Triclinium | Gracchus et Crassus

  • In Gedanken versunken betrachtete Gracchus seine Fingernägel, welche Stunden zuvor noch nach einem Bad in durch Wasser verdünnte Milch von seinem Leibsklaven Sciurus waren gefeilt und poliert worden, und ärgerte sich ein klein wenig über die Kante des linken Ringfingers, welche nicht in sanftem Schwung verlief, sondern eine kleine Einkerbung aufwies. Es war ein Malheur gewesen, an welchem niemand geringeres als er selbst die Schuld trug, was ihn darum nur um so mehr indignierte, je länger er darüber sinnierte. Er saß auf einem mit rotfarbenem Leder bezogenen Stuhl im Atrium der Villa Flavia und hatte tatsächlich nichts besseres zu tun, als auf seinen Gast zu warten, denn dieser Tage hatte Gracchus ob der Gegebenheiten tatsächlich nur äußerst wenig zu tun und Dinge zu tun, welche nicht unabdingbar waren, konnte er sich zudem schwerlich nur überwinden. Zudem mochte es zwar dieser Tage als distinguiert gelten, einen Gast warten zu lassen, doch solcherlei Moden degoutierten Gracchus aufs äußerste, weshalb er nicht gewillt war, sich dem zu beugen, sondern in womöglich altmodischer Weise an Traditionen wie Höflichkeit und Gastfreundschaft festhielt. Als darum der Caecilier angekündigt wurde, erhob sich Gracchus, um den Gast noch im Atrium zu empfangen, bevor sie sich weiter in das Triclinium würden begeben. Was auch immer der Praefectus Praetorio durch das Tragen seiner Rüstung hatte bewirken wollen, in Gracchus' Fall führte es dazu, dass der ohnehin schon überaus reservierte Patrizier sich noch ein wenig mehr versteifte. Dennoch trat er mit freundlicher Miene auf den Praetorianer zu, um ihn zu begrüßen.
    "Salve, Caecilius! Ich bin äußerst erfreut, dich in der Villa Flavia begrüßen zu dürfen, und hoffe doch sehr, es bereitete dir nicht allzu viele Schwierigkeiten, ein wenig Zeit für dieses Mahl freizuschaffen, denn sicherlich hat die praetorianische Garde auch in Abwesenheit des Imperators eine Menge Aufgaben."
    Natürlich war dies nur eine reine Floskel der Höflichkeit, denn Gracchus hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht, was die praetorianische Garde in Abwesenheit des Imperators in Rom tat und er wollte dies auch nicht, da er es nicht einmal ansatzweise wollte wissen, da dies nur zu unnötiger Beklommenheit konnte führen. Es war nicht unbedingt, dass Gracchus Furcht verspürte in Anwesenheit der kaiserlichen Garde, doch in diesen Augenblicken fühlte er sich ertappt, ohne genau zu wissen, wobei.

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  • Senatoren trugen als Zeichen ihres Standes ihren obligatorischen Fingerring, ihre roten Sandalen und hatten einen breiten Streifen auf ihren togae. Ritter trugen ebenfalls einen Ring, hatten aber nur einen schmaleren Streifen. Crassus hätte ebenso die Kleidung tragen können, die seines Standes entspricht. Doch im Gegensatz zu den hunderten Senatoren und tausenden Rittern, gab es nur zwei Prätorianerpraefekte - und davon war nur einer in Rom. Aus genau diesem Grund trug Crassus seine Rüstung: er wollte seine exponierte Stellung im Reich und seine Rolle in Rom hervorheben. Nicht zu letzt, damit auch niemand vergessen würde, wer er da gegenüber hatte.


    Flavius, es ist mir eine außerordentliche Freude Gast in dieser Villa sein zu dürfen. Die Aufgaben der Garde haben es mir nicht gerade leicht gemacht, doch meine Sekretäre verstehen etwas von ihrem Handwerk und haben alle Termine verschoben bekommen, sodass mich heute Abend gar kein Zeitdruck treiben soll und ich den Abend in vollen Zügen genießen kann.


    Wahrscheinlich, so dachte Crassus, konnten sich die meisten Menschen gar nicht vorstellen, was man als Prätorianerpraefect so alles zu tun hatte. Da war das Kommando über die Kohorten fast nur schmückendes Beizeug....

  • An seinem augenscheinlich außerordentlich großen Glück konnte Gracchus sich nicht unbedingt gütlich tun, zu schwer ließ die prächtige Rüstung darüber hinweg sehen, wer in seinem Atrium stand, gleichsam intensivierte dies nur sein Ansinnen, würde er dies doch kaum je vergessen können.
    "Um so mehr ist es eine Ehre, dich empfangen zu dürfen, vor allem da die Klärung jenes deplorablen Zwischenfalles doch bereits zu lange auf sich warten ließ."
    Damit waren der höflichen Floskeln denn vorerst genüge getan, so dass Gracchus den Caecilier ins Triclinium hinüber führte. Der Raum war für diesen Besuch nicht extra hergerichtet worden, wie manches mal bei besonderen Anlässen der Fall, denn das flavische Triclinium strahlte auch alltäglich bereits eine harmonische Atmosphäre aus, welche in dezenten, subliminalen Akzenten auf die Noblesse und den Wohlstand der Bewohner hinwies - es sei denn, man betrat es an einem sogenannten 'Spinat und Gersten-Tag', an welchem der junge Serenus dazu neigte, entgegen jeglicher Noblesse sowohl Spinat, als auch Gerstenbrei mehr über den Tisch zu verteilen, denn seinem Magen zuzuführen, woran sich jedoch wiederum kaum einen der übrigen Bewohner des Hauses störte, da es an solcherlei Tagen üblich war, außer Haus zu soupieren oder sich ob der enormen Fülle der Aufgaben wegen eine Kleinigkeit im eigenen Arbeitszimmer anreichen zu lassen. Ein solcher Tag jedoch war dieser Tage fern, so dass nichts das gehobene Ambiente störte. Gracchus wies seinem Gast den locus praetorius zu und nahm selbst summus in imo Platz. Sogleich eilten zwei Sklaven heran, um ihre Füße von Stiefeln und Sandalen zu befreien, zwei weitere brachten silberne Schüsseln mit warmem Wasser zum Reinigen der Hände, während ein schmaler Bursche aus einer Kanne verdünnten Wein in die grünfarbenen Gläser goss. Es war nicht einer der besten Weine, welche der Keller des Flavius Felix bot, doch gab es gleichsam in diesem Keller keinen Wein, welcher in geringerer als äußerst delektabeler Weise die Kehle hinab floss. Gracchus hob sein Glas, um den Abend einzuleiten.
    "Auf den Genius des römischen Volkes!"
    Während er das Glas mit der Linken hob, wies es mit der Rechten auf eine bronzene Figurine in der Mitte des Tisches, welche einen Jüngling mit Füllhorn in der einen und Szepter in der anderen Hand, mit lockigem, gesenkten Haupt und um die Hüften drapiertem Gewand darstellte, und goss sodann einen kleinen Schluck des Getränkes in eine flache Schale, welche vor dem Genius stand.

