Die Anspannung bewirkte, dass sich meine aneinander gelegten Hände zu Fäusten ballten, als im Zuge des vierten Aktes die Sklavin, die offensichtlich meine Rolle spielte, sich derart offensichtlich anbiedernd verhielt, wie sich eben nur eine Sklavin verhalten konnte. ICH würde niemals vor der versammelten Familie sehnsuchtsvoll seufzen. Ich hasste sie, den Autoren und diese Aufführung dafür. Vor allem, als diese dumme Pute auch noch den Corvusdarsteller kräftig gegen das Schienbein trat. Dieses Verhalten war nicht nur primitiv, es war beschämend. Ich blickte weder nach rechts noch nach links, blieb in starrer Haltung sitzen und wünschte mir das Ende dieses Stücks herbei.
Nach einem weiteren Akt, schien es endlich erreicht zu sein. Stille breitete sich aus, die mir ein Verlassen des Tablinums unmöglich machte. Mein Blick hing noch immer gebannt auf den Darstellern, als ich seitlich ein rhythmisches Klatschen vernahm. Mein Kopf wandte sich der Geräuschquelle zu, ich erfasste Prisca – meine Freundin Prisca – und riss vor Erstaunen die Augen auf. Der Schreck, die Ungläubigkeit, ja das Entsetzen saß mir in den Gliedern, als sie zur Bühne schritt.
„Prisca. Doch nicht du“, murmelte ich in der Annahme, sie sei nicht nur als Zuschauer begeistert, sondern womöglich doch Initiator dieses Stücks. Nach lobenden Worten kam jedoch irgendwann die Erklärung, dass es sich bei der Aufführung offensichtlich um eine Eigenmächtigkeit der Sklaven handeln würde. Der Schock, Prisca könne die Autorin sein, verschwand in dem Moment, als sie eine Auspeitschung für die Sklaven zur Abstimmung stellte. Ich atmete erleichtert aus, legte meine Hand auf das Dekolleté und spürte, wie erhitzt vom Stress der Körper im Gegensatz zu den Händen war. Der Herzschlag dröhnte durch den Brustkorb, ich fühlte mich miserabel und wollte so schnell es ging aus meinem ehemaligen Elternhaus. Mein Blick war erneut von Unverständnis gekennzeichnet, als einige Gäste in den Applaus einfielen, wobei ich in der Annahme ging, es müsse jeder die Ähnlichkeiten mit realen Personen erkannt haben. Meine Auffassung, die furchtbarste Rolle in diesem Stück zugewiesen bekommen zu haben, hätte mir zum jetzigen Zeitpunkt niemand ausreden können. Und natürlich war es für diejenigen amüsant, die weitaus besser weggekommen waren. Was aber amüsierte Corvinus, der soeben erklärte, ihm habe das Stück gefallen? Ein zweites Mal richteten sich meine Augen auf eine mir wichtige Person – zuerst Prisca, nun er. Wie konnten gerade diese beiden Menschen eine solch verzerrte Parodie meiner Person zulassen?
Essen? Triclinium? Völlig ausgeschlossen, nichts wäre zum jetzigen Zeitpunkt absurder, als etwas zu essen. Ich erhob mich, stellte ein Zittern der Beine fest, straffte jedoch die Haltung, um für niemand meine Schwäche sichtbar werden zu lassen. Plötzlich stand Aintzane unweit von mir. Ich winkte sie heran, um für andere möglichst unhörbar meine Anweisungen zu geben.
„Gib Prisca, Corvinus und meinem Vater meinen Aufbruch bekannt. Sag, es geht mir nicht gut. Ich erwarte deinen Bericht bei der Porta.“
Während meine Füße die Schritte von allein setzten, kreisten meine Gedanken um den Inhalt des Theaterstücks.