Im Valetudinarium - Nach der Schlacht

  • Im Valetudinarium herrschte hoch betrieb, wie es nach einer Schlacht auch nicht anders zu erwarten war. Deshalb war er nicht sofort dorthin gegangen, hatte gewartet, bis der schwerste Ansturm vorbei. Doch dann hatte die Runde des Tribuns ihn auch hierher geführt.


    Gefolgt von Titus und einem den Hünen aus seinem Geleit, hatte er das Valetudinarium betreten. Adbul hatte schon die Hoffnung, das der Tribun sich in Behandlung begeben würde, doch er liess die Ärzte links liegen, steuerte auf die Liegen der Verwundeten zu.


    Tiberius Vitamalacus hatte seine Verlobte zwar gesehen, doch er war nicht hier sie zu sehen, selbst wenn er sich danach sehnte, ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Nein, er war um nach den verletzten Miles zu sehen und nichts anderes würde er tun. So ging er durch die Reihen, sah sich um, blieb hier und da an einer Liege stehen, wechselte ein paar Worte mit einem der verwundeten Miles.

  • "Das ist das gladius meines ersten Mannes, die Waffe, die er in seinen Händen trug, als er für Rom gefallen ist, und ich werde sie offen tragen, als Zeichen dafür, dass sein Geist uns geleitet. Glaubst Du wirklich, an einem Ort wie diesem fällt eine Waffe mehr oder weniger auf, optio? Wenn dieses gladius bei mir ist, weiss ich, das mir nichts geschehen wird, und das sollte ausreichend Grund sein, es mit mir zu führen," konterte Iulia Helena gelassen, als säße sie noch immer in der curia Italica und müsste sich mit dem ein oder anderen unqualifizierten Zwischenruf aus der Ecke von Octavius Dio oder einem seienr Spießgesellen herumschlagen. Dass der Mann an ihrer Tatkraft gezweifelt hatte, nahm sie ihm übel, und so wandte sie sich wieder dem jungen legionarius zu, der sich beruhigt zu haben schien. Manchmal musste der Schmerz einfach heraus, ihn unterdrücken zu müssen, half gar nichts. Auch ein Mann musste einmal weinen dürfen.


    "Es gibt nichts, dessen Du Dich schämen müsstest, legionarius. Das war wohl Deine erste Schlacht? Kein Wunder, dass Du da vieles gesehen hast, das Dich zuerst erschreckt haben musst. Am Krieg gibt es vieles, das schrecklich ist, und es alles auf einmal kennenzulernen, ist für die wenigsten Männer eine leichte Sache." Sie tauchte ein Tuch in den Wasserkrug und betupfte gemächlich seine Stirn, den Dreck wie auch Reste von verkrustetem Blut vorsichtig entfernend. "Es ist ein langer Schnitt, und die Narbe wird sicherlich sehr eindrucksvoll aussehen," meinte sie lächelnd, als er sich nach seinem Aussehen erkundigte. "Alles andere wird sicher mit der Zeit vergehen, momentan bist Du noch ziemlich bunt im Gesicht. Aber solche Verletzungen heilen in wenigen Tagen, Du wirst schon sehen."


    Während Xamander sich alle Mühe gab, die Verletzten nicht ansehen zu müssen, blickte sich Iulia Helena schon wieder um, ob es jemanden in ihrer unmittelbaren Nähe gab, der dringender Hilfe bedurfte - um dann jemanden zu entdecken, der anscheinend unverletzt geblieben war: Quintus Tiberius Vitamalacus. In diesem Augenblick fiel ihr ein ganzes Gebirge vom Herzen, und ihr Lächeln wurde ein wenig inniger - da er aber gerade mit einem Verletzten sprach, beschloss sie, ihn nicht zu stören. Für Gespräche würde später Zeit sein.

  • Ganz schön energisch war das, wie die Iulia dem Optio Kontra gab. Mit der sollte man sich wohl besser nicht anlegen. Ob sie ihren Mann zu Hause auch so an die Kandare nahm?
    Aber dann wurde der Artorier ganz blass, als er den Namen hörte. Er musste auch mit Lucullus befreundet gewesen sein. Wortlos wandte er sich ab, ging hinaus. Ich fühlte mich so elend, ihm diese schlechte Nachricht überbracht zu haben, und sah ihm traurig hinterher. Von seinem Verband tropfte es rot, er schien ganz vergessen zu haben, sich hier verarzten zu lassen.
    "Optio Artorius - aber Dein Verband, der ist schon ganz durch, Du solltest, ähm, doch trotzdem danach sehen lassen... Optio."
    Ich glaube er hörte mich schon gar nicht mehr.


    Schwer ausatmend lehnte ich mich ein bisschen zurück, stützte mich auf dem rechten Arm ab. Es war so eine unglaublich tröstliche Wärme, die die Dame neben mir ausstrahlte, und ich sog diese Wärme richtig in mich auf, und spürte wie gut mir das tat, und, seltsam, auch ohne Opium waren die Schmerzen auf einmal ein Stück leichter erträglich.
    "Mhm, war meine erste", bestätigte ich mit einem schwachen Nicken, "ich bin noch nicht so lang bei der Legio.", und versuchte ein Lächeln, als sie mit dem Tuch meine Stirn betupfte, so fürsorglich.
    "Ja, vielleicht gewöhnt man sich auch da einfach dran. Hoffentlich."
    Dann würde es beim nächsten Mal nicht mehr ganz so schrecklich sein.


