• Zitat

    Ich trat ein. "Salve Laubasnius".


    Er war gerade dabei, einen umgefallenen Hocker wieder auf die Füße zu stellen, richtete sich auf und sagte: "Salve, Valgiso".


    Es klang wie 'Noch einer, der mir Ärger ins Haus bringt'. Man muss wissen, dass Laubasnius ein notorischer Pessimist war. Wenn man also etwas über möglicherweise bevorstehende Weltuntergänge erfahren wollte, brauchte man sich nur nach seinem Befinden zu erkundigen. Also sagte ich, "Wie geht's dir denn, Laubasnius?"


    "Man hat's nicht leicht, aber leicht hat's einem. Du kommst genau richtig, die heutige Schlägerei ist gerade zu Ende gegangen. Ein paar hirnlose Pubertierende haben sich inbrünstig verdroschen, dann kam ein Kerl mit einem barbarischen Dialekt hier rein und hat sie dermaßen platt gemacht, dass sie abgehauen sind. Also, wenn du mich fragst, mir geht es heute gut".


    Das war enttäuschend. Aber, warum sollte es dem verdrießlichen Mann nicht auch mal gut gehen? Ich kam also zur Sache und fragte ihn: "Was gibt's bei dir zu essen?"


    Es gab Linsensuppe mit Speck. Als die dampfende Schüssel vor mir stand, mit einem Stück Brot daneben und einem Krug Bier, setzt er sich zu mir und macht ein geheimnisvolles Gesicht.


    Er sagte: "Es dauert nicht mehr lange und dann wird Mogontiacum den Bach runtergehen".

  • Artomaglos verdrehte die Augen. Tat die nur so blöd, oder war sie es wirklich? Wer ihn nicht verstehen konnte, der war wirklich schon jenseits von gut und böse. Also nein. Es musste schon ein rechter Barbar sein, der seinen Akzent nicht einwandfrei verstehen konnte. Und das Gebrüll, das sie anschlug, als er ihren Zehen gerade bog, also nein, inakzeptabel war das.
    „Brav!“, murmelte er allerdings am Ende dieses Prozedere zufrieden. Er musterte noch einmal den Raum, in dem die beiden untergebracht waren, drehte sich dann zur Türe hin und verließ die Unterkunft, als er merkte, dass die erschöpfte Semiramis eingeschlafen war.
    So leise wie möglich tappte er durch den Flur hinaus (er wollte wirklich nicht, dass die Syrerin aufwachte und es wieder einen Zickenterror gab), fand einen Hintereingang und eilte dadurch hinaus, wo noch der Wagen stand. Er trieb diesen in eine Stallung hinein, die bei der Taverne angebracht war, schirrte die Pferde ab, holte sich aus dem Wagen ein wenig Geld und schloss hinter sich die Stalltüre wieder zu. Das könnte er sicherlich tun, schließlich war er hier zahlender Gast.
    Er grunzte, als er wieder vor der Haupttüre stand, zog sich den Rotz hinauf und traf geräuschvoll ein. Sein Auge fand den Wirt, der sich mit einem Gast mit einem bemerkenswerten Schnurrbart zusammengesessen hatte. Artomaglos knurrte etwas in sich hinein, etwas keltisches, was man wohl am Ehesten mit „Saugermanen“ übersetzen konnte, und trat dann zum Wirt hin. Widerwillig warf er ihm den genannten Betrag pro Nacht hin, dass es nur so schepperte. „Do!“, konstatierte Artomaglos aus ungeschlachtem Munde lakonisch, und wollte sich gerade wieder abwenden, als sein Augenmerk auf den Mann fiel, der neben dem Wirt hockte. Genau das richtige Opfer, welches als Ventil für seine miese laune dienen konnte.
    „Eh, Schnurrbart!“, grollte er zum Mann hin. „Du schaust ma verdächtig aus. Bist a Wappler?“ Ohne die Antwort abzuwarten, beugte sich der keltische Hüne vor zum Mann, steckte einen Finger in seine Suppe hinein, zog ihn wieder raus, und schleckte ihn ab. Dann richtete er ihn auf den Kerl. „Di merk i mir vor, Schnurrbart. Di merk i mir vor. Deppertes Germaneng'sindel, g'schertes!“ Der letzte Fluch entfuhr ihm auf Keltisch.
    Er winkte verächtlich ab und schickte sich an, fortzugehen.

