Carcer – Arestzellen

  • Nun war er ins Schwitzen geraten, ich sah es mit Genugtuung. Gut, es war ein heißer Tag, ich schwitzte auch, aber nicht so sehr, dass mir der Schweiß auf der Stirn stünde. Der Gefangene gab sich jetzt bescheiden, liebenswürdig bescheiden. Er hatte etwas an sich... ich konnte mir sehr gut vorstellen wie er draussen im Geschäftsleben die Leute mit Worten um den Finger wickelte. Aber ich nahm ihm die unschuldige Tour nicht ab, natürlich nicht nach unserem verräterischen Fund. Ich betrachtete ihn und dachte Lügner!! und war zugleich auf eine gewisse Weise fasziniert... er sah nicht roh aus, oder grob, er lebte in einer gediegenen Stadtwohnung, und keiner derer, die wir befragt hatten, hatte ein böses Wort über ihn verloren. Aber hinter dieser Fassade verbarg sich ein Abgrund. Es sei denn, jemand versuchte ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben...?


    "Hmhm." machte ich unbestimmt. Und ungeachtet dessen, dass er nach Wasser gefragt hatte, neigte ich die Weinkaraffe und goss ihm den Becher voll. Dabei dachte ich mir, dass er sehen sollte, dass er keine Wahl hatte, noch nicht mal in den ganz kleinen Dingen.
    "Ist gut verdünnt."
    Ich schenkte ihm ein unangemessen strahlendes Lächeln und schob ihm den Becher zu. Dann warf ich einen Blick in die Runde – auf die beiden Soldaten, die sich schräg hinter ihm postiert hatten, auf den Wärter bei den Instrumenten zur Wahrheitsfindung, der gerade mit gelangweilter Miene eine Klinge polierte, dann auf den Scriba, der, über das Schreibbrett auf seinen Knien gebeut, eifrig kritzelnd dieses Verhör festhielt. Mit leisem Schaben glitt seine Feder über das Blatt. Meine Gedanken glitten zu Fassaden und Abgründen, ich musste daran denken, dass Hannibal angeblich auch Leute umgebracht haben sollte, in der Subura... bevor ich mich wieder ganz auf den Gefangenen konzentrierte.
    "Du hattest also keinerlei geschäftliche Verbindung mit der Dame." fasste ich zusammen, dann stutzte ich, legte nachdenklich die Hand ans Kinn, blickte ihm direkt ins Gesicht. "...merkwürdig. - Wie kommt es denn dann, dass sie dir noch kurz vor ihrem Tod eine größere Summe überbringen ließ? Das musst du mir jetzt aber genauer erklären, Bagaeos."

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  • Bagaeos verzichtete darauf, seinen Wunsch nach Wasser statt Wein zu wiederholen. Es hätte ihm wohl auch nichts gebracht. Er ließ den Becher eine Zeit lang nicht aus den Augen, fast so als handle es bei dem Trinkgefäß um ein gefährliches Tier, das nur auf einen Moment der Unachtsamkeit wartete, um ihn, Demetrios Bagaeos, anzufallen.
    Schließlich griff er doch danach, führte den Becher auch zum Mund, doch noch bevor er einen Schluck zu sich genommen hatte, stellte er, scheinbar empört ob der Anschuldigung des Tribunen, den Becher mit einer hastigen Bewegung wieder zurück auf den Tisch. Einige Tropfen schwappten über den Rand und benetzten seine Hand, als er - lauter als bisher - zur Antwort ansetzte:
    "Wer behauptet das? Vertraut man bei euch Romäern etwa auf die Aussagen irgendeines Laufburschen? Und was sollte das bitte mit dem Mord zu tun haben? Was mischt ihr euch überhaupt in ..."
    Er unterbrach sich selbst und seine Stimme war wieder deutlich leiser, als er den Kopf schüttelte und in versöhnlichem Tonfall hinzufügte:
    "Das ist sicher ein Missverständnis. Ganz sicher!"

