cubiculum | Flavia Celerina

  • Wenn etwas schiefgeht, sorge Dich nicht, es wird noch schlimmer kommen. "Verdammt", ich vergrabe mein Gesicht in meine Hände. Irgendwie wird mir das alles zu viel, ich bin total müde.


    Leicht enerviert raunze ich herum, "ob ich bitte nun Frühstück bekommen könnte? So kann ich nicht ... Halthalt, falscher Text.


    "Schlußendlich, es war dieser Junge, der, der mir mit dem Riemen eins übergebraten, hat. Ist mir hinterhegelaufen, hat sich von der Truppe abgeseilt, mich gesucht und, naja. Wir haben uns unterhalten, netter Bursche, vielleicht etwas, seltsam, fand ich, aber irgendwie ist ja jeder seltsam, nicht?" Meine Erinnerung ist zwiespältig, was war mein erster Eindruck von von Tassio gewesen? Nett? Verworfen? Irr? Einfühlsam? Er hatte so eine Art, so etwas vertrautes an sich.


    "Jedenfalls, ich habe mich prächtig mit ihm verstanden, er hat mich schonmal gesehen, beim Vesta-Tempel, sagte er, er war sehr höflich, interessiert, hat mich andauern angelächelt und und wie ist das jetzt mit meinem Frühstück?"

  • Mein Blick haftete wieder an der Tür. Ob Ylva sich herein trauen würde? Man hörte das stumme zusammenklauben von Scherben. Dann drang doch dein "Au!" herein. Ein Fluch folgte. Sie mußte sich geschnitten haben! Meine Gedanken kreisten um meine Sklavin und das, was ihr blühen würde, käme sie jetzt zur Tür herein.
    Doch Lucanus fuhr fort und ich schenkte ihm wieder all meine Aufmerksamkeit! Ach ja! Das vermaledeite Frühstück! Nein! Ich wollte jetzt endlich wissen, was es mit der Stimme auf sich hatte!
    "Wie bitte? Der Kerl ist dir hinterhergelaufen?... Ja und? ...Ein netter Bursche? Inwiefern nett?...Ja äußerst seltsam!" Das war ja wirklich eigenartig! Mir kamen da so seltsame Gedanken, die ich aber lieber gleich wieder verwarf!
    "Die Stimme, war die des Burschen, nehme ich mal an! Was hat er zu dir gesagt?" Wie konnte er nur wieder ans Frühstück denken, jetzt da es so spannend war?! Na los erzähl weiter! Na schön, das Frühstück!
    "Ylva, komm rein!", rief ich leicht säuerlich in Richtung Tür. Und dann....Stille! Kein klapperndes Geschirr mehr, Kein fluchen mehr, kein Geräusch von Scherben, nichts! Doch dann, ein leises, gnadenloses Knarren! Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ylvas Gesicht war zu sehen. Es mußte ihr unendlich peinlich gewesen sein und etwas Furcht lag auch in ihrer Miene.
    "Ylva, wo bleibt das Frühstück???" Natürlich wußte ich, daß das Frühstück auf dem Flur lag. Ylva schwieg. Das war auch besser so!
    "Na, los! Mach dich auf den Weg und besorge uns ein neues Frühstück!!!" Sie hatte wirklich Glück, daß ich momentan anderweitig beschäftigt war! Ylva nickte nur und verschwand wieder.
    "Es kann sich nur noch um Stunden handeln!", beschwichtigte ich seufzend meinen Bruder.

  • Langsam pfeife ich aus dem letzten Loch. Laas ist da verläßlicher und geschickter, allerdings kennt er meine schlaflosen Nächte schon lange und hat meist alles schon parat, wenn ich wieder einma übernächtigt einen neuen Tag begrüße, wenn man das so nennen will.


    "Entzückend. Richtig. Der Typ, der mich mit dem Riemen geschlagen hat: Falvius Tassio. Haben uns prächtig über Flavius und Falvius amüsiert, er fand das ganz großartig. Ich nicht weniger, Sprachspiele sind etwas schönes, nicht?"


    Ja, aber nicht jetzt. Klar, klar. Doppelseufz.