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  • Gerne ließ sich Crassus, nachdem die Begrüßungsfloskeln ausgetauscht waren, von dem Gastgeber in das Triclinium führen. Da Crassus erst vor wenigen Wochen das letzte mal hier gewesen war, hatte sich auch nur entsprechend wenig geändert: die Einrichtung war immernoch stilvoll eingerichtet und ließ kaum einen Zweifel an der Vergangenheit dieser Familie. Und wenn man das erste mal hier Gast gewesen wäre und nicht täglich auf dem Palatin verkehren würde, hätte man sicherlich ab und zu gestaunt, wenn man die Detailverliebtheit, die an manchen Stellen sehr gut zu Geltung kam, bemerkte. Doch da beides bei Crassus der Fall, blieb ihm nicht viel mehr als in Gedanken festzustellen, dass die Flavier nicht großflächig renoviert oder sich neu eingerichtet haben.


    Im Triclinium angekommen nahm Crassus auf dem Ehrenplatz platz und tat es nach Erhalt des Bechers dem Gastgeber gleich:


    Auf den Genius Populi Romani et Augusti.


    fügte Crassus noch hinzu. Als Praefectus Praetorio und gerade in der Abwesenheit des Kaisers war es sicherlich besser, wenn man absolut gar keinen Zwefeil an der Loyalität aufkommen ließ. Es soll ja Leute gegeben haben, die extra nach solchen Zeichen suchen, um sie dann sonstwie zu interpretieren und zu verbreiten.

  • Nachdem er auch selbst einen Schluck des Weines genossen hatte, lehnte sich Gracchus zurück und versuchte, eine einigermaßen entspannte Haltung einzunehmen, doch nicht nur der Anblick seines Gegenübers wusste dies zu verhindern, auch waren es die Belange des Abends, welche Gracchus bereits schwer auf dem Magen lagen, ohne dass er diesem überhaupt etwas hatte zugeführt. Ein schmaler, drahtiger junger Bursche mit blondem Haar, hellen Augen und kantigem Gesicht stellte sich neben Crassus, um ihm während des Mahls alle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ihm die Speisen anzureichen und Wein nachzuschenken, sofern dies notwendig und gewünscht war, und Gracchus stellte sich bei seinem Anblick die Frage, ob wohl Sciurus für jene kleine Auflockerung der ansonsten ihm so drückend erscheinenden Atmosphäre hatte Sorge getragen, oder ob dies gar ein Sklave aus dem privaten Besitz des Caeciliers war, war ihm dieses Gesicht doch bisherig in der Villa noch nicht aufgefallen, was sicherlich wäre der Fall gewesen, wenn der junge Mann schon des längeren im Haushalt hätte verweilt. Weitere Sklaven traten ein und brachten die Vorspeise heran, mit pikant gewürztem Käse gefüllte Riesenchampignons und kleine Spießchen vom Lamm mit Salbeiblättern ummäntelt, dazu das obligatorische Fladenbrot und einige Tunken.
    "Meine Schwester Minervina berichtete nicht sonderlich viel über die Geschehnisse in Hispania, gleichsam drängte ich sie nicht, waren doch vermutlich jene allein der Leichtigkeit ihres Seins bereits genügend abträglich. Dennoch würde ich gerne wissen, wie diese Banditen dazu kamen, ihre Forderungen dem Praefectus Praetorio zu stellen, anstatt diese, wie doch sonst bei solcherlei eher üblich, der Familie gegenüber zu äußern."
    Viele plausible Möglichkeiten schossen ihm hierfür durch den Sinn, gleichwohl wie nur eine einzige zufriedenstellend war, doch äußerte er nicht eine einzige davon, war ihm doch nicht nur an Eruierung der Wahrheit gelegen, sondern gleichsam auch an Eruierung der Wahrheitstreue.

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  • Crassus konnte es sich nicht verkneiffen den ein oder anderen neugierigen Blick auf die Platten zu werfen, die gerade von einigen Sklaven zu Tisch gebracht wurden. Großen Hunger hatte er zwar nicht, denn er aß meistens vor solch einem Abendessen schon etwas zu Hause, um dann bei dem Mahl nicht allzu verfressen zu wirken, doch bekanntlich kam ja auch der richtige Hunger erst beim Essen selber. Wenn die Speisen dann aber auch noch ansprechend angerichtet und kunstvoll verziert waren, so beschleunigte das den Effekt natürlich ungemein.
    Eine gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. begann Crassus wahrheitsgemäß und machte eine kurze Pause. Denn zu dem Zeitpunkt der Entführung von Minervina hatte er sie ja gerade mal ein paar Tage gekannt und erst einmal gesehen oder zumindest bewusst getroffen. Da müssten die Entführer ja bessere Spione als die Prätorianer haben, um davon schon etwas mitbekommen zu haben. Wenn die Entführung heute stattgefunden hätte und die Entführer sich heute an Crassus gewendet hätten, wäre die Begründung dafür natürlich offensichtlich.


    Und leider habe ich keine endgültige Lösung gefunden. Ich kann mir nur verschiedene Modelle vorstellen, warum sie sich ausgerechnet an mich gewendet haben: zum einen, weil die Entführer vielleicht ihr Versteck in Spanien hatten. Und da sie gehört haben, dass ich mit einigen Kohorten auf den Weg nach Spanien bin, dachten sie sich schon, dass ich auch ein entsprechendes Vermögen bei mir habe. Sie haben sich in diesem Fall also nur an mich gewendet, weil ich in der Nähe war - bis das Geld von den Flaviern aus Rom gekommen wäre, wären sie ja grün geworden - und vermögend genug erschien. Und wahrscheinlich weil sie sich dachten, dass ich es mir kaum entgehen lassen würde, eine Patrizerin aus den Fängen von Barbaren zu befreien.


    Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Becher, während er mit der anderen Hand eine abfällige Handbewegung machte, die diesen Gedanken, den vielleicht die Barbaren hatten, ins Lächerliche ziehen sollte. Ganz abwägig war er zwar sicherlich nicht, aber es war ja schließlich die Frage warum sich die Entführer an Crassus wendeten und nicht warum Crassus gezahlt hat.
    Er machte eine kurze Pause und wartete mit seinen anderen Vorstellungen einen Moment, um den Gastgeber die Gelegenheit zu geben etwas zu erwidern.


