• Axilla nickte und wusste einen Moment nichts zu sagen. Es war alles irgendwie anders, als sie es erwartet hatte, aber nichts desto trotz gut. Sie hatte ein neues Zuhause, ihr Zimmer würde hergerichtet sein und sie konnte sich um alles kümmern. Vielleicht konnte ihr Urgulania ja auch helfen, eine anständige Arbeit zu finden. Sie hatte in ihrem Leben zwar bisher nicht arbeiten müssen, aber sie wollte ihren Verwandten nicht auf der Tasche liegen. Und bevor diese beschlossen, sie zur Aufbesserung der Haushaltskasse noch gar zu verheiraten, war arbeiten wohl das kleinere Übel.
    Aber zunächst galt es, nahe liegendere Probleme zu beseitigen. Ihre Sachen mussten geordnet werden, sie musste schauen, was fehlt, und Iason musste schleunigst zum Schiff zurück, ehe es wirklich ohne ihn abfuhr.
    Sie zögerte noch einen Moment, hinauszugehen. Sie wollte gerne irgendwas zu Urgulania sagen, aber sie wusste nicht was. „Danke“ wäre das einleuchtendste und treffendste, aber es klang ihr zu profan. Ein Lächeln, das zwischen Dankbarkeit und Scham lag, war das einzige, was sie noch hervorbringen konnte, ehe sie das Tablinum verließ, um nach ihren Sachen zu sehen.

  • Ich nickte und blieb stehen. Die Arme verschränkte ich hinter dem Rücken und betrachtete das Tablinum. Luxuriös, wie das ganze Haus, aber trotzdem elegant. Da hatte wohl jemand Stil bei der Einrichtung bewiesen.

  • Ich war ein wenig überrascht, als Psammitichus mir sagte, dass im Tablinum ein eigenartiger Mann auf mich wartete. So wie er es beschrieb, konnte es sich lediglich um einen mir bekannten Mann handeln und der sollte eigentlich nicht hier sein.
    Ich richtete noch schnell meine Kleidung, bevor ich mich ins Tablinum begab und dort tatsächlich meine Vermutung bestätigt sah.

    Marcus Achilleos? Willkommen im Haus der Iunier. Du siehst mich etwas verwundert, denn Axilla sagte mir, dass du Alexandria verlassen hast.
    sagte ich, während ich auf ihn zuging und ein wenig überrascht ansah.

  • Ich lächelte und verbeugte mich leicht.


    "Eigentlich wollte ich auch verreisen, aber ich war gezwungen, meine Pläne zu ändern. Ist eigentlich nichts Neues, so was passiert mir andauernd. Und da ich meine Reise auf unbestimmte Zeit verschieben musste, dachte ich mir, ich könnte mal vorbei schauen. Ich hatte dir ja quasi versprochen, dir von meiner Reise in den fernen Osten zu erzählen."

  • Ich deutete auf zwei, etwas abseits im Raum stehende, Sitzmöbel und bewegte mich darauf zu um auf einem Platz zu nehmen.
    Das hört man gern. Also nicht das du deine Reise verschieben musstest, aber dass du dadurch nun doch noch Zeit für einen Besuch gefunden hast. Bitte nimm Platz.
    sagte ich und blickte ihn erwartungsfroh an.
    Kann ich dir etwas anbieten?

  • Da wir uns in einem vornehmen römischen Haushalt befanden, lauerten natürlich auch überall hinter irgendwelchen Vorhängen oder in irgendwelchen Wandnischen Sklaven, die nur darauf warteten ihren Besitzern und deren Gästen jeden Wunsch zu erfüllen. So brauchte ich gar nichts weiter tun als einen kurzen Moment warten, bis ein junges Sklavenmädchen das Tablinum betrat. In ihren Händen trug sie ein Tablett, auf dem eine grosse gläserne Wasserkanne und eine kleine, ebenfalls gläserne Kanne mit Essig, und zwei Glasbecher befanden.
    Sie stellte das Tablett auf einem kleinen Tischchen ab und mischte dann in einem der Becher das gewünschte Getränk für meinen Gast, dem sie den Becher dann auch übergab.
    Den zweiten Becher, der bereits in der Küche gefüllt worden war und der eine leicht rötlich schimmernde Flüssigkeit enthielt, gab sie mir. Danach zog sie sich wieder zurück, liess jedoch die Kannen mit dem Wasser und dem Essig stehen.

