war, sie bräuchte diesen Schutz. Sie glaubte einfach eher, dass ihre Familie sich in dem Wissen wohler fühlte. Und jetzt war Lanassa nun mal bei ihnen, und ein Leibwächter – oder eine Leibwächterin – begleitete einen doch immer, wenn man unterwegs war. Mutmaßte Seiana jedenfalls. Wie auch immer, sie wollte sie näher kennen lernen, und dafür wollte sie jede Gelegenheit nutzen. Immerhin musste sie ihr ja vertrauen können, und so zuverlässig Lanassa sich auch erweisen mochte – von ihrem bisherigen Verhalten zu schließen schien sie ein echter Glücksgriff gewesen zu sein –, Vertrauen war noch einmal etwas anderes, das brauchte einfach etwas Zeit. Und Lanassa schien jedenfalls eher ruhig und zurückhaltend zu sein, allerdings war Seiana sich nicht ganz sicher, ob sie tatsächlich so war, oder ob ihr das angetrimmt worden war. Vielleicht lockerte der heutige Ausflug sie ja etwas auf. Elena und Katander hätte sie ja auch mitgenommen, aber die hatten dankend abgelehnt und, wen wunderte es, es vorgezogen, lieber zuhause zu bleiben und die dort anfallenden Arbeiten zu erledigen – und danach zu genießen, dass sie etwas Zeit allein miteinander verbringen konnten, wozu sich ihnen doch eher selten die Gelegenheit bot.


    Firas wirkte für Momente etwas abgelenkt, während Seiana die Straße auf und ab sah, die sie inzwischen schon öfter entlang gegangen war. „Das Paneion? Klingt großartig.“ Sie grinste übermütig. Heute war sie definitiv in der Stimmung für eine ausgiebige Besichtigung aller möglicher sehenswerter Punkte – die Frage war nur, wie viel sie heute wirklich schaffen würden. Aber das hieß ja nicht, nicht wenigstens alles zu geben. Vorfreudig rieb sie sich die Hände. „Na dann lass uns loslegen. Das Paneion. Erzähl.“ Und Firas legte los, erzählte von Pan, mal mehr in Lanassas Richtung, mal mehr in ihre. Wer Pan war, wusste sie, allerdings hatte ihr noch niemand auf diese Art erzählt, wer dieser Gott war und vor allem, wofür er zuständig war, und sie konnte nicht anders als leise zu kichern. „Wollust und…“ Seiana hustete und grinste dann noch breiter. Nein, auf die Art hatte ihr noch niemand von Pan erzählt. Sie wich einem Mann aus, der kurz zuvor Firas angerempelt hatte und sich rücksichtslos weiter seinen Weg suchte. Kurz wollte sie fragen, ob alles in Ordnung war, aber Firas sprach bereits weiter. „Ist er das, wirklich? Wofür ist Pan noch bekannt?“ Erneut streifte ein kurzer Seitenblick Lanassa, um zu sehen, ob Firas’ Erzählung der Sklavin eine Reaktion entlocken konnte. Sie suchte nach Worten, was sie zu der Sklavin sagen könnte, aber im Moment wollte ihr nichts einfallen.


    In der Zwischenzeit hatten sie das Paneion erreicht, der Park breitete sich vor ihnen aus, und in der Mitte konnten sie den künstlichen Hügel sehen, von dem Firas gesprochen hatte. „Weißt du, warum der Hügel diese Form hat? Hat das irgendwas mit Pan zu tun?“ fragte Seiana neugierig, während sie sich gleichzeitig schon darauf freute, hinaufzulaufen und den Ausblick zu genießen. „Was meint ihr, wie lange wir brauchen, bis wir oben sind?“

  • Lanassa verzog leicht das Gesicht als dieser hübsche Mann von der Wollust sprach. War dies eine Anspielung auf ihre Vergangenheit als Lustsklavin? Wütend verzog sie ihre feminine Unterlippe und biss mit ihren Zähnen darauf. Sie wollte eigentlich nicht mehr an diese Zeit erinnert werden.


    Lanassa schaute kurz in den Himnel, um dorthin ihre insgeheime Wut und die Erinnerungen an damals zu schicken. Sie ließ ihre Unterlippe wieder frei und wandte erneut ihren sanften Blick zu Firas. "Mir scheint fast so, dass du sehr interessiert an diesem Pan bist. Kann es sein, dass du selbst ein kleiner Pan bist?" Fragte sie mit einem zynisch-humorvollen Unterton.


    Sie grinste leicht. Doch da kamen wieder die Zweifel. Hatte sie nun zu viel gesagt? - Als Sklavin sollte man nicht ungefragt sprechen. Sie schüttelte innerlich ihren Kopf. Solche Zweifel wollte sie nun nicht. Nicht in diesem Moment.


