• "Komm", forderte Ursus sie abermals aus und ging davon aus, daß sie ihm folgen würde, als er nun losging. Er führte sie durch ein paar Straßen bis zu einem kleinen, netten Park. Hier war nicht viel los, aber sie waren schon wieder in einer deutlich besseren Gegend als zuvor, was Ursus doch gleich ein Gefühl größerer Sicherheit verschaffte.


    "Hier, die Bank sieht doch ganz brauchbar aus." Er deutete auf eine schlichte Holzbank unter einem uralten, knorrigen Baum. Es war ein ruhiger, angenehmer Ort. Gut geeignet zum Reden. Ursus setzte sich und wartete, bis auch Caelyn sich gesetzt hatte. "Und nun... Nun sag mir mal, was Du eigentlich von Deinem jetzigen Leben erwartest. Was Du von mir erwartest." Er sprach immer noch ruhig. Wegen ihrer überstürzten Reaktion war er ihr nicht böse. Wenn die Gefühle einen überwältigten, tat man oft Dinge, die falsch waren. Er selbst hatte ja auch schon einige Dummheiten hinter sich.


    Natürlich hatte sie eigentlich kein Recht, irgendwelche Erwartungen an ihr Leben oder gar an ihren Herrn zu hegen. Doch andererseits war sie ein Mensch. Und Menschen hatten nun einmal Erwartungen, ob das nun ihr Recht war oder nicht.

  • Ich folgte ihm wortlos und bald führte uns unser Weg heraus aus diesem Teil der Stadt. Nur einige Straßenzüge weiter befand sich ein kleiner Park, den er ansteuerte. Es war wirklich ein nettes, helles Plätzchen gewesen, geradezu prädestiniert, um sich von dem Lärm und dem Trubel der Stadt zu erholen und um für einen Moment inne zu halten.
    Er hatte sich auf einer Parkbank niedergelassen und wies mir den Platz neben sich zu. Zögerlich ließ ich mich nieder. Jetzt kam garantiert die nächste Gardinenpredigt. Aber auch diesmal hatte ich mich geirrt. Solcherlei Fragen, die er mir stellte, hatte ich keineswegs erwartet.
    Was erwartete ich denn eigentlich? Konnte ich denn überhaupt etwas erwarten?
    "Ich hab keine Erwartungen! Wie sollte ich die auch haben!" begann ich nieder geschlagen. Doch mir war klar, er würde eine Erklärung für das alles erwarten. "Ich weiß nich, was mit mir los is! So was hatt´ich noch nie! Du warst immer so nett zu mir und das war ich vorher nich gewohnt, dass einer so nett zu mir is. Das hat irgendwas in mir ausgelöst aber ich konnte nich genau sagen was. Es hat mich nur wütend gemacht, wenn du immer mit Cadhla zusammen warst. Was issn das? Is das so was wie Liebe?" Ich sprach so, als ob ich von einer gefährlichen und unbekannten Krankheit berichtete, denn es kostete mich sehr viel Überwindung.

  • Ihre Niedergeschlagenheit war wirklich furchtbar mit anzusehen. Und das gerade heute, wo der Tag so gut begonnen hatte. Da saß sie nun, wie ein Häuflein Elend. War das wirklich seine Schuld? Aber was genau hatte er denn falsch gemacht? Er konnte das einfach nicht begreifen.


    Ihre Worte zeigten, wie wenig auch sie es begriff. Sie verstand ihre eigenen Gefühle nicht und Ursus war sich nicht sicher, ob er darüber froh sein sollte oder nicht. Denn so viel klüger als sie war er in diesen Dingen schließlich auch nicht.


    "Ich kann es Dir nicht sagen, Caelyn", gestand er ihr schließlich. "Vielleicht ... bist Du ein wenig in mich vernarrt. Gerade... wenn vorher noch niemand freundlich zu Dir war. Liebe... stelle ich mir als sehr starkes, geradezu überwältigendes Gefühl vor." Eher ein Kribbeln in der Magengrube. Eher ständig an den anderen zu denken und Herzklopfen beim Anblick des geliebten Menschen zu bekommen. Aber Ursus war nicht bereit, vor sich selbst zuzugeben, daß er dieses Gefühl vielleicht doch schon kennengelernt hatte.