    "Wir gehen also einige Stunden zusammen spazieren, die Zeit vergeht, wir trinken was, wir essen was, landen in den Gärten des Maecenas, die zur blauen Stunde immer so schön sind. Nja, und dann auf einer Bank, wir unterhalten uns gerade über Tacitus, der ja gerade wieder ein Geschichtswerk veröffentlicht hat und wir waren uns einig, daß das Buch in den Acta positiv besprochen werden würde. Und plötzlich schlingt dieser, dieser ... schlingt er seine Arme um mich, reißt mich groß an sich und - küßt mich."


    Ich schaue meine Schwester nicht an, sondern versuche das Mosaik und das große Bild mir einzuprägen, das es darstellt. Hübsch und farbenfroh.

  • Zähfließend begannen erneut die Informationen aus seinem Munde zu fließen. Hoffentlich würde Ylva noch eine Weile, sonst würde er gleich wieder unterbrochen werden. Langsam und schwerfällig begann seine Geschichte gestallt anzunehmen und ich konnte mir ein Bild dessen machen, was sich zugetragen hatte. Meine seltsamen Gedanken, die ich noch vor wenigen Minuten verworfen hatte, weil sie mir zu frivol erschienen waren, wurden mit einem Mal bestätigt.
    "Er hat dich geküsst?", rief ich entrüstet. „Er hat dich geküsst“ wiederholte ich, nun allerdings in einer dezenteren Lautstärke. Ich bemerkte sofort, wie peinlich ihm das sein mußte und sofort drängte sich in mir die Frage auf: Hat dich denn niemand aufgeklärt? Was ist denn mit deiner…ähm mit unserer Mutter? Aber ich sah schon, dieser Kelch würde nicht an mir vorüber gehen! Nicht verzagen, Celerina fragen! Das war doch mal wieder typisch! Eine Frau mußte sich spätestens ab dem Tag, an dem sie verheiratet wurde, mit solch einem Zeug herumschlagen und was war mit den Herren der Schöpfung? Nun gut, es brachte uns jetzt auch nicht weiter, würde ich mich noch mehr darüber entrüsten.
    Ich räusperte mich kurz, bevor ich gedanklich zu Lektion 1 im Handbuch "Spielarten der Liebe", welches erst kürzlich, nach dem Ableben unseres geliebten Kaisers von dem populistischen Reißer "Caesar in 30 Tagen" von Platz eins der Acta-Bestsellerliste, der 10 besten?, beziehungsweise der nützlichsten Sachbücher, auf Platz zwei verdrängt wurde, überging.
    "Nun, Lucanus, das muß dir jetzt ganz und gar nicht peinlich sein! Weißt du, es gibt Dinge die erscheinen uns beim ersten Blick vielleicht als unnatürlich. Doch diese Art von, ich nenne es nun einmal 'Verschwendung', gibt es immer wieder in der Natur." Oh ja! Das war meine vollste Überzeugung! Eine Verschwendung war es, wenn die gutaussehendsten Kerle sich als Bewohner vom anderen Ufer herausstellten.
    "Was hast du denn bei dem Kuß empfunden?" fragte ich interessehalber, um dann ganz geschwind mit Lektion 2 weiterzumachen.

  • Frauen sind wirklich lästig. Können nicht stillsitzen und einem zuhören. Denmächst gehe ich wieder in den Tempel, wenn ich Sorgen habe. Iuno und meine Mutter hören mir zu, ohne dreinzuquatschen. Ich bin ja so müde, sooo müde ...


    "Macht man das in Tarraco oder Lutetia nicht? Bei uns in Flaviobriga küssen wir Jungs oder die Männer sich natürlich, wenn wir uns begrüßen. Auf die Backe - und wenn man besonders befreundet ist, auch mal auf den Mund." Natürlich: Pedro. Ich versuche, dem geflügelten Jungen zur Linken auf den Mosaik die Züge meines Freundes zu geben, was mir nicht gelingt.


    "Da ist doch nichts unnatürliches dabei - und wieso 'Verschwendung'? - ich meine solange, solange ...". Sieht der Junge im Mosaik aus wie ich? Und ist die Frau rechts meine Mutter? Ich versuche, die Klötzchen zu zählen, die um das Zentralbild angeordnet sind: I, II, III, IV, V, ...