    (Edit: Zusatz.)

  • Während der Caecilier seine Ansicht Kund tat, goutierte Gracchus ein Lammspießchen, ließ sich das zarte Fleisch auf der Zunge zergehen und nahm gleichsam en passant wahr, dass der Gast nur äußerst zögerlich sich den Speisen widmete. Schlussendlich nickte Gracchus, es drängte ihn jene eine Frage, welche er sich bereits seit dem Zeitpunkt gestellt hatte, seit Minervina aus Hispania zurück gekehrt und ihm die Wahrheit berichtet hatte, doch er schluckte sie mit einem Schluck Wein die Kehle hinab, um vorerst endlich den wahrhaft indelikaten Part des Abends hinter sich zu bringen.
    "Lassen wir so denn die uns ohnehin unzugängliche Frage nach der Motivation der Entführer bei Seite. Ohne Zweifel stehen wir Flavia, insbesondere der Zweig meiner eigenen Familie, tief in deiner Schuld für das, was du für meine Schwester getan hast. Es zeugt nicht von guten Manieren beim Soupieren über Geld zu sprechen, darum möchte ich dies vermeiden, so fern es möglich ist. Dennoch ist es gleichsam eine Notwendigkeit, unsere Schuldigkeit zu nivellieren und die entstandenen Abnormitäten im Gefüge unserer Familie zu egalisieren, darum möchte ich dich bitten, nur den Betrag zu notieren, alles weitere soll nicht heute unsere Sorge sein."
    Wie beiläufig wies Gracchus auf eine geschlossene Wachstafel aus dunklem Holz mit filigranen silbernen Beschlägen.

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  • Während der Gastgeber zu seiner Antwort ansetzte und sie formulierte, ließ sich Crassus ein Lammfleisch-Salbei-Spieß reichen. Umständlich nahm er ihn dem Sklaven ab und mindestens ebenso langsam wie umständlich verzerrte er ihn. Dabei spülte er immer wieder den Bissen mit einem Schluck Wein hinunter. Nicht etwa, weil das Essen so ungenießbar war, sondern einfach nur weil Crassus den Fleischgeschmack sogerne mit dem Geschmack eines guten Weins besser zur Geltung brachte. Als Crassus so beim letzten Bissen angelangt war, wechselte der Flavier das Thema. Offenbar wollte er die anderen möglichen Modelle, die ja auch nur Spekulation waren, nicht hören. Wahrscheinlich, so dachte Crassus, war er ja eh schon auf die gleichen Möglichkeiten gekommen und konnte sich deshalb ihre Vorstellung sparen. Er ließ sich seinen Becher neu füllen und nutzte die Zeit um über seine Reaktion zu dem neuen Gesprächsthema nachzudenken.
    Einfach die wirkliche Summe der Unkosten hinschreiben wollte Crassus nicht. Das war unter seiner Würde und er wollte sich das auch nicht nachsagen lassen. Sein nächster Gedanke war, dass er einfach sagen würde, dass die Flavier ihm nicht mehr als ehrlich gemeinte Dankbarkeit schuldig waren. Doch das hätte der Flavier sicherlich nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich hätte der Flavier sich das immer nachsagen lassen müssen. Als drittes blieb noch eine Summe, die irgendwo da zwischen lag und für beide annehmbar war. Und dann war da ja noch eine vierte Möglichkeit....
    Auch wenn wir die Frage erledigt haben, mit welcher Motivation sich die Entführer an mich gewendet haben, so möchte ich deinem Wunsch nach Nivellierung mit einer Antwort auf eine andere Frage folgen. Nämlich mit der Frage, warum ich ausgerechnet für eine fast wildfremde Frau eine nicht unbeträchtliche Summe gezahlt habe.
    Es wird für dich kein Geheimnis sein, doch Minervina ist für mich weit mehr als nur irgendeine unbekannte Patrizerin. Ich denke sie hat dir schon über ihre Gefühle erzählt und du kannst sicher sein, dass meine genau die gleichen sind. Nun bin ich aber auch nicht irgendein verträumter Bauerntölpel und weiß deshalb genau, dass Liebe für eine Ehe keine Vorraussetzung ist. Doch wäre es für dich, als ihr Bruder, nicht auch akzeptabel, wenn die Forderung nach politischer wie militärischer Macht erfüllt, ja sogar übertroffen wird, der fehlende Stand allerdings durch eine glückliche Ehe, und damit auch glückliche Schwester, ausgeglichen würde? Ich denke wenn du das ähnlich siehst werden wir die Unkosten bald ausgeglichen haben, da gibt es ja dann vielfache Möglichkeiten.

