Der Wahlkamof war vorüber, das Gespräch im hortus mit Aurelius Corvinus ebenso, bei dem so einige Dinge geklärt worden waren - und jetzt kam jenes Gespräch, vor dem ich mich am ehesten noch gefürchtet hatte. Was heisst gefürchtet - mir war hundeelend bei dem Gedanken, ihn verdächtigt zu haben, so voller Schmerz und verletztem Gefühl gewesen zu sein, anstatt ihm zu vertrauen. Andererseits, im Grunde gab es auf der Ebene des Gefühls zwischen uns fast nichts mehr, was nicht ohnehin bereits ausgesprochen worden war, und ich wusste sehr genau, wie weit ich überhaupt gehen durften und ab wann es meinen Schwur berühren würde, in einer Weise, in der die Götter mich strafen würde, wenn ich ihn brach.
So war es vielleicht auch verständlich, wieso ich dieses Gespräch vor mir hergeschoben hatte, so gut ich konnte, nur um mich dann doch zu überwinden. Mein Wahlsieg - die Spatzen piffen es in Rom überall von den Dächern, solche Beschlüsse des Senats blieben selten geheim - bedurfte einiger Besprechung, und im Grunde war mir auch danach zu feiern, auch wenn ein anderer Teil in meinem Inneren davon abriet. Unsere letzte Feier war eine Weile her, und im Grunde hatte sie die alte Wunde keinesfalls geheilt.
Diese eine Nacht bei ihm gewacht zu haben, hatte mir die nächsten Nächte Träume beschert, die von so heftiger Intensität gewesen waren, dass ich jeden Morgen vor Bridhe aufgestanden war, um mich zu erleichtern - und ich wusste nicht, wie lange dies alles noch gehen konnte, ohne dass einer von uns zerbrechen würde. Den Gedanken beiseite schiebend, hatte ich Straton ermitteln lassen, wo sich in der villa mein Vetter Gracchus aufhielt und hatte mich schließlich auf den Weg gemacht, ihn im peristylium aufzusuchen - es wunderte mich nicht, ihn dort anzutreffen, denn er gehörte zu den Menschen, die sich ihre Gedanken an bestimmten Orten erleichtern ließen, und wie ich es erwartet hatte, fand ich ihn auch dort vor, auf einer cline ruhend, mit einer Schriftrolle in der Hand, in welcher er las. Er sah so friedlich aus, so vollkommen friedlich, dass ich ihn hätte stundenlang ansehen können, einfach nur, um in seinem Anblick zu versinken, wie ich es auch in jener Nacht getan hatte. Ein tiefes Gefühl von inniger Zärtlichkeit stieg in meinem Inneren auf, als ich ihn so sah, und ich bracht es fast nicht übers Herz, ihn aus seiner Lektüre zu reißen - was auch immer er da las, es schien ihm zumindest eine gewisse Entspannung zu verschaffen.
Schließlich räusperte ich mich doch noch. "Salve, Gracchus ... hast Du vielleicht ein paar Augenblicke für mich Zeit? Ich will Dir Deine Lektüre nicht verderben, aber ich fürchte, ich werde in den nächsten Tagen wohl von meinen neuen Pflichten überrollt werden .."