Das Arbeitszimmer des Bibliothekars

  • Die Erscheinung des Bibliothekars faszinierte mich schon ein Wenig. Ich kannte den einen oder anderen Mann, der in der einen oder anderen privaten Bibliothek als Bibliothekar arbeitete und hatte auch schon meine Erfahrungen mit 'öffentlichen' Bibliothekaren, doch dieser hier war doch anders.
    Natürlich war er ähnlich wie all seine Berufsgenossen ein verschrobener alter Mann, der ausser den Büchern in der Bibliothek nicht viel anderes im Kopf hatte, doch war allein seine äussere Erscheinung anders. Nun ja, es galt hier noch immer einen recht guten Eindruck zu machen, daher würde ich mir über das Aussehen des Mannes keine weiteren Gedanken machen.

    Mir ist fast jede Anstellung recht, sofern sie mir erlaubt mich selbst am Leben zu halten, ohne dafür betteln oder stehlen zu müssen. sagte ich wahrheitsgemäss.
    Um ehrlich auf deine Frage zu anworten, sage ich dir, dass ich in diesem Augenblick absolut keine Ambitionen hege als Gelehrte zu arbeiten. Dies würde meine Fähigkeiten bei weitem übersteigen und ich würde auch nicht so anmassend sein wollen, in dieser Beziehung irgendetwas anderes vorzugeben.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Es gab wohl weniges, was den Bibliothekar außer Fassung brachte, aber der Willkür eines Gönners derart ausgeliefert zu sein und deswegen seine grundlegenden Prinzipien missachten zu müssen, gehörte wohl eindeutig dazu (egal wie gerechtfertigt oder nicht diese auch waren!). Doch die Worte von Urgulania beruhigten ihn schnell wieder. Im Gegenteil, sie gefielen ihm außerordentlich gut. So lehnte er sich entspannt zurück und das erste Mal glitt etwas von einem Lächeln über seine Lippen. Womöglich täuschte aber auch nur das Licht. „Hervorragend! Ich denke, unter diesen Voraussetzungen wird sicherlich einer Anstellung nichts widersprechen.“ Der Bibliothekar verdrängte jeglichen Gedanken daran, dass der Römerin durchaus auch noch höhere Wege offen standen, wenn sie erst Mal im Museion angestellt war. Aber die Worte blendeten ihn so gut, dass er über solche Möglichkeiten nicht nachdenken wollte. „Dann Willkommen am Museion. Wann möchtest Du anfangen?“




  • Ich beobachtete den Bibliothekar genau und war verwundert, als er scheinbar zu lächeln begann. Konnte das wirklich war sein, oder bildete ich mir das nur ein? Innerlich schüttelte ich den Kopf und vertrieb so die Gedanken an die Möglichkeit, dass dieser Mann tatsächlich lächeln oder gar Freude empfinden konnte.
    Mein Lächeln war die ganze Zeit über vorhanden und vor allem auch ehrlich gewesen, denn dies gehörte zu den Dingen, die die meisten Menschen doch recht milde stimmten, wenn ich mit ihnen zu tun hatte.

    Ich danke dir. Im Prinzip spricht von meiner Seite her nichts dagegen, unverzüglich zu beginnen. Eigentlich wäre mir das sogar mehr als recht.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    „Wunderbar!“, erwiderte der Bibliothekar, während seine Finger bereits nach der Feder tastete, die er nur kurze Zeit neben sich gelegt hatte. Ein einzelner Tropfen dunkler Tinte hatte sich auf den Schreibtisch verirrt. Frostig starrte der Bibliothekar den kleinen Tropfen an, griff nach einem hellen Tüchlein von einer kleinen, offenen Kiste aus Zedernholz und wischte den Störenfried von seinem Tisch. Erst als der letzte Farbstriemen entfernt war, schien der Bibliothekar zufrieden zu sein, zumindest ließ sein Gesichtsausdruck das erahnen. So faltete er das Tuch, legte es in die Kiste zurück und nickte. „Dann kannst Du von mir aus sofort beginnen. Die Sklaven in meinem Vorraum können Dich einweisen, Dir das Museion und auch die Unterkünfte der Angstellten zeigen. Ich nehme mal an, dass Du auch im Museion leben wirst oder hast Du andere Pläne? Ansonsten gibt es neben Lohn, natürlich freie Kost und Logis. Hast Du sonst noch Fragen?“