    "Ich habe nicht vor, unnett zu Dir zu sein. Solange Du tust, was ich Dir sage, gibt es dafür ja auch gar keine Veranlassung." Ursus hob seine Hand zu ihrem Kinn, berührte es und hob ihr Gesicht, so daß sie ihn ansehen mußte. "Deine Wut, die Dich überkommt, wenn ich mit Cadhla zusammen bin, nennt man Eifersucht. Eifersucht ist ähnlich wie Neid, aber nicht ganz das gleiche. Dazu hast Du keine Veranlassung. Denn Cadhla ist eine Sklavin. Wie Du. Ich darf sie so wenig lieben wie Dich." Und doch... "Weißt Du, ich glaube, verliebt ist man schnell. Aber richtige Liebe, das ist etwas, was langsam wachsen muß in gegenseitigem Vertrauen. Schau Dich um, Caelyn. Du darfst Dich verlieben. Du darfst auch lieben. Sogar eine Familie haben." Nur eben nicht mit einem Freien oder gar einem Patrizier. Doch das sollte sie mittlerweile wirklich begriffen haben. Fand er.

  • "Aber was soll ich mit dem Gefühl da drinnen machen? Das geht nich einfachso weg!" sagte ich ihm und deutete auf mein Herz. Doch da konnte er mir sicher auch keine Antwort geben. Da konnte mir wahrscheinlich niemand eine Antwort geben und es war sinnlos, weiter darüber nachzudenken. Hätte ich doch nur jemanden gehabt, der mich auf all das vorereitet hätte. Aber jetzt war es dafür zu spät.
    "Es fällt mir schwer, über so was zu sprechen. Früher hab ich mich gegen so was gewehrt Denn die Kerle, die von mir was wollten, haben´s nie wirklich ernst gemeint. Die wollten nur...na du weißt schon."
    Es würde sicher eine lange Zeit brauchen, bis ich mir wirklich im klaren war, was ich tun könnte, um darüber hinweg zu kommen.
    Eine Familie zu haben, daran wollte ich jetzt noch gar nicht denken. Das konnte ich mir auch noch gar nicht vorstellen. Deswegen konnte das für mich auch kein Trost sein. Nicht jetzt!


    Schweigen folgte, das einen Weg zum innehalten bot. In der Ferne bellte ein Hund und von weitem erahnte man den Lärm der Stadt. Einige warme Strahlen der Wintersonne trafen den Park und sie wärmten uns. Es war eigentlich angenehm, hier zu sitzen. Eigentlich hatte heute alles gepaßt! Es wäre wirklich ein hervorragender Tag gewesen, wenn nur nicht dieses Gespräch so seinen Lauf genommen hätte!

  • "Deine Gefühle sollen auch nicht weg gehen, Caelyn, sie sollen sich nur verlagern", sagte Ursus ernst und blickte ihr fest in die Augen. "Wenn Du sie ganz und gar wegzwingst, wirst Du Dein Herz nur verhärten und dann kannst Du kein Glück mehr empfinden. Hör zu. Du sagst, Du magst mich. Du sollst mich auch mögen. Wie jeder Mensch möchte ich gemocht werden. Richtige, tief empfundene Liebe wird es - hoffentlich - noch nicht sein. Es ist schlimm genug, wenn Du in mich verliebt bist, denn schon das wird wohl weh tun, sich aus dem Kopf zu schlagen. Ich mag Dich. Du darfst nicht glauben, daß ich Dich nicht gern hätte. Aber mehr wird niemals daraus werden. Es gibt andere Männer. Schau Dich bei den Sklaven im Haus um. Vielleicht kann einer von ihnen Dir das Glück schenken, daß Du Dir wünschst. Natürlich geht das nicht von einem Tag auf den anderen. Es wird weh tun und einige Zeit dauern. Aber besser, es geschieht jetzt, als wenn es später geschieht, wenn es Dir wahrhaft das Herz zerbricht."