  • Ein Stück Pilz wanderte gerade auf Gracchus' Mund zu, wurde jedoch auf halbem Wege gestoppt als jener seine Hand sinken ließ. Gleichzeitige unbedingte Aufmerksamkeit auf zweierlei äußerst gewichtige Angelegenheiten gehörte nicht unbedingt zu seinen Stärken, und wie das Gespräch seine vollste Konzentration forderte, so hielt Gracchus wenig vom beiläufigen Speisen, forderten kulinarische Genüsse doch die gänzliche Hinwendung aller Sinne, um sie gebührend zu delektieren.
    "So habe ich dich denn falsch eingeschätzt, Caecilius. Ich hing tatsächlich der irrigen Annahme an, du wärst ein Römer von tugendhafter, pflichtbewusster Couleur, ein Praefectus, welcher gleichsam sein Leben dem Imperator schuldet, doch darüber hinaus nicht vergisst, wofür unser Kaiser steht und wofür er lebt. Doch, so denn deine Tat letztlich deinen eigenen Interessen folgte, so mag ich mich darob äußerst glücklich schätzen, dass dein Interesse an meiner Schwester groß ist, da sie diesem Umstand wohl ihr Leben verdankt. Gleichsam muss ich deine Hoffnungen enttäuschen, denn eine Flavia ist nicht käuflich."
    Obgleich ihn das Gespräch mit seinem Vetter Aquilius durchaus hatte auf alle Eventualitäten vorbereitet, so dass Gracchus längst seine Dysphorie ob jener prekären Sachlage hatte überwunden, so verspürte er doch ein gewisses Maß an Indignation ob dieser unverblümt insolenten Invektive des Caeciliers. Doch er ließ sich dies nicht anmerken und fuhr in gelassener Weise fort.
    "Was den übrigen Sachverhalt betrifft, so muss vermutlich ich mich wohl bei dir für das Verhalten meiner Schwester exkulpieren. Minervina kehrte erst vor nicht allzu langer Zeit aus Aegyptus heim nach Rom, seit dem Tode unserer Mutter lebte sie dort in, nun, sagen wir größtmöglicher Freiheit, welche eine junge Frau von ihrem Stande erlangen kann, und welche sie diesen Stand und seine Verpflichtungen durchaus manches Mal vergessen lässt. Sie ist eine junge Frau, welche Schwärmereien folgt wie ein Schmetterling dem Duft einer Blume. Doch nachdem der Falter sich zur Genüge am Nektar goutiert hat, verlässt er die Blume, Caecilius, und es schert ihn mit keinem Gedanken, wenn das Gewächs zu welken beginnt."
    Für einen Moment wurde Gracchus' Blick abgelenkt zu dem blonden Sklaven, welcher dem Gast Wein nachschenkt, folgte den schlanken, langen Fingern, die fest um den Griff der Kanne gelegt waren, über die dünnen, beinah knochigen Arme bis hinauf in das attraktive Gesicht, welches augenscheinlich in Zwist stand mit sich selbst, unsicher, ob es noch zu einem jungen Knaben oder schon zu einem reifen Manne gehören mochte, und blieb schlussendlich auf den schmalen Lippen liegen, die in Konzentration fest zusammen gekniffen waren. Unwillkürlich schluckte Gracchus die Trockenheit in seiner Kehle hinab, griff zu seinem Weinglas, um die Ödnis zu löschen, bevor er sich selbst dessen erinnerte, wessen er den Caecilier zu assekurieren suchte.
    "Minervina entstammt einem Kaisergeschlecht. Glück findet sich in diesem Stande selten in einer Ehe, Liebe noch viel seltener. Ich will ehrlich zu dir sein, Caecilius, du kannst nicht annähernd den Forderungen gerecht werden, welche sie an eine favorable Verbindung stellt. Dass du in Rom bist, während unser Kaiser in Parthia ficht, mag dabei noch als unbedeutend gelten, doch trotz allem bist du an ihn gebunden. Du magst derzeit ein hohes und durchaus nicht unbedeutendes Amt inne haben, doch dies genügt nicht. Eine Scheidung ist mehr nur als ein Ärgernis, darum werden flavische Ehen antizipierend geplant und vollzogen. Deine Zukunft ist so ungewiss wie der Wurf eines Würfels, er kann italia zeigen oder auch i, die Würfel können morgen fallen oder erst in Jahrzehnten. Minervina mag noch Gefallen finden an diesem Spiel, doch ist sie sich ihrer Pflichten bewusst, ihre Verbindung mit einem standesgemäßen Gatten ist bereits in Planung, nicht aus Zwang, sondern aus freien Stücken, denn immerhin ist sie sui iuris, so dass letztlich nur ihre eigene Entscheidung zählt."
    Natürlich zählte in keiner Ehe solcherlei Art und Weise nur die eigene Entscheidung, doch dies war ein Sachverhalt, welchen Gracchus nicht mit seinem Gast zu erörtern gedachte, da solcherlei in Familien, welche nicht diesen Zwängen und Pflichten unterlagen, zumeist ohnehin kaum nachvollzogen werden konnte, nur auf Unverständnis stieß und bisweilen zu despektierlicher Desavouierung führte.

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  • Du missverstehst mich, Flavius. Ich sagte bereits vorher, als du mich nach den möglichen Motiven der Entführer gefragt hast, warum sich die Entführer an mich gewendet haben, dass ich es nicht getan habe, damit mir die Flavier in irgendeiner Weise etwas schuldig sind. Und das hat sich inzwischen auch nicht geändert. Du solltest meine Worte von eben nicht gleich so in eine Richtung lenken, so bekommst du sie ja doch nur in den falschen Hals - auch wenn du nur einen hast.
    Ich wollte deine Schwester mit diesem Angebot nicht kaufen, sondern auf die vielfachen Möglichkeiten hinweisen, die es dann geben würde. Wie du auch nur an etwas anderes denken kannst, ist für mich völlig Unverständlich! Nur um ein Beispiel für diese vielfachen Möglichkeiten zu nennen: die Flavier zahlen mir einen kleinen Betrag für einen Teil meiner Unkosten den ich hatte - immerhin musste ich meine Stretkräfte halbieren und den einen Teil ohne weitere Hilfe in feindlich besetztes spanisches Land befehligen - und beteiligen sich dafür mit einem etwas größeren Betrag an der Hochzeitsfeier. Du musst verstehen, ich bin ein Mann von Ehre, ich lasse mir von dir nicht meine Tugendhaftigkeit abschwätzen. Und eben diese Ehre verbietet es mir, von euch Flaviern diese Summe so zu kassieren. Wenn es nach mir ginge, so brauchst du mir nicht ein As erstatten, doch da wirst du ja nicht machen - davon gehe ich zumindest aus wenn du ein Mann von Ehre bist. Deshalb mein Vorschlag, der in keinsterweise als irgendein Kaufangebot angesehen werden möchte. Ich weiß wo ich mich befinde und dass ich hier nicht in irgendeinem Bordell bin.


    Nach dem ganzen Redeschwall nahm Crassus erst einmal einen Schluck aus seinem Weinbecher. Da der Flavier noch ein paar weitere Punkte ansprach, die Crassus so nicht auf sich sitzen lassen konnte, fuhr er auch direkt nach dem Schluck fort:


    Wirklich interessant. mehr fiel Crassus aber nicht ein und es folgte noch ein schneller Schluck, um die Pause nicht so hilflos aussehen zu lassen. Wenn sich Crassus recht erinnerte, dann hatte Minervina ihm doch in einem Brief mal geschrieben, dass Gracchus mit ihm sogar leben könnte, auch wenn es nicht seine liebste Lösung wäre. Die Zukunft von jedem und allem ist ungewiss, Flavius. Deine ebenso wie meine. Du meinst, nur weil man auf eine lange Vergangenheit zurückschauen kann, kann man auch besser auf die Zukunft schließen? Dann frage ich mich, wie ein Vincius, dessen Familie lange keine so prächtige Vergangenheit wie ein anderer Patrizier hat, trotzdem der derzeit mächtigste Senator ist - zumindest wird er im Volk so gesehen? Oder warum so wenige Patrizier im Senat aktiv sind.
    Sag mir, warum erfülle ich diese Vorraussetzungen nicht oder, ander gesagt, was sind diese Vorraussetzungen? Mir als Plebejer fallen da nur zwei, drei ein. Der Stand. Gut, ich bin ein Plebejer, aber dafür der mit dem höchsten Amt. Dann noch politische Macht. Diese habe ich derzeit zweifellos. Du meinst, irgendwann, wenn ich nicht mehr dieses Amt ausüben werde, hätte ich diese nicht mehr? Wenn du eine Gegenfrage erlaubst: Nenne mir doch einen Patrizier, der ohne Amt noch wirkliche Macht hat? Und als letztes wahrscheinlich wirtschaftlicher Erfolg. Den habe ich... und den werde ich dank meiner Betriebe und Ländereien auch noch haben, wenn ich nicht mehr der erste Praefect im Imperium bin.