  • Ich beobachtete aufmerksam, wie mein Gegenüber den Tintenfleck entfernte und kam zu dem Schluss, dass der Mann eine fast schon bewundernswerte Geduld und Ordentlichkeit an den Tag legte. Wobei sich erstere für meinen Geschmack erst noch ein paar mal öfters zeigen müsste um sie tatsächlich als gegeben akzeptieren zu können.
    Als er dann wieder das Wort an mich richtete, erfüllten die übermittelten Informationen mich mit Zufriedenheit, denn die Tatsache, dass ich als Angestellte auch hier in den Unterkünften des Museions leben konnte, löste auch direkt ein weiteres meiner Probleme hier in Alexandria.

    Wenn schon die Möglichkeit besteht hier im Museion zu leben, werde ich diese gerne wahrnehmen. Das hat auch den Vorteil, dass ich, wenn ich gebraucht werde, schneller hier sein kann und sich damit meine Arbeit um einiges verbessern wird. sagte ich.
    Im Moment habe ich keine weiteren Fragen. Wenn mir noch etwas einfällt, werde ich versuchen, ob sie mir einer der Sklaven oder ein anderer Angestellter beantworten kann. Schliesslich möchte ich nicht mehr von deiner Zeit in Anspruch nehmen, als wirklich notwendig.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Ein zufriedenes Lächeln kräuselte nun gänzlich die Lippen von dem Bibliothekar. Doch es währte nur einen Bruchteil einer Sekunde, offenbarte jedoch genug von seiner Zufriedenheit über die Denkbahnen der Frau vor sich. Zuerst eigenständig die Lösung nach einem Problem suchen, ehe er damit belästigt wurde. „Hervorragend. Dann wende Dich an Hermeios oder Xerxes. Einer von den Beiden wird Dich schon einarbeiten und Dir das Museion, mit Deiner neuen Unterkunft, zeigen.“ Schon wollte er seine Schreibarbeiten aufnehmen als dem Bibliothekar noch etwas einfiel. Er senkte daraufhin noch einmal die Schreibfeder. „In einer Woche spätestens solltest Du eingearbeitet sein und die groben Abläufe hier in meinen Arbeitsräumen und dem Vorraum kennen. Dann wirst Du die Arbeit der Sklaven beaufsichtigen und anleiten. Sie sind immerhin unfrei, Du nicht. Also wirst Du in der Hierarchie natürlicherweise über ihnen stehen. Lasse Dir also nicht von ihnen auf der Nase herum tanzen. Aber auch nicht von den Gelehrten des Museion. Nicht jeder Gelehrte, der sich hier so nennt, hat ein Anrecht darauf sofort zu mir vorgelassen zu werden oder Dich mit seinem Rang zu erpressen. Dann...“ Er zögerte nur einen Augenblick. „willkommen am Museion.“ Damit war für ihn das Thema wohl erledigt, denn seine Feder kratzte erneut über das Pergament.




  • Beinahe hätte ich schmunzeln müssen, doch hielt ich mich zurück, erschien mir dies doch in dieser Situation als weiser. So nickte ich nur leicht.
    Ich werde deine Worte beherzigen. Danke.
    sagte ich und nach einem kurzen Wort des Abschieds machte ich mich auf den Weg in den Vorraum.

  • Theodorus schreitet am Sklaven, den er noch einen wütenden Blick zuwirft vorbei ins Zimmer des Epistates. Am Liebsten hätte er gleich weiter geflucht, aber der Epistates war natürlich eine Respektsperson. Deswegen lässt er sich nichts anmerken und verbeugt sich vor dem höchsten Hüter des Wissens auf Erden.


    "Chaire, Tychios von Chalkis, dein bescheidener Diener Theodoros meldet sich zurück."


    Dann verharrt er in seiner Haltung und wartet gespannt auf die Antwort des Bibliothekars.