  • Ich würde gerne behaupten, dass ich nicht mit der Wimper zuckte, aber die plötzliche Empörung, mochte sie auch nur gespielt sein, machte doch Eindruck auf mich, und unwillkürlich wich ich ein wenig zurück, falls er mit dem Becher auf mich loszugehen gedachte... Bei so einem abgefeimten Kriminellen, in einen Mord verwickelt, da weiß man ja nie. Die abrupte Bewegung schien auch die beiden Bewacher aus ihrem Dahindämmern gerissen zu haben, sie spannten sich an und rückten ein wenig näher.
    Der Perser war ein guter Schauspieler – falls es sich nicht doch irgendwie um eine komplizierte Intrige gegen ihn handelte... aber warum hätte er dann vor den Soldaten fliehen sollen, als sie ihn zum ersten Mal befragten? Nein, ich hielt ihn natürlich für schuldig, konnte mir bloß noch nicht erklären wie er in das Mosaik oder vielleicht eher das Spinnennetz der Ereignisse hineinpassen mochte...


    "Das glaube ich kaum." erwiderte ich trocken, und nahm wieder eine leicht nach vorne gebeugte Sitzhaltung ein, legte die Hände flach auf den Tisch.
    "Also erspar mir die Lügen, dir die Unannehmlichkeiten, und komm zur Sache."
    Ich fixierte ihn kalt und ließ meinen ersten Pfeil von der Sehne schnellen.
    "Ich warte noch immer auf deine Erklärung... großer Achaimenes."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Wenn ein Victimarius den Hammer oder ein Beil auf den Kopf eines Opfertieres krachen ließ, um es zu betäuben, durfte das ungefähr die gleiche Wirkung erzielen, wie es die letzten Worte des Tribunen bei dem obskuren Perser taten. Von einem Moment auf den anderen sah er seine Felle davonschwimmen.
    Eine Zeit lang sagte er nichts, starrte nur reglos vor sich hin, ehe er scheinbar zusammenhangslos antwortete: "Ich habe schon in meiner Kindheit meine Altersgenossen überragt."
    Was sollte er auch sagen! Natürlich kannte er den Wortlaut. Wer außer diesem Dummkopf Menecles würde so einen Unfug schon schreiben.
    Dass er auch diese Nachricht hätte vernichten sollen, das war nichts, worüber sich Bagaeos nun Vorwürfe machte. Klar, jetzt bereute er es, doch es war nun einmal stets eine schwere Entscheidung, welche Briefe man vernichtete und welche man besser bewahrte, weil sie einem später noch von Nutzen sein mochten.


    Er blickte den Römer nun wieder direkt an und sprach ruhig, fast zutraulich:
    "Was wirfst du mir genau vor? Ich habe niemanden ermordet? Warum auch? ... Oder liegt es an meiner Herkunft? Bin ich ein Sündenbock für euren toten Basileos und seinen missglückten Feldzug?" Es war vermutlich ein letzter verzweifelter Ausbruch aus der Defensive, ein sinnloser Versuch, die Schlinge, die sich immer enger um ihn zog, noch zu überwinden; und dabei seiner kaltblütigen Beherrschtheit, seiner zielsicheren Redegabe, auf die er sich doch früher immer so viel eingebildet hatte, im Grunde unwürdig.

  • Altersgenossen überragt - Der hatte Nerven. Ich lachte kurz und humorlos auf. Aber dass mein Pfeil ihn sauber getroffen hatte, das war deutlich zu sehen. Ausflüchte, Ausflüchte... ich fasste ihn lauernd ins Auge. Und dann traf der Mistkerl mit einem Mal einen wunden Punkt. Der Kaiser... ja, wir hatten den Kaiser nicht schützen können.
    "Was erdreistest du dich" fuhr ich auf, "den vergöttlichten Iulianus in einem Atemzug mit deinen schmutzigen Machenschaften zu nennen!!? Ich geb dir gleich mißglückt, nennst Du die Eroberung von Edessa und ganz Osroëne, halb Mesopotamien und Circesium etwa mißglückt?! Ihr dreckigen Schakale seid doch alle gleich, heimtückisch und bösartig!"
    (Nicht dass wir die Gebiete gehalten hätten, aber erobert hatten wir sie.) Wutentbrannt sprang ich auf und bedeutete einem der Stiernacken, sich den Gefangenen mal vorzunehmen.
    "Verpass ihm ein paar, Miles!"
    Der Soldat trat näher, ungerührt, und begann den Gefangenen brutal zu ohrfeigen. Von rechts, dann mit dem Handrücken von links, und wieder von rechts.
    "Wer hat dich beauftragt?!" herrschte ich den Perser zugleich zornig an, "Auf wessen Befehl hin hast du den Mord veranlasst?! Waren es diese lächerlichen Aufständischen? War es jemand aus dem Haushalt der Iunia? Oder ging es von Dir selbst aus, Bagaeos, hm?! - SPRICH! Spuck endlich die Wahrheit aus!!"
    Und was wenn er ein parthischer Agent war, hier um Unruhe zu säen... Würde mich nicht wundern.