    Versteh mich nicht falsch, ich möchte dich und deinen Stand nicht beleidigen, doch für mich als Plebejer scheint es offenbar nicht so leicht verständlich zu sein...

  • "Das Angebot bleibt ein Kauf, selbst wenn du den Preis halbierst. Und so du dich für die anatomischen Gegebenheiten meiner Kehle interessierst, so kann ich dir sagen, dass mir nicht gefällt, wie du von einer Ehe mit meiner Schwester sprichst als hättest du sie bereits eingekauft. Die Flavia Romulus hat keine Schulden, und so lange ich die Verwaltung des Vermögens dieser Familie inne habe, wird es auch nicht dazu kommen. Entstandene Rückstände begleichen wir in Münzen, nicht durch Gefälligkeiten, nicht durch vielfache Möglichkeiten und nicht durch Ehegelöbnisse samt erhöhter Mitgift. Ganz davon abgesehen, dass meine Schwester ohnehin nur diese törichte Reise unternahm, da sie etwas auf die Idee gebracht hatte, was du ihr sagtest, doch die Torheit meiner Schwester muss nicht deine Sorge sein. Ich habe auf deine Einsicht gehofft, Praefectus, doch so du diese nicht zeigen willst, werde ich den Nennwert des Betrages meiner Schwester abringen müssen, ich bin sicher, sie weiß darum, denn sie ist eitel genug, um den Wert ihrer Person kennen zu wollen."
    Nachdem die Sklaven die ersten Teller und Platten hatten abgeräumt, folgte nun der Hauptgang, ein auf säuerlichem Lauch gebetteter Hase, welchem man nach dem Braten den unversehrten Kopf hatte vorgelegt, so dass sich nun ein Bild ergab, als hätte das Tier seinen Pelz abgelegt, um sich in erfolgreicher Weise zu Sonnen. Der zuständige Sklave ließ einen Augenblick verstreichen, um den Herren die Gelegenheit zu geben, das Werk angemessen zu betrachten, sodann zerteilte er das Fleisch, um es vorzulegen. Gracchus lehnte sich auf der Kline zurück und wartete, bis der Sklave sich entfernt hatte.
    "Die Vergangenheit der Flavia reicht nicht lange zurück, Caecilius, doch sie ist bedeutend. Und damit ist deine Frage bezüglich des Vinicius bereits beantwortet. Es geht hierbei nicht um Plebeier oder Patrizier, dies ist eine Geschichte, welche wir doch schon seit Langem hinter uns gelassen haben sollten. Meine eigene Familie beansprucht nicht die Wurzeln des Romulus - abgesehen von jenen meines Großvaters, welcher eben falls diesen Namen trug - oder gar des Anaeas, sie beansprucht nicht einmal römische Wurzeln, denn wir wissen, woher wir kommen. Und dennoch fließt in Minervinas Blut das Erbe einer kaiserlichen Dynastie und dies verbietet es, sie einem Gatten an die Seite zu stellen, auf dass dieser sich mit ihrer Herkunft schmücken kann, einem Mann, dessen politische Macht dann gegeben ist, wenn er anfängt, wie Aelius Seianus Senatoren aus ihren Häusern zu zerren und ob Hochverrates wegen exekutieren zu lassen. Dein Amt selbst ist es, welches dich disqualifiziert, Caecilius, und all das, was damit verbunden ist."

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  • Kopfschüttelnd griff Crassus zu dem Wachstäfelchen. Offenbar war der Flavier so damit beschäftigt, möglichst kompliziert zu klingen, dass er das Zuhören vergessen hatte. Mit einer lässigen Handbewegung schnippte Crassus das Täfelchen auf. Er griff zu dem Griffel, der sicherlich auch dort irgendwo gelegen hatte, und kritztelte zwei Bogen drauf



    CC


    Danach klappte er die Tafel wieder zusammen und legte sie auf den Platz, wo sie auch schon vorher gelegen war.


    Du hofftest auf meine Einsicht und bist doch verwundert, dass ich sie dir nicht entgegen bringen kann? Ich weiß ja nicht ob du dich in meine Situation versetzen kannst, doch wenn ich neulich noch von deiner Schwester ihr Wort zu einer Hochzeit bekommen hatte und nun du, als ihr Bruder, ohne Gewalt über sie, diese Verlobung lösen möchtest, ja, doch, dann wärst du sicherlich auch nicht ganz so verständnisvoll oder einsichtig.


    Der neue Gang, der hereingebracht wurde, fand bei Crassus kaum bis gar keine Beachtung. Viel mehr als ein kurzer Blick erntete der kunstvoll hergerichtete Hase nicht.


    Ach, das war mir neu, dass für manche die Vertretung des Imperators, was ja auch politische Macht vermittelt, nur dann gegeben ist, wenn ich Senatoren aus ihren Häusern zerren lasse um sie dann zu Exekutieren. Oder dass ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Rittern und Senatoren nicht auch dazu gehört, ebenso wie ein Sitz in jedem wichtigen Gremium des Reiches. Davon, dass der Imperator von mir zu fast jeder wichtigen Entscheidung meine Meinung hören möchte, möchte ich ja kaum sprechen. Aber das alles disqualifiziert mich ja. Schade, dass Aurelius Cicero bei seinem Aufstand umgekommen ist oder, dass ich Strabo und Sulla zum Tode verurteilt habe sie würden diese Kritierien ja alle nicht erfüllen, dürften also entsprechend passender sein.


    Trotzig nahm Crassus den nächsten Schluck Wein. Also alles ließ er sich auch nicht gefallen und um so etwas vorzubeugen, hatte er eigentlich immer seine Rüstung angehabt. Offenbar nicht immer mit Erfolg.

