Kandidatur zum Cursus Honorum - Marcus Aurelius Corvinus

  • Am heutigen Tag standen auch die Vorstellungen der Kandidaten zum Cursus Honorum an. Atius Labienus, der Consul, sah auf die Liste und las den nächsten Namen vor.


    "Marcus Aurelius Corvinus kandidiert zum Vigintivir. Er möge vortreten!"

  • Den halben Morgen ohnehin schon aufgeregt, was mich im Senat erwarten würde, war ich schließlich viel zu früh, doch nicht minder entschlossen, eingetroffen. Die weiße toga candida saß dank meines vestispicius annähernd perfekt und wurde gerade noch ein letztes Mal gerichtet, als man mir mitteilte, dass die Sitzung gleich beginnen wurde. Nochmals rief ich mir die Punkte ins Gedächtnis, die ich vorbringen wollte, und trat dann ein, um Platz zu nehmen. Nach der üblichen Eröffnung bat mich der consul nach vorn, und ich erhob mich mit dem Gefühl, viele Blicke auf meiner Gestalt ruhen zu sehen, was mich nur noch nervöser machte. Leise räusperte ich mich, als ich an meinem Platz angekommen war uns stehen blieb.


    "Werte Senatoren", begann ich und fand das Geräusch, das meine Stimme in den altehrwürdigen Hallen verursachte, recht gewöhnungsbedürftig.


    "Ich danke euch für die Erlaubnis, vor euch sprechen zu dürfen.
    Vor euch steht der Sohn der Aurelia Severina und des Aurelius Antoninus, welcher seinerzeit begonnen hatte, den cursus honorum zu beschreiten, diesen Weg nun aber nicht mehr vollenden kann. Ich selbst verbrachte einige Jahre des Studiums in Achaia, ehe ich in meine Heimatstadt Mantua zurückkehrte und dort unüblicherweise für einen Patrizier in der Stadtverwaltung tätig wurde. Zuerst als magistratus, dann als duumvir lenkte ich die Geschicke der Stadt nach bestem Gewissen. Ich war in der curia Italia vertreten und vertrat den princeps curiae als sein vicarius, so gut ich es vermochte.
    Bereits während meiner Ausbildung in Griechenland festigte sich in mir der Wunsch, mein Leben für das Wohl des Staates aufzuopfern. Ich ehrte die Götter und Ahnen, wie es ihnen gebührt, und entschloss mich vor etwas mehr als zwei Jahren, eine Amtszeit als tribunus laticlaivus abzuleisten. Der Kaiser in seiner Weitsicht entsandte mich zur legio secunda Germanica, wo ich statt der geplanten Amtszeit auf seine Fürsprache hin zwei Amtszeiten verlieb und mit recht sagen kann, dass ich einiges gelernt habe.


    Senatoren, nun also stehe ich vor euch und kandidiere zum vigintivir. Es liegt im Ermessen des Senats, über mein Aufgabenfeld zu entscheiden, und gleich welches Amt man mir zuteilen wird, ich werde es mit Gewsissenhaftigkeit, Nachdruck und Fleiß ausfüllen. Ich möchte euch dennoch darum bitten, mir das Amt eines decemvir litibus iucandis zuzuteilen. Warum, werdet ihr euch fragen, soll es gerade dieses Amt sein? Nun, obgleich der Tod früher oder später ein jeden von uns ereilen wird, so sind es doch stets die Zurückgebliebenen, die Hilfe und Stütze benötigen. Eine Erbschaft kann diese Stütze sein, und deswegen müssen wir uns darum bemühen, Müttern und ihren Kindern, Geschwistern, Söhnen und Töchtern Roms das ihnen rechtmäßig zustehende Erbe schnell und reibungslos zukommen zu lassen, denn es können Existenzen an diesem Erbe hängen. Ich will mich um die gewissenhafte Bearbeitung und den unkomplizierten Ablauf der Erbschaftsangelegenheiten bemühen, die nötigen Grundlagen hierzu habe ich mir bereits angeeignet, und selbst wenn der Senat sich gegen meinen Wunsch entscheidet und mir ein anderes Amt zuteilt, so habe ich durch die Vertiefung in das Erbrecht dennoch etwas für mich persönlich gewonnen. Gewiss werden sich mit der Zeit dennoch Fragen aufwerfen, doch bin ich bereit, mich beständig weiterzubilden.


    Habt Dank, Senatoren, für eure Geduld. In diesem Sinne bitte euch um eure Stimmen."

  • Ein beeindruckender Lebenslauf.


    Hungi war bei diesen Worten aufgestanden und fixierte den jungen Mann vor sich.


    Es ist ungewöhnlich für einen Patrizier, das militärische Tribunat zu absolvieren. Auch deine Wahl, das Tribunat vor dem Vigintivirat zu begehen ist keine alltägliche Sache. Aus welchem Grund hast du dich bei den Truppen gemeldet? Und warum nicht erst nach dem Vigintivirat?