  • Zitat

    Deppertes Germaneng'sindel, g'schertes!


    Ich war wahnsinnig gespannt, jetzt endlich etwas über den kommenden Untergang von Mogontiacum zu hören, da wurden wir - oh, Kuhscheiße - unterbrochen. Da kam ein zu groß geratener Kerl hereingestapft, schmiß dem Wirt eine Münze hin, steckte seinen Finger in meine Suppe, kostete daran und brüllte dann etwas von verblödeten Germanen in die Stube. Ziemlich großpratziger Auftritt. Danach wandte er sich zum Gehen, zögerte aber etwas, so als ob er noch etwas erwartete. Vielleicht wollte er doch noch meinen Redebeitrag hören.


    "Cho äib äd Laawe sumam äd Puz elfelssu, nawam gnis Ginfe chotsejnire teh!" (Eifelkeltisch, etwa: 'auch bei den Kelten muss man die Suppe auslöffeln, in die man seine Finger gesteckt hat'). "Also, wenn dir die Kostprobe geschmeckt hat, dann setz dich her und iß!"


    Ich hielt ihm den Löffel hin.

  • Sim-Off:

    Ich kann leider kein eifel“keltisch“ und hoffe, walisisch tut es auch. ;)


    Artomaglos war schon dabei gewesen, sich vom Acker zu machen, von diesen ganzen blöden, schaßhirnigen Germanen sich loszueisen, die Barbaren hinter sich zu lassen. Doch es kam anders als erwartet. Der Kerl, den er beschimpft hatte, fing plötzlich an, ihn auf keltisch anzureden!
    Mit großen Augen drehte sich Artomaglos herum und schaute den Mann entgeistert an. Jo, wo samma denn? Dann begann er zu lachen. Wenn man sein Lachen überhaupt als solches bezeichnen kann, es war eher ein gurgelndes Brüllen.
    „Du bist mir einer!“ Dieses Mal sprach er keltisch. „Mae’n wych [Zu köstlich]! Pah, ich hasse Klugscheißer, ich hasse sie! Ah! Cau dy ffwcin ceg [Halt deine verdammte Klappe]! Paid a malu cachu y twpsyn fach drewllyd [Laber keinen Stuss, du dummer stinkender Trottel]!“ Er schnaufte tief ein und ließ fortfolgend einen Haufen kreativer Schimpfwörter auf Valgiso hinunterprasseln, eine Palette, die von „cachau bant“ bis „twllt din“ – es befand sich also richtig schön Rustikales darunter. In der Mitte seiner Tirade unterbrach sich Artomaglos.
    „Behalt deinen Löffel, ich bin jetzt zu müde, um RICHTIG Streit anzufangen.“ Er winkte ab.

  • Zitat

    ich bin jetzt zu müde, um RICHTIG Streit anzufangen


    Ich sagte noch zu ihm, "Tui Tchan ne folsch tui, Lumpaa!" (etwa: 'schlaf süß') und wandte mich an Laubasnius: "Was wir da gerade gehört haben, war große Poesie. Poesie für Äxte und große Hämmer. Man sollte es aufschreiben, nein, sogar in Stein meißeln, damit sich unsre Nachkommen noch Äonen später daran ergötzen können".


    "Aber", ich hob meinen Zeigefinger, "wir haben jetzt noch zwei wichtige Dinge zu erledigen, erstens, bring mir eine neue Schüssel Suppe. Ich weiß ja nicht, wo der Kniesbüggel überall seine dreckigen Keltenfinger reingesteckt hat, bevor er an meiner Suppenschüssel vorbei gekommen ist. Ich zahl sie dir auch - wegen der Poesie - , klar? Zweitens, du wolltest mir gerade erzählen, wie Mogontiacum untergehen wird. Aber erst die Suppe, Laubasnius".


    Laubasnius ging etwas traumatisiert in die Küche und schöpfte mir die Suppe ein. Als er sich wieder zu mir gesetzt hatte, begann er mir zu erklären, warum Mogontiacum keine Zukunft mehr hätte. Es war eine herrliche Verschwörungstheorie. Casella kam darin vor, die winterliche Ruhe auf den Straßen ("sie verstecken sich alle oder sind schon abgehauen, im Hafen haben sie schon ihre Pferde verladen") und gerüchteweise bekannt gewordene Fehlgeburten ("Fluch der Götter"). Und überhaupt.