    Einem Impuls folgend ergriff Ursus die beiden Hände der Sklavin. "Ich bin sehr stolz auf Dich, weißt Du? Du hast schon sehr viel mehr gelernt, als ich am Anfang zu hoffen gewagt hatte. Und ich weiß mittlerweile, daß Du noch weiteres Potential hast. Nutze es, Caelyn. Nicht nur für mich, auch für Dich selbst. Und sieh mich als das, was ich bin: Dein Herr, in jeder Beziehung. Kann man wirklich jemanden lieben, der derartige Rechte über einen hat? Nur, weil ich sie nicht gnadenlos ausnutze? Denk darüber nach und prüfe Dein eigenes Herz." War er nicht eher eine Art Vaterersatz? Vielleicht war es diese Art der Liebe, die sie empfand.

  • Ich hörte Ursus aufmerksam zu und nickte wortlos. Meine Gedanken kreisten um das, was er gesagt hatte. Bisher hatte ich nicht im Traum daran gedacht, mit einem der männlichen Sklaven mehr als nur freundliche Worte auszutauschen. Die meisten waren ja ganz nett, aber mehr auch nicht. Gut der Neue, dieser Sertorio war ja wirklich ein guter Kumpel und manchmal hatte der mich auch so komisch angesehen. Ob der was von mir wollte? Der war wirklich ein netter Kerl!


    Dann nahm er meine Hände und sagte etwas, was mich total umhaute: er war stolz auf mich! Auf mich! So etwas hatte noch niemand zu mir gesagt!
    Ja, er hatte recht gehabt! Mensch, der Kerl war´n Römer! Einer von den Bösen!
    "Mir hat noch nie einer gesagt, dass er stolz auf mich ist! Danke, das ist wirklich nett. Und ich werd dich auch nicht mehr enttäuschen! Naja, ich versuch´s wenigstens!" Ich schmunzelte, als ich das sagte.
    Irgendwie kam ich mir jetzt etwas erleichterter vor, wenn man das so nennen konnte. Zum ersten Mal hatte ich offen mit einem anderen Menschen über meine Gefühle gesprochen und es hatte sogar etwas geholfen, auch wenn es nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatte.

  • Ursus nickte ernst. "So ist es gut. Mehr verlange ich auch gar nicht von Dir. Und... Du wirst Zeit brauchen, Caelyn. Glaub mir, Du hast diese Zeit. Niemand kann Wunder vollbringen. Gib Dir einfach alle Mühe, dann kann ich weiter stolz auf Dich sein." Er musterte sie aufmerksam. Es würde noch schwer für sie werden. Doch sie würde es schon schaffen, da war er sich sicher. Solange sie sich vom Wein fernhielt, jedenfalls. Denn der schien sie ja außergewöhnlich geschwätzig zu machen.


    "Und nun... was hältst Du davon, wenn wir versuchen, diesem Tag doch noch ein wenig Freude abzugewinnen?" Mit einem leichten Lächeln erhob er sich und zog sie dann mit hoch, da er ihre Hände ja immer noch in seinen hielt. "Gleich zum Schneider oder möchtest Du vorher noch ein wenig von Rom sehen?"


    Falls sie überhaupt noch Lust dazu hatte. Zwingen wollte er sie nach diesem Gespräch jedenfalls nicht. "Oder doch lieber nach Hause?", fragte er also und war heute tatsächlich bereit, sich nach ihren Wünschen zu richten. Etwas, was sie sicherlich nicht oft erleben würde in seinen Diensten.