  • "Du hast recht, Senator Vinicius, es mag ungewöhnlich sein, als Patrizier ein Tribunat abzuleisten. Jedoch dienten sowohl mein Vater als auch der Großteil meiner Vetter im Militär, und mit dieser Familientradition wollte ich nicht brechen. Zum anderen soll sich ein Mann beständig weiterbilden, um geistig nicht zu ergrauen. Und da ich durch meinen Vater bereits vor einem Vigintivirat den erforderlichen ordo senatorius für ein Tribunat inne hatte, entschloss ich mich, eben dieses vorzuziehen. Angehörigen meines Standes ist es zwar freigestellt, diese Dienstzeit abzuleisten, doch warum hätte ich faul auf meinem Fleisch sitzen bleiben sollen, wenn ich doch einerseits neue Erfahrungen mitnehmen und andererseits dem imperium auf sinnvolle Weise dienen konnte?" erwiderte ich.

  • Ganz konnte Victor Hungaricus nicht zustimmen, es gab sicher beindruckendere Lebensläufe; selbst für junge Patrizier die nun den cursus honorum beschreiten wollten. Aber es ging hier ja noch nicht um eine Kandidatur zum Prätor, von daher noch kein größeres Manko in den Augen des Stadtpräfekten.


    "Welche Erfahrungen meinst du denn bei deinem Tribunat gesammelt zu haben? Was hat es dir persönlich gebracht, Aurelius Corvinus?"

  • "Nun ja, da der Kaiser mich nach Germanien entsandte, lernte ich zufürderstTeile der Provinz und die dort lebenden Menschen selbst kennen.
    Das Amt des tribunus laticlavius selbst ist zwar weniger ein militärisches als vielmehr ein verwaltungstechnisches, doch die Abläufe in einer Militäreinheit, der Tag im Stützpunkt und als Mitglied des Stabes selbst kannte ich nicht. Obwohl ich durch meine Tätigkeiten als Stadtmagistrat Mantuas schon mit Verwaltungsabläufen vertraut war, so lernte ich doch, mein Wissen zu vertiefen und meine Fähigkeiten weiter auszuprägen. Ich nahm auch an Manövern teil und sammelte so praktische Erfahrungen."
    Und ich hatte reiten gelernt, zumindest etwas, aber es war mir peinlich, diesen Punkt zu erwähnen, konnten doch Patriziersöhne durchaus bereits seit Kindesbeinen reiten. Nun ja, die meisten zumindest.

  • Grübelnd starrte Macer vor sich hin und versuchte sich zu erinner, ob er den Mann noch aus seiner Zeit bei der Legio I in Mantua kennen müsste. Jahre war dies nun her, aber wenn er dort Magistrat und Duumvir war, könnte er ja durchaus schon einmal in Kontakt mit ihm gestanden haben. Irgendwann hatte er genug gegrübelt und beschloss, dass er sich an ihn als Duumvir wohl erinnern würde. Also kannte er ihn maximal als Magistrat in sehr jungen Jahren. Da brauchte er sich nicht dran erinnern zu können. Aber beeidruckend war die Laufbahn seitdem in jedem Fall.


    "Mantua, Germania, Rom - fast wie bei mir", scherzte er und wünschte dem Kandidaten in jedem Fall schon mal viel Erfolg. "Weisst du, warum dein Tribunat verlängert wurde? Und würdest du es rückblickend als gewonnenes Jahr an Erfahrung oder als verlorenes Jahr für deine politische Karriere betrachten? Dürfen wir uns auf einen Vigintivir Aurelius einstellen, der mit militärischer Disziplin sein Amt ausübt oder einen Vigintivir Aurelius, der das kommende Jahr zum Aufbau von politischem Einfluss und politischen Kontakten nutzen will?"

  • Der nächste Mann, der das Wort erhob, war ein Senator, den wohl jeder Bürger Roms kannte: Purgitius Macer. Nicht nur seine beeindruckende Amtszeit als aedilis vor einigen Jahren war mir selbst noch im Gedächtnis, sondern auch die Büste zu seinen Ehren in der Academia Militaris und auch der Besuch der von ihm zur villa Aurelia entsandten aquarii, denen er als curator aquarum Roms vorgesetzt war. Sein Scherz ließ mich vage schmunzeln und ich dankte ihm innerlich dafür, dass er mit wenigen Worten meine Nervosität zumindest etwas reduzierte.


    "Ja, Senator Purgitius, das weiß ich. Ich selbst ersuchte den Kaiser um diese Verlängerung. Zum Zeitpunkt meines Gesuchs lag eine große Inventur sämtlicher militäreigenen Lagerhäuser, Schuppen, Stallungen und Speicher an. Der Grund für mein Ersuch war ein simpler: ich steckte inmitten der Planungen und Überwachungen und bat den Kaiser hauptsächlich deswegen um die zweite Amtszeit", erwiderte ich. Ich war noch nie jemand gewesen, der Dinge anfing und sie nicht oder nur unzufriedenstellend zu Ende führte, wenn es eine andere Mögllichkeit gab. "Indirekt beantwortet das auch deine zweite Frage. Ich sehe die zweite Amtszeit als Zugewinn an Erfahrung und diese Erfahrung als Grundstein für eine politische Karriere an. Aus diesem Grund würde ich jedem Patrizier empfehlen, mit der Zustimmung des Kaisers ein Militärtribunat abzuleisten."


