Myos Hormos

  • Myos Hormos (der Mäusehafen oder auch der ‚Weiße Hafen’) war einer der wichtigsten Häfen am Roten Meer und der Antiken Welt. Die zwei Häfen, Myos Hormos und der Schwesterhafen Berenike, versorgten das römische Imperium mit allen Luxusgütern aus dem fernen Osten. Gegründet wurde der Hafen unter der ptolemäischen Herrschaft im 3. Jahrhundert vor Christus.


    Von diesem Hafen aus stachen zahlreiche Schiffe, laut Strabon um die 120 pro Jahr, in See, die das Ziel Indien hatten. Geladen hatten sie Wein, Textilien, Keramik, Glaswaren und Edelmetalle. Im Austausch brachten sie die kostbaren Luxuswaren, Gewürze, Seide und Perlen, aus Arabien, Indien, Afrika oder den Gewürzinseln wieder nach Ägypten zurück. Vor dem Hafen liegen drei Inseln, zwei davon sind mit Olivenbäumen bewachsen, die Dritte ist lichter und mit Perlhühnern bevölkert.


    Vom Hafen aus wurden die Waren aus dem fernen Indien über den Landweg bis nach Koptos gebracht und dort über den Nil bis nach Alexandria verschifft, auch in umgekehrte Richtung. Riesige Geldsummen durchquerten in Form der Luxuswaren den Hafen. Der römische Staat profitiert davon mit einer großen Summe an Steuern.

  • "Was soll das heißen, Marwan ist nicht hier?"


    Leonidas tobte. Er stand vor seinem Mittelsmann in Myos Hormos, der ihm soeben erklärt hatte, dass sein wichtigster Handelspartner, eine Araber namens Marwan, nicht in Myos Hormos weilte und wohl auch eine ganze Zeit lang nicht mehr kommen würde. Seit Wochen war er unterwegs! Erst die Nilfahrt, dann der lange und beschwerliche Weg durch die Wüste bis ans Arabische Meer! Sie hatten sogar eine Banditentruppe in die Flucht schlagen müssen! Wie heiß war es gewesen! Wie schlecht war ihm gewesen, nachdem er stundenlang auf dem Rücken eines Kamels hin- und hergeschaukelt worden war!
    Der Mittelsmann blickte betreten zu Boden.


    "Er ist...er ist in seine Residenz in Leuce Come zurückgekehrt, Herr..."


    Leonidas packte Marwan am Schlawittchen und schüttelte ihn. Zorn sprühte aus seinen Augen.


    "Weißt du überhaupt, was für einen Scheiß-Weg ich auf mich genommen hab', um Marwan zu treffen - weil du unfähig bist, anständige Verträge auszuhandeln?"


    Auch die umstehenden Diener, Leibwächter und natürlich Kallimachos hatten Leonidas wohl noch nie so wütend gesehen. Doch es hatte sich einiges an Leonidas geändert, seitdem er seinem angenehmen Haus in Alexandreia den Rücken gekehrt hatte: Sein sauber gestutzter Bart war mehr oder weniger ein Wirrwarr, sein Haar war länger und zu einem Zopf gebunden, da auf der Reise an eine vernünftige Haarpflege nicht zu denken war. Auch seine Haut hatte sich gebräunt, er trug grobe Leinenkleidung statt seiner sonst üblichen Seidengewänder und Schminke hatte sein Gesicht wohl spätestens seit Memphis nicht mehr gesehen. Und das tagtäglich Warten, die langweiligen Stunden auf dem Deck des Bootes und im Sattel des Kameles hatten eine Unruhe in dem Alexandriner geweckt, die er bisher nicht gekannt hatte.
    Er schubste seinen Mittelsmann weg und blickte seine Begleiter fragend an.


    "Und jetzt? Was machen wir jetzt?"


    Die Männer wichen seinem Blick aus - offensichtlich hatten sie Angst, ebenfalls Opfer eines Wutausbruchs zu werden. Bis plötzlich Kallimachos den Kopf hob und Leonidas fest ansah.