    "Tassio hat mich auf den Mund geküßt! Und mir dann sein Ding hineingesteckt! Mir ist schlecht geworden, ich habe versucht, mich zu übergeben ... wie kann jemand mir das antun?" Leise quellen Tränen aus meinen Augen hervor. Diese Schande! Was soll ich meinen Onkel sagen! Und Aurelia Helena! Ich ...

  • Ich wußte gar nicht, daß jüngere Brüder so anstrengend sein konnten! In der Familie, bei der ich aufgewachsen war, mußte ich mich immer mit zwei größeren Brüdern herumschlagen. Ehrlich gesagt, war das auch nicht viel besser und kostete mich auch so manchen Nerv.
    Aber dies war ein offensichtlicher Fall permanenten an einander vorbei Redens in Perfektion!
    "Natürlich küsst man sich zur Begrüßung auf die Backen! Keine Frage! Das ist wohl überall so, zumindest im Imperium, denke ich!" Ich hatte keine Ahnung, was die Barbaren außerhalb des römischen Machtbereiches so trieben und es war mir auch ziemlich egal!
    Letztendlich meinte ich ja auch etwas völlig anderes!
    "Was ich damit sagen will, es ist nichts dabei, wenn man sich freundschaftlich küsst. Auch dann nicht, wenn es zwei Männer tun! Doch du sagtest gerade dieser Tassio, oder wie auch immer, hat dich auf deinen Mund geküsst. Und was hat er gemacht? Sein Ding? Welches Ding?" Jetzt musste sogar ich erröten! Oh ihr Götter, wo blieb nur Ylva mit dem verdammten Frühstück!
    Oh nein! Jetzt weinte er auch noch! Ich sah mich nach etwas um, daß mit einem Taschentuch vergleichbar war! Oh, ein Königreich für ein Taschentuch! Passend in diesem Augenblick öffnete sich die Tür ohne Vorwarnung und meine Sklavin brachte das langersehnte Frühstück herein. Sie stellte es auf einem Tisch ab und ich konnte bereits erahnen, daß sie ihre Ohren schon für allerlei Neuigkeiten aufgesperrt hatte. Ich, für meinen Teil störte mich nicht daran und tat so, als sei sie nicht anwesend.
    "Oh du Ärmster! Das ist ja schrecklich, was dir wiederfahren ist! Hat er dich noch für andere, nun ja, Dinge mißbraucht?" Nun, offenbar hatte er den Kuß nicht Genießen können! Welch ein Glück! Es bestand also noch Hoffnung für ihn! Ylva indes, blickte zu meinem Bruder als wolle sie fragen Was ischen bassiert?

  • "Danke", schniefe ich, als endlich unsere Stärkung eintrifft. "Alles in Ordnung, wir, äh, wir erzählen uns von früher", von gestern, nicht sehr viel früher.


    Ich schenke mir den Becher voll, trinke einen großen Schluck und beiße vom Käse ab. Was hat Celerina denn a bekommen? Sieht seltsam aus, irgendwie wie schonmal gekaut und verdaut. Oder wie Puls, nur völlig verkocht. Mein Magen rebelliert etwas, ich schaue woanders hin.


    Wann geht diese Ylva eigentlich wieder? Ist das ihr ZImmer? Keine Hektik, Luca, erstmal etwas stärken. Und ein wenig Ablenkung tut auch gut. Im Grunde - wie kann ich meine Schwester nur mit derartigem Schmutz belasten? Wird sie nicht empört sein? Irgendwie schaut sie aber sehr, hm, professionell und gelassen drein. So, als sei das keine große Sache. Aber sie war doch schon schwanger, sie mußte doch ...

