ius loci oder ius sanguis

  • Hatte da gestern abend mit Hungaricus eine kurze Diskussion darüber wie das in der Antike bzgl der Bürgerrechte war, also welches Recht das Entscheidende war, das Recht des Bodens (ius loci) oder das Recht der Abstammung (ius sanguis).


    Nun für die Römer hatten wir das recht schnell geklärt, daß das Recht der Abstammung relevant war. Mit Verweis auf die Lex Minicia - die ja auch im IR Geltungskraft besitzt - ist es daher so, daß die Kinder einer Peregrina und eines Römers ebenso Peregrini sind, wobei es umgekehrt genauso ist, also ist ein Elternteil Peregrinus, so sind die Kinder auch Peregrinus.


    Nach Ius Gentium sei es aber nun so gewesen, daß das Kind einer Römerin immer Römer gewesen ist, weswegen man das gerade versucht habe mit entsprechender Lex abzuschaffen. Daraus könnte man nun ableiten, daß es für andere Völker entsprechend immer so sich verhält (Das Kind einer Jüdin, ist ebenso jüdisch). Entscheidend wäre also die Mutter. Diese Verfahrensweise hat natürlich auch einen praktischen Vorzug, denn eine Mutter gibt es immer, den Vater zu ermittelnden könnte hingegen im Zeitalter mangelnder DNA-Tests schwierig werden.


    Andererseits könnte man natürlich überlegen, ob es in so starken patriacharlichen Gegenden gerade im Osten nicht vielleicht einleuchtender wäre, wenn auf den Mann abgestellt würde, nach dessen rechtlichen Status sich der des Kindes bemüht.


    Soweit der Diskussionsstand, Meinungen sind willkommen. :)

  • Zur Diskussion kann ich noch beitragen:


    Wie du schon sagtest gilt im römischen Recht der Grundsatz "mater semper certa est", also wer Mutter ist, ist immer klar.


    Vater wird man, in dem man das Kind annimmt. In Griechenland, und wahrscheinlich in Rom auch, war es so, dass der Vater das Kind vom Boden aufnahm, wohin es die Mutter vorher gelegt hatte.

  • Zitat

    Original von Ioshua ben David
    Daraus könnte man nun ableiten, daß es für andere Völker entsprechend immer so sich verhält (Das Kind einer Jüdin, ist ebenso jüdisch). Entscheidend wäre also die Mutter. Diese Verfahrensweise hat natürlich auch einen praktischen Vorzug, denn eine Mutter gibt es immer, den Vater zu ermittelnden könnte hingegen im Zeitalter mangelnder DNA-Tests schwierig werden.


    Ich weiß nicht, was diese Annahme decken sollte. Auf der Welt gibt es unzählige Abstammungssysteme und eine der arbeitsintensivsten Hauptbeschäftigungen von Ethnologen ist es, diese Verwandschaftsysteme auseinanderzufädeln und zu beschreiben.


    Man muss z.B. das Ius Sanguinus, wie Mattiacus schon angedeutet hat, insofern einschränken, dass die biologische Herkunft bei den Römern einen viel niedrigeren Stellenwert hatte als z.B. in unserem Kulturkreis. Ein Kind musste vom Vater nach der Geburt erst "adoptiert" werden, um als leibliches Kind zu gelten. Ob dieses Kind dabei gerade erst geboren war oder schon 30 Jahre alt und Mitglied einer anderen Gens war, spielte dabei keine große Rolle. Augustus galt z.B. durch Caesars Adoption als leiblicher Sohn des Caesar, da machte man keinen Unterschied. Die Idee eines "Vaterschaftstests" wäre nach römischen Denken vollkommen absurd.


    Bei den Griechen wurde die Abstammung rein über den Vater geregelt (vgl. griechische Namen: X, Sohn des Y) und Blutsverwandschaft und Adoptionsvaterschaft konkurrieren miteinander. So konnte z.B. Alexander der Große auf 3 Väter zurück blicken: Seinen Vater Philipp II., der je nach Überlieferung leiblicher oder Adoptivvater ist, Zeus-Amun, der Alexander adoptierte und der letzte ägyptische Pharao, der nach ptolemäischer Überlieferung Alexanders biologischer Vater war.