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

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    ~~Tychios von Chalkis~~



    Die Fingerspitzen aneinander gelegt, die Ellbogen auf den Schreibtisch abgestützt, saß der Bibliothekar bereits wieder hinter seinem mächtigen Schreibtisch, der eine große Barriere für jeden Besucher darstellte. In den Augen von Tychios spiegelte sich völlige Leidenschaftslosigkeit wieder, eine unangenehme Gleichgültigkeit. Auf seiner steinernen Fassade, die wohl mit den Büsten um sich herum konkurrieren wollte, zeigte sich nur kurz ein Zucken um seinen Mundwinkel als er die Begrüßung von Theodoros vernahm. „Mein bescheidener Diener, Theodoros? Das wäre etwas ganz Neues. Chaire. Nimm doch bitte Platz.“ Seine Fingerspitzen lösten sich voneinander und er zeigte mit seiner pedantisch gepflegten Hand auf den Stuhl ihm gegenüber. „Ich hoffe, Deine Reise war inspirierend? Sicherlich war sie es. Rom soll doch eine höchst, sagen wir, pulsierende Stadt sein. Wenn sie auch fern von Iudaea liegt. Aber was kann ich für Dich tun, Theodoros?“




  • Zwar ein wenig beruhigt, denn er schätzt die Situation so ein, dass der Epistates ihn nur ein wenig ärgern will, Wutausbrüche des alten Herren pflegen nämlich anders auszusehen, aber immer noch vorsichtig, setzt sich Theodorus an den angewiesenen Platz. Die Frage nach der Reise beschließt er, erst einmal auszuklammern. Irgendwie taucht vor seinem inneren Auge nämlich der große rote Schriftzug "Fettnäpfchengefahr" auf.


    "Naja, was ich will... Eigentlich wollte ich mich nur zurück melden und meine Arbeit wieder aufnehmen..."

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    ~~Tychios von Chalkis~~



    Der Stuhl ächzte leise als sich der Epistatos zurück lehnte und seine Arme auf die Lehnen seines 'Thrones', der am Rande mit Goldfarbe bestrichen war, abstützte. Sein beige-weißes Gewand rutschte etwas zurück und offenbarte für einen kurzen Augenblick einen blauen Fleck an seinem rechten Unterarm. Deutlich zeichnete sich dabei die Abdrücke einer Hand ab, doch schon im nächsten Augenblick vermochte das Gewand des Bibliothekars diesen wieder zu verhüllen. „So ist das?“ Gespielt überrascht wanderten die Augenbrauen des Bibliothekars nach oben. Einen Moment musterte Tychios den jüdischen Gelehrten. „Ganz so einfach wird es leider nicht werden, Theodoros. Denn ich habe Dich aus den Listen der Gelehrten streichen lassen.“ Tychios beugte sich zum Schreibtisch vor und tat so als ob er etwas zwischen den Papyri suchen würde. „Wo habe ich es nur? Es muss wohl im Archiv sein...“


    Ein falsches bedauerndes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Aber mir ist vor einigen Monaten eine Liste der Angestellten der Schola von Rom in die Hände gekommen. Dein Name stand ebenfalls darauf. Curator, war das nicht so?“ Theatralisch seufzend lehnte sich Tychios zurück und faltete die Hände vor seinem Bauch. „Auch wenn die Schola gerne dieser Meinung ist, Schola und Museion haben nichts miteinander gemein, auch die Angestellten nicht. Aber sag, was hat Dich nach Rom, statt nach Iudaea getrieben?“




  • Kaum hat der Epistates fertig geredet, meint Theodorus, etwas fassungslos: "Bei allem nötigen Respekt, aber seit wann darf ein Philologos hier nicht mehr frei entscheiden, Wann Wo Was und Wie er forschen will? Und seit wann führt das Zentrum der Gelehrsamkeit der Oikomene "Gelehrtenlisten"?"