  • Lucanus machte mir den Eindruck, als könne er Ylvas Anwesenheit nicht einfach ignorieren. Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu und schon wußte sie, was zu tun war. Wortlos verließ sie mein Zimmer und ich konnte mich wieder voll meinem Bruder widmen. Doch nun war erst einmal Frühstückszeit! Ich konnte es schon gar icht mehr erwarten, und griff hastig nach der Schüssel mit dem Haferbrei-mit-Trockenobst-Gemisch. Einfach lecker!
    Nach einigen Bissen versuchte ich, das Gespräch wieder anzukurbeln.
    "Wo waren wir denn stehengeblieben? Ach ja, dieser Kerl! Lucanus, was hat dieser Tassio mit dir angestellt?" Mir war die Ernsthaftigkeit des Themas durchaus bewußt und so sprach ich ruhig auf ihn ein und wollte ihm mein Vertrauen schenken. Schließlich war ich ja seine Schwester, wenn auch erst seit kurzem. Aber er konnte mir alles anvertrauen und wir könnten gemeinsam Lösungen finden. Für alle Problemchen gab es letzlich eine Lösung und ich würde schweigen, wie ein Grab! :D

  • Ein wenig mehr als der Verständlichkeit zuträglich, hatte ich mir von meinem Frühstück genommen. "Iff 'ab' hm aufeififn", versuchen sich meine Worte an den Nahrungsbrocken vorbeizuschmuggeln. Ich schlucke herunter.


    "Ich habe diesem, diensem, ach, ich hab' draufgebissen. Nur kurz, eigentlich mehr aus Reflex aber ich habe Blut im Mund geschmeckt." Das Geräusch, das Tassio von sich gab, das verhaltene Quieken, habe ich noch im Ohr. Ich mache ein bekümmertes Gesicht und schenke mir nach.

  • Genüßlich löffelte ich meinen Haferbrei. Ein Tag, der mit einem solchen kulinarischen Hochgenuß begann, mußte einfach ein guter Tag werden, wäre da nicht mein verehrter Bruder und sein seltsames Problem anwesend gewesen.
    Die Antwort, die er auf meine Frage folgen ließ, hätte mich beinahe das Leben gekostet. Da ich mir, an nichts böses denkend, den Löffel mit dem Haferbrei zum Mund führte, als diese ominöse Entgegnung an mein Ohr drang, geriet ein Teil der gesunden Leckerei in meine Luftröhre und ein schrecklicher Hustenanfall war die Folge.
    "Oh Iuno! Steh´mir bei! Wie bitte, was hast du getan?"
    Hatte ich soeben wirklich richtig gehört? Wie widerlich! Geradezu absoßend! Mit einem Blick voller Abscheu sah ich eindringlich meinen Bruder an. Das Frühstück hatte sich für mich erledigt! Mein Appetit, sofern er noch vorhanden war, war auf einmal mehr als verflogen.

  • Achje, klar, das war nicht nett, aber es war ein Reflex, herrje.


    "Ich hab' sie ihm ja nicht abgebissen", rechtfertige ich mich ein wenig, "ich war nur so erschrocken, er auch und dann hat er seine Zunge auch gleich wieder zurückgezogen. Und da war nichts ab, er konnte noch reden." Was er dann auch getan hat. Erst hat er sich den Mund gehalten und dann geschimpft wie ein Rohrspatz und dann geheult und dann geschimpft und geheult. Wär' ich nicht so überrascht und wütend gewesen, hätt' er mich glatt leidgetan.


    Ich kratze mich am Kopf und beiße in ein Stück Käse. Eine leicht üble Assoziation kriecht mir dei Kehle hinauf, aber ich kaue tapfer weiter und spüle mit Eiswasser den Käse und das Gefühl hinunter.

  • Sie?! Ein Schelm, der böses dabei denkt! Zugegeben, meine Phantasie war etwas mit mir durchgegangen. Ich räusperte mich und kehrte zurück zur Contenace.
    "Soso, die Zunge also! Dieser Tassio, oder wie auch immer, hat dir seine Zunge in den Hals geschoben und hat dich damit sozusagen völlig überrannt", faßte ich noch einmal für den nichtexistenten Protokollfüher zusammen. "Daraufhin hast du zugebissen, reflexartig versteht sich! Gut! Ja und, wo liegt jetzt dein Problem? Hast du jetzt etwa Gewissensbisse deswegen?" Lustig Gewissensbisse wegen dem zubeissen! :D Doch mein Grinsen sparte ich mir hier besser auf, dies hier war eine wahrhaft ernste Situation! Oder, worum ging es denn eigentlich?
    War meine Frage jetzt zu hart oder gar herzlos? Wollte er jetzt getröstet werden? Leider waren meine Erfahrungen sowohl mit Kindern als auch mit jüngeren Brüdern sehr begrenzt. Doch hier hatte ich ja nun alle Zeit der Welt, mich in diesen Dingen zu üben.