    Lanassa ging weiterhin mit ihrem ansprechenden weiblichen Hüftschwung neben ihrer Herrin.
    Schließlich erreichte die Gruppe ihr Ziel. Lanassa stützte ihre Hände auf ihre Hüften und schaute sich um. "Ich denke eine Hora', Domina."


    Sie lächelte Seiana freundlich und ungezwungen mit ihren sanften Lippen an.

  • Vielleicht hätte er sich erzähltechnisch doch besser auf ein anderes Terrain begeben sollen. Ein paar Mal linste er während des Weges zu Lanassa hinüber. Nein, er war gewiss kein Pan. Absolut nicht. Der Sklave hätte sich selber in den Hintern treten können, überhaupt diese Informationen über den beiden auszuschütten. Vielleicht waren es gar nicht die Informationen, die das Ganzen haben recht unbeholfen werden lassen, sondern eher die Worte die er gewählt hatte. Aber rein sachlich betrachtet hatte er doch recht! Firas beeilte sich ein wenig mehr. Bestimmt würde der Anblick des Berges seine Worte ein wenig vergessen machen. Ein Trugschluss, denn schon bewegte er Frau Seianas Frage in seinem Kopf hin und her und schob sie mal zu der einen, mal zu der anderen Seite. Wofür war Pan eigentlich noch bekannt? Schließlich konnte er sich zu einer Antwort durchringen. Er hatte an Nikolaós denken müssen, wie dieser auf dem Boden herumgerutscht war und seinen Ring suchte. Der alte dicke Grieche hatte immer etwas gesucht und allein der Wein war meistens dafür verantwortlich, dass er sich nicht zu schade dafür war es selber zu tun und dabei ausgesehen hatte wie eine Schildkröte mit einem verrutschten Panzer. Vielleicht konnte er es auch nicht mehr auf zwei Beinen tun und hatte Firas`Anwesenheit - den Göttern sei dafür ewig Dank - vergessen. Der Sklave grübelte noch einmal nach, doch die anderen Begebenheiten, die ihm neben der besagten noch einfielen gaben nur Auskunft über derbe Scherze, abgrundtief böse klingende Flüche und Verwünschungen gegenüber Dionysos.


    Endlich fiel ihm doch noch was ein! Firas drehte sich noch einmal strahlend herum und tat den letzten Rest seiner Weisheit kund. “Nun ja....man hatte Pan schon mal für tot erklärt.“ Jetzt erinnerte er sich wieder. “Tatsächlich! Jemand hatte mal gehört, dass irgendjemand....“ Er suchte nach dem Namen, kam aber nicht drauf und winkte dann ab, “...mal eine Stimme gehört hat, die gesagt, er solle sagen, dass Pan tot sei und dass dann ganz laut über das Meer rufen, oder so.“ Wie ein Lehrmeister warf sich Firas kurz in Pose. “Ja, und dann hat er gerufen, und stellt euch vor!“ Ein wenig senkte er die Stimme und ließ sie düster klingen, um seiner Erzählung ein wenig Spannung einzuhauchen. “Da hörte er von den Ufern des Meeres ein lautes Wehklagen, ganz als ob alle Wesen und Geister plötzlich in tiefe Trauer verfallen waren!“ Seine letzten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. “Aber es wäre unlogisch,“ stellte er dann fest und machte so die just geschaffene Atmosphäre auch schon wieder kaputt, nur um sich am Kopf zu kratzen. “Der ist ja ein Gott. Und wenn der stirbt, wer wäre denn dann für die griechischen Schafherden verantwortlich. Also...“ Firas unterbrach sich noch einmal. “Ich glaube nicht, dass das stimmt.“ Sogar Nikolaós hatte gesagt, dass man nur an das glauben sollte was man selber gesehen hat und wenn man diesen Glauben dann auf die Hälfte reduziert und noch mal Abstriche macht, was die Verlässlichkeit der Sehkraft angeht, dann hätte man in etwa das, was in Wirklichkeit geschehen ist. Firas nickte ob dieses Gedankens und ging weiter. Die Griechen waren ein merkwürdiges Volk, doch Firas hätte es niemals gewagt darüber zu urteilen.