    Da fällt ihm erst auf, was wohl das Problem bei der ganzen Sache ist. Nicht, das Theodorus weg war, sondern weil es so ausschaut, als hätte Theodorus mit einer konkurrierenden Einrichtung paktiert. Also macht er sich daran, dieses Missverständnis aufzuklären: "Und ja, ich war in Rom und habe dort einige Zeit lang gearbeitet. Ich habe da auch nie ein Geheimnis draus gemacht, du kannst Dutzende von Philologen fragen, die während der ganzen Zeit in freundschaftlichen Briefverkehr mit mir standen.
    Ich bin dort sämtliche Bibliotheken durchgegangen, habe sogar in einer gearbeitet, was gar nicht so einfach war, denn du glaubst nicht, wie sorglos die Rhomäer mit ihren Bibliotheken umgehen. Und was habe ich dort wohl gemacht? Richtig, ich bin jedes Papyrus, jedes Pergament, jede noch so kleine Kritzelei auf jeder unbedeutenden Wachstafel durchgegangen, ich habe alles, was mir relevant und wichtig erschien, ausgeliehen, kopiert und unverzüglich nach Alexandria geschickt. Das ist das, was ich dort gemacht habe."

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    ~~Tychios von Chalkis~~



    Macht! Das war es, was der Bibliothekar an seiner Stellung so liebte. Die Macht, alle Entscheidungen im Museion wie ein kleiner König treffen zu können. Der alte Praefectus Aegypti hatte niemals in seine Angelegenheiten hinein geredet und der Neue schien sich in Alexandria noch erst einleben zu müssen, um von Tychios kleinem Herrschaftswahn im Museion erfahren zu können. Und in solchen Momenten labte sich Tychios an der Abhängigkeit all jener, die am Museion arbeiteten oder arbeiten wollten. Nur mit Mühe unterdrückte Tychios ein zufriedenes Lächeln als er die Fassungslosigkeit von Theodoros bemerkte, es war ja auch nicht zu übersehen. „So ist das?“, bemerkte Tychios auf die Antwort bezüglich Theodoros Tätigkeit an der Schola. „Und dafür musstest Du Dich dort als Curator einstellen lassen?“ Eine nachdenkliche Falte erschien auf Tychios Stirn. (Er hatte in seiner Jugend lange geübt, diese Falte zum rechten Moment präsentieren zu können.) „Dennoch verkompliziert das alles ein wenig. Es gibt schließlich Bestimmungen...“, was freilich geflunkert war oder mehr 'übertrieben'.


    Tychios sah einen Augenblick aus dem Fenster und betrachtete einen hohen Zitronenbaum, der direkt daneben wuchs und pralle, gelbe Früchte an seinen Zweigen trug. „Aber mir käme ein Gedanke.“ Ein sadonisches Lächeln huschte einen Moment über sein Gesicht und er sah wieder zu Theodoros. „In den nächsten Wochen beginnst Du als Gnorimos. Anschließend, natürlich wenn Deine Arbeit von gewohnter Qualität ist, erhebe ich Dich wieder zum Philologos. Alles andere wäre sicherlich auch den Gelehrten, die stets im Museion weiterhin lehren, gegenüber ungerecht.“ Eigentlich wollte Tychios Theodoros nur ein wenig länger wie einen Fisch auf dem Trockenen zappeln lassen und ihn ein wenig mit dem Angebot demütigen. Denn auch daran erfreute sich Tychios. Denn abgeneigt Theodoros gleich wieder als Philologos einzustellen, war Tychios nicht. Aber zudem wollte er sich auch noch einen Vorteil schaffen, wenn er sich auch noch 'gönnerhaft' zeigen konnte.




  • Jetzt spiegelt sich in Theodorus Gesicht nur noch Fassungslosigkeit wieder. Theodorus als Gnorimos? Das kann doch nicht sein Ernst sein? Alles was Recht ist, aber eine solche Demütigung ist ihm noch nie widerfahren. Epistates hin und her, aber sowas kann er nicht verlangen. Und noch weniger kann Theodorus darauf eingehen. Ruhig und beherrscht antwortet er: "So Leid es mir tut, ich kann absolut nicht erkennen, was das Problem ist, wenn ein Gelehrter aus Alexandria, wenn er zu Gast in einer anderen Polis ist, sich dort auch als Gelehrter verdingt. Wieviele Philologen aus Alexandria wandern in diesem Moment durch die gesamte Oikomene, halten Vorträge auf Agoren und Gymnasien und belehren ahnungslose Passanten in den Stoen? Wieviele Alexandriner sitzen heute in höchsten Stellen in den Schulen von Athen, Pergamon oder Antiochia ohne dass es Irgendwen stören würde? Ich muss gestehen, Epistates, deine Würde in allen Ehren aber ich kann nicht tun, was du von mir verlangst."
    So weh es ihm tun würde, aber zur Not könnte er immer noch nach Rom zurück kehren...

