Mit dem Griechischen schien die Sklavin tatsächlich nicht die geringsten Probleme zu haben – ganz im Gegenteil war ihre Aussprache besser als Seianas, die einen vagen lateinischen Akzent nie ganz fortbekommen hatte, trotz der Bemühungen ihres Lehrers. Sie schmunzelte ganz leicht, als Aristea von germanischen Schimpfwörtern sprach, aber sie ging nicht darauf ein, hörte sich stattdessen mit Interesse an, was die Sklavin noch erzählte. Lesen, Schreiben und Rechnen konnte sie – das war tatsächlich etwas, was von Nutzen sein konnte und würde, auch wenn sie bisher damit noch nichts Wichtiges gemacht zu haben schien. Vorlesen also… konnte gelegentlich nützlich sein. „Wie sieht es mit anderen Unterhaltungsfähigkeiten aus? Singst du, spielst du ein Instrument?“ Livianus war in der Zwischenzeit – unbemerkt von ihr – aus ihrem Zimmer gegangen und hatte sie allein gelassen, aber zu ihrem Gespräch hatte er ohnehin nichts mehr beitragen können. „Nun… schade, dass du noch keine Erfahrung hast, was Geschäfte betrifft.“ Seiana überlegte einen Moment, ob sie damit nicht zu weit ging, jetzt schon. Aber es konnte nicht schaden, Aristea ein Ziel zu geben, auf das sie hinarbeiten konnte. Ob sie es erreichte, stand auf einem anderen Blatt. „Aber sofern du möchtest und das nötige Talent hast – und dich selbstverständlich als vertrauenswürdig erweist –, wirst du mir in Zukunft vielleicht bei der Verwaltung meiner Betriebe behilflich sein können.“ Es wurde ihr jetzt beinahe schon zu viel, was sie an Arbeit hatte, nach einem Verwalter hatte sie sich also ohnehin umsehen wollen. Ebenso wenig war sie jedoch bereit, die Verwaltung ihrer Betriebe auf einmal und zur Gänze aus der Hand zu geben – einen gewissen Überblick würde sie immer behalten wollen, und was den Rest anging, hatte sie eher daran gedacht, Stück für Stück ein wenig Verantwortung abzugeben. Umso besser also, wenn sie das tatsächlich in die Hände ihrer eigenen Sklavin geben konnte.
Dann lächelte Seiana erneut, wenn auch nur leicht und ohne echte Herzlichkeit – die ihr aber ohnehin nur selten anzusehen war. „Ich meinte deine eigenen Interessen. Abgesehen von deinen Tätigkeiten als Sklavin.“ Sklaven waren Menschen, das war Seiana durchaus bewusst, auch wenn sie Sklaven waren. Natürlich hatten sie eigene Interessen. Und genau das war es, was in der Regel mehr Aufschluss gab über sie als das, was sie konnten oder bisher getan hatten. Und Seiana schloss noch eine weitere Frage an, eine Frage, die ebenso wie die vorige Aufschluss geben konnte über Aristea. „Hast du irgendwelche Fragen an mich?“