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  • Die Reaktion der Tribuns fiel heftig aus. Heftiger noch, als es Bagaeos ohnehin erwarten musste und eigentlich auch beabsichtigt hatte. Hätte einer dieser Romäer den Leumund eines erdachten persischen Großkönigs oder eines alten Ptolemäerherrschers in den Dreck gezogen, hätte der Gefangene wohl nur müde gelächelt. Doch der Tribun schien das Wort Patriotismus und seinen Eid auf den Kaiser augenscheinlich sehr ernst zu nehmen.


    Dann holte dessen Untergebener auch schon zum Schlag aus, und obwohl 'der Perser' die Hand anfliegen sah, wurde er von der Wucht der Schläge doch so überrascht, dass er schon vom ersten beinahe vom Stuhl gekippt wäre. Nach dem zweiten Schlag schmeckte er Blut und spätestens nach dem dritten hatte er entschieden, dass er seine bisherige Strategie nicht weiter würde verfolgen können.
    Es musste viele Jahre zurückliegen, dass er zuletzt Opfer solch extremer Gewaltanwendung geworden war. Wenn überhaupt. Er gab sich zwar gerne widerstandsfähig und robust, doch ernsthaften Foltermethoden würde der Stadtmensch Demetrios Bagaeos gewiss nicht lange standhalten. Das wusste er und gestand es sich nun auch selbst notgedrungen ein.


    "Menecles war es. Dieser Schuft Menecles!" Seine Worte hallten auf ungewohnte Weise in seinen Ohren, so dass er sich für einen Moment nicht sicher sein konnte, ob sie auch tatsächlich aus seinem Mund stammten.
    "Ich wurde auf einer Feierlichkeit der vornehmen Gesellschaft angesprochen. Ob ich nicht jemanden kenne, der wüsste, wie man mit einem Störenfried fertig wird...


    Und da habe ich den Kontakt zu diesem Menecles hergestellt. Aber von einem Mord war nie die Rede."
    Genaugenommen war das nicht einmal gelogen. Das Wort Mord hatte damals tatsächlich niemand in den Mund genommen, auch wenn es genau darum gegangen war.


    "Ich dachte, es geht vielleicht um einen säumigen Schuldner." Er versuchte, noch eingeschüchteter zu klingen, als er es tatsächlich war. Und natürlich immer nur das zuzugeben, was nurmehr schwer zu leugnen war.

  • Gewalt war die Lösung. Es war zwar nicht schön anzusehen, aber bei so Abschaum hatte ich da keine Skupel. Den Kaiser beleidigen! Und uns alle dazu! Ich presste die Lippen zusammen, versuchte meiner Empörung Herr zu werden! Schließlich ging es hier darum die Wahrheit herauszufinden, nicht um mich. Das fleischige Klatschen, mit dem die Pranke des Miles das Schandmaul traf, verschaffte mir aber doch ein warmes Gefühl der Genugtuung. Und siehe da: der Lump begann zu singen. Menecles... ja, es war zu erwarten, dass er versuchen würde soviel Schuld wie möglich auf dieses Subjekt abzuschieben.
    Ich hob die Hand und gebot meinem Schläger, der schon wieder ausholte, für den Augenblick innezuhalten.
    "Gemach, Miles" sprach ich lässig, "aber wenn er wieder halsstarrig wird, dann kannst du gleich weitermachen!"


    Dann knallte ich meine Hände auf den Tisch, beugte mich vor und fixierte den Perser mit hartem Blick, bedrängte ihn mit einer Reihe schneidender Fragen, die ich in schneller Folge auf ihn abschoß, versuchte ihn am Reden zu halten, es sollte ihm keine Zeit bleiben sich neue Lügen auszudenken. (Wobei diesen schmierigen Schakalen das Lügen ja im Blut liegt.)
    "Menecles, ah ja. Was für eine Feier?! Wann war das?! Wo? Wer hat sie veranstaltet?! - Und WER hat dich angesprochen? Und wie war der GENAUE Wortlaut?! - Und für wen hast du den Kontakt hergestellt? FÜR WELCHE PERSON?! Namen, Bagaeos, NAMEN! und zwar JETZT auf der Stelle, oder du verlässt diesen Raum als geschundener Krüppel!!"