  • Ohne darauf zu achten, was der Caecilier in das weiche Wachs der Tafel ritzte, goutierte Gracchus derweil ein zartes und äußerst delikates Filetstück des würzigen Hasen. Erst als Crassus den Griffel bei Seite gelegt hatte und von Eheversprechen und Lösung einer Verlobung sprach, blieb ihm ein Stück eben dieser überaus köstlichen Speise beinahe im Halse stecken, welcher es augenscheinlich an diesem Abend ohnehin nicht leicht hatte. Aquilius hatte so denn Recht behalten, Minervina hatte ihr Wort ein weiteres Mal gebrochen, hatte sich ihren Schwärmereien hingegeben wie eine Lupa dem zahlungskräftigen Kunden, ohne einen einzigen Gedanken an die Folgen zu verschwenden. Obgleich Gracchus auf das Schlimmste war vorbereitet gewesen - so hatte er bisweilen geglaubt - presste er nun seine Kiefer aufeinander, bis dass ein leichter Schmerz in seinem Backenzahn aufbrandete, gleichsam erbebten seine Nasenflügel in sublimer Weise. Er war ein äußerst konzilianter Mensch, vor allem und insbesondere gegenüber seiner Familie, doch jede Bonhomie hatte ihre Grenzen. Mühevoll schob er die aufkommende Wut und Frustration in eine der hintersten Schubladen in einem Kellerraum seines Gedankengebäudes zurück, denn nicht dem Caecililer galt dies, so dass es kaum angebracht war, es ihm angedeihen zu lassen. Viel eher galt es die Contenance zu wahren und den entstandenen Schaden zu begrenzen.
    "Nun, wie ich bereits erwähnte, Minervina weiß, dass sie eine Flavia ist, und als Flavia wird sie eine solche Ehe nicht eingehen. Es ist wahrhaft deplorabel, dass ihre jugendlichen, und sicherlich auch durch ihre Herkunft genährten Allüren zu deinen Lasten gehen, und ich möchte mich darob noch einmal hierfür exkulpieren."
    In unbewusster Manier schob Gracchus seinen noch immer halb gefüllten Teller ein wenig zur Tischmitte hin, da ihm der Appetit vergangen war. In einem Anflug von Larmoyanz sehnte er sich in diesem Augenblick tatsächlich nach der Anwesenheit seines Vaters, denn es war ihm bewusst, dass Minervina nicht nur ihren eigenen Kopf hatte, sondern zudem auch kein Impediment sie von ihren Entscheidungen würde abhalten können. Gleichsam jedoch stand noch immer die Familie über dem Recht und würde sie bis zum Äußersten gehen, so würde er selbst zwischen den Stühlen stehen, doch bereits wissend, auf welchem er würde Platz nehmen. Dennoch glaubte er fest daran, dass seine Schwester würde Vernunft annehmen. Mit halber Aufmerksamkeit nur lauschte Gracchus den Worten des Praefectus, der Enumeration seiner Machtbefugnisse, Einflussbereiche und Erfolge. Es verwunderte kaum, dass ein Mann, welcher auf der Kopfseite der praetorianischen Münze stand, die Kehrseite der Medaille nicht konnte sehen, dennoch erstaunte es Gracchus ein wenig, wie Caecilius dies zu Betonen und sich selbst darzustellen wusste, so als könne dies alles tatsächlich in Vergessenheit geraten im Angesichte seiner überaus signifikanten Rüstung. Wie er dies tat und in welcher Weise, wurde Gracchus nur einmal mehr bewusst, dass dieser Mann niemals konnte sein Schwager werden.

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  • Aber zumindest schien sie es noch nicht immer zu wissen, zumindest als sie mich das letzte mal gesehen hatte und mir ihr Wort gab. Das war ja noch nicht so lange her... achja, genau, während du außerhalb Roms verweilt hast. Ach, wenn ich das dann richtig sehe, befindet sie sich nun wieder in Rom? Denn sie ging ja nach Ägypten während du nicht hier warst und wenn du dir der Sache so bist, lässt das ja keinen anderen Schluß zu. Wann ist sie denn wieder hier angekommen?


    Nun ließ sich auch Crassus ein Stück von dem Hasen geben. Gemeinsam mit einem Stück Fladenbrot, welches er in Olivenöl getunkt hatte, aß er es nachdenklich und dementsprechen auch langsam. Irgendwie verstand er gerade nicht so ganz um was es eigentlich genau ging. Minervina hatte ihm doch versichert gehabt, dass ihr Bruder mit einer Hochzeit einverstanden wäre, zwar nicht gerade sonderlich glücklich, aber zumindest damit leben könnte. Ob Crassus wohl hier in dem Gespräch so plötzlich Gracchus' Meinung geändert hatte? Eher nicht, der Flavier hatte es darauf angesetzt unbedingt etwas unpassendes an Crassus zu finden. Erst die absichtliche Fehlinterpretation von seiner Ausgleichszahlung, dann die Provokation bezüglich seines Amtes. Da hätte Crassus jeweils antworten können was er wollte, fand er, es hätte ja doch nichts geändert. Entweder hätte der Flavier die nächste Provokation und damit Falle gestellt oder eben das Gesagte ebenfalls absichtlich missinterpretiert. Noch darüber weiter nachgrübelnd griff er zum nächsten Stückchen.

  • Das Aufeinanderpressen Gracchus' Kiefer war alsbald nun auch äußerlich sichtbar, da Muskeln und Sehnen sich unter seinen Wangen anspannten, während er sich im Stillen fragte, was genau sich seine Schwester tatsächlich bei all dem hatte gedacht, ob überhaupt sie noch dabei gedacht hatte. Er würde die Intentionen der Frauen kaum jemals verstehen, doch er konnte Minervinas törichte Lügen keinesfalls gut heißen, sie widerten ihn regelrecht an, und mehr noch, als ihn ihre Dreistigkeit erzürnte, kränkte ihn die Art und Weise, mit welcher sie nicht nur mit dem Praefectus zu Spielen schien, sondern gleichsam auch mit ihm.
    "Es scheint mir, dass meine Schwester äußerst freizügig ist mit ihrem bindenden Wort,"
    presste er zwischen den Kiefern hervor. Das Gespräch wurde allmählich indignierend für die flavische Seite, obgleich sich nichts an der Kernaussage änderte. Gleichsam war diese Blamage noch gering, verglichen mit jener, welche sich aus all dem hätte ergeben können, hätte nicht Leontias und Quintus' Tod Gracchus bisherig von allen übrigen familiären Pflichten abgehalten.
    "Sie ist derzeit noch in Aegyptus, vielleicht auf dem Weg nach Rom, jedoch noch nicht eingetroffen.* Doch dies ändert nichts an der vorhandenen Sachlage."
    Obgleich er versuchte, nicht darüber nachzudenken, drängte sich augenblicklich eine kleine flavische Schar in Gracchus' Geist zusammen, ihnen voran sein Bruder Animus, hernach ein Teil der hispanischen Familie. Es waren feste Regeln, welche die Flavia verbanden, und er hoffte trotz allem, dass seine Schwester würde Vernunft annehmen.
    "Diese Familie kann und wird eine solche Ehe nicht dulden. Du solltest dies bereits wissen."
    Gracchus hoffte, dass damit das Thema endgültig wäre geklärt, denn die Hartnäckigkeit des Caeciliers in dieser Hinsicht und die damit einhergehenden Offenbarungen verdarben ihm mehr und mehr den Appetit, gleichsam wusste er bereits, dass die Nachspeise sauer eingelegte Trauben würde inkludieren, um welche es wäre äußerst deplorabel, so sie nur noch den Weg zu den Sklaven würde finden.