    Ich hoffe, sie hat das Verhältnis gut getroffen.
    kommentierte ich, wusste ich doch darum, dass diese Sklavin manchmal etwas ungezogen war.

  • Ich probierte meine Posca und lächelte wieder höflich, während ich mit ruhiger Stimme sprach.


    "Ja, sie hat es so getroffen, wie ich es mag. Axilla ist nicht hier? Ich frage nur, weil sie auch meine Geschichte hören wollte."

  • Es freute mich, dass die Sklavin es scheinbar doch einmal geschafft hatte, die Bedürfnisse meines Gastes zu befriedigen, anstatt dafür zu sorgen, dass ich mich entschuldigen musste. Daher lächelte ich recht zufrieden, als ich einen kleinen Schluck aus meinem Becher nahm. Natürlich hatte sie es bei meinem Getränk mal wieder nicht geschafft das richtige Verhältnis von Wasser und Kirschsaft zu treffen, doch hatte ich mich daran bereits gewöhnt.
    Die Vorfreude, die es in mir weckte, dass mir Marcus gleich von seiner Zeit im Osten erzählen wollte, verflog ein wenig, als er nach Axilla fragte. Ich konnte mein plötzlich verschwindendes Lächeln gerade noch hinter meinem Becher verstecken indem ich schnell einen weiteren Schluck zu mir nahm. Als ich den Becher erneut absetzte, lächelte ich erneut, diesmal jedoch weniger zufrieden und schon fast ein klein wenig künstlich.
    Es hatte mich getroffen, dass Axilla mir erzählte, dass Marcus Alexandria verlassen würde, statt dass er es mir selbst mitteilte und sich selbst bei mir dafür entschuldigte, dass er meine Einladung nicht annehmen konnte. Ich hatte mich gefragt, ob es an mir lag, denn ich fand ihn äusserst sympathisch und hatte zuvor das Gefühl gehabt, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Doch dass er lediglich meine viel jüngere Verwandte informierte versetzte mir einen Schlag und ich zweifelte stark daran, dass er meine Gesellschaft bei unserem ersten Zusammentreffen genossen hatte.
    Als mich Psammitchus informierte, dass Marcus hier war und mich besuchen wollte, hatte sich meine Laune in dieser Angelegenheit gebessert und ich hatte erneut angefangen Hoffnungen zu hegen. Doch nun fragte er nach ihr. Nach meiner viel jüngeren Verwandten. Scheinbar hielt er es in meiner Anwesenheit alleine doch nicht unbedingt lange aus. Ein sehr kurzes Seufzen entfuhr mir.

    Sie muss irgendwo hier im Haus sein. Ich werde sie holen lassen.
    Auch wenn es bekanntlich nicht notwendig war die Sklaven selbst zu informieren, erhob ich mich, ging zur Tür und instruierte einen bereitstehenden Sklaven, dass er die junge Axilla suchen und hierher bringen sollte.
    Danach setzte ich mich wieder auf meinen Platz und nippte erneut an meinem Getränk.

  • Mir fiel auf, dass Urgulania's Stimmung irgendwie leicht geknickt war, als ich nach Axilla fragte. Der Grund war mir nicht wirklich klar, aber ich konnte es auch nicht dabei belassen.


    "Nein, das wird nicht nötig sein," sagte ich plötzlich. "Ich hätte auch nichts dagegen, erstmal nur dir von Han zu erzählen."


    Als sie dann wieder vom Sklaven zurück kam, sagte ich leise, so dass die Sklaven es nicht unbedingt mitbekommen würden "Ehrlich gesagt, würde es mir eine Freude machen, häufiger Zeit mit dir zu verbringen."


    Hoffentlich war das jetzt nicht zu direkt und hoffentlich würde sie das nicht falsch verstehen. Sie war mir sehr sympathisch und ich wollte sie unter gar keinen Umständen verletzen oder brüskieren.