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    ~~Tychios von Chalkis~~



    Und er weidete sich an dieser Fassungslosigkeit. Mit innerlicher, gar schon sadistischer Freude beobachtete Tychios, wie sich diese Emotion an die Oberfläche des Gelehrten vor ihm bahnte und schließlich in den folgenden Sätzen Ausdruck fand. Völlig gelassen faltete Tychios wieder die Hände ineinander und beobachtete Theodoros genaustens. Sicherlich konnte es Tychios gar nicht ausstehen, belehrt zu werden, aber das heimliche Vergnügen, Theodoros derart empört zu sehen, überwog diese Aversion deutlich. Gespielt verstehend nickte Tychios, tippte mit seinen kleinen Fingern aneinander und wartete bis sich Theodoros alles frei von seiner Seele gesprochen hatte.


    „Aber sicherlich ist mir all das bekannt, Theodoros. Mit den meisten dieser Gelehrten und den Leitern der griechischen Akademien stehe ich in einem engen Briefkontakt. Wäre es eine solche noble und hochstehende Institution, dann wäre sicherlich auch kein Problem in dieser Angelegenheit zu finden. Nein, wahrlich nicht. Aber die Schola von Rom? Diese Versammlung vulgärer Menschen, die meinen mit ihrer unzivilisierten Art und Weise sich den Anschein von Kultur und Weisheit zu geben. Das hat mich einfach sehr enttäuscht, Theodoros. Von Dir!“


    Tychios seufzte abermals theatralisch. „Denn ich hatte immer eine ausgesprochen gute Meinung von Dir. Fleißig, strebsam, sehr klug und ein hervorragender Lehrer. Gleichwohl und bedauerlicherweise von etwas anderem Glauben als demMeinigen, aber darüber muss man in heutigen Zeiten nun hinweg sehen. Und mir ist ein Jude immer noch tausendmal lieber als ein Römer, weiß ein Jude doch das Wissen hochstehender Kulturen zu schätzen und sich stets zu benehmen.“ Tychios lächelte nun arrogant und gleichzeitig huldvoll. Ein drittes Seufzen in den wenigen Momenten entfleuchte Tychios Kehle. „Und es ist dieser Respekt, den ich vor Deinen Verdiensten hege, dass es womöglich noch meine Meinung ändern kann.“


    Im Grunde brauchte Tychios wieder mehr Unterstützung im Museion. In den letzten Monaten hatte er derart vielen Gelehrten vor den Kopf gestoßen, dass seine Anhängerschaft immer dünner wurde. So war der letzte Satz natürlich ein allzu deutlicher Wink für Theodoros.




  • Sobald Tychios wieder mit den Rhomäern anfängt, setzt bei Theodorus wieder die Vergeistigung ein. Im intellektuellen Rausreden ist er Weltmeister: "Ich sehe nichts verwerfliches darin, ausgerechnet in der rhomäischen Schola zu arbeiten. Denn auch wenn du Recht haben magst und die Rhomäer Barbaren der übelsten Sorte sein mögen, also weder einen Sinn für Kultur noch für Freiheit haben, so sind sie doch seit Jahrhunderten die Herren über all unsere Poleis, eine Situation, die zwar nicht unbedingt gefällt, aber nunmal gegeben ist. Deshalb muss es unsere Aufgabe als Hellenen sein, dieses italische Barbarenvolk zu erziehen, um das durch ihre Herrschaft entstehende Übel zu mildern. Seit Jahrhunderten widmen sich hellenische Gelehrte dieser Aufgabe mit einigem Erfolg. Die Rhomäer beten unsere Götter an, bauen ihre Städte nach unseren Mustern, ja, die Reichen und Mächtigen sprechen sogar ausschließlich unsere Sprache, lesen unsere Literatur. Von uns übernahmen sie die Sitte eines Basileus und seit es diesen gibt, blühen die Poleis wieder, anstatt durch die Profitgier rhomäischer Stammesführer ausgebeutet zu werden.