    Eine eindrucksvolle Narbe... oh je, was sollte denn das bedeuten? Ängstlich sah ich sie an, und stellte mir mein völlig verschandelten Gesicht vor, wie mich keiner mehr anblicken wollen würde, wie alle vor mir zurückschrecken würden, wie die Kinder in der Strasse mit dem Finger auf mich zeigen und mir Steine hinterherwerfen würden etc... - bis ich dann zwei Männer mit einer Bahre an mir vorbeigehen sah, auf der einer lag, bewusstlos und totenbleich, der anstelle des rechten Armes einen bandagierten Stumpf hatte. Da schämte ich mich, dass ich mir jetzt Gedanken um mein Aussehen machen konnte, und nahm noch einen Anlauf, tapfer zu sein.
    "Danke edle Iulia. Es geht schon wieder, wirklich. Ich heisse Decimus Serapio ausserdem, und ich danke Dir sehr für Deinen Trost."
    Ich wünschte mir, sie würde noch lange, lange neben meinem Lager verweilen, dabei war ja klar, dass andere, richtig Schwerverletzte ihren Beistand viel eher brauchten als ich. Und doch war da noch immer die vage, unverschämte, hartnäckige, gierige Hoffnung, dass ihr Begleiter womöglich wirklich etwas Mohnsaft für mich fände, das Ambrosia der Sterblichen, Morpheus' Segen, seliges Vergessen...

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  • Meine Wimpern flatterten, aber ich bemerkte es kaum. Auf eine mir widerstrebende Weise, fühlte sich mein rechter Arm taub an, ungewohnt, ganz so, als wolle er immer weiter diese Bewegung ausführen, die noch vor kurzem Männern das Leben gekostet hatte. Parieren-Ausholen-Zustechen. Ich war wirkich ein Soldat geworden, spätestens diese Schlacht hatte das gezeigt. Ich war ganz wunderbar darin Befehle auszuführen und hatte jegliche Unabhängigkeit verloren. Mit dem Gefühl wieder Galle zu schmecken, spuckte ich aus. Es kam mir vor, als wären dutzende Jahre vergangen, seitdem ich mich, mit dem Herz eines Halbstarken und dem Sehnen nach Abenteuer in der Brust hatte mustern lassen. Ich biss meine Zähne so sehr aufeinander, dass es wehtat und mir Tränen in die Augen schossen. Alles worauf ich immer stolz gewesen war, hatte ich hinter mir gelassen. Unwillkürlich bewegte ich die Finger meiner Rechten, starrte sie an, als ob sie nicht zu mir gehörten.
    Doch meine Sorge, wenn ich so etwas wie Sorge überhaupt empfinden konnte, galt meinem linken Arm. Dort, wo der Pfeil mich getroffen hatte, steckte immernoch das abgebrochene Holz. Viel zu lange war ich, als sich der Schlachlärm wieder gelegt hatte, unfähig gewesen auf irgendetwas zu reagieren, klar zu denken. Ich hatte einfach da gestanden, mit abwesendem Blick und die Augen auf die Leichenberge gerichtet, die sich auf dem Schlachtplatz erstreckten.
    Vermutlich zu lange. Denn mein Arm war weiß geworden wie die Laken der Casa Caecilia, meine Muskeln steif auf dieser Seite und das vertrocknete Blut verdeckte fast die ganze Wunde, genau wie den Rest des Arms. Eine kaum spürbare Kälte drückte sich um meinen Körper und begleitete jeden meiner Schritte, als ich mich endlich hatte aufraffen könne, um zum Valetudinarium zu gelangen. Bebend strichen meine Finger um die Wunde, legten sich plötzlich schützend davor und dabei hatte ich mir eingebildet, dass es mir egal sei, ob ich den Arm verlor. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich war immer ein wenig eitel gewesen, zumindest so sehr, dass ich mehr als nur zwei Sesterzen dafür gab, ob ich nun ein Gliedmaß zu wenig hatte. Und doch, fühlte sich etwas in mir so an, als ob es gestorben wäre, hier in Parthia und ich hegte den schwachen Verdacht das es mein Kampfgeist, mein Lebenswille war. Dieses Gefühl war mir völlig unbekannt, ich hasste diese Veränderung an mir, doch vermutlich war ich einfach zu schwach. Zu schwach um all das tragen zu können.


    Als ich das Zelt betrat, kam mir nicht zum ersten Mal an diesem Tag eine Welle des Grauens entgegen und ich verspürte das stille Bedürfnis einfach weg zu rennen, wie ich es als Kind immer hatte tun können, wenn mir etwas missfiel. Ich sah den Ausdruck in den leeren Augen meiner Kameraden und war mir sicher, dass genau dieser Ausdruck auch in meine, sonst so lebensfrohen und frechen Augen getreten war. Meine ganze Wahrnehmung für all das hatte sich verändert. Die Luft hing schwer über den jammernden und zitternden Gestalten, einzelne Schreie durchschnitten die Atmosphäre und klangen in meinen Ohren wider, immer und immer wieder. Als ich auf meine Hand sah, die zuvor noch meine Schulter umfasst hatte, sah ich, dass ein frisches Rot an ihr haftete. Die Wunde hatte wieder begonnen zu bluten. Ich schwindelte. Ein Arzt hatte mich, erstarrt am Eingang, entdeckt, ich sah nicht, was er tat, meinte er mich mit dieser Bewegung? Hatte er sich überhaupt bewegt? Einzene Geräusche verzerrten sich plötzlich in meinem Kopf zu ohrenbetäubenden Lauten und ich hatte das Gefühl, die Wände des Zeltes namen die Farbe an, die ich heute so oft gesehen hatte. Blutrot überzog es plötzlich den hellen Stoff, die Konturen verloren ihre Beschaffenheit, Gesichter wurden zu einzelnen Masken.
    Auf einmal, ganz unerwartet, kam ein einzelner Gedanke in mir auf. Ich hatte zu viel Blut verloren.
    Es drehte sich alles um mich herum, dann stand es für einen winzigen ironischen Augenblick wieder still.
    Plötzlich nur noch tiefe Schwärze um mich herum. Ich spürte nicht mehr wie meine Beine einknickten und noch bevor ich dumpf auf den Boden traf, hatte ich das Bewusstsein verloren.