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  • "Tot?!!" Entgeistert starte ich in das feiste Gesicht des Kerkermeisters.
    "Tot." widerholte er stumpfsinnig.
    "Aber... aber er war doch unser einziger Zeuge." Der Optio blieb ungerührt. Mir platzte der Kragen. Das konnte nicht wahr sein! "Wie, wie zum Cerberus, konntest du RINDVIEH unseren einzigen Zeugen einfach KREPIEREN lassen??!"
    Ich hieb mit der Faust gegen die Gitter der leeren Zelle, in der sich vor unserem Abmarsch der "Perser" befunden hatte, der kostbare Gefangene, von dem ich geglaubt hatte, dass er der Schlüssel sein würde, den mysteriösen Iunia-Urgulania-Mord doch noch aufzuklären. Nichts da. Klong machten die Gitter, und der Kerkermeister sah mich aus seinen trüben Augen vorwurfsvoll an, 200 Pfund gekränkte Unschuld.


    "Wie ist er zu Tode gekommen?" fragte ich schließlich, mich mühsam zur Raison rufend.
    "Er hat die Verhöre schlecht verkraftet. Wurde krank und starb."
    "Du hast ihn weiter verhört?
    "Wie du es befohlen hast, Tribun."
    Verdammt. Ja, ich hatte es dem Optio Carceri aufgetragen, den Perser weiteren Verhören zu unterziehen, denn er war hier geblieben, als wir uns in die Wüste aufgemacht hatten.
    "Scharf verhört."
    Er nickte. Wohl zu scharf, für den Gefangenen. So eine Scheiße! Und ich war SO dicht dran gewesen. Als ich die geheime Botschaft entschlüsselt hatte, und der Perser zugab, den Mord vermittelt zu haben... Aber dann hüllte er sich wieder in Schweigen, und jetzt würde kein Verhör der Welt, ihn noch was entlocken können.
    "Hast du noch irgendwas aus ihm rausgebracht?" erkundigte ich mich übellaunig.
    "Moment." Der Optio konsultierte eine speckige Kladde. "Nur wirres Zeug. Sieh selbst, Tribun. Er war sehr widerspenstig. Am Ende hat er sogar behauptet, die Iunia selbst habe ihn engagiert..."
    "Sowas lächerliches habe ich noch nie gehört! Verhören solltest du ihn, die Wahrheit aus ihm rausbringen, nicht foltern bis er irgendeinen absurden Humbug erzählt. Und schon gar nicht umbringen!! Aufgrund Deiner Unfähigkeit, Optio, müssen wir diesen Fall ungelöst zu den Akten legen!"


    Und das tat ich dann auch. Iunia Urgulania, Römerin von zweifelhaftem Ruf, hatte in Alexandria eine rasante politische Karriere gemacht, und ihre Differenzen mit dem Statthalter gepflegt. Bis sie eines Morgens tot vor dem Tempel der Tyche lag, "Hure Alexandrias" in den Bauch geritzt, ein Cingulum militare daneben. Ein dubioser parthischer Händler hatte zugegeben den Mordauftrag vermittelt zu haben. An einen gewissen Menekles, der trotz intensiver Suche unauffindbar war. Aber wer dahintersteckte, hinter diesem Schau-mord.... Die junge Verwandte der Urgulania beschuldigte den Statthalter, das taten auch die Leute in Rhakotis, ich vermutete, dass Demetrios Bagaeos ein parthischer Spion gewesen war, der hier die Unruhen schüren sollte, andere glaubten an einen Machtkampf zwischen den Prytanen, oder an eine Intrige der Prytanen gegen den Statthalter, andere an die Machenschaften romfeindlicher Geheimbünde, andere an einen eifersüchtigen Liebhaber.
    Aber wie es wirklich gewesen war, das würde wohl für immer im Dunkeln bleiben.

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    “Soderle, hereinspaziert“, sagte der Miles trocken, als er seinen Gefangenen Tiro mit Schwung in die Carcerzelle hineinbuxierte. Hier roch es nach feuchtem Stroh und Schimmel und überall war Rattenkot verstreut. Ein pelziger Schatten huschte aufgeschreckt an der Zellenwand entlang, von der hier und dort versifftes Wasser in Rinnsalen zu Boden sickerte.