    Kurz: Ich trug, indem ich in Rom arbeitete, dazu bei, dieses Volk zu hellenisieren, leistete also einen Verdienst für das Hellenentum." Unnötig zu erwähnen, dass Theodorus der Meinung ist, dafür durchaus Anerkennung verdient zu haben. 8)

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    ~~Tychios von Chalkis~~



    Es war nicht genau die Antwort, die der Bibliothekar erwartet, nein sich erhofft hatte. Doch sein Ausdruck zeugte wenig von der Unzufriedenheit. Stattdessen saß er ruhig in seinem kleinen, etwas protzig vergoldeten Thron. Ausdruckslos betrachtete Tychios sein Gegenüber als jener sprach und ließ sich keine Regung anmerken. Dann schwieg Tychios. Erst eine gewisse Zeit später seufzte er leise auf. „Theodoros, als Rethoriker beweist Du Dich wahrlich meisterhaft. Tatsächlich hast Du es einen Moment lang geschafft, mir glauben zu machen, Du hättest mit Deiner Arbeit an der Schola nicht nur der Welt der Kultur und des Wissens einen Gefallen getan, nein, sogar noch ein großes Opfer erbracht. Beeindruckend, in der Tat!“ Tychios lächelte süffisant. „Natürlich bin ich nicht so leicht zu beeindrucken wie ein rhomäischer Bauerntölpel.“ Natürlich glaubte Tychios, dass alle Römer im Grunde solche Bauerntölpel waren, aber er fand, dass er das nicht extra erwähnen musste, war das doch offensichtlich. „Aber ich will mal nicht so sein. Du bist ein kluger Geist, Theodoros und eine Bereicherung für das Museion. Natürlich kann ich Dich auch wieder sofort einstellen. Insbesondere wenn...“ Tychios sah Theodoros bedeutungsvoll an und verstummte jedoch.





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    ~~Tychios von Chalkis~~



    Solche Momente bargen eine delikate Situation in sich. Natürlich konnte Tychios nicht plump antworten: Wenn Du mich stets unterstützt und meine Angelegenheiten hier im Museion vertrittst. Nein, das wäre zu plump und zu ungehörig. Schließlich musste sich Tychios immer noch den Anschein geben, dass sein Anliegen stets die der Götter und des Wissens war. Nicht, wie es wirklich war, seine Macht zu erhalten oder auszuweiten. Aber zu subtil durfte er nicht vorgehen. Tychios kannte Theodoros immerhin dennoch nur flüchtig und viele Gelehrten neigten zu einer völligen Weltfremdheit, die solche Andeutungen nicht verstanden. „Mir liegt das Wohl des Museion sehr am Herzen. Und dafür unternehme ich viele Anstrengungen. Ich hoffe, Dir liegt es genauso am Herzen.“ Das 'genauso' betonte Tychios und sah Theodoros eindringlich an. „Wenn dem so ist, könnte ich Dich wieder einstellen.“





  • Hätte Theodorus gewusst, was der Epistates tatsächlich vorhatte, er wäre Niemals auf solch eine Erpressung eingegangen. Aber da der alexandrinisch-jüdische Gelehrte bekanntlicherweise zu den naiveren Charakteren dieser Welt gehört, übersieht er den mitschwingenden Unterton des Bibliothekars und meint, aufrichtig verwundert über diese Frage, denn für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, sich um das Wohl des Museions einzusetzen:


    "Du weißt doch, O Epistates, dass mir nichts auf der Welt mehr am Herzen liegt als das Museion und die freie Gelehrsamkeit."


    Im Grunde genommen redete er doch die ganze Zeit von nichts anderem...

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