  • Irgendwo wurde es laut und Scissus blickte kurz auf. Eine Zivilisten schien sich mit einem Medicus anlegen zu wollen. Für kurze Zeit erschien sein breites Grinsen auf seinem Gesicht, während er die Szene verfolgte. Er hatte Frauen in seinem Leben nur selten widersprochen und wenn er es getan hatte, dann ohne Erfolg. Außerdem meinte er, die Frau schonmal an der Seite von einem der Tribune gesehen zu haben, dann konnte sie sich sowieso eine Menge erlauben. Zumal sie sich anscheinend um die Verletzten kümmern wollte, wo jede Hand gebraucht wurde. Auch die von Scissus, so dass er schon bald wieder den Kopf senkte, immernoch ein wenig grinsend, und sich dem nächsten Opfer zuwandte. Ein verschmierter Verband lag um seinen Kopf, offenbar war er schon gleich auf dem Feld verbunden worden. Vorsichtig wickelte Scissus das Tuch auseinander und begutachtete die darunter liegende Wunde. "Ah, halb so schlimm." Er verwies auf einen Sanitäter an seiner Seite. "Wunde reinigen und neu verbinden. Verband morgen wechseln. Nach drei Tagen Kopfschmerzen ist alles wieder in Ordnung. Nur Haare werden da keine mehr wachsen."


    Etwas weiter entfernt fiel ein Mann bewusstlos zu Boden. Zwei Sanitäter eilten zu ihm hin, um ihn zum nächsten freien Arzt zu schleppen.

  • Es gab wenig, was ein Iulier wirklich fürchtete. Die Götter, sicher. Und irgendwann auch den Tod - aber zumindest in Helenas Familie war die Neigung dazu, sich nicht grundsätzlich allem zu fügen, was einem auf dem Lebensweg begegnete, recht grundlegend vorhanden. Und die Iulierin hatte selbst oft genug die Erfahrung gemacht, dass man nicht respektiert wurde, wenn man auf sich herumtrampeln ließ - seitdem war auch niemand mehr wirklich auf ihr herumgetrampelt.
    Der Optio hatte ihr nicht mehr geantwortet, sondern sich abgewendet - wahrscheinlich würde die Sache noch ein Nachspiel haben, befürchtete sie, auch wenn sie nicht glaubte, dass es wirklich auf lange Sicht Ärger geben würde. Er hatte seine Pflicht getan, und sie hatte ihm ihre Gründe dargelegt .. mehr nicht. Und da der junge legionarius noch immer ihre Aufmerksamkeit beanspruchte, war es auch nicht wirklich sinnig, ihm nachzulaufen.


    "Mein erster Mann war auch Soldat - praefectus castrorum, um genau zu sein - und er hat mir oft von der Schlacht erzählt. Damals sagte er, die erste Schlacht sei die Schlimmste. Irgendwann hätte er sich daran gewöhnt, aber es sei wohl auch eine Frage der persönlichen Einstellung. Manchen Männern machte es nie etwas aus zu töten, andere hätten es nie überwunden. Ich hoffe aber sehr, dass Du Deinen Weg machen wirst, Decimus Serapio." Mit nun sauberem Gesicht sah er schon deutlich besser aus, und während sie mit ihm weiter plauderte, legte sie ihm für seine Wange geschickt einen neuen, sauberen Verband an, der es ihm noch erlaubte zu sehen. Xamander trat schwankend an ihre Seite, und flüsterte ihr etwas ins Ohr, dass sie nicken ließ, anscheinend hatte er denjenigen gefunden, der den Decimer behandelt hatte - und ihrem Gesichtsausdruck nach sah es vorerst nicht nach mehr Opium aus. Aber andererseits würde er sich, wenn er jetzt liegen musste, sicherlich sehr langweilen, und umso mehr an seine Schmerzen denken. Dagegen gab es nur eine einzige wirkliche Kur - Arbeit.


    Dass in diesem Moment ein blutüberströmter Mann in das Valetudinarium wankte und gleichzeitig dieser Anblick für Xamander wohl ein bisschen zuviel des Glücks gewesen war, sodass er mit einem dumpfen Ächzen zu Boden polterte und dort erstmal ohnmächtig liegen bleib, spielte der Iulierin zusätzlich in die Hände. "Hilf mir mal, er hat anscheinend ein Problem mit Blut," sagte sie kurzerhand zu Decimus Serapio und bedeutete ihm, ihr zu helfen, Xamander aus dem Weg zu wuchten - für einen eigentlich schlanken Mann war der Grieche erstaunlich schwer. Oder lag es einfach am gladius, das er noch immer umklammert hielt? Nachdem Xamander halb aufrecht sitzend am Zeltrand deponiert war und somit hoffentlich niemandem mehr als Stolperfalle dienen würde, richtete sich Iulia Helena keuchend auf und wandte sich in die Richtung des anderen Mannes, der von zwei Sanitätern auf eine freie Liege gelegt worden war. Allerdings, ein Arzt schien gerade nicht verfügbar zu sein, also schob sie kurzerhand die palla in den Nacken und blickte zu Decimus Serapio. "Du hilfst mir jetzt, so schwer bist Du nicht verletzt, dass Du nicht Deinen Kameraden beistehen könntest!" Es war ein höchst mütterlicher Ton und er besagte in etwa soviel: Du könntest widersprechen, aber Du willst nicht wissen, was mit Dir passiert, wenn Du es wirklich tust.