    Sim-Off:

    * Da jegliche Zeitebenen in dieser Hinsicht völlig durcheinander sind und notwendige Gespräche zwar bereits ihren zaghaften Anfang genommen haben, doch längstens nicht zu einem Ergebnis gekommen sind, scheint mir diese Lösung die Sinnvollste zu sein.

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  • Selbst wenn Crassus das Hervortreten von Gracchus Sehnen und Muskeln aufgefallen ist, so ließ er sich davon nichts anmerken. Wahrscheinlich hatte er es schon bemerkt, aber weder bewusst registriert noch sich dafür sonderlich interessiert.


    Dann sollte dafür Sorge getragen werde, dass in Zukunft solche bindenden Worte nicht mehr sooft vorkommen, wenn sie dem Willen der Familie so widerläufig sind.


    Natürlich war Crassus vollkommen klar, dass es unnötig war das zu erwähnen. Den Flaviern würde es noch weniger als ihm passen, wie Minervina sich verhalten hatte und dementsprechend auch mit ihr ein ernstes Wort wechseln beziehungsweise Maßnahmen einleiten, die sie im Sinne der Familie erziehen würden. Aber einen Kommentar zu dem Zirkus in der Familie konnte sich Crassus auch nicht verkneiffen, da ihn diese neue Situation doch ziemlich nervte; vorallem da sie so vorher weder absehbar noch zu erwarten war.
    In Ermangelung eines neuen Gesprächsthemas - das vorige war ja nun wirklich ausführlich genug durchgekaut worden und da es für beide sicherlich unangenehm war, wollte Crassus auch nicht weiter darauf eingehen - nahm sich Crassus noch ein Stück Brot und aß dieses langsam, um dem Gastgeber die Aufgabe zu überlassen, die Ruhe zu unterbrechen und damit ein neues Thema zustreifen..

  • Es lag nicht in Gracchus' Absicht, ein weiteres Wort über Minervinas Allüren zu verlieren, so dass er dies nicht tat, denn dass ihr Verhalten nicht ohne Folgen würde bleiben, dies verstand sich ohnehin von selbst. Während zwei Sklaven nach dem beendeten Hauptmahl die Teller und Platten aus dem Raum räumten, sinnierte Gracchus über ein unverfängliches Thema, welches den Abend würde zu einem akzeptablen Ende bringen können, immerhin war die Tatsache, dass Gracchus sein Gegenüber nicht als Schwager würde akzeptieren können, kein Grund, ihn nicht womöglich als Gast wert zu schätzen, obgleich er dies ob der noch immer allzu deutlich in seinem Blickfeld ruhenden Rüstung bezweifelte. Gleichsam führte ihm jene Rüstung ebenso vor Augen, dass ein unverfängliches Gesprächsthema nicht allzu einfach würde zu finden sein, denn worüber ließ es sich mit einem Praefectus Praetorio sprechen, ohne dass dieser im Anschluss gezwungen war, seinen Gesprächspartner ob der erhaltenen Informationen zu liquidieren? Jene Ressentiments bezüglich der praetorianischen Garde mochten ein wenig übertrieben sein, doch entbehrten sie sicherlich nicht jeglicher Grundlage. Politisches Gedankengut schloss sich darob von vorneherein aus, es würde zu müßig sein, hierbei auf jedes Wort im Detail zu achten. Spiele fehlten gänzlich, zudem besuchte Gracchus dort zumeist nur die szenischen Darbietungen, welche sich selten zur Erörterung eigneten und wenn, so nur in ausgesuchtem Kreise, so dass sich beinahe nur die Wetterlage als Thematik bot, welche Gracchus jedoch allzu banal erschien, selbst für Caecilius. Im derzeitigen urbanen Zeitgeschehen war nur das Attentat auf Senator Octavius von Interesse, doch über dies wollte Gracchus ebenfalls nicht mit dem Praefectus sprechen, da jener vorerst diejenige Person war, welche den meisten Nutzen daraus zog, immerhin hatte er ex iure die Amtsgewalt des Praefectus Urbi übernommen und konnte in Abwesenheit des Imperator Caesar Augustus damit als der mächtigste Mann Roms angesehen werden, ein Umstand, dessen Gedanke allein Gracchus bereits leicht erschaudern ließ. Aufdringlich tönten die Geräusche der anhaltenden Stille in seinem Ohr, das leise Klappern des Geschirrs, das Getrippel der sklavischen Füße über den Fußboden, der dumpfe Laut, als irgendwo in der Villa eine Türe geschlossen wurde, dann das feine Rascheln einer Tunika als ein Sklave sich zu ihm herabbeugte und eine Schüssel mit lauwarmem Wasser zum Reinigen der Hände vor ihn hielt. Nur beiläufig nahm er zur Kenntnis, dass eine Sklavin sich in gleicher Absicht zu Caecilius beugte, die einzig weibliche Person, welche an diesem Abend bislang das triclinium hatte betreten. Endlich wurde denn auch die Nachspeise aufgetragen, neben jenen überaus köstlichen, doch nicht jedermanns Geschmack treffenden, sauer eingelegten Trauben auch Birnen, mit Portwein, Honig und Gewürzen angerichtet. Nachdem er seine Hände gesäubert und mit einem beigefarbenen Tuch mit feinen Stickereien um den Rand herum getrocknet, und dafür Sorge hatte getragen, dass einige der Trauben in einer kleinen Schüssel vor ihm landeten, trank Gracchus einen Schluck Wein und wandte sich dem Gast zu, dazu entschlossen, ein völlig belangloses Thema anzuschneiden, da ihm nichts anderes in Gegenwart eines Praetorianers über die Lippen wollte kommen.
    "Kein übler Tropfen, eine großzügige Gabe aus dem Weinkeller meines Vetters Felix im Übrigen. Es bleibt zu Hoffen, dass die diesjährige Lese von einigermaßen gehaltvoller Güte geprägt sein wird, der Sommer war augenscheinlich nicht gar zu günstig für die Früchte der Natur. Du erwähntest deine Ländereien, so sind die Caecilier auch in der Landwirtschaft um einen Stand bestrebt?"