    Meine Einwände, dass doch alles ganz normal für die Jahreszeit sei, wischte er einfach weg: "Valgiso, du bist zu naiv, du musst lernen, hinter die Dinge schauen, wie ich!"


    Alles in Allem, war es ein recht unterhaltsamer Feierabend, ich ging zufrieden nach Hause.

  • Artomaglos gurgelte irgendeinen Fluch als Nachtgruß zu Valgiso, bevor er sich wieder in sein Zimmer begab. Er wusste nicht, dass sein Gefluche andernortens als ästhetisch eingestuft werden würde, wenn, hätte er verdutzt geschaut, und die Satire hinter den Worten nicht überrissen.
    So verließ er den Ort des Geschehens, zu sich selber murmelnd, und betrat wieder sein und Semmels Zimmer. Mit einem Ächzen ließ er sich ins Bett nieder, und hoffte dabei, er hätte die Syrerin nicht aufgeweckt. Schon nach ein paar Augenblicken war er eingeschlafen und schnärchelte vergnügt vor sich hin.

  • Artomaglos und Semiramis hatten ihre Geschäfte in Germanien abgeschlossen. Lange genug hatte es gedauert. Doch nun war es endlich soweit. Alles war getan - das Sägewerk war gekauft, das Geld verschleudert. Es ging jetzt wieder nach Hause!
    Artomaglos, dessen einzige Freude in Germanien gewesen war, viele Germanen zu verhauen, war ob dessen sehr froh.

  • Als ich abends die Regia verließ, war es kühl und windig. Ich ging an der Taberna Silva Nigra vorbei die Via Borbetomagna hinunter. Vor drei Tagen waren die Gäste der Silva Nigra noch alle vorne im Porticus gesessen, weil es so heiß war, dass man es drinnen nicht aushalten konnte. Dann hatte Donar tagelang mit seinem Hammer gerumpelt und es hatte dermaßen geschüttet, dass das Wasser zwei Fuß hoch durch einige Straßen gurgelte.


    Ich hatte Hunger. In der Regia war heute ein solches Hin und Her gewesen, dass ich über den Tag nichts Gescheites gegesssen hatte. So betrat ich die Taberna Barbarorum.


    "Salve Laubasnius, was kannst du heute deinen verwöhnten Gästen zum Abendessen servieren?". Ich musste laut rufen, weil Laubasnius hinten in der Küche herumschepperte. Er steckte den Kopf durch die Tür. "Nichts!", knurrte er, "Nichts für verwöhnte Gäste. Für normale Werktätige habe ich Zander mit Mangoldgemüse und Emmernocken. Du kannst auch eine Grünkernsuppe vorher haben".


    In einer Ecke saßen noch drei undefinierbare Gestalten an einem Tisch, die sich konzentriert und schweigend ihrem Essen hingaben.


    "Ja, dann her damit, auch die Grünkernsuppe". Ich setzte mich.

  • Nach einer Weile hatte ich das Essen und einen Krug Bier auf dem Tisch. Ich machte mich darüber her und als ich zum Zander gekommen war, setzte sich Laubasnius zu mir. "Sehr gut," sagte ich, "eigentlich müssten die Leute schon wegen dem Essen bei dir Schlange stehen".


    "Tun sie aber nicht", maulte er, "seit dieser Knallkopf von Kelte hier neulich die Germanen verdroschen hat, kommen die nicht mehr - und die haben viel Zaster hier gelassen, glaub mir. Aber es ist eigentlich noch schlimmer. Überall in Mojentiaco gehen die Geschäfte von Tag zu Tag schlechter. Alle halten ihr Geld zusammen. Ich sag dir, da kommt etwas auf uns zu". Den letzten Satz hatte er fast geflüstert.


    "Hast du heute wieder einen Weltuntergang auf Lager?" Ich grinste und war gespannt, was da kommen würde.