  • Einerseits machte es mir Mut, was die Iulia erzählte, nämlich dass ich nicht der einzige war, der sich mit diesem Problem quälte, andererseits, wenn es vor allem eine Frage der persönlichen Einstellung war - und ich glaubte, dass sie damit wirklich Recht hatte - dann hatte ich wahrscheinlich schlechte Karten. Ich war ja immer schon viel zu sanft, zu nachgiebig zu den Sklaven, zu sensibel in meinen Affären, einfach zu weich....
    Das musste ich einfach überwinden! Und während die Iulia geschickt meine Wange verarztete und wir uns noch ein wenig unterhielten, so dass es mich ziemlich ablenkte von den blöden Schmerzen, reifte in mir der Entschluss, mir gleich morgen ein Herz zu fassen und einen respektvollen Brief an meinen Onkel den Triumphator zu schreiben. Wenn es einen gab, der für Rom schon unzählige Leute über den Styx geschickt hatte, dann war er das. Vielleicht, wenn er mir nicht zu böse war wegen meiner Eskapaden, könnte er mir ja einen Rat geben wie man mit sowas klarkam...


    Leider, leider schien kein Opium für mich mehr übrig zu sein. Aber schon ging wieder alles drunter und drüber, und brachte mich unweigerlich auf andere Gedanken - denn ein Mann brach blutüberströmt im Eingang zusammen, und gleich darauf sank der Begleiter der Iulia ebenfalls zu Boden. Wenn der kein Blut sehen konnte, war er hier aber wirklich am falschen Ort. (Aber wenigstens gab es Leute auf der Welt, die noch zartbesaiteter waren als ich.)
    Ich richtete mich auf, um zu helfen, worauf der Boden des Lazarettes auf einmal zu schwanken und zu stampfen begann wie das Deck der Saltatrix von Ravenna in einer steifen thyrrhenischen Brise. Schnell schlang ich den Arm um einen der Pfosten, die das Zeltdach trugen und hielt mich dran fest, schloss die Augen um nicht zu sehen wie die Dinge so verwirrend umhertanzten.
    Als es wieder halbwegs ging, half ich mit, den Ohnmächtigen, der wie ein nasser Sack auf dem Boden lag und den Durchgang zwischen den Liegen versperrte, zur Seite zu ziehen. Mein Kopf hämmerte und dröhnte, mir war schwindelig und flau, und mein gerade eingerenkter Arm fühlte sich an wie ausgeleiert.
    Gerade wollte ich wieder matt auf mein Lager sinken - der Capsarius hatte mir wohlgemerkt auch gesagt ich solle noch mindestens zwei Stunden liegenbleiben - als die Matrona mich zum Helfen abkommandierte. Das kann ich nicht, dachte ich elend, aber ihr Ton war sowas von energisch, dass ich automatisch ein doch recht zackiges "Jawohl" zur Antwort gab. Diese Frau hätte ohne Zweifel einen guten Ausbildungs-Optio abgegeben.


    Ich riss mich fest zusammen, konzentrierte mich immer nur auf das nächste, und trat mit ihr zu der Liege, worauf man den Miles gerade verfrachtet hatte. Und zog erschrocken die Luft ein. Das war der Mann, der mir, als ich allzu enge Bekanntschaft mit einem parthischen Kriegsflegel zu machen drohte, zur Seite gestanden hatte hatte! Der mir aufgeholfen, mir so mutig beigestanden hatte!
    Kreidebleich, bedeckt mit verkrustetem und auch frischen Blut lag er da auf der Liege, hatte noch immer den Pfeil in der Schulter stecken, und sah mehr tot als lebendig aus. Nur seine Wimpern flatterten, und seine Brust hob und senkte sich ein bisschen. Unbedingt wollte ich ihm helfen, aber ich wusste nicht so wirklich wie.
    "Halt durch Kamerad!", sprach ich ihm zu und blickte hilflos zu der Matrona. Sie hatte doch bisher alles so gut in den Griff bekommen, bestimmt wusste sie auch jetzt was zu tun war!

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  • Egal wie schwach der junge Mann durch den Blutverlust sein mochte, den er erlitten hatte - und tatsächlich sah seine Kleidung wirklich ziemlich rot aus und wirkte auch recht verkrustet deswegen - es würde ihm nicht ersparen, dass der Pfeil irgendwie aus seinem Arm heraus musste. Es sah schrecklich aus, was er da hatte, und für einen kurzen Moment schlug der Iulierin das Herz bis zum Hals hinauf. Was, wenn sie jetzt die falsche Entscheidung traf? Was, wenn sie jetzt einen Fehler machte? Er wäre wohl bis in alle Ewigkeit verkrüppelt. Für diesen Moment lang wünschte sie, ein Arzt würde kommen, und sie jeglicher Entscheidung entheben. Aber es kam keiner, denn gleichzeitig mit diesem jungen Mann war ein neuer Schwung Verletzter in das Lazarett gekommen, und als ob es nicht schon genug zu tun gäbe, waren einige darunter, die wirklich versehrt aussahen, herabhängende Gliedmaßen inclusive. Iulia Helena biss sich auf die Lippe und traf ihre Entscheidung. Im Krieg mussten Entscheidungen getroffen werden. Sie löste die palla aus ihrem Haar und kniete sich an die Seite des Verletzten, band ihm mit dem strapazierfähigen Stoff den Arm ab, damit er nicht noch mehr Blut verlieren würde, genug war es ja gewesen.