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  • Offenbar ging es dem Gastgeber nicht viel anders als Crassus und dieser hatte ebenso Probleme wie jener ein passendes Gesprächsthema zu finden, welches für beide genehm war und nicht allzu sehr an das vorhergegangene erinnerte, das ja für beide Parteien nur bedingt erfreulich war. Doch letztlich kam dem Flavier als erstes eine Idee für ein neues Thema. Nachdem der Bissen durch langes Kauen nämlich fast von selbst verschluckt wurde, hatte sich Crassus auch noch einmal einige Gedanken ob eines Gesprächsthemas gemacht; allerdings nicht mit großen Erfolg.
    Nicht ganz unglücklich darüber, endlich diese unangenehme Stille durchbrochen zu haben, nahm Crassus einen Schluck aus seinem Becher ehe er zu einer Antwort ansetzte:


    Natürlich habe ich mir im Laufe der Zeit auch einige Betriebe und landwirtschaftlich genutzte Flächen angeeignet. Ist ja auch als Vorsorge völlig unabdingbar. So besitze ich verschiedene Minen, zum Beispiel eine Tongrube oder ein Marmorbruch, mehr oder weniger direkt selber, und für andere Betriebe habe ich zwar keine Besitzurkunde, aber die Erträge fließen in meine Taschen. Aber nicht nur in der Landwirtschaft bin ich tätig, sondern ich besitze auch verschiedene Handwerksbetriebe. Ein Altarmacher, der den Kaiser beliefert, zum Beispiel.
    Crassus nippte an seinem Becher:
    Das ist Wein aus eurem eigenen Gut? Ich beitze zwar auch Weinberge, beziehe aber meine Vorräte aus anderweitigen Quellen. Die Qualität meines Weines ist zwar gut, aber mit den besten Falernern und so weiter kann er nicht mithalten.

  • Über die Unabdingbarkeit von Vorsorge hatte sich Gracchus kaum je Sorgen machen müssen, denn die Versorgung der flavischen Familie glich einem seit Jahrzehnten rotierenden Perpetuum mobile, aufgrund dessen niemand von ihnen je würde Not leiden, sofern nicht die eigene Familie dafür würde Sorge tragen, was durchaus nicht gar so abwegig war, wie man dies womöglich konnte meinen. Ohnehin lag Wirtschaftlichkeit ihm nur in geringem Interesse, in dieser Hinsicht war seine Ehe eine mehr als favorable Angelegenheit, schien Antonia doch um so mehr an Zahlenwachstum gelegen. Die Information über Erwirtschaftung eigener Erträge in fremden Besitztümern indes registrierte Gracchus mit der Aufmerksamkeit eines Jägers, welcher seiner Beute nachschlich, denn eines Tages mochte dies noch von Bedeutung sein.
    "Meinem Bruder Lucullus obliegt die Sorge über die Ländereien unseres Familienzweiges, welche sich vorwiegend in Oberitalia befinden, zudem erwirtschaftet auch mein Vetter Aquilius einige Erträge auf den flavischen Gütern in Hispania. Indes gelangt kaum je etwas von dem Wein unserer besten Trauben auf den freien Markt, denn die Erträge sind ob der geringen Anzahl und besonderen Pflege der Rebstöcke begrenzt und zu kostbar. Ich muss gestehen, mir selbst liegt nicht sonderlich viel am Wein, doch gerade mein Vetter Felix besitzt in dieser Hinsicht einen Gaumen, welcher die Lese zweier aufeinanderfolgender Tage allein am Geschmack des daraus entstehenden Weines unterscheiden kann."
    Zumindest behauptete er dies, Gracchus hatte nie versucht herauszufinden, ob dies der Wahrheit entsprach, doch in jedem Falle war sein Vetter äußerst penibel und anspruchsvoll bei der Auswahl seines Weines.
    "Doch natürlich ist auch der Vorrat unseres Hauses längst nicht nur auf unsere eigenen Erträge beschränkt, nicht beim Wein und nicht bei den Speisen. Der Alltag wäre ob dessen doch allzu insipide."
    Vergnügt tat sich Gracchus an den eingelegten Trauben gütlich, denn obgleich er nicht gar so exzessiv schlemmte wie sein Vetter Aristides, so war ihm der Genuß auserlesener Speisen seit jeher eine Freude.

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  • Sauer eingelegte Trauben. Wenn man sehr abergläubisch war konnte man durchaus denken, dass das ein Streich des Schicksals gewsesen ist. Als ob der Koch vor der Zubereitung der Speisen gewusst hätte, dass diese Speise fast perfekt zu der aktuellen Stimmungslage des Gesprächs passen würde. Denn auch wenn das derzeitige Gesprächsthema äußerst unverfänglich und auch neutral war, so färbte das vorrangegangene natürlich auch auf dieses ab und drückte die Stimmung entsprechend. Zumindest empfand es Crassus so und er konnte sich nicht vorstellen, dass es seinem Gegenüber groß anders ging. Doch da Crassus nicht sehr abergläubisch war kam ihm dieser Gedankengang nicht, doch trotzdem dachte er an den Koch. Denn Crassus hatte nicht viel für so saure Speisen übrig. Er aß sie zwar ab und an, aber nur auf solchen Veranstaltungen und Empfängen, bei denen man keine andere Wahl hatte, wenn man den Gastgeber nicht beleidigen wollte. Für sich selbst oder bei sich zu Hause ließ er sich nie solche Speisen anrichten.
    Mit einer dementsprechenden Freude nahm er sich eine Traube und aß sie langsam. Er verzog kurz das Gesicht als die Säure seinen Gaumen erreichte und spülte den Geschmack mit einem kleinen Schluck Wein hinunter. Er merkte nun langsam doch etwas von dem vielen Weinkonsum und beschloss deshalb seinen Konsum für heute Abend einzuschränken:


    Dein Vetter Felix? Das ist der Senator Flavius Felix, nehme ich an? Von ihm hat man in letzter Zeit ja auch nicht so viel gehört. Man munkelt, er würde auf einem Landsitz verweilen und sich den Rosen widmen... ihm geht es aber soweit schon gut oder muss Rom befürchten bald den nächsten großen Mann zu verlieren? In den letzten Wochen gab es ja schon genug von diesen Tragödien....


    Natürlich war Crassus über Felix' Verbleib bestens informiert, einen so wichtigen und mächtigen Senator ließ er natürlich ohne Unterbrechung beobachten und verfolgen. Doch fiel ihm abgesehen davon keine passende Erwiderung ein.

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