    Nun standen sie da und schaute auf die imposante Erhebung. Firas Kopf lag im Nacken. Der Berg sah absolut nicht natürlich aus, was seiner Ansehnlichkeit jedoch keinen Abbruch tat. Er war mit Pflanzen überwuchert und die Spitze sah aus, als hätte man sie mit einem gigantischen Schwert gekappt. Firas hatte ihn schon oft gesehen, nur oben war er noch nie gewesen. Wie sonderbar alles aussah, wenn man es auch noch erklären musste. Lanassa kam seiner Antwort zuvor. Eine Hora. Sie würden sich wirklich beeilen müssen, wenn sie noch die Tiere auf der anderen Seite sehen wollten. Wieder nickte der Sklave und schaute bestätigend drein. Mit einer Stunde waren sie gut bei der Sache. “Ja,“ gab er von sich. “Könnte hinkommen.“ Er schenkte Lanassa ein herzliches Lächeln und hob dann den Zeigefinger. “Alle Pflanzen die hier wachsen...hier im Park“, er deutete herum wie jemand der einen Blinden mit der Nase auf eine Geldmünze stupsen wollte, die dieser nicht für sich entdecken konnte, “wurden quasi nach und nach impo...imoport...eingeführt aus allen Gebieten des Reiches, die Alexander der Große mal gewonnen hatte! Man züchtet, hegt und pflegt sie hier im Heiligen Hain des Pan.“ Nein, er würde nun gewiss nichts mehr über dessen Fruchtbarkeitspotential verlauten lassen. Außerdem klang seine Erklärung ganz so, als hätte Alexander die Gebiete beim erfolgreichen Würfelspiel bekommen und sie nicht mit Schweiß und Blut erobert. Aber was sollte es schon! Firas machte das zum ersten Mal und die beiden Damen würden es ihm gewiss nachsehen.

  • Seiana musste ein Lachen unterdrücken, als sie Lanassas Frage hörte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, ihre Kommentare und die ihrer Leibwächterin brachten Firas in Verlegenheit. Allerdings hatte sie da recht wenig Mitleid mit ihm, immerhin hatte er mit diesem Thema ja angefangen. Und sie hatte nicht wirklich ein Problem damit, waren die Geschichten um Dionysos doch noch weit… nun, aufreizender. Was Firas dann erzählte, trug ihm noch einen Seitenblick von Seiana ein, diesmal einen bewundernden. Er senkte seine Stimme, während er sprach, verlieh ihr einen anderen, düsteren Klang und färbte damit auch die Atmosphäre um einige Nuancen dunkler. Gerade überlegte Seiana, dass Firas eigentlich ein hervorragender Geschichtenerzähler war, vielleicht nur etwas Übung nötig hätte, als der Sklave die Stimmung von selbst zunichte machte. Seiana schmunzelte, während sie sich in Gedanken korrigierte: er brauchte sicher noch etwas Übung. Schon allein, damit ihm solche Schnitzer nicht mehr unterliefen. Aber abgesehen davon war er wirklich gut, und es schien ihm Spaß zu machen. „Ja, davon hab ich auch gehört. Tiberius hat Untersuchungen anstellen lassen darüber, angeblich“, meinte sie dann. Sie hätte nicht erwartet, dass sich die Unterlagen und die Lernerei zu dem Kurs an der Schola ausgerechnet auf diese Art bezahlt machen würde. „Naja, also, dass ein Gott sterben kann, glaube ich nun auch nicht. Schon gar nicht so einer wie Pan.“ Sie grinste schon wieder. Seit Caius sie endlich gefragt hatte, war sie irgendwie nur am Grinsen, meinte sie. Am liebsten wollte sie dieses Hochgefühl mit der ganzen Welt teilen. „Du kannst das toll, Firas. Also erzählen. Nur am Abschluss solltest du… vielleicht etwas feilen.“


    Sie zwinkerte ihm zu und wandte sich dann dem Hügel zu, während Lanassa ihre Frage beantwortete und Firas sich dieser Einschätzung ebenfalls anschloss. „Na dann los.“ Da war es schon wieder, das Grinsen. Diesmal traf es Lanassa, strahlend wie die Sonne, bevor Seiana sich wieder in Bewegung setzte, in den Park hinein und auf den Hügel zu. Neugierig und beeindruckt musterte sie die Pflanzen, an denen sie vorbeikommen, aller Formen und Arten und Farben, so schien es ihr, während Firas erzählte, wie diese Vielfalt und Pracht zustande gekommen war. „Schade, dass mein Patron inzwischen Senator ist und nicht mehr so einfach nach Ägypten kann. So weit ich weiß, hat er eine Vorliebe für Pflanzen aller Art, ich glaube, dieser Park wäre ein Traum für ihn.“

  • Lanassa schaute sich beeindruckt um. Die Sonne, die frische Luft und ein freundliches Gespräch, was kann es Besseres geben? - Sie kam sich fast frei vor.


    Sie wandte ihren Blick zum Himmel, der so wunderbar blau strahlte. Sie genoss diesen Moment und war sich bewusst, dass sie endlich an die Richtige Herrin geraten war. Lanassa wandte ihren femininen Blick wieder zu ihrer Begleitung. Sie lächelte immer noch.


    "Ich liebe Blumen. Ihren Duft und ihre Anmut. Die Götter haben sie wohlbedacht geschaffen, um uns Menschen zu erfreuen." Sprach sie freudig.


    Sie taumelte mit ihrem sanften Schritten voran, sie wirkte fast so als ob sie tanzen würde. Sie wirkte das erste mal in ihrem Leben unverkrampft.

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