    "Hol mir ein Holz zum Beißen für ihn, er wird es brauchen - und saubere Tücher, und lass Dir eine Dosis Opium geben für ihn, nicht für Dich, Du hattest genug bereits," sagte sie zur Seite, wo der junge Decimer noch wankend wartete - er war fast so bleich geworden wie der unbekannte Verletzte, und sie wollte nicht risikieren, dass er auch noch umkippte. Beschäftigung würde ihn ablenken und ihr ein wenig Freiraum geben, zu entscheiden, ob sie den Pfeil herausziehen oder durchstoßen sollte. Vorsichtig betastete sie den Arm des jungen Mannes, prüfend, wie weit der Pfeil wohl hinein geschlagen war - und einerseits empfand sie Mitleid für ihn, denn es schien eine tiefe Wunde zu sein, sie sah die Spitze des Pfeils nicht mehr, andererseits war sie erleichtert darüber, dass er bewusstlos war, es machte die Sache einfacher. Sie wusste nicht, ob die parthischen Pfeile Widerhaken hatten, aber auch so würde es leichter sein, den Pfeilrest samt Spitze durchzuschlagen, anstatt ihn herauszupulen und noch mehr Muskeln zu verletzen, als es ohnehin schon waren. Sicher, es war heikel. Und sie hatte das noch nicht oft gemacht. Aber sie wusste, wie man es machte, und sie war entschlossen, es zu tun.

  • Zittrig und wankend machte ich mich auf, und fing einen blutbeschmierten Capsarius ab. Ungeduldig wies er mich hastig zu einem Raum hinten in dem grossen Zelt, wo die Sachen zu finden waren, die ich wollte. Einen Stapel Tücher nahm ich an mich, ein Beissholz - und dann stand ich auf einmal vor einer geöffneten Truhe, mit vielen Fächern darin, mit Fläschchen und Salzen, Kräutern und Pülverchen... Die Leute des Valetudinarium hatten natürlich gerade mehr als alle Hände voll zu tun. Keiner war da und keiner hielt mich auf.
    Die Flasche mit dem Mohnsaft sprang mich förmlich an. Und ich sah auch eine Schale, gefüllt mit der Droge als zähe klebrige Masse, aus der man dann die kleinen Kugeln formen konnte, zum kauen oder rauchen... Mir wurde schwindelig, angesichts dieser überwältigenden Pracht und Verlockung. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Mit beiden Händen hielt ich mich am Rand der Truhe fest, und starrte auf das Opium. Ich durfte nicht! Es war für die Schwerverletzten! Doch es war, als würden Flasche und Schale vor meinen Augen wachsen. Immer weiter blähten sie sich auf, pulsierend im Rhythmus meines Herzschlages, und verdrängten alles, was sonst um mich herum war. Ich sah nur noch die Droge. Nur ein Fingerhut voll davon, und ich wäre wieder in einer besseren Welt, warm und glücklich, ganz weit weg von dem grauenhaften Sterben hier...
    Ich war gerade ganz allein hier. Niemand würde etwas bemerken. Ich grub meine Zähne in meine Unterlippe hinein, und versuchte tief durchzuatmen. Aber ein fiebriges Zittern hatte mich erfaßt, und die Gier erhob sich in mir, bäumte sich auf, als wäre sie ein wildes fremdes Wesen. Ich kämpfte wirklich dagegen an, aber dieses Wesen war stärker als ich. Ist es immer schon gewesen. Es faßte meine Hand, liess sie fahrig nach vorne schnellen und eine Portion aus der Schale herausstreichen. Ich wusste, dass ich meine Kameraden bestahl und schämte mich zu Tode. Trotzdem kam ich nicht dagegen an. Das geklaute Opium verschwand, in einen Stoffetzen eingeschlagen, rasch in meiner Gürteltasche.


    Dann erst füllte ich die Dosis für 'unseren Patienten' ab, und kehrte mit meiner Ausbeute zurück. Das Knirschen einer Knochensäge erfüllte das Zelt und fuhr mir durch Mark und Bein. Die Iulia betastete gerade den Arm meines Kameraden. Offenbar wollte sie den Pfeil rausholen.
    Ich legte die Sachen auf dem Tisch neben der Liege ab, und breitete ein sauberes Tuch unter dem Arm aus. Da der Verwundete ja noch immer bewusstlos war, konnte ich ihm den Mohnsaft nicht einflössen. Aber ich tränkte einen kleinen Schwamm damit und öffnete ihm den Mund, und quetschte ihm den unter die Zunge, damit er wenigstens ein bisschen was von dem Zeug abbekam. Dann band ich seine Beine mit Gurten an der Liege fest, und auch den unverletzten Arm, damit er nicht zappeln konnte, falls er dabei aufwachte. Das alles lenkte mich wirklich von meinem eigenen Elend ab. Zuletzt bekam er noch das Beissholz zwischen die Zähne. Fürsorglich fasste ich seine Hand, die ganz klamm war, drückte sie, und versicherte dem Bewusstlosen voll Überzeugung:
    "Hab keine Angst, Kamerad, Du bist jetzt in Guten Händen. Wir kriegen das hin!"
    Und gehorsam folgte ich weiter den Anweisungen der Iulierin, assistierte ihr beflissen und vertrauensvoll.

