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Hannibal
Es war gut, dass Hannibal meist keinen Sinn für Geister und übersinnliche Erscheinungen hatte, er hatte weder eine sensible Ader dafür, noch das Talent, in die Zwischenwelt von Leben und Tod zu sehen, um die herum spuckenden Seelen zu erkennen, die die Menschen tagein, tagaus begleiteten, danach suchten sie zu schützen oder ihnen nach ihrem Glück und Frieden zu trachten. Aber dennoch war auch Hannibal nicht frei von solchen Dingen, es gab Momente in denen die Schatten sich um ihn herum zusammen zogen, Augenblicke, in denen seine Sinne verklärt waren, durch gewisse Substanzen, damit er seine Schuld und seine Taten erneut vor Augen geführt bekam. Dann sah er die Gesichter, dann sah er die Menschen, die ihm sein ganzes Leben lang folgen würden. Rehaugen, die ihn voller Hass ansahen, die Liebe längst erloschen, Romana. Jadegrüne Augen, die ihn traurig mustern, schwarze Hände, die nach Hannibals schlagendem Herzen greifen, eifersüchtig um jenes Leben spendende pulsierende Organ, dass mit jedem Schlag davon zeugte, dass Hannibal noch lebte, im Gegensatz zu ihnen. Viele Schatten begleiten den Sklaven, schon seit vielen Jahren und immer wieder kommt ein weiterer dieser geisterhaften Silhouetten hinzu, die Hannibal nur sah, wenn sein Geist jenseits von Verstand und Klarheit schwebte und er sich all dessen entsann, was er in seinem Leben verbrochen hatte. Nicht, dass Hannibal es nicht auch in wachen Momenten tat, aber er versuchte es immer zu verdrängen, was ihm in den letzten Wochen und Monaten sichtlich schwerer fiel. Zudem glaubte Hannibal in manchen Momenten auch noch die dunklen Augen von Arrecina zu sehen, und wenn es besonders schlimm wurde, dann sah er ihre Augen, ihre leuchtend blauen, ihre strahlenden und lachenden schönen Augen und dann war es für mehrere Tage um Hannibal geschehen und er kaum zu etwas in der Lage. Dann konnte er stundenlang vor sich hin brüten, ohne etwas um sich herum wahr zu nehmen.
Aber, werter Leser, verlassen wir doch die Gefilde von Hannibals Befindlichkeiten, seinem Seelenzustand, wenn ihn seine, zugegebenermaßen selbst verschuldeten, Geistererscheinungen einholten und seine Augen dieses Flackern erhielten, in dem Augenblick man den Sklaven besser nicht ansprach und Hannibal nicht mehr er selbst war. Nein, widmen wir uns lieber wieder dem heutigen Tage, der Sklavenunterkunft und dem ersten Tag einer jungen Sklavin, die doch hervorragend zu einem Teil der Flavier passte, womöglich nicht alle, aber zumindest zu der alten Liga der Flavier und Sklavenschaft, ehe Humanismus, Nächstenliebe und Menschenfreundschaft, der vor christlichen Art, in die Villa Flavia einzog. Zudem machen wir doch einen kleinen Ausflug in Didos Befindlichkeiten, denn gerade legen sich zwei verführerische Köstlichkeiten auf ihr Bein.
- Dido -
Das voll geschnupfte Taschentuch hatte Dido zur Seite gelegt, mittlerweile war der Tränenfluss aus ihren Augen getrocknet, die Wogen des blauen Nass verblieben nun in der Farbe ihres Meeres und schienen keine weiteren Sturmfluten auf den Gefilden ihrer Wangen auslösen zu wollen. Misstrauisch verfolgte Dido den Bewegungen von Asny, sah, wie sich ihr Beutel öffnete, der Hort ominöser Schätze und großer Leckereien, und wie tatsächlich erneut etwas von dem delikaten Naschereien den Weg ans Tageslicht, viel mehr dem Dämmerlicht der Sklavenunterkunft, fand. Verschnupft beäugte Dido die süßen Teile, denn im Grunde wollte sie noch weiter sauer sein und sich nicht so leicht umgarnen lassen. Aber das Dilemma war nun mal: Dido war einfach bestechlich, in jeder Hinsicht. Und gerade was Essen anging, war sie nun mal recht empfänglich. Wenn das Gegebene dann auch noch honigsüß war, dann war es um ihre bockige Standhaftigkeit geschehen. So dauerte es auch nicht lange, da griff Dido schon zu und steckte sich schnell das erste Teilchen in den Mund und kaute. Natürlich kam Dido nicht auf den Gedanken zu teilen. Zum einen teilte Dido nicht gerne, wenn, dann nur im Notfall und bei Menschen, die sie wirklich mochte, davon gab es nicht sehr viele, zum anderen hätte Dido schon gar nicht erwogen mit Hannibal zu teilen. Nein, nein, der konnte sich seine süßen Verlockungen schließlich selber kaufen, der war auf solche Geschenke nicht angewiesen. Dido kam natürlich nie auf den Gedanken, dass es auch Menschen geben konnte, die solche Honig getränkten Früchte gar nicht mochten. Schon war die zweite Frucht in ihren Mund gewandert, wobei sie etwas langsamer kaute als beim ersten Mal und dabei ihre Augen anhob und Asny mit ihren noch rot geränderten Augen ansah, kauend, schmatzend und ohne ein Lächeln oder sonstige Regungen zu offenbaren, außer ein gewisses Wohlgefallen an den Früchten.