    Die Araber und Juden kannten eine patrilineare Abstammung (Joshua ben Jahwe, nicht ben Mirjam), was bei den Juden insofern relativiert werden muss, dass die Übertragung der jüdischen Religion über die Mutter weitergeleitet wird. Ein Jude ist Jude wenn er eine jüdische Mutter hat. Ist nur der Vater Jude, wird das Kind kein Jude.

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  • Ok, wenn ich das also richtig verstanden habe, dann bestimmt zwar die Mutter perse den Ausgangsstatus des Kindes, der Vater allerdings - mit Ausnahme beim Judentum - bestätigt dies dann aber und dadurch wird es leibliches Kind und erhält denselben Status wie der Vater.


    Das würde ja auch der Logik der Lex Minicia entsprechen. Ein Kind einer Römerin wäre zwar erstmal römisch, aber wenn der Vater das Kind nicht annimmt, bekräftigt das den Status des Kindes als Römer nicht, wobei ein Peregrinus das von einer Römerin geborene Kind zwar akzeptieren kann, aber dadurch wird das Kind trotzdem nicht römisch, da der Vater ja kein Römer ist.

  • Zitat

    Original von Ioshua ben David
    Ok, wenn ich das also richtig verstanden habe, dann bestimmt zwar die Mutter perse den Ausgangsstatus des Kindes, der Vater allerdings - mit Ausnahme beim Judentum - bestätigt dies dann aber und dadurch wird es leibliches Kind und erhält denselben Status wie der Vater.


    Nein, wenn du richtig verstanden hast, gibt es keine generelle Regel, die man pauschal auf alle Völker anwenden könnte. ;)


    Vielleicht hilft das fürs Erste weiter: http://de.wikipedia.org/wiki/Deszendenzsysteme (aber der Artikel ist noch sehr vereinfacht)

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  • Wie wäre das denn z.B. zu sehen, wenn ein Tylusier einen Sohn erhalten soll, die Mutter jedoch nicht Tylusierin ist, sondern z.B. Alexandrinerin?


    Welches "Bürgerrecht" würde das Kind dann haben? Würde es generell als Tylusier angesehen oder als Alexandriner?


    Ich meine eben, es kommt in solchen Fällen auf die Mutter an und ein solches Kind wäre dann in erster Linie Alexandriner.


    Ich beziehe diese Frage nun ganz bewusst auf die MNs IR und Tylus, weil ein konkreter Fall vorliegt.

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  • Zitat

    Original von Ioshua ben David
    ... ist es daher so, daß die Kinder einer Peregrina und eines Römers ebenso Peregrini sind...


    Zitat

    Theodoros Alexandreus
    Ein Kind musste vom Vater nach der Geburt erst "adoptiert" werden, um als leibliches Kind zu gelten.


    also, wenn ein Römer, der mit einer Peregrina ein Kind hat, es erst "adoptieren" muss, um es als leiblich gelten zu lassen, würde durch die Adoption der Status der Mutter nicht irrelevant? Wenn der Römer es adoptiert, dann macht er es doch - egal ob die Mutter Sklavin, Peregrina oder sonst was war - zu einem Römer, oder verkenne ich da etwas?

  • Du siehst es vollkommen richtig, außer die Mutter ist eine Sklavin, denn dann wäre das Kind ein Sklave und Sklaven kann man nicht adoptieren. (Außer die schwangere Sklavin war während ihrer Schwangerschaft auch nur einen Moment frei, dann gilt die favor libertatis und das Kind ist kein Sklave).