    So langsam kehrte mein Appetit wieder zurück. Mit Daumen und Zeigefinger griff ich nach einem Stück Käse und führte es zielstrebig zum Mund.

  • Demnächst gehe ich wirklich zu Iuno in den Tempel - wenn ich doch schon Priester wäre! - die wiederholt wenigstens nicht alles was ich sage. Oder gibt's hier ein Echo, zum Sperber? Muß sie mir meine Schande und die Katastrophe noch vorhalten? Dich werde ich nie heiraten, schwöre ich erbost und befriedigt, weil wir sowieso nie Dispens bekommen werden.


    "Was bitte heißt hier: 'Wo liegt jetzt dein Problem?'" fahre ich empört und waidwund auf. "Ein Perversling steckt mir sein Ding hinein!!! Seine Zunge! Zu-u-u-ng-e!!! Sei-ne! Nicht: Ihr-e!" War sie nicht schon verheiratet gewesen? Hatte sie nicht beinahe ein Kind zur Welt gebracht? Es ist zum Haareraufen! Argh!


    "Die Erynnien sollen diesen Tassio zu Tode hetzen! Er hat mich angesteckt! Gebrandmarkt! Schande über mich und die Flavier gebracht! Verdorren soll ihm sein ... Ding, diese Zunge! Und Du fragst: 'Und wo liegt jetzt dein Problem?'!!!"


    Wäre das mein Zimmer, würde ich mit Sachen werfen, wäre ich nicht völlig kraftlos ob dieser absolut aussichtslosen Situation. 'Wo liegt jetzt dein Problem?' Aiaiai.

  • Ich fand meine Frage absolut berechtigt! Wo lag sein Problem? Dieses Subjekt hatte seinen Zunge in den Hals meines Bruders geschoben! Schön! Wollte er jetzt Vergeltung dafür üben? Verlangte er nach einem meiner Geheimmittelchen? Oder was wollte er?
    "Nun beruhige dich mal wieder, mein Lieber! Was passiert ist, können wir leider nicht mehr rückgängig machen. Doch wir können Sorge dafür tragen, das dieser... Crétin, dich zukünftig nicht mehr belästigt oder deinen Namen in den Schmutz zieht!"
    In meinem Lächeln lag etwas geheimnisvolles, verwegenes. Mit der richtigen Mischung konnte man Insekten, wie diesen Tassio ohne größeren Aufwand aus dem Verkehr schaffen, ohne daß jemand Verdacht schöpfte.
    "Möchtest du nicht noch etwas Saft? Den magst du doch so gerne!" Die gute Ylva wollte augenscheinlich ihre Fehler wieder gut machen und hatte eine exorbitante Auswahl an Speisen und Getränken für unser Frühstück getroffen.

  • Ich heule nun endgültig auf; man gebe mir den Fangschuß! "Nicht rückgängig zu machen?! Ich will nicht mein Leben lang damit herumrennen! Ich will heiraten, Kinder kriegen - Kinder von einer gesunden und lieben Frau und nicht ... nicht von diesem ..."


    Was, wenn ich schon den Makel in mir trage? Ich hatte mir seit gestern dreimal den Finger in den Hals gesteckt und mich übergeben, den Mund mit Salzwaser, Essig und Seifenlauge ausgespült Meine Brust hatte ich alle Stunde kontrolliert und keine größere Veränderung festgestellt, obwohl ich immernoch das Gefühl habe, daß mir ein wollenes Leibchen nicht mehr so gut paßt, sondern gerade um die obere Brust bei den Achseln etwas spannt. Lars meinte zwar, das läge an meinen Klimmzügen, die ich immer gegen meine Verspannungen mache, aber was versteht der schon davon! Mein Bauch ist jedenfalls nicht dicker geworden, allerdings weiß ich auch nicht, wann das anfangen könnte.


    "Gibt es, wächst etwas dagegen?" frage ich zaghaft, nachdem ich mir etwas Saft auf das restliche Wasser gegossen und die Mischung nachdenklich getrunken hatte. Ein Kind wegzumachen, ist etwas grauenvolles und ich wollte nicht daran denken, aber es wäre das beste für alle. Wie sollte ich das irgendjemandem erklären können? Wenn mich ein Mädchen geküßt hätte, dann wäre das etwas anderes, dann wären die Säfte zu ihr geflossen, dem natürlichen Wege folgen, nicht?