    Er beugte sich vor, "Das Grinsen wird dir noch vergehen, Valgiso. Die Bonzen in Rom wollen Mojentiaco dem Erdboden gleichmachen und intricksieren, was das Zeug hält. Der Barbier nebenan hat mir heute erzählt, dass sie schon den Lagerkommandanten als Verbrecher angeklagt haben. Das haben ihm seine militärischen Kunden gesteckt. Euren Legato werden sie auch bald am Kanthaken haben, wie man so hört, und dann rollt auch dein Kopf, weil du dort dein Geld verdienst".


    Ich lehnte mich lachend zurück, "Geh weiter, von dem Geld bezahle ich hier mein Essen. Hast du nicht dann auch Angst um deinen wertvollen Kopf?"


    "," er hob abwehrend die Hände, "Geld ist Geld. Und du weißt doch: non olet".

  • Ich legte den Kopf zur Seite und sagte streng zu ihm, "An deiner Stelle wäre ich mir da nicht so sicher. Gerüche hängen manchmal sehr lange an den Dingen des Lebens, Laubasnius. Aber zurück zu Mogontiacum. Warum bei allen Göttern soll es denn dem Erdboden gleichgemacht werden?"


    Er schaute mich etwas mitleidig an und kratzte sich am Kopf, "Natürlich bist du so ahnungslos wie ein Weidenkorb, weil die in Rom alles geheimhalten. Aber jeder sonst in Mojentiaco weiß Bescheid und die Händler aus Rom erzählen es auch jedem, der es wissen will. Natürlich meine ich das mit dem Erdboden nicht so wörtlich, aber Tatsache ist, dass die alten Kerle in Rom beschlossen haben, die ganze Provinz umzukrempeln. Seit sie den Limes gebaut haben, ist Mojentiaco nicht mehr so interessant, die Musik spielt dann in Agrippina, verstehst du?"


    Ich schob die letzten Reste des Zanders auf einem Holzlöffel zusammen und sagte, "Nö, versteh ich nicht".


    Er holte tief Luft und streckte eine geöffnete Handfläche in meine Richtung aus. "Du solltest Wotan mit einem kleinen Opfer um Erleuchtung bitten, Valgiso. Es ist doch klar: Die Duckzier sind den Römischen zu groß geworden, den Offizieren bei der Legio trauen sie nicht über den Weg und der Legato ist ihnen zu aufmüpfig geworden. Das ganze Ungeziefer muss weg! Deswegen haben sie in Rom beschlossen, dass jetzt Agrippina Hauptstadt der Provinz wird. Das hat mir heute der Garumhändler erzählt und es passt krachlogisch zusammen". Er machte eine Pause und fiel etwas in sich zusammen: "Und was wird dann aus meinem Geschäft?"


    Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter: "Nur Mut, Laubasnius, bisher ist von deinen Vorhersagen noch keine einzige eingetroffen".

  • Sim-Off:

    Wer mag ...


    Aus alter Gewohnheit suchte ich die Taberna Barbarorum auf, um etwas Warmes zu essen. Der Wirt räumte gerade Schüsseln und allerlei Essbestecke von den Tischen. Etwas mürrisch drehte er sich zu mir um. als er die Türe gehen hörte.


    "Salve Laubasnius", sagte ich und schüttelte meinen regennassen Mantel aus. "Salve Valgiso, du bist leider etwas zu spät dran. Ich habe bloß noch Graupensuppe da. Da ist vorhin eine Gruppe Händler und Schiffer aus Trajana hier eingefallen, die haben alles weggefressen". Er verstaute das Geschirr mit einigem Geschepper in der Küche und rief von hinten: "Ich kann dir aber ein paar Möhren und etwas Rindfleisch zu den Graupen tun".


    "Mach das", rief ich erleichtert und setzte mich. "Deine Kneipe scheint ja gut zu laufen, oder seh ich das falsch?"


    Er kam mit der Suppe zurück. "Nö, ich trau dem Frieden nicht, du weißt ja, wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Aber du bist halt ein unverbesserlicher Optimist, Valgiso. Ich jedoch weiß, wenn die Sonne scheint, dann kann's auch gleich regnen".


    Ich schob die Graupensuppe vor mich, "Optimisten und Pessimisten haben gleich oft recht mit ihrer Sicht der Dinge, aber Optimisten haben mehr vom Leben, Laubasnius".

  • Sim-Off:

    Wer mag ...