  • Ernstdreinblickend schaute Ursus mich an und ich hörte ihm mit gemischten Gefühlen zu. Dass alles schwierig für mich war und sein würde, wusste ich selbst. Es gab noch sehr viel zu lernen für mich. Wenn ich darüber nachdachte, was und wieviel ich noch lernen mußte, machte mir das schon etwas Angst! Aber es war gut zu wissen, dass er mir die nötige Zeit grwähren wollte.
    Aber als er endlich das Thema wechselte, fühlte ich mich erheblich wohler. Den Vorschlag, den er machte, verhalf mir wieder zu einem Lächeln. Sein Frage war auch ganz leicht zu beantworten!Die beantwortete sich eigentlich schon von selbst!
    "Ach nee, nach Haus mag ich noch nicht! Aber wenn du mich so fragst, dann, mhhm das ist jetzt echt schwierig! Laß mich mal nachdenken!" Ich tat so, als ob mir die Entscheidung unglaublich schwer fiel, grinste aber dann schelmisch und meinte dann: "Na klar, mag ich noch was von der Stadt sehen!" Wer wusste schon, wann sich die nächste Gelegenheit dazu bieten würde! Außerdem war der Tag, wie geschaffen dafür!

  • Ursus konnte ihr ansehen, daß die ganze Angelegenheit ihr noch mächtig zu schaffen machte. Doch das mußte auch so sein. Sie würde noch viel darüber nachdenken müssen, um sich Klarheit über sich selbst und ihre eigenen Gefühle zu verschaffen. Was sie jetzt brauchte, war vor allem Zeit. Und er durfte vorerst nicht mehr an das Thema rühren. Da war ein weiterer Gang durch die Stadt natürlich nicht das schlechteste. Das würde sie ein wenig ablenken und ihr vielleicht sogar nochmal das eine oder andere Lächeln entlocken.


    Von dem kleinen Park aus mußten sie nun recht weit laufen, um das forum romanum zu erreichen. In dessen Nähe befanden sich nun einmal sehr viele prächtige Gebäude und diese gehörten nun einmal zu den sehenswerten Orten in Rom. "Hier auf dem forum romanum halte ich mich jeden Tag einige Zeit auf. Denn hier trifft man sich und diskutiert man miteinander. Neuigkeiten werden ausgetauscht, Abmachungen getroffen, Bekanntschaften gemacht und gepflegt."


    Immer wieder wurden sie unterbrochen, da Ursus hierhin grüßte und dort zurückgrüßte. So war das eben an diesem Ort. "Und dort in dem Gebäude finden beispielsweise die Senatssitzungen statt..." So erklärte er ihr alle öffentlichen Gebäude und Tempel, zeigte und erzählte. Und hoffte, daß es nicht zuviel für sie war.

  • Endlich setzten wir uns wieder in Bewegung. Fort von diesem Park, der zwar sehr schön und wie geschaffen war, um sich dort die Zeit zu vertreiben. Doch ich wollte endlich auf andere Gedanken kommen, die mich nicht so sehr belasteten.
    Wir waren ganz schön weit von unserem Weg abgekommen. Doch Ursus führte mich nicht zurück zum Markt. Wir kamen an einen Platz, den er forum romanum nannte. Davon hatte ich schon gehört. Staunend betrachtete ich die imposanten Gebäude und lauschte seinen Erklärungen dazu. Das hier war das Zentrum der Macht und zwar in jederlei Hinsicht.
    Ständig wurde er gegrüßt oder grüßte selbst. Es war wirklich sehr beindruckend. "Dich kennen ja eine ganze Menge Leute!"
    Tja, gegen das hier konnte Augustodunum echt einpacken! Was war schon ein Provinznest gegen diese Stadt? Doch trotzdem vermisste ich das nette, kleine, beschauliche Provinznest. Dort war alles viel übersichtlicher gewesen. Dort kannte ich auch fast jeden. Aber hier? Die Größe dieser Stadt machte mir etwas Angst. Wenn ich hier verloren ginge, wäre ich wirklich verloren. Ich hoffte nur, noch oft Gelegenheit dazu bekommen, die Stadt noch näher kennenzulernen.

  • Tatsächlich schien sie sich mittlerweile beruhigt zu haben. Auf jeden Fall bestaunte Caelyn die prachtvollen Bauten und schien sich kaum sattsehen zu können. "Ich bin jeden Tag hier. Und diese Leute auch." Es mußte auch so sein, daß er langsam bekannter wurde.