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  • Sie hatte die Dinge aufmerksam verfolgt, die Decimus Serapio mit seinem Kameraden veranstaltet hatte, und schließlich bekundete die Iulierin mit einem leichten Nicken sowohl Zufriedenheit als auch Zustimmung - er hatte erstaunlich geschickt gearbeitet, wenn man seinen eigenen Zustand bedachte, und insgeheim gratulierte sie sich dazu, ihn herangezogen zu haben - nichts lenkte nun einmal von eigenem Schmerz so gut ab wie der Schmerz anderer. Die wenigsten Männer blieben willensstark und ein guter Teil der Gesellschaft, wenn sie nichts zu tun hatten, und der junge Decimer bildete bei dieser Regel keine Ausnahme. Innerlich kurz schmunzelnd, blickte Iulia Helena schließlich wieder auf den Soldaten herunter, der an der Liege nun festgebunden war - nun gab es kein Zurück mehr, und sie musste handeln. Auch wenn sie vor der letztendlichen Handlung durchaus Furcht empfand, es gab nun einmal keine Alternative, die ebenso effektiv gewesen wäre. Hoffentlich mache ich alles richtig, dachte sie inständig, rief Aeskulap und alle guten Götter innerlich zu Hilfe, und dann ergriff sie den Stein, den sie zuvor sorgsam sauber gewischt hatte.


    Mit einer Hand umfasste sie den Arm des Verletzten so, dass er nicht verrutschen würde und die Pfeilspitze, die glücklicherweise den Knochen verfehlt zu haben schien, auf den Boden fallen konnte, wenn sie erst einmal durch war. Ein letzter Blick galt dem noch ruhigen Gesicht des Verletzten, dann holte sie aus und trieb mit einem gezielten Schlag den Stumpf des Pfeils samt Spitze tiefer in den Arm hinein, ein zweiter harter Schlag folgte, und endlich, beim dritten Schlag, rutschte der Pfeil durch, sie schob mit inzwischen blutverschmierten Fingern den Schaft durch die Wunde hindurch und griff dann eilig nach dem Verbandszeug - die Spitze war draußen, und während ihr Patient zuckte, presste sie den Verband auf die beiden Seiten der Wunde, versuchte noch eventuellen Dreck fortzunehmen, der vom frisch fließenden Blut ohnehin weggespült wurde, und verband dann eilig die Wunde, damit er nicht noch mehr Blut verlieren würde. Bang blickte sie in sein Gesicht, wartete auf eine klare Reaktion, selbst war sie inzwischen auch ziemlich bleich geworden - nicht wegen dem Blut, sondern wegen der Furcht, er könnte dadurch zu schwach geworden sein.


    Sim-Off:

    Caecilius Macro, wir beißen Dich nicht, wenn Du wieder mitmachst :]

  • Sim-Off:

    schade. :P


    In dem Moment in dem ich zu Boden gefallen war, war ich mir sicher gewesen, dass nun alles aus, dass es das gewesen war. Es war eine so sarkastische Möglichkeit im Eingang des Lazaretts liegend sterben zu können, statt ehrenvoll auf dem Schlachtfeld, dass ich davon überzeugt war, sie würde zutreffen.
    Ich hätte auch nicht sagen können, ob ich das bedauert hätte zu diesem Zeitpunkt, denn das, was ich zuletzt dachte oder zumindest das, woran ich mich erinnere ist die Erinnerung an meinen Bruder. Ich sah ihn plötzlich vor mir, frech, aufgeweckt und mit diesem Blick in den Augen. Vielleicht konnte ich nur auf diesem Weg zu ihm gelangen. Tot. Ich vermisste ihn so sehr, alle Lebensfreude war mit ihm gewichen, alles war nur noch grau, seit er von uns gegangen war.
    Das war das Letzte was ich empfand. Und dann? Leere.


    Es war ähnlich wie das Bild, dass ich von der Fahrt über den Nyx hatte. Mein ganzes Sein, meine Wahrnehmung bestand nur noch aus Schatten und schwammigen Nebeln. Ich hatte eine Zeit lang das Gefühl dem Tod näher zu sein, als dem Leben, das mir nicht mehr als eine fiebrige Ahnung schien. Wenn ich in diesen Augenblicken wirklich Gedanken hatte, so kann ich nicht sagen, von welcher Art sie waren, sondern nur, dass es eine seltsame Erfahrung war so ungreifbar, dass ich sie nicht in Worten einfangen kann. Und dann, irgendwann riss es mich ganz aprubt aus dieser Unwirklichkeit. Ein Schmerz, ausgehend von meiner Schulter durchzog sich jäh durch meinen ganzen Körper und ließ mich spüren, wie lebendig ich noch war. Ich wollte schreien, aber kein Laut verließ meine Lippen. Unwillkürlich böumte ich mich auf und einen Moment später kam meine Wahrnehmung zurück und, wenn auch schwach, mein Bewusstsein. Irgendetwas hielt mich zurück.


    Einem spontanen Impuls folgend, wollte ich meinen gesunden Arm herumwerfen, um einen weiteren Angriff auf meine Schulter zu verhindern, doch es ging nicht. Immernoch in Schwaden wirrer Gedanken gehüllt, fragte ich mich den Bruchteil einer Sekunde, ob die verdammten Parther mich nun doch gekriegt hatten, bevor noch einmal ein Ruck durch meinen verletzten Arm und damit auch durch den Rest meines Körpers ging und dann endete der Schmerz aprubt. Schwach gab ich mich den aufkommendem Gefühl der Müdigkeit hin und ließ mich zurücksinken. Mein Arm fühlte sich nur noch taub an. Schweiß rann mir die Stirn hinab und ich versuchte unter großer Anstrengung meine Augen zu öffnen. Meine Lider waren schwer und auch als ich sie geöffnet hatte, dauerte es ziemlich lange bis ich tatsächlich etwas sehen konnte. Schwache Lichtpunkte zuerst, dann das Gesicht einer blassen, aber durchaus gut aussehenden Frau die mit einem besorgten Gesichtsausdruck jede meiner Regungen verfolgte. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn kurz darauf aber wieder und schloss nochmals die Augen, bevor ich sie nach einer kleinen Weile wieder öffnete.
    Mein Mund fühlte sich entsetzlich trocken an. Alles Blut, was noch in mir floss schien in meinem Arm zu pulsieren, ich spürte jeden Schlag meines Herzens und lag einfach da, atmend und den starren Blick zur Decke gerichtet, unfähig mehr zu tun.