  • Eigentlich hatte Axilla heute nicht gestört werden wollen. Sie war in ihrem Zimmer gewesen und hatte sich um die Rüstung ihres Vaters gekümmert. Das ließ sie keinen Sklaven machen, sie pflegte den alten Harnisch selbst und behandelte das Gladius gerade mit etwas Öl, als doch eine Sklavin hereinkam. Erst war Axilla wütend, als die Sklavin ihr dann aber stotternd verkündete, dass ein Gast eingetroffen sei und Urgulania nach ihr gefragt habe, legte sich das auch gleich. Sie ließ die Stücke für Später einfach auf ihrem Bett liegen und wusch sich noch gründlich die Hände.
    Danach begab sie sich ins Tablinum. Sie staunte nicht schlecht, als sie sah, wer der Besucher war.
    Marcus Achilleos? Dich hätte ich als letztes erwartet. Welch freudige Überraschung! Ich dachte, du wärst schon längst auf dem Weg nach Athen.
    Das ehrliche Strahlen, das über ihr Gesicht ging, zeigte deutlich ihre Freude. Sie lächelte offen und trat näher zu Marcus heran. Ein bisschen verwirrt war sie schon, aber die Freude überwog ganz klar. Sie mochte den Griechen, auch oder vielleicht gerade wegen seines exotischen Auftretens. Sie lächelte auch zu Urgulania herüber. Sie war ihrer Cousine so dankbar, dass sie sie gleich hatte rufen lassen. Sie hätte es sich wohl nie verziehen, wenn sie im Haus gerade gewesen wäre und Marcus noch nicht einmal begrüßt hätte.

  • "Zu spät reagiert" ging mir durch den Kopf. Der Sklave war schon auf dem Weg gewesen, als ich Urgulania sagte, dass sie nicht unbedingt Axilla holen lassen musste - wenn auch nicht so direkt.


    Ich stand kurz auf, um mich ganz leicht zu verbeugen, dann setzte ich mich wieder.


    "Ich musste mein Pläne ändern und die Reise auf unbestimmte Zeit verschieben. Und wo ich schon mal hier bin, kann ich auch von meiner Reise in den Osten erzählen."


    Ich lächelte den beiden Damen kurz zu, bevor ich zu erzählen anfing.


    "Jede Reise hat einen Anfang, also werde ich einfach mal ganz am Anfang beginnen. Als ich 15 Jahre alt war und gerade ins Bürgerverzeichnis Athen eingetragen worden bin, das heißt, ich hatte meine Ephebia gefeiert, da wollte ich die Welt sehen. Das imperium Romanum ist bekannt, die Länder Alexanders des Großen auch. Indien aber nicht. Und wo die Seide herkommt, das ist auch unbekannt. Die Vorstellung, Germanien zu erkunden, war ebenso wenig reizvoll wie die Vorstellung, das Land der Nubier zu erkunden. Germanien ist zu kalt, Nubien zu heiß. Und Seide hatte mich schon immer fasziniert. Damit war dann meine Entscheidung gefallen. Ich wollte die Antwort auf die Frage finde, wo denn die Seide herkommt. Also schloss ich mich einem Händler an, der Seide in Seleucia in Parthien kaufte. Wir reisten zunächst per Schiff nach Laodicea, von da aus ging es über Land nach Antiochia, dann nach Dura Europos und Sura, bis wir schließlich Seleucia erreichten. Seleucia hat was von Alexandria. Die Stadt ist sehr hellenisch geprägt, mit vielen griechischen Tempeln, einer Agora und allem, was zu einer echten Polis dazu gehört. Außerdem erinnert Mesopotamien an Ägyten. Hier ist es der Nil, der die Wüste zum blühen bringt, dort sind es Euphrat und Tigris. Es ist schon ein interessanter Anblick, wenn man aus der Wüste kommt und sich dann in einem grünen Paradies befindet. In Seleucia sah ich dann auch zum ersten Mal große Mengen an Seide, die in der Sonne schimmerte wie Perlen. Nun ja, jedenfalls war ich in Seleucia und wollte weiter, dorthin, wo die Seide ihren herkam. Es ging aber keine Karawane dahin. Also entschloss ich mich, dort zu bleiben. Der attische Händler, mit dem ich unterwegs war, vermittelte mich dann an einen parthischen Handelspartner von ihm. Rechnen konnte ich schon immer gut, genauso wie schreiben, und so arbeitete ich als Buchhalter bei dem Parther, gegen Lohn und Unterkunft. Außerdem lernte ich da Parthisch. Immerhin blieb ich fast ein Jahr in Seleucia. Von meinem ersten Lohn hatte ich mir übrigens parthische Kleidung geholt. Die ist nämlich viel besser für das Klima dort geeignet als Chiton und Chlamys."