    Laubasnius beugte sich vor: "Mag ja sein, aber dir habe ich eines voraus: Ich bemerke Dinge, die du nicht siehst. Während du ahnungslos vor dich hin trottest, spüre ich schon am leisesten Windhauch, dass ein Sturm kommen wird. Ich merke immer, was sich in der Welt so stickum zusammenbraut".


    Ich versuchte, ein paar Möhren aus der Graupensuppe zu fischen, gab es aber dann auf und sagte: "Und?"


    Laubasnius machte eine Pause, dann sagte er laut: "Es ist in letzter Zeit sehr still geworden in Mojentiaco. Unheimlich still". Er sagte es ziemlich laut, so als wollte er die Stille damit hervorheben.


    "Tatsächlich", antwortete ich, "du hast recht. Seit dem Julfest sieht man niemanden mehr auf der Straße und in der Regia habe ich auch keinen Menschen auf den Korridoren getroffen. Meinen Chef habe ich schon drei Tage nicht mehr gesehen". Ich kratzte mich am Kopf, "Aber die Händlergruppe vorhin ..? ".


    "Die?" Er schüttelte den Kopf. "Denen war das hier unheimlich. Die sind hastig reingekommen, haben hastig gegessen und sind wieder hastig rausgegangen". Er hob die Hände und flüsterte: "Stell dir mal vor, das wären die letzten Menschen gewesen, die wir gesehen haben. Vielleicht gibt es außer uns beiden in Mojentiaco oder in der ganzen Welt jetzt niemanden mehr .."


    Da ging die Tür auf.

  • Mit dem Aufschwingen der Tür fegte auch eine geraume Menge weiße Flocken, getragen vom eiskalten Atem des Februarius, in den Schankraum. In der Tür stand ein mittelgroßer Mann, den Umhang fest um sich geschlungen. Vom blendend hellen Licht umschienen war er für die Gäste im düsteren Schankraum nur schwer zu erkennen, doch als er ein paar Schritte vorwärts trat, war er schnell als Römer zu identifizieren, der dem Ritterstand entstammt.


    "Dreckskälte," fluchte Sermo leise mehr zu sich selbst, als an die Anwesenden gewandt. Als er den Schankraum betrat, wurde man einem hageren Begleiter gewahr, der hintendrein stapfte und bibbernd die Tür schloss, als er eingetreten war. Einen Augenblick hielt Sermo inne und sah sich um. Hier war ja überhaupt gar nichts los! Ein einziger lächerlicher Gast war zum Essen hierhergekommen. Ein einziger! Mit gerunzelter Stirn richtete der Quintilius seine Schritte zu dessen Tisch. Dort angekommen setzte er eine neutrale Miene auf und sprach den Gast, der einem wandelnden Vollbart mit Beinen glich, an. "Salve. Ist ja viel los hier." Amüsiert verzog er einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, bevor er auf seinen Begleiter und sich wies und fragte: "Dürfen wir uns zu dir gesellen?" Der schlotternde Begleiter brachte zur Begrüßung ebenfalls ein schiefes, vor Kälte schmerzverzerrtes Lächeln zustande, das dazugehörende Nicken verband sich unkenntlich mit seinem Zittern. Die beiden Römer hatten wahrhaftig nicht mit einer so unglaublichen Kälte gerechnet, die in Germanien vielleicht noch bis Anfang März herrschen könnte.

  • Sim-Off:

    Es muss heißen:
    ... einem wandelnden Schnäuzer ... :D


    Ich sagte noch zu Laubasnius: "Siehst du, die Menschheit ist doch nicht ausgestorben!"


    Als der Gast mit seinem Begleiter näherkam, bemerkte ich, dass es Quintilius Sermo war. "Ja, setzt euch zu uns. Ich güße dich, Quintilius Sermo, willkommen. Ich bin Valgiso, der Magister Officiorum. Du wirst dich vielleicht nicht mehr erinnern, aber als du zum ersten Mal zum Legaten wolltest, bist du in mein officium gekommen. Ich war damals noch Scriba".


    Ich deutete auf Laubasnius, "Das ist Laubasnius, der Wirt. Uns verbindet eine merkwürdige Freundschaft. Er ist (in meinen Augen) der hartnäckigste Pessimist im ganzen Imperium und er schimpft mich immer einen notorischen Optimisten. Wir haben uns gerade darüber unterhalten, ob in den letzten Tagen vielleicht die Menschheit - bis auf uns zwei - ausgestorben sein könnte, weil die Straßen in Mogontiacum wie leergefegt sind. Dann seid ihr hereingekommen und habt unsere Theorie zum Einsturz gebracht".