  • Kam es mir nur so vor oder wurde mein Bruder immer mehr absonderlicher? Oder lag vielleicht die Ursache dafür ganz wonders verborgen? Was war denn schon dabei? Herrje, ein Mann hatte ihn geküßt! Na und? Da passierte doch nichts! Das wußte ich! Doch wußte dies auch Lucanus? Nachdem, was ich nun zu hören bekam, offenbar nicht! Glaubte er wirklich, er könne...? Ja, er glaubte es! Nein, er war davon überzeugt! Nun ja, es war nun an der Zeit, ihn eines besseren zu belehren!
    "Nun, mein Lieber, jetzt beruhige dich erst einmal. Es ist ja gar nicht so, wie du wohl zu glauben magst!" Ich lächelte ihm vertrauensvoll zu, um dann sofort lehrmeisterhaft ans Werk zu gehen.
    "Nun, in der Natur ist es so, jedes Wesen hat seine Bestimmung! So auch Mann und Frau! Männer sind im Allgemeinen dazu da, um..."... im Weg herum zu stehen, Ärger zu machen, einem die Laune zu vermiesen. Nein, nein! Ich dachte gerade an meinen frisch dahingegangen Gemahl. So mußte es ja nicht immer sein! Hoffentlich! Ich erwartete mir noch etwas mehr vom Leben.
    "Also, der Mann hat verschiedene Aufgaben, doch seine essentielste Aufgabe dafür Sorge zu tragen, die Familie zu erhalten und für die Nachkommenschaft zu sorgen." Ich zwinlkerte Lucanus aufmunternd zu. Das wirst du schon schaffen, Junge!
    "Die Frau hingegen, hat natürlich auch verschiedene Aufgaben. Sie sorgt für die Familie und sie schenkt neues Leben. Was ich damit sagen will, sie und nicht der Mann, gebärt die Kinder!" Erwartungsvoll blickte ich in sein Gesicht und hoffte nun, der Groschen sei endlich gefallen.
    "Das, was dir wiederfahren ist, wird dich in keinster Weise daran hindern, dereinst eine Frau zu finden, die du lieben kannst und mit der du dann eine Familie gründen kannst!" Oh, wie romantisch! Mie sollte auch einmal so etwas wiederfahren!


    "Im übrigen gibt es für alle Lebenslagen diverse Mittelchen. Die einen sind nur von kurzfristiger Wirkung, die anderen sind... nun ja eher endgültig. Sag mir einfach Bescheid, wenn du etwas benötigst."
    Geheimnisvoll lächelte ich. Ja, ja, mit Kräutern konnte man viel machen!

  • Ein wenig verschnieft aber doch langsam von den höheren Garstufen herunterkühlend höre ich meiner Schwester zu. Das Männer und Frauen unterschiedliche Aufgaben im Leben haben weiß ich: Männer arbeiten, Frauen machen den Haushalt und erziehen die Kinder. Das mag mancher für ungerecht erachten, warum schließlich sind nur die Frauen die Glücklichen?, aber da muß man sich nun mal hineinschicken. 'Wenn ich groß bin, dann geht meine Frau arbeiten und ich bleibe bei den Kindern daheim' habe ich mal zu Pedro gesagt und Pedro hat nur hämisch gelacht.


    Interessiert höre ich meiner Schwester zu. Ob darum die Frauen immer zuhause bleiben, weil auch nur sie die Kinder bekommen können? "Äh, Du meinst ... ein Mann kann keine Kinder bekommen? Also nur die Frau ... zusammen mit dem Mann? Und nicht zwei Männer miteinander?" Interessant.Vielleicht, ja - genau: darum sind Mann und Frau und Kinder eine Familie und nicht Mann und Mann und Kinder, Frau und Frau und Kinder. Weil zwei Männer keine Kinder bekommen können und zwei Frauen auch nicht!


    "Lucanus leuchtet" ... ... und ich werde gleich wieder nachdenklich.