    "Im Moment mag Dir die Stadt riesig vorkommen. Das ist sie auch. Aber wenn Du erst die Hauptstraßen kennst und weißt, in welchem Stadtteil was zu finden ist, dann wirst Du Dich schnell zurecht finden." Es war nicht so schwer, wenn man sich einfach von der Größe nicht einschüchtern ließ. Sicher würde jemand wie Caelyn sich schnell zurechtfinden. Immerhin war sie an Städte gewöhnt, auch wenn ihre Heimatstadt viel kleiner war als Rom.


    "So, hier geht es direkt zum Markt. Wir sind jetzt nicht weit vom Schneider entfernt." Nachher konnte er ihr ja noch einiges zeigen. Zuviel auf einmal war eben auch nicht gut. Vor allem würde er ihr den Weg vom Markt nach Hause zeigen. Den leichtesten, nicht den kürzesten. Dann würde sie immer leicht heimfinden.

  • Irgendwie war er ja zu beneiden, wenn er jeden Tag hier war. Da war sicher immer was los und kein Tag war, wie der andere.
    Noch einmal sah ich mich um, bevor wir weiter gingen. "Nimmst du mich ab und zu auch mal hierher mit?", fragte ich, denn der Ort gefiel mir. Hier pulsierte das Leben, nich wie in der Villa, in der Tag ein, Tag aus immer der gleiche Ablauf stattfand. Aber das, was er dann sagte, ließ mich doch wieder hoffen! Wenn ich erst die Hauptstraßen kenne..,mhhm, das würde bedeuten, ich könnte jetzt viellicht öfter hinaus in die Stadt! Das wäre richtig Klasse! Die Langeweile hätte ein Ende!
    Unser Weg führte uns schließlich wieder zum Markt hin. Denn eigentlich hatte unser kleiner Ausflug ja einen bestimmten Zweck gehabt. Noch immer nicht waren wir beim Schneider gewesen!

  • Caelyns Begeisterung für das Forum konnte Ursus nur zu gut verstehen. Auch wenn er nicht ganz nachvollziehen konnte, was eine Sklavin daran nun so faszinierte. Aber da sprach sicherlich das frühere Straßenkind aus ihr, das sich halt in Menschenmengen wohl fühlt. Vor allem in Mengen von wohlhabenden Menschen, die sorglos mit ihren Geldbeuteln umgingen. Nunja, so etwas hatte sie ja zum Glück nun nicht mehr nötig.


    "Vielleicht läßt sich das mal ab und an einrichten." Ursus wollte da nichts zu fest versprechen. Doch ganz abwegig war es schließlich nicht, sie auch mal mitzunehmen. Wenn er keine Amtsgeschäfte zu erledigen hatte zumindest. Eher war anzunehmen, daß er sie wegen irgendwelcher Besorgungen losschickte. Doch dafür mußte sie sich erst einmal etwas besser auskennen.


    Sie überquerten den Markt, kamen dieses mal an Obst- und Gemüseständen, an Händlern mit verschiedenen Backwaren und einer Garküche vorbei. Und am Rande des Marktes fand sich dann der Laden des Schneiders.


    Als Caelyn und Ursus den Laden betraten, bot sich ihnen ein überwältigender Anblick. Die Regale an den Wänden quollen geradezu über vor lauter Ballen von Stoffen in allen Qualitäten, Farben und Mustern. Dazu gab es lange Tische, auf denen Stoffe ausgebreitet lagen, aber auch Kisten und Regale voller Schriftrollen mit Modellzeichnungen. Scheren, Kreidestücke, lange Maßstäbe lagen auf der Ladentheke und mehrere Helfer waren damit beschäftigt, Dinge von einer Stelle an eine andere zu räumen.