  • Uiii! Ein echt kniffliges Rätsel. :D Ich werde mich mal daran setzen:


    Vorbemerkung: Ich kenne mich jetzt mit dem alexandrinischen Recht ein bisschen aus und mit dem tylusischen gar nicht, deshalb bleibt mir nicht mehr als Vermutungen auf ethnologischer Basis, gestützt von meinem bescheidenen Hintergundwissen bezüglich der beiden Kulturen.


    1. Mit Tylus-Vater und Alexandria-Mutter ergibt sich die Sache theoretisch wahrscheinlich ganz einfach: Da sowohl Tylus als arabischer Staat (wahrscheinlich), als auch Alexandria als griechischer Staat ein patrilineares Deszendenzsystem haben, würde das Kind Tylusier werden. Allerdings mit möglichen Einschränkungen: Ich weiß z.B. nicht, ob es das griechische Recht zuließ, dass das Kind eines griechischen Elternteils "barbarisiert" werden konnte. Schließlich würde es den Ausschluss aus der griechischen Kulturgemeinschaft bedeuten und diese galt v.a. bei den Griechen als auch bei den anderen hellenisierten Reichen (Rom, Parthien etc.) als etwas Besonderes, über den anderen Völkern Stehendes.


    2. Führen wir die soziale Ebene ein, wird es schwieriger: In Alexandria ist die Wahrscheinlichkeit einer sozialen Ausgrenzung wahrscheinlich, da die Mutter einen nichtgriechischen Bastard auf die Welt bringen würde. Auch rechtliche Konsequenzen wären u.U. zu befürchten. Mögliche Lösungen: a) der Vater beeilt sich, die alexandrinische Staatsbürgerschaft anzunehmen, damit das Kind ein griechisches wird. a) die Mutter nimmt die tylusische Staatsbürgerschaft, entsagt somit vollkommen ihrer griechischen Kultur und wechselt die Volksgruppe. Hier würde sich wahrscheinlich die pragmatischste Löcung durchsetzen: Je nachdem, ob der Wohnsitz Tylus oder Alexandria ist, wechseln die Mutter oder der Vater Staatsbürgerschaft, um in der Mehrheitsgesellschaft leben zu können. Außerdem spielt der soziale Status eine Rolle: Auch wenn sie in Alexandria leben sollten, wäre es dumm von der Alexandrinerin, ihre Staatsbürgerschaft zu behalten, wenn sie aus einer Kleinpächterfamilie und er aus dem tylusischen Königshaus stammt. (Hier stellt sich widerum die Frage, ob das tylusische Königshaus eine Kleinpächterstochter in seinen Reihen haben will.)


    Schlussbemerkung: Das waren jetzt nur 2 von Millionen Faktoren, die man berücksichtigen müsste. Das Problem ist ein typisches Rechtspluralismus-Problem. Die Erfahrung aus über 100 Jahren Feldforschung und Verwandschaftsethnologie zeigt, dass in solchen Fällen meist der Pragmatismus siegt, d.h. beide Partner versuchen, das Problem so zu lösen, dass man am Ende am Besten wegkommt. Welcher Weg dann gegangen wird, hängt also von der Persönlichkeit der Partner ab. Der Mann könnte z.B. einfach abhauen und die Frau im Stich lassen, er könnte opportinistisch angesehener Alexandriner werden oder aus Traditionalismus seine Frau dazu zu zwingen, Tylusierin zu werden.


    /edit: Oh mein Gott, hab ich das jetzt wirklich alles geschrieben! 8o

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  • Zitat

    Original von Theodoros Alexandreus
    Oh mein Gott, hab ich das jetzt wirklich alles geschrieben! 8o


    Hehe :D


    Ich hoffe, dass dein Beitrag Ioshua hilft, bei der Suche nach der richtigen Lösung für seinen Sohn :D

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  • Jap, scheinbar schon. Das würde dann aber heissen, dass er auch in Tylus mitspielen muss, respektive sich zumindest dort melden muss, denn sonst kann er auch im IR nicht offiziell als Tylusier die Signatur "amicus romanorum" erhalten.


    So ist es mit der SL abgemacht.

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