  • Sim-Off:

    Wenn Du darauf bestehst, kann ich auch beißen, so ist das nicht :]


    "Gib mir bitte einen Becher Wasser," sagte sie erleichtert in Richtung Decimus Serapio, als beider Patient die ersten Anzeichen machte, aus seiner Ohnmacht zurückzukehren. Bei so viel verlorenem Blut war es wichtig, dass er viel trank, denn nichts brauchte ein Körper in der parthischen Hitze nötiger als genug Wasser, um wieder auf die Beine zu kommen. Wenngleich sie es noch nicht so eilig hatte, den jungen Mann wieder aus dem valetudinarium zu entlassen. Dafür hatte er zu viel Blut verloren, und sah auch noch zu elend aus. "Danke," ihr Lächeln galt für einen Moment lang Decimus Serapio, als er ihr den Becher reichte, dann umgriff sie vorsichtig den Oberkörper des jungen Verletzten, um ihn etwas aufzurichten, setzte ihm dann behutsam den Becher an die Lippen und ließ ihn Schluck für Schluck trinken, nicht zu schnell, dass er sich nicht verschluckte. Erst, als er den Kopf wegdrehte, nahm sie auch den Becher wieder weg und ließ ihn vorsichtig zurücksinken. "Gibst Du ihm nun etwas gegen die Schmerzen? Ich denke, was er vorhin bekam, war noch nicht genug, er soll in Ruhe schlafen können." Wieder hatte sie gen Decimus Serapio gesprochen, bevor sie zu dem Verletzten wieder herabblickte, ihn leicht anlächelnd. "Kannst Du mir Deinen Namen sagen?"

  • Uuuh, war das brutal! Ich reichte schnell Verbandszeug an, als der Pfeil draussen war, und litt wirklich mit meinem Kameraden, den der Schmerz aus der Bewusstlosigkeit riss. Er bäumte sich auf - zum Glück war er festgebunden - sank dann wieder zurück. Er schien wegzudämmern, und ich fürchtete schon, er würde es nicht packen. Aber dann öffnete er Asklepios sei Dank die Augen. Ich ging um die Liege herum und löste die Gurte, wischte das Blut weg und legte mit spitzen Fingern das Beissholz und die rotgetränkten Tücher zur Seite. Eines war noch sauber, das feuchtete ich an, und wischte meinem Kameraden vorsichtig den Schweiss von der Stirn. Dann brachte ich, wie gewünscht, einen Becher Wasser, und blieb neben der Liege stehen, lächelte meinem Kameraden zu, während Iulia ihm sanft das Wasser einflösste.


    Jetzt, wo die grösste Aufregung vorüber war, spürte ich wieder, wie lädiert ich selber war. Mein Blick verschmälerte sich auf die Gesichter der beiden, die Schmerzen drängten sich wieder in den Vordergrund und auch die Flauheit kam zurück. Dann gingen meine Ohren zu, mir wurde kalt, und die Geräusche im Lazarett verschwammen, mischten sich zu einem einzigen Brei, der rauschend über mich hinweg strömte. Ich hielt mich an der Liege fest, atmete tief und wackelte mit den Zehen, und versuchte, die schwarzen Schemen, die am Rand meines Gesichtsfeldes aufwogen wollten, wegzukämpfen. Ich konnte doch nicht einfach schlappmachen jetzt, vielleicht wurde ich ja noch gebraucht, und überhaupt wäre es peinlich...
    Ach ja, das Opium... Er konnte es wirklich brauchen. Ich streckte die Hand aus, nach dem Becher, den ich auf einem Tisch daneben abgestellt hatte, aber ich kam gar nicht soweit, denn schlagartig wuchs die Schwärze um mich herum empor, und der Raum kippte einfach zur Seite.


    Als ich wieder zu mir kam, liess mich gerade ein kräftiger Capsarius auf einen Hocker gleiten. Hatte mich wohl aufgefangen, der gute Mann. Verwirrt sah ich um mich. Er klopfte mir auf die Schulter, und eilte weiter.
    "Tschuldigung" murmelte ich verlegen zu der Matrona, und griff mir unwillkürlich an den Kopf, hielt aber inne, als ich den Verband spürte.
    "Brauchst Du mich noch?", fragte ich dann tapfer, und hoffte, dass es nicht der Fall sein würde. Ich wollte mich nur noch hinlegen, alle Viere von mir strecken, und nie wieder aufstehen.

  • Glücklicherweise gab es diesen aufmerksamen capsarius, denn ohne jenen wäre Iulia Helenas eifriger Helfer wohl wie auch zuvor Xamander auf den harten Tatsachen in Form eines platt getretenen Bodens gelandet - so war es nur ein Hocker, und während sie noch auf die Antwort des Verletzten wartete, atmete sie innerlich auf, dass Decimus Serapio nichts Schlimmeres geschehen war. "Entschuldige Du - denn ich hätte wissen müssen, dass Du noch geschwächt bist von Deinen Verletzungen," sagte sie freundlich und schenkte dem jungen Decimer ein leichtes Lächeln. "Und nein, ich brauche Dich nicht mehr. Ruhe Dich nur aus, ich werde später noch einmal nach Dir sehen, einverstanden?"


    Während der kräftige capsarius dem Decimer auf ein frei gewordenes Bett half - wobei man nur mit sehr viel Phantasie in der Feldliege überhaupt ein Bett erkennen konnte - hielt sie weiter die Hand 'ihres' Verletzten und wartete darauf, dass er einen Mucks von sich gab - solange er sprechen konnte, war alles in Ordnung, aber wenigstens ein Wort wollte sie von ihm hören, um sich dessen auch sicher zu sein. Indes wartete wohltuende Ruhe auf Decimus Serapio, und zudem - ein Luxusgut! - ein zusammengerolltes Stück Decke als Kissen für dessen geschundenen Kopf.