  • Ich überging Marcus Bemerkung, da in jenem Moment Axilla das Tablinum betrat. Ausserdem befürchtete ich, dass er es nur sagte um mich zu besänftigen.
    Trotzdem hörte ich aufmerksam zu, als er seinen Bericht begann, denn trotz allem war mein Interesse an seinem Erfahrungen ungebrochen.

  • Axilla setzte sich neben Urgulania, als Marcus mit seiner Erzählung anfing. Dass ihre Cousine gerade nicht ebenso fröhlich war wie sie selbst, bemerkte sie gar nicht. Viel zu gebannt war sie von der Geschichte, die der Grieche da erzählte.
    Sie saß da und hing an seinen Lippen, wie es sonst wohl nur kleine Kinder zu tun pflegen. Aber sie liebte Geschichten, und sie hatte ja schon die ganze Zeit spannend darauf gewartet. Wie könnte sie da jetzt anders als so zu lauschen?

  • Ich nahm einen kleinen Schluck Posca.


    "In dem Jahr, das ich in Seleucia verbrachte, konnte ich einige Kontakte knüpfen und so erfuhr ich auch von einer Karawane, die nach Samarkand aufbrechen sollte, um dort Seide zu holen. Ich fragte den Karawanenführer, ob er noch einen Buchhalter gebrauchen könnte. Da er noch keinen hatte, bekam ich meine Möglichkeit, weiter in Richtung Ursprung der Seide zu reisen. Und verdiente mir noch etwas Geld dabei. Finanziell ging es mir zu dem Zeitpunkt gar nicht mal schlecht. Der weg von seleucia nach Samarkand ist recht vielseitig. Es geht durch Wüste, dann ein recht trockenes Gebirge, wieder Wüste, eine fruchtbare Ebene und wieder Wüste. Bis man schließlich in Samarkand ankommt. Das liegt übrigens nicht mehr in Parthien, sondern Baktrien. Und auch dort traf ich auf Spuren des großen Alexanders.
    Samarkand ist... wie soll ich sagen... einmalig! Da stehen Tempel aller möglichen Kulturen. Griechische, parthische, ja selbst indische Tempel! Die Stadt ist gut befestigt, wirklich gut, und sehr reich. Als Oasenstadt müssen die Karawanen da durch, das bringt gute Geschäfte. Aber auch die Häuser und Paläste... reich verzierte Fassaden, edle Einrichtung... so was hatte ich noch nie zuvor gesehen."


    Es verschlug mir immer noch die Sprache, wenn ich an Samarkand dachte. Ich merkte gar nicht, wie ich ein verträumtes Funkeln in den Augen bekam und meine Stimme von Begeisterung erfüllt war.


    "Und erst die Märkte! Da gab es Gold, Silber und Glas aus Rom, Seide und Jade aus Han, Smaragde und Gewürze aus Indien und noch viele andere edle Güter! Dieser unglaubliche Reichtum! Aber für mich war dort noch nicht Schluss. Ich suchte und fand eine weitere Karawane, eine, die mich noch weiter nach Osten bringen sollte. Dort sah ich auch zum ersten Mal die Menschen des Reiches Han. Bronzefarbene Haut und schwarze Haare, wie Inder. So gekleidet, wie ich es jetzt bin. Ihre Augen stehen leicht schräg, aber nicht so, dass es hässlich wäre. Auf deren Rat hin kaufte ich mir warme Kleidung und ich bin froh, dass ich es getan habe."


    Ich nahm wieder einen Schluck Posca.


    "Es ging von Samarkand aus zunächst nach osten, bis wir an den Fuß eines mächtigen, schneebedeckten Gebirgsmassivs kamen. Schnee, im Sommer! Dann folgten wir den Bergen nach Norden, bis wir einen Pass fanden. Der Aufstieg zum Pass war mühsam. Die Höhe raubt einem die Kraft. Mir wurde übel und ich hatte Kopfschmerzen und die Glieder taten mir weh, aber es ging weiter, immer weiter. Der eisige Wind peitschte erbarmungslos um uns herum und die Nächte konnte man nur am Lagerfeuer ertragen. Auch den Tieren setzte das Wetter zu und wir verloren gut ein Viertel der Packtiere. Nach einer Woche, die es die Berge hinauf ging, hatten wir den Pass hinter uns. Ich sah zurück und von einem der hohen Gipfel wehte der Schnee einer Fahne gleich weg, ganz so, als winkte mir der Berg zum Abschied."