So viel erst Mal zu Dido und zurück zu Hannibal...
Mit einer leichter Bewegung seines Kinns registrierte Hannibal den Wunsch, die Lyra zu lernen, er wüsste nichts, was dagegen sprechen sollte, im Gegenteil, es würde wohl mehr Wohlgefallen bei seinem Herrn finden und das konnte Hannibal durchaus gebrauchen, wenn sein Herr von Parthia zurück kehrte. Schuld und Sühne; Schuld nagte an ihm, die Sühne suchte Hannibal noch, hatte sie nicht gefunden bis anhin. Seine Mundwinkel wölbten sich nach oben. „Den Griechen sagt man nach, sie würden die Flöte nicht als ein Instrument der schönen Künste halten, verstellt es doch das Gesicht des Künstlers. Und im Wettstreit mit Apollo wäre ein Lyra sicher auch vorteilhafter. Ich werde mich in der Villa um hören, wer die Lyra spielt, ansonsten werde ich einen anderen Lehrer für Dich auftreiben, Asny.“ Was die Sklavenschaft in der Villa anging, war sich Hannibal nicht absolut sicher, ob dort ein Lyraspieler war, aber er meinte einen Sklaven zu kennen, ansonsten hatte er noch jemand im Auge, den er noch aus seiner Zeit in der Subura kannte und der zwar nicht mehr der virtuose Spieler von früher war, aber doch ausreichend für eine Anfängerin mit diesem Instrument. Schließlich musste auch erst erkundet werden, ob Asny ein Talent für das Instrument hatte und ob sich eine Vertiefung lohnte. Aber wenn sie das selbe Potential wie bei der Flöte besass, dann versprach das durchaus einiges. Doch das würde die Zeit zeigen und Hannibal war gewiss kein ungeduldiger Mensch.
Ob es ihn erleichterte, dass Asny nicht zu dem Christengott betete? Eigentlich war es Hannibal egal, denn der Glaube eines Sklaven zählte nicht besonders und darum und womöglich weil die römischen Götter wenig auf die Seelenwelt der Sklaven achtete, hatte gerade der Christengott so viel Zulauf von der Sklavenschaft. Aber wer gab schon zu, ein Christ zu sein? Selbst wenn in dieser Zeit nicht mehr Tod und Arena auf einen Christen wartete, der Kaiser die Christen sogar in seinem Reich tolerierte, so lange sie nicht offen predigend herum zogen und ihre kultischen Angelegenheiten im Stillen und Verborgenen vollzogen. Hannibals rechter Mundwinkel hob sich eine Nuance. Bei Asnys letzter Offenbarung blinzelte Hannibal einen Moment, dann wanderte auch der andere Mundwinkel in die Höhe und ein Lachen löste sich aus einem Mund. Es war kein gehässiges Lachen, freundlicher Natur und selten in den letzten Wochen von Hannibal genutzt, womöglich war er schon außer Übung geraten, denn lange lachte Hannibal nicht, gleichwohl ihn die Geständnisse von Asny noch länger amüsierten. Er beugte sich etwas nach vorne und fixierte Asny mit seinen braunen Augen. „Was die Buchführung angeht, mache Dir diesbezüglich keine Sorgen. Alles was die Finanzen meines Herrn angeht, darum kümmere ich mich.“ Dass das nicht sonderlich kompliziert war, erwähnte Hannibal nicht. „Und zu den Nachtstunden...“ Hannibals Lippen verzogen sich zu einem belustigten Grinsen. „Auch in dieser Hinsicht kein Bangen. Sicherlich musst Du Deine Jungfräulichkeit wohl nicht Deinem neuen Herrn opfern.