    "Aber ... wenn zwei Männer keine Kinder miteinander haben werden ... haben können ... warum ist das dann schlimm, wenn sie sich küssen? Ich meine, äh ... leichte Röte drängt sich hinten vom Fleisch her auf meine Gesichtshaut durch: "wenn sie soch so küssen? Das ist doch dann völlig egal, nicht? Keine Kinder - keine Schande - ?"


    Mir wird eigenartig warm.

  • Wie aufmerksam er doch meinen Worten lauschte! Er hatte noch allerhand zu lernen, bevor man ihn auf seine Zukünftige loslassen konnte. Seine Fragen ließen darauf schließen, daß er noch über gar keine Erfahrung verfügte. Doch wer konnte ihn darauf vorbereiten? Wer war für eine solche Aufgabe geeigntet? Ich war seine Schwester, wenn auch dies erst seit kurzem bekannt war. Nein, nein, wir waren vom gleichen Blute! Das war mehr als nur ausgeschlossen! Ylva?! Vielleicht! Sie würde alles tun, was ich ihr befahl.
    "Mein lieber Lucanus, du kannst ganz unbesorgt sein! Männer können definitiv keine Kinder bekommen. Sie sind nur auf andere Art und Weise daran beteiligt, wenn ein Kind gezeugt wird." Nein, die Herrn der Schöpfung hatten nur wenige Minuten ihren Spaß und die Frau hatte dann die ganze Arbeit für den Rest ihres Lebens!
    Doch ich merkte bald, daß dies nicht alles war, was ihn beschäftigte. Dieser Kuß wollte ihm partout nicht aus dem Kopf gehen.
    "Nun, es kommt darauf an, wie man küßt oder geküßt wird. Gegen einen freundschaftlichen Kuß unter Männern ist sicher nichts einzuwenden. Doch ist dieser Kuß das Produkt der Leidenschaft, nun ja, dann sollte man es vielleicht vermeiden, dies in der Öffentlichkeit zu tun. Besonders dann, wenn man mit ein besonderes Amt inne hat oder Träger eines großen und angesehenen Namens ist." Noch immer lächelte ich und ließ mich durch nichts und niemanden aus der Fasson bringen. Doch dann kam ich doch ins Grübeln. Konnte es sein, daß...
    "Hat dich dabei jemand beobachten können?", fagte ich ganz unverbindlich.

  • Serenus und sein Hund Nero hatten nach einigen Erkundigungen bei den Sklaven erfahren, wo seine große Nichte residierte. Und da er ein guter Onkel war brachte er seiner Nichte natürlich das wöchentliche Taschengeld vorbei.


    KLOPF KLOPF

  • Heute wollte ich mich einmal wieder meiner Lieblingsbeschäftigung widmen. Anlaß hierfür war der plötzliche Bedarf einer Mixtur mit einer, sagen wir, besonderen Wirkung, für ein Mitglied meiner Familie.
    Schon lange standen die Töfchen und Tiegelchen unbeachtet in einem verschlossen Schrank. Ich hatte Ylva eingebläut, diese Behältnisse so zu verstauen, damit sie für einen Unbefugten nicht zugänglich waren. Ich wollte mir nicht den Unmut meiner Verwandten zuziehen, indem ihre Sklaven, die vielleicht zu neugierig waren, reihenweise den Gifttod sterben mußten. Die Erfahrung, die ich in Lutetia gemacht hatte, war ausreichend für mich gewesen.
    Plötzlich klopfte es. Entnervt sah ich auf. Wer war denn das schon wieder? Konnte man denn in diesm Haus nicht einmal...
    "Ylva, sie nach, wer da vor der Tür steht!"


    [Blockierte Grafik: http://img244.imageshack.us/img244/4470/de564537de5b0efcf710c3bae2.gif]


    Ylva schob sich zur Tür und öffnete diese einen Spalt weit. Sie erblickte einen kleinen Jungen von etwa zehn oder zwölf Jahren und einen riesengroßen Hund. Ylva lebte Hunde über alles und aus diesem Grund fand sie, der Hund sei, trotz seiner imensen Größe, süß!
    "Ach nää, is der abber sieß! Un wer bischt´n du?" fragte sie den jungen Mann vor der Tür, unwissend, daß es sich hierbei um den Onkel ihrer Herrin handelte.

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