    Die Erinnerung an die Strapazen ließ meine Stimme auch angesrengt erscheinen. Ganz so, als würde ich diesen Weg noch einmal durchmachen. Dann wurde meine Stimme plötzlich wieder ganz ruhig.


    "Es ging dann wieder bergab, bis wir in Kashgar waren. Es gehört zwar nicht zum Reich Han, aber es wird von diesem beherrscht. Kashgar ist kein Vergleich zu Samarkand. Es ist zwar auch eine Oasenstadt, aber kein solches Zentrum des Handels. Die Gegend ist viel zu dünn besiedelt. Auf der einen Seite sind die Berge, deren Name ich dort erfahren hatte. Tian Shan. Die Himmlischen Berge. Auf der anderen Seite ist eine Wüste. Durch diese Wüste ging es nun. Richtung Nordosten zuerst, von Oase zu Oase, bis wir an einen großen Fluss kamen. Der hört mitten in der Wüste auf, schon seltsam. Entlang dem Flusslauf ist wieder alles grün und dort wachsen sogar Bäume, vor allem Pappeln. Während wir durch die Wüste zogen und dem Fluss folgten, lernte ich die Sprache, die man in Han spricht. Chinesisch. Die heißt deshalb so, weil Han eigentlich Ch'in heißt. Nur mögen die Chinesen den Namen Ch'in nicht, weil damit Erinnerungen an eine grausame Herrschaft verbunden sind, die 300 Jahre zurück liegt. Deshalb bevorzugen sie Han, weil die jetzige Herrscherdynastie aus der Provinz Han stammt."


    Ich sah die beiden Damen an, ob sie irgendetwas fragen wollten oder einen Kommentar hatten, während ich wieder einen Schluck Posca nahm.

  • Da sie darauf zu warten schienen, wie es weiter ging, erzählte ich langsam die weitere Geschichte. Wenn ich zu schnell reden würde, dann wären das sicher zu viele Informationen auf einmal.


    "Irgendwann bog dann der Fluss in ein gebirge im Norden ab, wo er wohl herkam. Wir wendeten uns dann Richtung Südosten, durch die Wüste. Es ist übrigens ein Irrtum, dass Wüsten heiß sind. Diese war selbst tagsüber nicht allzu warm und nachts war es bitterkalt. Schließlich kamen wir zu einer Stadt, nachdem ich fast ein dreiviertel Jahr seit Seleucia unterwegs war und fast ein halbes Jahr seit Samarkand. Die Stadt hatte hohe Mauern mit Zinnen. Ich würde sagen, die Mauern waren etwa so hoch wie fünf oder sechs Männer. Und das Tor war nochmal so hoch und mit bunten Ziegeln gedeckt. Auf den Türmen der Mauer und vom Tor wehten Fahnen mit Zeichen darauf, die ich nicht kannte. Noch nicht. In der Stadt war ein prächtiger Palast des Statthalters, komplett aus Holz, aber mit bunten Dachziegeln. Auch die Häuser waren aus Holz. Wir wurden zum Statthalter befohlen, um ihm zu berichten, was es im Westen an Neuigkeiten gab. Diese Gelegenheit nutzte ich, um ihn um ein Bleiberecht zu bitten. Ich sprach inzwischen genug Chinesisch, um mich verständlich zu machen. Er fragte mich ein wenig über meine Heimat aus, aber ich konnte seine Sprache zu schlecht, um ihm wirklich etwas erzählen zu können. Also befahl er mir, ein Quartier in seinem Palast zu beziehen und seine Sprache zu lernen."


    Ja, ich erinnerte mich noch genau an die Begegnung.


    "Zheng Cheng Jínshí, der Statthalter, war damals um die 50 Jahre alt, hatte graue Haare und strahlte eine natürliche Autorität. Bei dieser begegnung saß er auf seinem goldenen Statthalterthron, dessen Lehne von zwei goldenen Drachen gestützt war. Er trug ein blaues Seidengewand mit einem ebenso blauen seidenen Gürtel und dazu eine schwarze Stoffmütze und schwarze Stoffschuhe. An seinem Gürtel war ein Schwert befestigt. Es sieht aber anders aus als ein Gladius. Es hat eine längere, schmale Klinge. Der Kampfstil damit ist auch ein anderer als mit dem Gladius. Dieses Schwert, Jian genannt, verlangt einen schnellen, aber präzisen Kampfstil. Dafür benötigt man keine Kraft, außer der, es zu halten."