    Ehe ich die letzte Frage beantwortete, überlegte ich einen Moment. Macers Fragen waren wirklich gut. "Ich bin bestrebt, jedes mir zugeteilte Amt mit Gewissenhaftigkeit und Fleiß zu erfüllen, Senator. Sich dabei ergebende politische Möglichkeiten werden mit Sicherheit aber auch nicht ungeachtet verstreichen."

  • Aurelius Corvinus erschien überraschend, zumindest für Meridius, dennoch konnte er nicht behaupten, dass er ihn nicht gerne im Senat gesehen hätte. Wie lange hatte er nocheinmal bei der Zweiten gedient? Meridius erinnerte sich an so manches Gespräch und auch die Begegnungen, welche sie zuvor gehabt hatten, kamen ihm wieder in den Sinn. Wie es wohl seiner Schwester ging?


    Interessiert verfolgte Meridius die Debatte im Senat. Und für ihn stand der Entschluss schon fest. Wenn der Senat bei der letzten Wahl einen Optio der Cohortes ohne Praeferenzen und ohne vorzeigbare Leistungen und Taten zuließ, nur weil er Germanicus hieß, dann würde die Kandidatur des Aureliers zehnmal mehr Sinn ergeben.


    "Ein guter Mann."
    sprach er zu seinem Nebensitzer, welcher heute Macer war.


    "Er diente unter meinem Kommando."

  • Auch wenn sich der Kandidat ein wenig um eine klare Antwort auf die letzte Frage herum gedrückt hatte, war Macer mit der Antwort zufrieden. Der Interpretationsspielraum war für ihn passend bemessen, um die Aussage so zu deuten, dass es für eine klare Entscheidung reichte.


    "Das sollte man hier alle senatorischen Tribune in Stein meißeln," kommentierte er dann noch die vorherigen Ausführungen, "dass du dein Tribunat um ein Jahr verlängern ließest, um eine Inventur abschließen zu können." Damit hatte er sowohl macers Respekt als auch seine besten Wünsche für die Wahl.


    "Was hast du mit deiner Einheit gemacht, dass ein armer Tribun ein ganzes Jahr zusätzlich für die Inventur brauchte?", raunte er dann grinsend Meridius zu, nachdem er sich wieder gesetzt hatte. "Da muss unter deinem Kommando ja eine Menge liegen geblieben sein."

  • "Ich schließe mich den Worten des Senators Decimus Meridius an, dieser Kandidat ist ein fähiger, diesen Eindruck habe auch ich gewonnen."


    Sprach Furianus, ehe er sich wieder setzte. Nicht nur die Tatsache, dass Corvinus ein Patrizier war, ließen ihn dies sagen, sondern auch die, dass er jenem Amte mehr als würdig zu sein schien und alle Voraussetzungen erfüllen sollte.
    Hier würde es wohl keine Schwierigkeiten geben, das würde gut besetzt werden.

  • Durus verfolgte die Ausführungen des jungen Aureliers, den er bereits in Mantua kennen gelernt hatte. Er schien tatsächlich für seine jungen Jahre viele Erfahrungen gesammelt zu haben. Von Anfang an war er ihm sympathisch gewesen.


    "Ich habe ihn in Mantua getroffen - er wirkt mir aufgeweckt."


    informierte er seinen Nachbarn.

  • Nachdem eine Weile keine Fragen mehr gekommen waren, blickte ich zum consul. Ich wollte mich nicht ohne seine Erlaubnis bedanken und Platz nehmen, das wäre mir einfach unhöflich erschienen. In einigen Ecken wurde leise gemurmelt, andere Senatoren sahen mich nur an oder unterhielten sich mit ihren Nachbarn. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, denn wer konnte schon wissen, ob es positiv oder negativ war, was geredet wurde? Die Sitzreihen befanden sich zu weit entfernt, als dass man hätte mithören können, wenn sich jemand leise unterhielt. So sah ich also zu dem einzigen verbliebenen der zwei consules, in der Hoffnung, er mochte mir erlauben, mich zu setzen oder aber dazu auffordern, weitere Fragen zu stellen.

  • Offenbar gab es keine weiteren Fragen.


    "Aurelius Corvinus, wir danken dir für dein Erscheinen und dafür, dass du uns Rede und Antwort gestanden hast."

  • Da kam die erwartete Aufforderung zum Setzen - oder gleich zum Gehen? Ich neigte dem consul dankend den Kopf. "Ich habe zu danken, verehrter consul, dass man mir Gehör geschenkt hat. Senatoren, habt Dank für eure Geduld."
    Ich nickte einmal dem Gremium zu und warf einen Blick die Runde, dann wandte ich mich um und verließ die heiligen Hallen des Senats, um mir nach dieser Zitterpartie zu Hause einen stärkenden Wein zu gönnen. :D

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