    “Schönen Aufenthalt“, wünschte der Miles und zeigte ein gehässig grinsend seine Zahnlücken. Der Schlüsselbund rasselte lautstark, als die Zelle zugeschlossen wurde und Sonnenlicht auf ein Minimum beschränkt wurde. Hier würde Publius Egnatius Murcus nun erst einmal schmoren dürfen...

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    Völlig verzweifelt hörte der nervöse Tiro Publius Egnatius Murcus die Schlüssel hinter sich rasseln, während der Miles ihn in die Zelle sperrte. "Bona dea, wo bin ich hier gelandet", dachte er im ersten Moment. Die Zelle sah nicht nur aus wie ein Rattenloch, sie war es auch, überall waren Ratten.
    Ungläubig schaute er sich um. Er wußte noch gar nicht, was ihm widerfahren war. Gefühlt stand er in einem Moment noch auf dem Campus, im nächsten Moment wurde er in eine ungastliche Zelle geworfen. Warum nur war er so nervös und hatte nicht den Befehl des Optio abgewartet, als er sein Pilum dummerweise auf seine Kameraden geschleudert hatte? Murcus war vollkommen außer sich. Flehend wandte er sich an die Wache: "Das könnt ihr doch nicht machen! Laßt mich hier nicht zurück!!! Ich wollte das doch nicht!"
    Der Miles hatte jedoch das Loch schon hinter ihm zugeschlossen und würdigte ihn keiner Antwort. Ihn beschlich große Angst, daß er ihn hier vergessen würde. Murcus war völlig am Ende. Weinerlich sank er in sich zusammen und schluchzte vor sich hin.

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    “Und wie wir das können“, warf der Miles, der sich bereits auf dem Weg nach draußen befand, dem Eingesperrten über die Schulter zu. Höhnisch lachend spazierte er hinaus. Der Schlüsselbund klimperte dabei fröhlich, den der Miles ausgelassen am Finger herumwirbelte. Einzig die Ratten und anderes krabbelndes Ungetier blieben dem Tiro jetzt als Gesprächspartner...

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    Als der Miles ihn noch höhnisch auslachte, war Egnatius Murcus mit den Nerven am Ende. Der klimmpernde Schlüsselbund hinter ihm schien für ihn wie ein Abgesang auf alle menschliche Geborgenheit. Er hatte ohnehin einen schweren Stand bei seinen Kameraden, die immer seine Fehler mit ausbaden mußten. Murcus fühlte sich aber dennoch in der Kameradschaft der Legion einigermaßen geborgen und beschützt. Daß er nun in diese dunkle, ungastliche Zelle geworfen worden war, kam ihm mit dem Ausschluß aus der Gemeinschaft der Miles gleich. Er war doch im Grunde so zart besaitet. Wie sollte er das je überstehen? Aus seinem weinerlichen Schluchzen wurde nun ein lautes Weinen, er flennte so laut er konnte. "Ich wollte das doch gar nicht! Das war keine Absicht!" Murcus fühlte sich völlig einsam und verlassen.

  • Niemand hörte das Heulen des Tiros. Niemand bis auf die Ratten und Scorpione, die in den Kerkergängen kreuchten. Vier Tage musste Publius Egnatius Murcus in seiner feuchten muffigen Zelle ausharren. Zwei Mal am Tag schob ihm ein mürrischer Kerkerwächter ein grässliches Essen zu. Ansonsten waren da nur die Geräusche und Gerüche des Kerkers. Das Kratzen der Rattenklauen auf dem dreckigen Boden. Das raschelnde Stroh, wenn die Scorpione auf der Suche nach Beute waren. Nachts zog die Kälte an den Wänden zum Boden hinab, am Tag glühte die Zelle vor Hitze. Es war furchtbar.


    Und dann, am vierten Tag seiner Haft, wurde Publius erlöst. Mochte man glauben. Die Schlüssel rasselten wieder und vor dem Tiro stand ein fettes Schwein.
    "Salve mein Vögelchen", gluckste der Centurio Aulus Trebellius Posca und grinste sein feistes Grinsen. Seine Äuglein blitzten hinterhältig. "Gut geschlafen?"