    Ich leerte Mein Glas mit Posca.


    "Wie dem auch sei, die Karawane zog dann wieder zurück nach Westen und ich blieb da. Zwei Jahre lang lernte ich die Sprache in Wort und Schrift, bis ich sie wirklich gut konnte. In dieser Zeit wurde auch damit begonnen, mir den Umgang mit dem Jian beizubringen und auch Waffenlosen Kampf lernte ich. Ich freundete mich auch sehr gut mit dem Sohndes Statthalters an. Zheng Liang ist ungefähr in meinem Alter. Ja, und dann erzählte ich dem Statthalter also von Athen und Griechenland und irgendwann fragte er mich, ob ich zurück wollte oder lieber da bleiben. Ich entschied mich, da zu bleiben. Dann brachte er mir alles bei, was ich für eine Beamtenlaufbahn brauchen würde. Ich lernte alle Texte des Meister Kong auswendig und alle Gesetze. Ich lernte, Verwaltungstexte und Berichte zu verfassen. Und nicht nur das. Auch Kriegskunst brachte er mir bei und den Umgang mit anderen Waffen als dem Jian, auch wenn dem Jian besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Man benötigt Jahre, um es wahrlich zu beherrschen. Ich lernte auch chinesische Philosophie. Dort lernte ich auch den General Liu Meng und dessen Tochter kennen, weil der General mir ebenfalls Unterricht in Kriegskunst und Kampfkünsten gab. Ich hatte fünf Jahre lang nur gelernt. Statthalter Zheng Cheng wurde in dieser Zeit wie ein Vater für mich. Nach diesen fünf Jahren meldete ich mich zum ersten Beamtenexamen an. Ich bestand als Bester in der Region. Die Prüfungen hatten zwei Tage gedauert und waren ziemlich hart. Nur einer von Hundert bestand sie überhaupt. Damit konnte ich mich zum Provinz-Examen anmelden. Hier wurde ich Zweitbester nach einer dreitägigen Prüfung. Dadurch konnte mich dem Examen zum Jínshí stellen. Dazu musste ich in die Hauptstadt reisen. Die Reise trat ich zusammen mit meinem guten Freund Zheng Liang an, der die gleiche Prüfung ablegen wollte. Dort, im Kaiserpalast, also im äußeren Hof des Kaiserpalastes, wurden wir drei Tage lang geprüft. Man durfte genau drei Fehler haben, sonst war man durchgefallen. Ganze Kapitel der Bücher des Meister Kong musten auswendig niedergeschrieben werden. Wenn dabei ein Strich fehl ging, war das ein Fehler. Ich wurde Drittbester, mein Freund Liang Zweitbester. Damit hatten wir beide die Möglichkeit, Palastbeamte zu werden. Liang nahm das Angebot an, ich hingegen bat darum, mir eine Stadt anzuvertrauen und mich zum Stabsoffiziersexamen zuzulassen. Meiner Bite wurde entsprochen und ein halbes Jahr später bestand ich auch dieses Examen - gerade eben. Bis dahin war auch mein Jian fertig. Ich ließ es von einem der besten Meisterschmiede des Reiches fertigen. Ich besitze es immer noch, aber ich darf ja leider keine Waffen mit in die Basileia nehmen, deshalb kann ich es euch nicht zeigen. Die Stadt, die ich dann regieren sollte, legt an der Nordgrenze des Reiches, nördlich von Dunhuang. Ich habe sie mit 6000 Einwohnern und 200 Soldaten übernommen."


    Ich mischte mir aus Essig und Wasser neue Posca in meinem Glas.


    "Aber vielleicht soll ich euch erst noch ein wenig von der Hauptstadt berichten?"

  • Da es keinen Widerspruch gab, machte ich einen kleinen Exkuurs bezüglich der Hauptstadt.