“ Hannibal hob die Hand und ergriff einer der hellen, fast schon weißen Haarsträhnen von Asny. „Hübsch bist Du, Asny, und es gibt viele hier in der Villa, vor denen Du Dich sicherlich in Acht nehmen solltest, von der Herrschaft natürlich, die Sklaven musst Du nicht an Dich heran lassen. Aber mein und Dein Herr bevorzugt andere Frauen.“ Weich fühlte sich die Haare zwischen Hannibals Fingern an, langsam ließ Hannibal die Haarsträhne wieder dort hin zurück sinken, wo sie sich mit ihren Schwestern vereinen konnte. „Du wirst Aristides sicherlich mit Deiner Musik gnädiger stimmen können als mit Deinem Körper, Asny!“
Hannibal zog seine Hand wieder zurück und verschränkte sie vor der Brust. „Was die Wahl des Gottes angeht.“ Hannibal betrachtete das Gesicht der jungen Sklavin und war sich einen Moment unschlüssig. Er war kein Gelehrter, was die Dinge der römischen Kulte anging, noch der Verehrung, es ging nicht über das hinaus, was ein jeder Römer wissen musste. Und Hannibal musste das wissen, um seinem Herrn, sollte er mal wieder eine grobe Bildungslücke offenbaren, damit aushelfen konnte. „Dein Herr gehört zu den Saliern!“ Hannibal sah in Asnys Augen, um zu sehen, ob ein Erkennen dort sich wieder spiegelte. „Die Salier sind eine kultische Vereinigung von Patriziern. Sie ehren mit ihren Tänzen die Kriegsgötter, Mars und Quirinus!“ Hannibals Finger seiner linken Hand tippten gegen seinen Oberarm, während er nachdachte. „Bellona wäre möglich. Mars natürlich. Vica Pota, des Sieges Willen, Pax, um Frieden zu schaffen, Virtus, um ihm Stärke zu verleihen. Oder Du betest zu dem Genius der Flavier!“
- Dido -
Mittlerweile hatte Dido auch den letzten Rest von den süßen Früchten herunter geschluckt und sah mal von Hannibal, dann zu Asny. Sie hatte irgendwann in dem Gespräch den Faden verloren, worum es eigentlich ging. Das mit der Lyra leuchtete Dido ein, auch, dass Asny wohl die Buchhaltung nicht mochte, aber was meinten sie mit Nachtstunden? Was hatte Blut damit zu tun? Und wie kam Hannibal zur Jungfräulichkeit? Womit konnte Asny nicht erfreuen? Mit ihrem Körper nicht? Mochte der Vater ihres Herrn etwa kein Tanz? Denn etwas anderes fiel Dido in dem Moment einfach nicht ein, was sonst gemeint sein könnte. Aber Dido wollte sich ihre Verwirrung nicht anmerken lassen. Sie tat, als ob sie absolut den Durchblick hatte, nickte hin und wieder, rümpfte die Nase oder sah zur Seite, als ob sie das Ganze eher langweilen würde, dabei dachte sie fieberhaft darüber nach, worum es ging. Als es dann zu den Göttern ging, wurde das Terrain wieder vertrauter, schließlich hatte Serenus Lehrstunden bei Gracchus gehabt und darum hatte Dido doch einige Dinge mitbekommen. „Mars wäre am Besten!“, verkündete sie darum selbstsicher. „Aber wenn Du ihm ein Tier opfern willst, musst Du darauf achten, dass es die richtige Farbe hat. Kein weißes und kein schwarzes Tier für Mars. Das würde er nicht annehmen. Aber natürlich kannst Du auch ein un...ähm...unblutiges...oder?...ja, ein Opfer ohne Tier machen, aber das ist natürlich nicht so viel Wert!“ Sie merkte, dass Hannibal sie betrachtete und den Kopf schüttelte, dabei an Asny wandte. „Auch ein unblutiges Opfer hat einen hohen Wert! Es genügt für Dein Anliegen mit Sicherheit!“ Dido verzog schmollend das Gesicht. Pah, SIE wußte es besser, glaubte sie zumindest!