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    Tagelang war der Tiro Murcus in der Zelle alleine. Das Drecksloch, in das man ihn geworfen hatte, machte ihn allmählich depressiv. Er fror und schwitzte und sein einziger menschlicher Kontakt war der Wächter, der ihm wortlos das Essen in sein Loch warf. Ansonsten hatte er nur das Ungeziefer als Gesellschaft. Er konnte nicht mal eine Latrine aufsuchen und mußte sich eine Ecke in seiner Zelle suchen. Dementsprechend sah er aus und stank wie ein Schwein. Da endlich rasselte der Schlüssel in der Tür. Murcus hatte dieses Geräusch ersehnt. Erleichterung und Freude machte sich in ihm breit. Vor ihm stand Centurio Posca. Auf seine Frage platzte es aus dem nervösen Tiro Murcus nur so heraus: "Centurio, endlich!!! Bitte laß' mich hier raus! Ich wollte das nicht! Das war keine Absicht! Ich werde besser aufpassen! Ich will ein guter Soldat sein! Bitte, bitte, bitte hol mich hier raus!!!"

  • Jesses, der Tiro konnte ja schlimmer jammern als ein kleines Schulmädchen. Kritisch beäugte er den armen Kerl mit seinen Schweinsäuglein, während er beinahe desinteressiert etwas Nasenschleim hochzog.


    "Hrmpf. Und was sollte mich davon abhalten, dir noch ein paar mal einen mit dem Stock überzuziehen, damit du ganz sicher in Zukunft besser aufpasst? Hm?"


    Der Schatten eines listigen Grinsens huschte über Poscas Gesicht. Sollte der Kerl doch mal sehen, wie er sich aus dem Schlamassel wieder herauswand.

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    Was? Schlagen wollte ihn der Centurio? Bei dieser Aussicht nach der tagelangen Einzelhaft in dem Loch gingen dem nervösen Murcus die Nerven völlig durch. Schluchzend und heulend warf er sich Posca zu Füßen und umklammerte seinen Unterschenkel ganz fest: "Bitte Centurio, bitte NICHT!!! Bitte keine Schläge! Ich will hier nur raus! Bitte habe Erbarmen mit mir!!!"


    Nachdem Centurio Posca angewidert einen Schritt zurückgewichen war, legte Murcus flehend nach: "Ich wollte das alles wirklich nicht! Bitte sei gnädig zu mir!!!"

  • Poscas Blick troff vor Verachtung. Dieser Tiro war eine einzige Heulsuse. Eine Memme. Ein Angsthase. Schisser. Einer Legion definitiv nicht würdig. Der Centurio rümpfte geräuschvoll die Nase und stieß den Jammernden ruppig von sich weg.


    "Krieg dich wieder ein, du Memme!" raunzte er den Tiro an. "Und du jämmerlicher Wicht willst Legionär werden? Mars hilf mir, da stecke ich besser ein Wiesel in eine Rüstung, das hat mehr Mut auf dem Schlachtfeld als du!"

  • Posca grunzte missbilligend.


    "Verdammt, kein Legionär winselt so sehr um Gnade wie du, merk dir das!"


    Der Centurio zog geräuschvoll Schnodder hoch und rieb sich den Ellenbogen. Offensichtlich dachte er angestrengt nach.


    "Na gut, du sollst eine zweite Chance haben. Ich sollte dich eigentlich unehrenhaft entlassen. Aber ich will mal nicht so sein."


    Jetzt zog Posca die Augenbrauen zusammen.


    "Dennoch. Du bekommst eine Woche Wachdienst aufgebrummt. Und wenn ich noch einmal höre, dass du beim Exerzieren gegen einen Befehl verstößt, verstoße ich dich aus der Legion, kapiert?"


    Er wollte dem Tiro klar machen, dass er Ungehorsam nicht duldete.

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    Als Murcus die Worte des Centurios vernommen und verarbeitet hatte, machte sich Erleichterung in ihm breit! Seine Erleichterung steigerte sich beinahe in Übermut. Er war überglücklich angesichts der Aussicht bald aus diesem Loch rauszukommen. Freudestrahlend wandte er sich daher an Posca: "Danke, Danke, Danke Centurio! Vielen Dank!!! Ich werde der wachsamste Soldat sein, den die Legion gesehen hat. Ich will alle Befehle befolgen und Dich nie mehr enttäuschen!"

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