    "Das Reich Han wird von der Stadt Luoyang aus regiert. Die Stadt hat etwa eine halbe Million Einwohner, ist also erheblich kleiner als Rom. Ähnlich wie Rom ist es aber von mächtigen Stadtmauern geschützt. Die Garnison für die Stadtmauern liegt bei etwa 2000 Soldaten. Weitere 5000 Soldaten sorgen für die Sicherheit der Straßen. Zu bieten hat die Stadt einiges. Breite Hauptstraßen sorgen für einen guten Verkehrsfluss und die Märkte bieten Nahrungsmittel und Gewürze aus allen Teilen des Reiches. Außerdem findet man dort alle möglichen Rohstoffe, bis hin zu Jade und Juwelen. Auch Seide wird hier in großen Mengen gehandelt, schließlich ist Luoyang der Ausgangspunkt der Karawanenwege nach Westen.
    Glanzpunkt ist der Kaiserpalast. Er ist wirklich groß. Mindestens 3000 Soldaten sorgen für die Sicherheit des Palastes und insgesamt leben da um die 10000 Menschen, wenn man alle Diener und hohen Beamten mitrechnet. Das gelände des Palastes ist sehr weitläufig und von außen kann man zwar einige der hohen Gebäude erkennen, aber nicht genug, um wirklich einen Plan erstellen zu können. Mit eigenen Augen sah ich den äußeren Hof. Er bietet genug Platz, damit alle Bewohner des Palastes dort antreten können. Wenn man den Platz vom äußeren Tor aus überschreitet, geht man direkt auf die große Halle zu. Sie liegt etwa 50 Fuß höher als der Hof und man muss über eine große Treppe hinauf gehen. Die Halle selbst hat eine sehr hohe Decke und reich verzierte Säulen. Am hinteren Ende der Halle ist der Thron des Kaisers, der auf einem Podest ist, das nochmal etwa mannshoch über dem Raumboden endet. Man ist also gezwungen, zum Kaiser aufzusehen. Das wäre man aber auch so, weil man sich sehr tief vor dem Kaiser verbeugen muss.
    Der Kaiser, ich sah ihn selbst, ist ein recht junger Mann, mit edlem Gesicht und einem gepflegten Bart. Er ist von ruhiger, aufmerksamer Art. Er ist in Gewänder aus mit Gold bestickter Seide gekleidet und trägt ein goldenes Schwert. Seine Stimme ist rein und klar, ebenso wie seine Gedanken. Er scheint ein guter Herrscher zu sein und ich hoffe, dass ihm ein langes Leben beschieden ist."


    Ja, ich war wirklich beeindruckt von dem Kaiser - von meinem Kaiser, denn das war er für mich nach wie vor.


    "Hinter dem Thronsaal folgt wohl ein weiterer Hof und dahinter die Privatgemächer des Kaisers, obwohl ich das nicht mit Sicherheit sagen kann.


    Ganz wichtig ist natürlich die kaiserliche Akademie in Luoyang, eine Einrichtung, die sich durchaus mit dem Museion messen kann. Dort habe ich auch meine Prüfung zum Jínshí abgelegt. Das ist dann wohl auch der wichtigste Unterschied zum Museion: Während hier vor allem auch geforscht wird, wird dort vor allem geprüft. Was das anbetrifft, sind sie ziemlich gut ausgestattet. Diverse Prüfungsräume sorgen dafür, dass niemand schummeln kann. Und die Prüfungen sind dort wirklich hart. Es gibt auch noch einige private Akademien und Schulen, die einen auf die Prüfungen vorbereiten. Und ein paar philosophische Schulen gibt es auch. Ein gutes Theater gibt es hingegen nicht."


    Ich musste kurz schmunzeln, als ich mich selbst fragte, wie ich es so lange ohne Theaterbesuche ausgehalten hatte.


    "Dann gibt es auch noch den großen Ahnentempel der Kaiser, den Tempel des Himmels und andere wichtige Tempel des Reiches. Außerdem habe ich dort einen Tempel der Buddhisten gesehen. Die kommen eigentlich aus Indien.
    Neben den Hauptstraßen gibt es noch viele kleine Nebenstraßen. Doch dieses dichte Gewirr von Nebenstraßen ist nicht das Einzige, was dazu führt, dass man sich leicht verlaufen kann. Es gibt auch noch jede Menge Höfe und Hinterhöfe, die zu weiteren Häusern führen. Und die einzelnen Stadtviertel sind voneinander durch Mauern getrennt, um Brände einzudämmen und natürlich auch, um sich nicht mit den Bewohnern des Nachbarviertels beschäftigen zu müssen. Mauern und Höfe, vor allem Innenhöfe, sind sicher eines der wichtigsten Merkmale chinesischer Architektur. So hat man selbst in der hektischsten Stadt immer einen abgschiedenen Rückzugsort. Außerdem wird im Hof gekocht, da kann der Rauch am besten abziehen."