    Der Schneidermeister selbst eilte natürlich sogleich herbei, um eifrig seine Dienste anzubieten. Und er wußte offenbar, mit wem er es zu tun hatte, denn er sprach Ursus sogleich mit seinem Namen an. "Salve, werter Vigintivir Aurelius Ursus. Welch eine Ehre, daß Du meinen Laden beehrst. Bitte, womit kann ich Dir dienen?"


    Eigentlich mochte Ursus diese schmeichlerische Art nicht, doch der Mann war gut. Und wenn er die Maße genommen hatte und etwas fertigte, dann saß das auch. Ohne solch quälerische, stundenlange Anproben, wie Marsus sie vor einiger Zeit hatte über sich ergehen lassen müssen. "Ich überlege, mir eine neue Toga für feierliche oder auch förmliche Ereignisse anfertigen zu lassen. Außerdem vielleicht auch noch eine dazu passende Tunika. Caelyn hier hat einen ausgesprochen ausgeprägten Sinn für Mode. Ich möchte, daß Du ihr Dein komplettes Angebot an geeigneten Stoffen zeigst und sie bei der Vorauswahl berätst."


    Der Schneider schaute ein wenig verwirrt zwischen Caelyn und Ursus hin und her, dann nickte er eifrig. "Selbstverständlich. Bitte kommt, hier sind die Stoffe, die für edle Togen am besten geeignet sind." Er zeigte auf ein Regal und dort zwei Fächer. Dann begann er, einige Ballen herauszunehmen, damit sie den Stoff näher betrachten und prüfen konnten. Doch seine Gesten zeigten deutlich, daß Caelyn sich auch am Regal durchaus umschauen durfte.

  • Echt, in dieser Stadt konnte man sich sicherlich haufenweise die Sandalen durchlaufen! Meine Füße taten schon weh. Nachdem wir den Markt fast gänzlich hinter uns gelassen hatten, erreichten wir endlich den Laden des Schneiders. Den Göttern sei Dank! Mann, das war ja voll der Wahnsinn! So viele verschiedenec Stoffe! So viele verschiedene Farben und Muster. Bis unter die Decke waren die Regale mit diversen Stoffen gefüllt.
    Gleich kam so ein hagerer Wicht auf Ursus zugerannt und belaberte ihn ohne Gleichen. Schleimer!
    Nachem Ursus ihm erklärte, was er wolle und was meine Rolle dabei war, guckte der Schneider erst noch etwas verdutzt, zeigte mir aber gleich seine Auswahl an Stoffen. Ich besah mir erst die Ballen, die er hervorgeholt hatte, ging dann aber auch einmal auf den Schrank zu und beäugte die dort lagernden Stoffe.
    "Mhhm", war meine erste Bemerkung. Ich ließ mir Zeit, um mir alles genau anzuschauen, doch dann wandte ich mich dem Schneider wieder zu und sprach ihn an. "Ey Meister, sag mal, haste nicht noch was besseres? Das hier is ja schön und gut, aber so richtig der Brüller ist das ja nich!"
    Ursus warf ich einen Blick zu und schüttelte leicht den Kopf um ihm damit zu sagen, das ich noch nicht den richtigen Stoff entdeckt hatte.
    Dann schaute ich fragend den Händler an. Der mußte doch noch irgendwo ´nen Super Stoff rumliegen haben!

  • Der Schneider schaute ein wenig pikiert drein, als er die ordinäre Sprache der ansonsten doch sehr ansprechend wirkenden jungen Sklavin vernahm. "Es ist an Stoffen vorhanden, was Du in diesem Laden siehst. Vielleicht möchtest Du einfach noch in den anderen Regalen schauen?" Er war seit frühester Jugend Schneider. Seiner Meinung nach der beste Schneider in Rom. Er führte die edelsten Stoffe und arbeitete für die hochstehenden Persönlichkeiten in dieser Stadt. Jawohl. Und er wußte sehr genau, welche Stoffe für eine elegante Toga geeignet waren. Und das waren die in diesem Regal. Dennoch machte er eine einladende Geste, um auf den Rest des Ladens zu deuten. Sollte sie doch einfach selbst nachsehen.


