Beide schon nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen, verliessen mein Zeltgenosse Silio und ich die Castra, meldeten uns an der Porta Praetoria ab und marschierten in Richtung der zusammengewürfelten Zelte und Behausungen des Trosses, des bunten Haufens, der den Legionen folgte, und auch heute, in der Nacht nach der schrecklichen Schlacht, sein Lager gleich nebenan aufgeschlagen hatte.
Centurio Flavius hatte uns nämlich die Erlaubnis gegeben, noch Wein zu besorgen, um weiter das Andenken unserer toten Kameraden begiessen zu können. Schweigend gingen wir nebeneinander her, ein bisschen nervös natürlich und mit der Hand nahe dem Gladiusgriff, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich nach der Niederlage noch Parther hier herumtreiben würden.
Ein Sternenhimmel von unglaublicher Pracht wölbte sich über uns, wunderschön, völlig ungerührt von dem Blutvergiessen, das wir Menschen heute veranstaltet hatten. Zugleich lag in der kalten, trockenen Luft noch immer der ätzende Geruch, der von den Scheiterhaufen herüberzog, und im schwankenden Schein der Blendlaterne, die ich trug, leuchteten mehrmals die Augen von irgendwelchen Viechern auf, die hier herumstrichen, um sich am Aas gütlich zu tun. Wir lagerten ja praktisch auf den Schlachtfeld selbst.
Hinter mir lag der wahrscheinlich längste Tag meines Lebens, ich war verwundet, erschüttert und erschöpft bis auf die Knochen, aber zugleich seltsam aufgekratzt, total neben mir, und ausserdem fest entschlossen mich heute noch bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken. Mein ganzes Geld hatte ich mitgenommen, mitsamt dem grosszügigen Taschengeld von meiner lieben Tante, um es in Wein zu investieren, alles einfach auf den Kopf zu hauen! Was wusste ich denn ob ich morgen noch am Leben sein würde, ich hatte heute ja gesehen wie schnell es gehen konnte. Morgens noch fröhlich dabei, abends schon Asche...
Die Gassen der Zeltstadt umfingen uns mit Licht und Leben, viele Feuer brannten, Fackeln und Laternen. Wir waren in dem "Vergnügungsviertel" gelandet, und es umschwärmten uns gleich die Freudenmädchen. Mich interessierten sie nicht, wie sie da, frierend in ihren dünnen Fetzen, von den Entbehrungen des Marsches gezeichnet, förmlich Spalier standen und aufreizend ihr Fleisch darboten, aber Silios Blick - auch schon ziemlich glasig - verfing sich am drallen Busen einer herben Dame mit rotem Haar, von dem man gleich sah, dass es schlecht mit Henna gefärbt war.
"Kleiner, geh doch schonmal vor", meinte er, als die Schöne der Nacht ihn verheißungsvoll in ein schiefes Zelt winkte, "oder such Dir auch eine aus, glaub mir, es geht nix über ne gute Lupa um sich nach sowas wieder wie'n Mensch zu fühlen. - Oder Du kannst ja schonmal den Wein besorgen, und wir treffen uns beim Ausschank da drüben...", schlug er vor, als er meine wenig begeisterte Miene sah.
Ich seufzte leidig, aber ich konnte es ihm auch nicht verübeln und nickte.
"Ja, treffen wir uns da drüben, viel Spass."
Lustlos ging ich weiter, erstand in einem Ausschank auch ein paar grosse volle Weinschläuche. Aber alleine konnte ich die gar nicht alle tragen, so lädiert wie ich war und überhaupt hatte ich keine Lust mich abzuschleppen während Silio sich vergnügte. Also ließ ich den ganzen Haufen erst mal dort, nahm mir nur einen Weinschlauch mit und schlenderte, trinkend und mich ein bisschen umsehend, durch das Lager. Mit Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, dass mir zwei Zivilisten sorgsam auswichen - jaha, die dachten wohl mit betrunkenen Legionären ist nicht gut Kirschen essen! Und da hatten sie recht, ich fühlte mich allerdings gerade ziemlich grimmig und gefährlich, allerdings auch ziemlich wackelig, und so lehnte ich mich haltsuchend an eine grobe hölzerne Barrikade, so eine Art Pferch.
Und wieder setzte ich den Schlauch an die Lippen, da fiel mir das Schild auf, das an einen Pfosten genagelt, vor dem Pferch stand: "Thyrsus et Telestas" las ich. Das waren doch diese Sklavenhändler aus Zeugma, die Leute, denen man heimlich die Post mitgeben konnte! Musca, der findige Musca, hatte mir davon erzählt.
Neugierig geworden trat ich auf das nächste Feuer zu, an dem einige Männer sassen und sich unterhielten, breitschultriger Kerle mit Knüppeln und Peitschen. Dann erst sah ich, dass da wo der Feuerschein schwächer wurde, viele Gefangene in dem Pferch eingesperrt waren. Parther. Gefesselt lagen sie auf dem Boden, wo nur etwas Stroh aufgeschüttet war, manche von ihnen trugen Verbände, waren blutbesudelt. Einer stöhnte leise, die anderen waren still, aber einer richtete die Augen auf mich als ich vorüberging, irgendwie vorwurfsvoll schien es mir, und da wurde ich richtig stinkwütend auf einmal! Diese Leute hatten Lucullus abgestochen, diese Leute hatten mir eine Scheissangst eingeflösst, diesen Leuten geschah es gerade recht, hier jetzt so dahinzuvegetieren wie Vieh!
"He ihr Dreckschweine!", pöbelte ich mit schwerer Zunge und ließ die Scheide des Gladius im Vorübergehen laut am Zaun entlangrattern (das hat mal ein Urbaner gemacht, als ich bei denen einsass und es hatte mir damals echt die Nerven geraubt), "Hat man euch etwa noch nicht gekreuzigt?!"
"Gemach, gemach Miles." Einer der Sklavenaufseher trat vom Feuer her auf mich zu, ein echter Schrank, aber er sprach nur besänftigend zu mir wie zu einem kranken Pferd. "Die kommen in die Minen, nicht ans Kreuz."
"Hätten se aber VERDIENT!" urteilte ich und hielt mich wieder am Zaum fest, weil der Boden so heimtückisch ruckte unter meinen Füssen. "Lumpenpack!"
Doch dann kam mir eine GRANDIOSE Idee! Wie wäre es, dachte ich in meinem Rausch, wenn ich einen Sklaven kaufen würde, der könnte mir dann erstens jetzt gleich den Wein schleppen, zweitens in Zukunft das Korn mahlen und das Wasser holen für mein Contubernium, und drittens, ja drittens fand ich die Idee so derartig voll von ausgleichender Gerechtigkeit, dass ich, benebelt wie ich war, gar nicht daran dachte, dass wir einfachen Soldaten eigentlich gar keine Sklaven haben durften.
"Was kosten die?"
"Oh." Der Aufseher lächelte. "So frisch vom Schlachtfeld gibt es sie zum Sonderpreis. Hundertfünfzig Sesterzen pro Stück. Hundertzwanzig wenn Du drei auf einmal nimmst."
"Ne Menge Geld, dafür dass man sie vorhin noch so aufsammeln konnte", maulte ich, folgte aber dem Mann in den Pferch, um mir die Ware mal anzusehen. Mit einer Fackel leuchtete er die Gefangenen an, einen nach dem anderen und ich begutachtete sie mit vernebelten Augen.