ZitatOriginal von Claudia Romana
Schwer war das lautstarke Seufzen zu beschreiben, welches Romana ausstieß, nachdem ihr Papiria Occia mitgeteilt hatte, wer da am Tor stand, und die Türe natürlich wieder verschlossen hatte. Nicht schon wieder der, dachte sie sich, stand auf, dabei den Kopf schüttelnd, und ergriff ihre Palla. Mit einer geübten Handbewegung wurde sie von sich selber um ihren Körper geschlungen, bevor sie nach draußen schritt, zur Türe hin.
Dort angekommen, erinnerte sie sich ihrer Pflichten, nicht nur als Vestalin, sondern auch als Halbschwester, und versuchte sich an einem Lächeln. Lächeln konnte Romana nett. Nur, an ihrem Bruder war es wohl verschwendete Liebsmüh. Aber wer wusste?
“Salve, Lucius!“, grüßte Romana ihren Bruder, schritt auf ihn zu, blieb kurz vor ihm stehen und verschränkte die Arme. “Ich frage mich, weswegen du hier bist. Sicherlich nur, um dein Schwesterherz zu besuchen.“ Es würde nicht mehr lange dauern bis zu ihrer Opferprüfung. Dann hätte sie endlich einen Liktor, und jenem könnte sie dann befehlen, das Gesindel hinter ihrem Bruder zum Teufel zu schicken.
Brutus, der sich vor der Ankunft seiner Schwester angeregt mit einem seiner Klienten unterhielt, wandte sich von diesem ab und beschritt die letzten Treppenstufen mit einer theatralisch übertriebenen Geste der Freude. Mit offenen Armen ging er auf sie zu.
"Salve, liebste Schwester! Symbol der Reinheit, der Keuschheit, selbstloses Wesen!"
Natürlich war er in seiner Übertreibung weder dumm noch provokant, auch wenn dies geradezu danach schrie. Vielmehr war er geübt darin in der Gesellschaft zu brillieren, auch wenn diese in jenem Fall aus Almosen Heuschenden, Speichellecker und anderen Verfehlungen männlicher Schaffenskraft bestand.
Als er sie erreichte, um eine gewisse Intimität aufzubauen, sprach er ungewöhnlich ruhig.
"Es ist mir wichtig, Romana. Wie geht es dir, wie kommst du voran im Dienste an der Göttin?", fragte er, auch wenn ihn dies keineswegs interessierte. Natürlich wusste er, dass seine Halbschwester kaum durchfallen würde, war sie doch ihrem Vater ähnlicher als er es jemals sein würde. Pflichtbewusst, wie er es war, würde sie hervorstechen und in ihrem Metier aberwitzige Höhen erklimmen, dessen war er sich sicher. Und dennoch, solche Plaudereien gehörten zum guten Ton.