    Ein amüsiertes Schmunzeln trat auf Ursus' Züge, als Caelyn erklärte, dies sei doch alles nicht ganz das rechte. Genau aus diesem Grund war er mit ihr hierher gekommen. Er wollte, daß nicht der Schneider eine Vorauswahl traf, sondern sie sich ein Bild von allen Möglichkeiten machte.

  • Herrje, jetzt war er auch noch beleidigt! Nee, kleines Sensibelchen! Aha, was besseres hatte er nich? Na toll! Doch dann gab er sich doch noch ´nen Ruck. Der Schneider deutete auf sie anderen Regale, die über und über mit allerlei Stoffen gefüllt waren.
    Gleich begann ich, mich nochmal richtig umzuschauen. War ja echt massig viel Zeuch, was hier so rumlag.
    Zwischendurch linste ich auch mal zu Ursus rüber, der sich anscheinend köstlich darüber amüsierte, wie ich mit dem Schneider umgegangen war. Der Schneider allerdings, fand das überhaupt nicht lustig! Schmollte der etwa?
    Regal für Regal wurde von mir in Augenschein genommen. Manchmal schüttelte ich den Kopf, manchmal nickte ich und ab und zu ließ ich mich sogar zu einem mhm oder einem ja hinreißen.
    Einige gefühlte Stunden später, der Schneider begann schon zu gähnen, hatte ich es endlich!
    "Hey, das isses!" Ich hatte drei Stoffe herausgezogen, die mir als geeignet erschienen. Nicht nur von der Farbe her, sondern auch von der Qualität. Der eine Stoff war in dunkelblau gehalten. Der Zweite war ebenfalls blau, doch es war ein etwas helleres Blau. Außerdem war ein dezentes Muster mit eingewebt, was ihn sehr ansehnlich machte. Der dritte Stoff hingegen war himmelblau. "Was meinst du? Welcher gefällt dir?" fragte ich Ursus. Ich persönlich hätte mich für den zweiten Stoff entschieden. Gespannt sah ich in Ursus Gesicht um herauszufinden, was er von meiner Auswahl hielt.

  • Es war wirklich amüsant, Caelyn dabei zu beobachten, wie sie sich nach und nach durch die Regale des Schneiders wühlte. Sie war recht gründlich dabei, zog auch hier und da einen Ballen hervor, der schon weit nach unten und hinten gerutscht war, um den Stoff einer genauen Prüfung zu unterziehen.


    Als sie ihn nun aufforderte, einen der von ihr gefundenen Stoffe auszuwählen, trat Ursus näher heran. Wie er schon früher festgestellt hatte, war ihr Geschmack wirklich ganz außerordentlich gut. Die drei Stoffe waren von feinster Qualität und hatten eine kräftige, gleichmäßige Farbe. "Mir gefällt dieser Stoff am besten", erklärte er und deutete auf den mittleren Stoff, den mit dem eingewebten Muster.


    "Jedoch können wir keine Toga daraus machen lassen, da diese weiß sein muß. Dir ist doch bestimmt schon aufgefallen, daß es bei Togen nicht allzuviele Farbunterschiede gibt, oder? Es gehört zu unseren Traditionen. Eine weiße Toga ist die Toga des römischen Bürgers. Hat sie einen schmalen Randbesatz aus Purpurstoff, so ist es die Toga eines Ritters. Hat sie einen breiten Randbesatz aus Purpurstoff, so ist es die Toga eines Senators... Wer trauert, trägt eine dunkle Toga.* - Verstehst Du? Also, was soll aus dem schönen blauen Stoff gemacht werden? Und dann brauchen wir immer noch einen Stoff für die Toga."


    Ursus erklärte dies alles ganz ruhig und geduldig und störte sich gar nicht an den verwirrten Blicken des Schneiders, der überhaupt nicht wußte, wie ihm geschah. Er hatte doch gleich gesagt, daß die Stoffe für Togen in diesem einen Regal lagen. Glaubten die denn, daß er sein Geschäft nicht verstehen würde?