  • Sim-Off:

    Wie recht du hast, verzeih. :D


    "Ach, aber natürlich. Valgiso!" heuchelte Sermo auch prompt den Wiedererkennungsmoment. Das Gesicht kam ihm wahrlich bekannt vor, aber den Namen eines einfachen Scribas hatte er sich selbstverständlich nicht gemerkt. Und der war jetzt mal eben zum Magister Officiorum befördert worden? Gut für ihn.


    "Ist mir eine Freude," begrüßte er darüberhinaus den Wirt, den hartnäckigsten Pessimist des Imperiums. Die verquere Theorie der beiden brachte Sermo zum Schmunzeln. "Nun, ich kann nicht behaupten da draußen allzu vielen Menschen begegnet zu sein. Aber bei so einem Schneegestöber ist das wohl auch wenig verwunderlich. Vielleicht habt ihr ja gar nicht so Unrecht mit eurer Theorie." Neben ihm zog sein Begleiter geräuschvoll die triefende Nase hoch, was Sermos Aufmerksamkeit erstmals wieder auf ihn lenkte. "Achja, das ist übrigens Restitutus, mein schlotternder Schreiber." Er grinste Breit ob dieses spontanen Alliteration humoristischen Inhalts und gab seinem Scriba einen Ellenbogenstubser. "Salvete," sagte der nur, woraufhin sie sich zu Valgiso an den Tisch setzten. Sermo ließ es sich auch nicht nehmen, gleich zu bestellen. "Laubasnius, gib' uns was von deinem besten Glühwein, ja? Sonst erfriert er hier mir ganz jämmerlich." Der arme Kerl an Sermos Seite war offensichtlich zur Zielscheibe des heutigen Abends abgestempelt worden. Offenbar nahm er es aber gelassen und lächelte nur zufrieden, als der heiße Wein bestellt wurde.

  • Der Begleiter von Quintilius Sermo schlotterte tatsächlich wie ein Tuch im Wind. "Salve Restitutus, gleich kannst du dich an einem Schluck vom wilden Glühwein des Laubasnius aufwärmen. Dann wirst du augenblicklich wieder deinem Namen* gerecht werden".


    Ich konnte mir gut vorstellen, dass die beiden, die ja schließlich aus Roma kamen, von dem mogontinischen Winter einen handfesten Schock abbekommen hatten. Dabei waren die Winter am Rhenus, verglichen mit anderen Gegenden noch einigermaßen mild. Vielleicht sollte man den Römern ein bißchen Mut machen.


    "Man sagt hier, dass der Frühling nicht mehr weit ist, wenn es zwischen den Terminalia und den Equirria** kalt ist. Wenn es dagegen mild ist, kommt noch ein Märzwinter hinterher. Ich habe vor ein paar Tagen die ersten Kraniche zurückkommen sehen, ich denke also, dass die erste Variante wahrscheinlicher ist".


    Da kam Laubasnius mit den Bechern Glühwein zurück. Freundlicherweise hatte er daran gedacht, mir auch einen Becher heißen Met mit zu bringen.


    Sim-Off:

    * restitutus = wiederhergestellt
    ** ungefähr zwischen dem 24. und 26. Februar

  • [Blockierte Grafik: http://img690.imageshack.us/img690/1979/leubo1.jpgLaubasnius


    Laubasnius stellte die Becher vor die Gäste hin: "Zum Wohl, meine Herrschaften". Er schüttelte den Kopf, deutete auf mich und sagte: "Glaubt nur ja nicht an den optimistischen Kuhmist, den Valgiso gerade verzapft hat. Wenn ihr mich fragt, kriegen wir noch einen langen harten Winter, dass die Knochen klappern. Aber keine Angst, ihr wisst ja, wo man einen ordentlichen Glühwein bekommt".