    Beim Blick durch ein Fenster bemerkte ich, dass es Abend wurde und die Sonne den Himmel rot färbte. Ich hätte vielleicht besser etwas früher kommen sollen. Jetzt hatte ich ein Problem.


    "Ähm... wenn ich die Basileia verlassen will, dann sollte ich das entweder jetzt machen oder... Urgulania, würdest du mich später zum Tor begleiten? Für Besucher ist es, wie du sicher weißt, verboten, sich nach Einbruch der Dunkelheit ohne Begleitung in der Basileia aufzuhalten."


    Ich sah Urgulania fragend an.

  • Axilla hörte sich alles an. Zwischenzeitlich hatte sie es sich auf einer der Liegen bequem gemacht, die Ellenbogen auf der Liege und den Kopf mit den Händen abgestützt, während sie auf dem Bauch lag und einfach zuhörte. Die Orte, die er alles gesehen hatte! Axilla schloss die Augen, und versuchte es sich vorzustellen. Das mussten wirklich atemberaubende Anblicke gewesen sein.
    Einzig das mit dem Kaiser schien ihr zu protzig. Was musste das für ein Wicht sein, wenn er andere vor sich knien ließ? Axilla würde sich nicht erinnern, dass der Imperator jemals einen seiner Senatoren vor ihm auf dem Boden rumkriechen hätte lassen. Wobei, das wäre sicher ein lustiger Anblick. Aber trotzdem kam das von allen Dingen Axilla am befremdlichsten vor.
    Vielleicht war Marcus auch deshalb vor ihr auf die Knie gefallen, um sich zu entschuldigen? Er musste wirklich sehr lange dort in diesem komischen Land gewesen sein, dass diese Verhaltensweise so in ihn übergegangen war. Ein Römer warf sich nicht auf die Knie und katzbuckelte. Nungut, Marcus war ja auch kein Römer, zumindest nicht so richtig. Wenn seine Mutter Griechin war, dann war er auch Grieche. Glaubte zumindest Axilla. So ganz sicher war sie sich nicht.
    Und du meinst, du könntest kein Buch schreiben.
    Das war das erste, was Axilla freudestrahlend sagte. So viel, wie er erzählt hatte, das reichte doch bestimmt für ein Buch. Vielleicht sogar zwei, eins für die reise und eins für diese Stadt mit den vielen Höfen.
    Als er sagte, wie spät es schon war, schaute auch Axilla aus dem Fenster. Er hatte recht, es war wirklich schon Abend. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit verflogen war.


    Wir haben doch auch Gästezimmer.“ Erst, als der Satz raus war, schaltete sich Axillas Verstand wieder ein. Ganz verschämt setzte sie sich richtig auf.
    Ähm, ich meine, falls es doch noch viel später wird. Und überhaupt… vergesst einfach, was ich gesagt habe.
    Und erst danach ließ sie noch einmal seine genauen Worte revue passieren. Sie sah einmal zwischen ihm und Urgulania verstohlen hin und her. War sie hier als Anstandsdame? Es hätte ja auch ein Sklave mit ihm mitgehen können, aber er hatte explizit nach Urgulania gefragt. Könnte es sein…?
    Irgendwie fand Axilla die Idee ja sehr schön. Urgulania war ja immer allein. Gut, heiraten konnten die beiden vielleicht nicht, aber vielleicht wollte Urgulania das ja auch nicht. Aber so ein paar Komplimente und das Gefühl, begehrt zu werden, das wäre doch was schönes? Aber vielleicht schlug da auch nur Axillas romantische Ader mal wieder gnadenlos durch und sie interpretierte viel zuviel da hinein. Aber trotzdem gefiel ihr der Gedanke. Und sie beschloss, ihm ein bisschen Freiraum zu geben.
    Ich müsste mich auch demnächst entschuldigen. Ich habe vorhin Vaters Rüstung angefangen, zu reinigen und einzuölen, und das ganze Zeug liegt noch in meinem Cubiculum. Ich muss es noch wieder aufräumen. Sonst riecht morgen meine ganze Kleidung nach Öl.
    Das würde sie wahrscheinlich jetzt schon, aber das war Axilla im Grunde genommen reichlich egal.

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