    "Wenn Marwan nicht zu uns kommt...gehen wir doch zu Marwan!"


    Leonidas blickte seinen Zögling etwas verwirrt an. Nach Nabataea fahren? Leonidas war noch nie dort gewesen und hatte erst wenig aus diesem sagenhaften Quell-Land des Weihrauchs und der edlen Stoffe des Ostens gehört. Wäre er noch in Alexandreia, hätte er das ganze wohl sofort abgetan. Aber nun hatte er es schon so weit gebracht - da kam es auf ein paar Meilen übers Meer auch nicht mehr an.


    "Du hast recht."


    Dem Zorn und der Enttäuschung wich plötzlich wieder Tatkraft. Er ließ seinen Mittelsmann einfach links liegen und stürmte aus dem Haus. Mit einem Mal war er voller Elan!


    "Bucht mir ein Boot! Wir nehmen nur Proben von allen Waren mit! Der Rest kommt in mein Lagerhaus! Und entlasst den Karawanenführer!"


    Eine neue Mission war zu erfüllen!

  • Drei Tage später war alles vorbereitet: Leonidas Alexandreus (wie man ihn außerhalb Alexandreias nannte) stand am Seehafen von Myos Hormos, vor sich ein Handelsschiff. Seine Leute hatten inzwischen schon alle Proben aufgeladen und standen nun am Pier bereit, um sich von ihrem Herrn, mit dem sie nun schon unzählige Stadien zurückgelegt hatten, zu verabschieden.


    Fast wurde der sonst so abgebrühte Händler ein wenig melancholisch, als er seine Leute sah. Er erinnerte sich an all die Streitigkeiten, das Zusammenhalten bei Problemen. Dann sah er zu Kallimachos und lächelte ihm zu.


    "Ihr seid alle ausbezahlt und entlassen! Ich danke euch für eure Mitarbeit! Chairete!"


    verabschiedete er sich von seinen Leuten, dann betrat er die Planke, die auf Deck führte. Gefolgt von seinem persönlichen Grammateus und Verwalter Kallimachos bestieg er das Schiff und begrüßte den Kapitän.


    "Gutes Wetter zum Auslaufen, nicht wahr?"


    fragte der Araber und Leonidas nickte. Auf dem Nil hatte er gelernt, die Auswirkungen von Wetter auf den Seegang zu beurteilen und eine strahlende Sonne war ein gutes Zeichen.


    "Auf nach Leuce Come, auf ins Unbekannte!"


    erwiderte er voller Euphorie. Die Taue wurden losgemacht und kurz darauf steuerten die Ruderer das große Schiff hinaus aufs Arabische Meer. Leonidas stand an der Reeling und blickte auf die Handelsstadt Myos Hormos. Ob die Götter es gut mit ihm meinten, und ihn jemals wieder zurückbringen würden?

  • Die Winde waren überhaupt nicht günstig gewesen und so brauchten wir fast drei Wochen von Arabia Emporion nach Myos Hormos. Ich hatte während dieser Zeit immer wieder Skizzen der Küsten des Roten Meeres gemacht. Der karge Stein, der auf das blaue Wasser traf, war schon ein interessanter Anblick. Dort, wo Gewässer mit Süßwasser auf die Küste trafen, sah man auch das Grün von Pflanzen.


    Myos Hormos war ein großer Hafen, dessen Bedeutung und Reichtum man an den Gebäuden ablesen konnte. Die Mannschaft legte gekonnt am Kai an und bereits kurz darauf kam ein Mann in ziviler römischer Kleidung in Begleitung zweier Soldaten an. Während er über die Planke an Bord kam, warteten die Soldaten auf der Kaimauer. Es war klar, dass es sich um den Zöllner handeln musste. Wenn ich das noch richtig im Kopf hatte, war ein Viertel des Warenwerts fällig. Aber ich würde sehen, was er forderte.