  • Ich brauchte ziemlich lange, bevor ich begriff wo ich war und selbst dann, vertrichen weitere Sekunden, bevor ich das auch deutlich machen konnte. Unerträgliche Kopfschmerzen machten es mir nicht leichter, aber ich war der Wirklichkeit zumindest nah genug, um zu erkennen, dass ich im Vergleich zu vielen anderen meiner Kameraden noch Glück gehabt hatte. Ich ließ mich von der jungen Frau neben mir nach oben ziehen, die mir in diesem Moment fast wie ein Engel erschien und spürte kurz darauf, ohne kaum mehr wargenommen zu haben, wie kaltes Wasser durch meine Kehle floss. Ihr Blick strich besorgt, fast liebevoll über mein Gesicht, als sie nach meinem Namen fragte.


    Ich brauchte allerdings mehrere Anläufe, bevor ich etwas sagen konnte, nur in meinen Blick versuchte ich etwas Dankbarkeit zu legen. Meine Stimme klang fremd, heiser und weit entfernt als ich nur ziemlich leise, schließlich doch antwortete und zuerst war ich nicht sicher, ob ich es überhaupt nur in meinen Gedanken getan hatte.


    "Caecilius Macro" Es war seltsam meinen eigenen Namen hier zu hören. Caecilius. Der Familienname hatte mich selbst während meiner Zeit in Ägypten nie vergessen lassen, wohin ich gehörte, doch hier in Parthia erschien er mir unangebracht und wenig vetraut. Vielleicht aber waren auch nur meine Gedanken noch zu verwirrt, um alles klar und deutlich wahrzunehmen. Der Druck um meine Arme und Beine gab nach und ich spürte, wie sich ein kaltes Tuch auf meine Stirn legte, kurz nur und dann sah ich, wessen Hand es geführt hatte. Noch einmal schloss ich die Augen, in diesem Moment mehr aus Verlegenheit, als aus dem wirklichen Bedürfnis. Alles war zwar noch dämmrig um mich herum und mein ganzes Befinden erinnerte mich an das Fieber in dem ich wochenlang gelegen hatte, als ich noch ein Kind gewesen war, aber ich wurde wieder langsam Herr über meine Sinne. Ich öffnete die Augen, nur um einen Moment später aus den Augenwinkeln heraus meinen Kameraden zu sehen, der den Boden unter den Füßen verlor. Er schien offenbar auch nicht ganz fit zu sein, außer und auch das war gut möglich, mein Anblick, war so erschreckend, dass man die Besinnung verlieren musste. Zumindest mein Auge war lediert und dass ich etwas blass um die Nase war, konnte ich bei aller Eitelkeit wohl auch nicht ausschließen. Ich versuchte ein Lächeln, aber meine Lippen waren gesprungen und brannten, also verschob ich die Geste.

  • Er schien wirklich übel angeschlagen zu sein, und sein flackernder Blick bewies Iulia Helena, wie sehr er darum zu kämpfen schien, bei Sinnen zu bleiben - ein gutes Zeichen, noch steckte der Lebensfunke offensichtlich stark genug in ihm, dass er noch kämpfen konnte und vor allem wollte. Eine Art Krächzen kam über seine Lippen, und erst nachdem sie genauer hingehört hatte, erkannte sie, dass er versucht hatte, seinen Namen zu formulieren. Also ein Caecilier ... kurz tauchten einige Erinnerungen auf, von denen sie nicht wusste, ob sie angenehm waren oder nicht - ein Gespräch, ein Essen mit Caecilius Crassus, dem damaligen und heutigen Prätorianerpräfekten. Es schien, als sei dies viele Jahre her, nicht eineinhalb, ihre lange Krankheit hatte die Grenzen zwischen der Gegenwart und Vergangenheit in vielem verwischt. Ob dieser junge Mann ähnliche Einstellungen hatte wie sein Verwandter? Aber im Moment war anderes wichtig denn die Vergangenheit. Vorsichtig flößte sie ihm neuerlich Wasser ein, um dann freundlich, aber bestimmt zu sprechen:
    "Ruhe Dich aus, junger Caecilier. Was Du im Augenblick am nötigsten brauchst, ist Schlaf, und den wirst Du sicherlich bald finden. Dann wirst Du Dich bald besser fühlen, das verspreche ich Dir."


    Sie sprach es voller Zuversicht, denn oft genug brauchte der menschliche Körper nur etwas Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen - und wenn er es so weit geschafft hatte, würde er es auch noch weiter schaffen. Im Zweifelsfall war er ein Caecilier, und diese gens war zäh, sie fielen doch zumeist auf die Füße denn auf die Kehrseite. In aller Ruhe erneuerte sie das kühle Tuch auf seiner Stirn und begann, seinen Arm, der blutüberlaufen von der Wunde gewesen war, zu reinigen, freilich ohne den verbundenen Teil zu berühren, damit er nicht noch mehr Schmerzen leiden musste. Ein hübscher junger Mann, dachte sie mit einem leichten Lächeln. Die Frauen in Rom würden sich sicherlich bald wieder um ihn reißen können, wenn dieser Krieg vorüber war. Und dass sie das tun würden, daran zweifelte sie keineswegs. So blieb sie eine Weile an seiner Seite sitzen und wartete still darauf, dass Morpheus' Arme den jungen Caecilier umfangen würden, auf dass er die nötige Ruhe finden konnte.

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