    Sim-Off:

    *Quelle: Der kleine Pauly. Ich lasse mich aber auch gerne eines besseren belehren.


    [SIZE=7]Edit: Quellenangabe[/SIZE]

  • Na, das war doch ma wieder echt super! Voll der Griff daneben! Auf der Zielgeraden und kurz vorm Ziel dann doch glatt vorbei!
    Ich hörte mir Ursus´Erklärungen geduldig an. Was hätt´ ich denn auch sonst tun sollen? War ja auch logisch! Ich hatte mal wieder nix auf die Reihe gekriegt. Der Schneider klotzte dann auch noch so blöd und als Ursus gerade mal nich hinschaute, zog ich dem Nadel-und-Faden-Fritzen ´ne Grimasse und steckte ihm auch noch die Zunge raus. Klar, das war jetzt wirklich nich professionell, aber ey, so wie der guckte, ging der Blödmann mir ganz schön auf den Geist!
    "Ja, na schön! Dann muß es eben ´ne weiße sein!" Man konnte mir schon anmerken, dass ich´n bisschen angefressen war. Mich störte einfach nur, dass ich mal wieder die Caelyn, die nix richtig machen konnte, war.
    Meine Niederlage eingestehend, trabte ich wieder zu dem Regal, das der Schneider mir als erstes gezeigt hatte und schaute nochmals, diesmal etwas genauer. Oh Mann, wie aufregend! Weißer Stoff und weißer Stoff oder doch lieber weißer Stoff? Nee, machen wir was ganz anderes! Wir nehmen wir doch lieber den weißen Stoff! Uff, war das ´ne schwere Entscheidung!

  • Die Enttäuschung auf Caelyns Gesicht war unverkennbar und Ursus tat es nun schon leid, daß er sie so niederschmetternd hatte belehren müssen. Aber immerhin war sie genau aus diesem Grund hier: Um zu lernen.


    "Die drei Stoffe legst Du schon mal extra", wies er den Schneider an, während Caelyn die Qualität der Stoffe prüfte, die für eine Toga in Frage kamen. "Ich finde, die drei Blautöne passen sehr gut zusammen. Was meinst Du? Zwei Tuniken zum übereinandertragen an kalten Tagen und dazu einen Mantel aus dem Stoff, den Du für die Toga gedacht hattest? Das müßte doch eigentlich ganz gut aussehen, meinst Du nicht? Oder was für eine Verwendung hattest Du Dir dafür vorgestellt?"


    Sie hatte doch sicherlich Ideen, was man aus den Stoffen so alles machen lassen konnte. Schließlich hatte sie ihm bisher immer mit solch einer Sicherheit zueinander passende Kleidungsstücke herausgesucht, daß er ihr auch hier ein gutes Gespür zutraute.

  • Zum Glück hatte der Schneider nur mal kurz blöd aus der Wäsche geguckt und mich nicht verpetzt, weil ich im doch die Zunge rausgesteckt hatte. Guter Mann!
    Ich stand immer noch in der Ecke uns schmollte so vor mich hin. Hätte der das nich gleich sagen können, dass er ´ne weiße Toga brauchte? woher hätt ich das denn wissen sollen? Machte ihm bestimmt Spaß, die doofe Caelyn so auflaufen zu lassen!


    Erst als er dem Schneider anwies, die Stoffe, die ich ausgesucht hatte, beiseite zu legen, schaute ich wieder auf.
    Mein Schmollen stellte ich dann komplett ein, als er mich dann auch noch fragte, was sich daraus denn so machen ließe. Ich trat wieder näher und strahlend gab ich meine Meinung dazu ab.
    "Ja, weißte, ein Mantwel aus dem dunkelblauen Stoff sieht sicher toll aus. ´Ne Tunika aus dem Stoff, mit dem eingewebten Muster ist bestimmt auch totchic!" Tja, und wenn er jetzt Gallier wäre, hätte ich ihm auch noch ´n paar Hosen vorgeschlagen. Aber sowas zieh´n die hier ja nich an!

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