    Der Mann ging auf unseren Kapitän zu. "Es geschehen noch Wunder, Porcius. Jedes Mal denke ich, es wäre deine letzte Fahrt und jedes Mal schaffst du es irgendwie zurück. Na, was haben wir denn diesmal geladen?" Dann sah er zu mir. "Oder wen?"


    Porcius Natta grüßte den Mann kurz. "Das Übliche. Gewürze, Edelsteine, Seide." Dann sah er ebenfalls zu mir. "Und einen Gesandten des fernen Reiches der Serer, der unserem lieben Kaiser Grüße und Geschenke bringen soll."


    Der Mann musterte mich. "Sprichst ... du ... Sprache ... von uns?" Er sprach bewusst langsame Koiné.


    Ich nickte. "Koiné, Latein, etwas Attisch. Danke der Nachfrage."


    Porcius Natta brach in schallendes Gelächter aus, während der Mann mich ziemlich verdutzt ansah.


    "Ich erkläre es kurz. Mein Name ist Aulus Iunius Tacitus, auch wenn mich die Serer als Yún Yù oder eher noch als Yúnzǐ. Hier bin ich römischer Bürger und Klient des Lucius Annaeus Florus Minor, dort bin ich ein kaiserlicher Beamter dritten Ranges, der zum Gesandten ernannt wurde. Ist eine lange Geschichte. Ich freue mich auf jeden Fall, deine Bekanntschaft zu machen und hoffe, dass wir hier zügig weiterkommen, weil ich nach Alexandria will und dann weiter nach Rom. Der Winter neigt sich dem Ende und ich möchte gerne in Alexandria sein, wenn man wieder eine halbwegs passable Überfahrt buchen kann."


    Das schien der Mann jetzt noch mehr zu verwirren. Vielleicht war es zu viel Information auf einmal? Vielleicht sprach ich auch zu schnell?


    Schließlich legte Porcius Natta seinen rechten Arm um die Schultern des Mannes. "Bruder, der Mann in dunkler Seide spricht die Wahrheit. Er hat sich ja schon vorgestellt, also mach' ich das mal für dich. Iunius, das ist mein Bruder Mamercus Porcius Barrus."


    "Barrus," sagte der Mann schließlich, "Zolleintreiber."


    "Dachte ich mir schon," erwiderte ich mit einem höflichen Lächeln, während ich den Drang, mich verneigen zu wollen, unterdrückte.


    Barrus räusperte sich kurz. "Du kennst das ja, Natta. Alles ist Eigenbedarf außer Seide. Und Eigenbedarf verzolle ich nicht." Dann wandte er sich mir zu. "Bei dir sehe ich es anders herum. Seide, vor allem Kleidung, scheinen Eigenbedarf zu sein. Geschenke für den Kaiser verzolle ich auch nicht. Den Rest schon."


    "Auch Bücher und Reiseaufzeichnungen?" fragte ich zur Sicherheit.


    "Was? Nein, wie soll ich denn bei allen Göttern von sowas den Wert ermitteln?" Das schien er sehr ehrlich zu meinen.


    Ich zeigte ihm daraufhin meine Waren, so dass er einen Zollsatz festlegen konnte. Das tat er auch und es war deutlich weniger, als ich gedacht hätte. Ich vereinbarte, einen Ballen Seide zu verkaufen und daraus die Zölle zu entrichten. Das tat ich auch später am Tag, wobei der Ballen mehr eingebracht hatte, als ich an Zoll schuldete. So entschied ich, den Restertrag Barrus als Dankeschön zu überlassen. Er hatte damit zwar nicht gerechnet, schien sich aber ehrlich zu freuen. Mit den nötigen Zolldokumenten in der Tasche würde ich die Weiterreise antreten.


    Die Porcius-Brüder gewährten mir Quartier für die Nacht. Als Gegenleistung erzählte ich ihren Familien, vor allem den Kindern, von meiner Reise nach Serica.


    Am nächsten Tag buchte ich mich auf einem Schiff nach Arsinoë ein. Von dort aus wollte ich über den Trajanischen Kanal und den Nil bis nach Alexandria reisen.

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