  • Restitutus konnte über Valgisos Scherz nicht so sehr lachen, wobei nicht ganz deutlich wurde, ob er einfach vor lauter Schlottern kein Lächeln zustande brachte, oder ob er den Scherz nicht scherzhaft fand. Sermo jedenfalls grinste breit und stieß seinem Begleiter den Ellbogen in die Seite. Mensch, der musste mal eine ganze Spur lockerer werden. Wenn sich seine Muskeln entkrampft hatten, wohlweislich.


    "Na was denn nu?" fragte Sermo spöttisch, als sie dann erst Valgisos Versprechungen aufgetischt bekamen, die sogleich von Laubasnius - der nebenbei in Sermos Augen ein unfassbar hässlicher Kauz war - für Irrsinn erklärt wurden. "Na, solang' ich nicht verdursten muss, kann's mir ja egal sein!" lachte er und nahm die Bestellung fröhlich entgegen. "Zum Wohl!" prostete er in die Runde, verschüttete ein paar Tropfen für die Götter und nahm vorsichtig einen Schluck des heißen Weins, um sich nicht die Zunge zu verbrennen.


    Als er den Becher absetzte, führte er das Gespräch fort, indem er Valgiso einfach mal ein wenig auszufragen begann. "Und dich hat der Annaeus jetzt also zum Magister Officiorum gemacht, ja? Wie kommt's? Und was hast du vorher so getrieben?" Man musste seine Mitarbeiter ja kennen, nicht wahr?

  • Zitat

    Sermo:
    "Und dich hat der Annaeus jetzt also zum Magister Officiorum gemacht, ja? Wie kommt's? Und was hast du vorher so getrieben?"


    Als die Becher auf dem Tisch standen, nahm Restitutus sofort einen ordentlichen Schluck, der seine heftigen Oszillationen in kürzester Zeit auf ein normales Maß zurücksetzte. Jetzt schaffte er es auch, ein Lächeln aufzusetzen und seine Umwelt wahrzunehmen. So konnte ich auf die Frage von Sermo eingehen.


    "Ja, der Legatus hat mich zum Magister Officiorum gemacht. Du kannst aber deinen Kopf verwetten, dass er mich vorher genauestens beäugt hat. Unter Vinicius Hungaricus war ich Scriba Provincialis. Das sind die Kerlchen, die wütende Beschwerdeführer abfangen müssen, bevor sie dem Legaten auf den Pelz rücken können. Ansonsten werden Scribae gewöhnlich nur rumgekickt und müssen zwischendurch den ganzen Schreibkram machen".


    Ich widmete mich kurz meinem heißen Met und wischte mir den Schnäuzer ab. "Weißt, du, ich bin Germane, hab sozusagen einen Migrantenhintergrund, und Modestus wird sich gedacht haben, dass solche Leute sich ein bißchen mehr anstrengen müssen, wenn sie zu Potte kommen wollen. Außerdem geht alles Wichtige über den Schreibpult des Scriba, er kennt sich also in der Provinz aus".


    Ich grinste, "Das mit dem Germanen kannst du auf die leichte Schulter nehmen. Hier geht man damit ziemlich locker um".

  • "Jetzt ist es an dir, herumzukicken," grinste Sermo verschwörerisch. Es war schon befriedigend, untergebene durch die Gegend zu scheuen, wenn man vorher auch einmal so behandelt wurde. Nicht zuletzt deshalb behandelten beispielsweise viele Freigelassene ihre eigenen Sklaven später schlechter als ihre Haustiere.


    "Als Germane müsstest du ja zumindest einen guten Überblick über die Stammessituation der Umgebung haben und dahingehend auch eine nicht zu unterschätzende beratende Funktion für Annaeus haben, nicht wahr?" Sermo verstand zwar nicht ganz, was Valgiso mit 'Migrantenhintergrund' meinte, denn in Germania waren bestimmt über achtzig Prozent der Bevölkerung germanisch- oder keltischstämmig. Zumindest war das Sermos Einschätzung. Da musste er selbst sich viel eher Migrant schimpfen.


    "Wie jetzt?" hakte er auf Valgisos letztgetätigte Aussage nach. "Wie meinst du das? Auf die leichte Schulter nehmen?" Er würde gewiss nicht die Sitten und Gebräuche der Bevölkerung hier auf die leichte Schulter nehmen. Oder worauf spielte der Magister an? Restitutus runzelte ebenfalls fragend die Stirn, während er sich an seinen Glühwein klammerte. Langsam schien er wieder aufzutauen.

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