ZitatOriginal von Aulus Iunius Avianus
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Es blieb also dabei, dass er die Tiberia und ihren Mann – den kannte er zwar nicht persönlich, aber nur die Frau zu grüßen wäre doch ein wenig unhöflich – knapp begrüßte: "Salve, Consular Duccius Vala … Tiberia Lucia, gut …" … dass du überlebt hast? Dass du wenigstens für ausschweifende Feste Zeit findest? "… gut siehst du aus", endete er für seine Verhältnisse ziemlich einfallslos, aber zumindest ohne etwas Provokantes zu sagen. Ein schmales Lächeln folgte, dann wandte er sich wieder anderen Dingen zu, etwa der Toga, die bekanntermaßen so gerne verrutschte. Da half es auch nichts, wenn man als ehemaliger Praetorianer sogar darin kämpfen konnte, an seinem Platz blieb der Stoff trotzdem nicht immer freiwillig. Kurz rückte er sie zurecht und bedeutete Sibel, sich auf einem der Lecti niederzulassen, und wählte selbstverständlich einen Platz neben ihr auf derselben Liege. Nachdem er inklusive Toga halbwegs bequem lag, flüsterte er Sibel eine knappe Erklärung zu: "Die Frau des Consulars ist eine Bekannte von mir, muss du wissen, und der Consular wiederum Senecas Patron."
Als er sich so zu ihr hinüber lehnte, roch er den Wein, den sie sich gegönnt hatte. Stirnrunzelnd blickte er sie an. Er hatte bemerkt, dass sie sich einen anderen Becher hatte reichen lassen, aber ... sie tauschte Wein gegen Wein? Das machte ja mächtig viel Sinn, vor allem, wenn man ein Kind in sich trug.
"Posca wäre doch bestimmt besser gewesen …", meinte er vorsichtig.
Eigentlich war doch alles perfekt! Dieser herrliche Tag und der besondere Anlass. Alleine schon die Tatsache, dass Avianus und sie hier gemeinsam waren, machte diesen Tag zu etwas ganz besonderem. Und nicht zuletzt das hübsche Kleid und der Schmuck, den sie heute trug, vervollkommnete alles. Nichts deutete darauf hin, wer Sibel wirklich war. Heute konnte sie es mit jeder der anwesenden Damen aufnehmen. Dennoch wirkte sie recht zurückhaltend, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gab. Es war die ungewohnte Umgebung und die Furcht, doch etwas falschzumachen.
Als sie ihren Tisch erreicht hatten, blieb sie erst einmal neben der Liege stehen, statt sich zu setzen. Dabei beobachtete sie die anderen Gäste, die nun nach und nach auch ihre Plätze einnahmen. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf jene blonde Dame gelenkt, die nun Gesellschaft von ihrem Gemahl bekam, als Avianus die beiden grüßte. Natürlich kannte sie weder den Consolar noch die Dame, dennoch nickte sie ihnen freundlich zu, als sie den Eindruck hatte, sie würden sich zu ihr umdrehen.
Avianus hatte ein wenig mit seiner Toga zu kämpfen.Kein Wunder, dachte sich Sibel, denn sie wusste, wie aufwändig es war, die einzelnen Falten der Toga zu richten. An diesem Tag aber war dies einem Sklaven der Decima überlassen worden. Avianus nun darin zu sehen war für Sibel so ungewohnt. Aber natürlich war es dem Anlass angemessen.
Endlich nahm sie Platz, als ihr Liebster sie mit einer Geste dazu aufforderte. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie noch nicht oft auf einer solchen Liege gelegen und noch seltener darauf liegend gegessen. Avianus nahm neben ihr Platz genommen und raunte ihr nun zu ihrer Erklärung ins Ohr, um wen es sich bei der Dame und deren Mann handelte. Staunend sah sie sich noch einmal zu ihnen um. Beeindrucken, wen er alles kannte! „Eine Bekannte? Und woher kennst du sie?“, fragte sie leise.
Dass er ihr nun einen Vorwurf wegen des Inhalts ihres Bechers machte, ließ sie erstaunen. Schließlich war die Menge an Wein so gering bemessen, dass man kaum noch von Wein sprechen konnte. Doch dass er sich solche Sorgen machte, war schon rührend. „Er ist sehr stark verdünnt, sonst hätte ich mir den Becher doch nie reichen lassen.“ meinte sie. „Meinst du, sie schenken auch Posca aus?“ Posca auf solch einem Fest? Nun ja, es waren ja genügend Soldaten unter den Gästen.