[Trans Tiberim] Eine kleine Taverne

  • Was die Wirtin ihm erzählte, ließ nur immer mehr Fragen in ihm hochkommen. Nein, er hielt es nicht mehr aus, lehnte sich wieder etwas vor und stand schließlich auf und machte unruhig ein paar Schritte durch den Schankraum, noch während sie sprach. Er unterbrach die wirre Frau nicht. Zum einen, weil er wollte, dass sie ihm alles sagte, was sie wusste, zum anderen weil ihm alle Worte fehlten. Verhaftet. Ein Gast. Hat darauf bestanden. Auf was? Dumme Frage. Sibel war eine Lupa. Eine Hure. Erneut wurde ihm diese Tatsache schmerzlich klargemacht. Viel zu viel auf einmal, und doch nicht genug, berichtete sie ihm. Er zwang sich dazu, seine Gedanken zu ordnen, damit wenigstens noch ein Mensch im Raum einen ansatzweise klaren Kopf behielt. Dazu war die Wirtin wohl eher weniger in der Lage. So schob er die Sache mit dem anderen Mann widerwillig beiseite, bevor sie sich noch mehr in seine Gedanken brannte. Er musste sie finden.
    "Wer? Wer hat sie alle verhaftet?? Die Urbaner? Die Garde?", fragte er eindringlich. Musste er sie mühsam nach jedem Detail fragen? Wenn sie seine bereits zu genüge strapazierten Nerven auf eine Belastungsprobe stellen wollte, war jetzt ein denkbar schlechter Zeitpunkt. "Warum?"
    Und er war es auch noch gewesen, der Sibel eingeredet hatte, sie wäre hier sicher, sie bräuchte sich keine Sorgen zu machen. Er hatte ihr Dinge versprochen, von denen er hätte wissen müssen, dass er sie nicht halten konnte, wenn es darauf ankam. Aber selbst er hatte daran geglaubt. Alles wäre gut, hatte er gesagt. Schwachsinn.

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    Mirjam


    Der Besuch des Prätorianers hatte bei Mirjam erneut eine tiefe Wunde aufgerissen, die grade erst dabei gewesen war, ansatzweise zu heilen. Nun war sie wieder tränenüberströmt und drohte, in ihrem Kummer noch tiefer zu versinken. Als er sie mit Nachdruck weiter befragte, brachte sie anfangs nur ein jammerndes Klagen in einer für ihn unverständlichen Sprache hervor. Doch er hatte ihr die Worte bereits in den Mund gelegt.
    „Urbaner… Es waren Urbaner." Und plötzlich kehrten die unliebsamen Erinnerungen an jenen Abend langsam wieder zurück.
    „An dem Tag war ein neuer Gast angekommen… aus irgendeiner östlichen Provinz. . Er war ein Rabbi… ein Gelehrter und er hatte eine Menge Leute um sich geschart…. weil er so anders war.“ Nie im Leben hätte sie damals geahnt, dass ausgerechnet dieser friedfertige Mann so viel Unglück über sie bringen sollte. „Am Abend dann in der Taverne kamen noch mehr, um ihn zu sehen und mit ihm zu sprechen. Zufälligerweise kehrten auch ein paar Urbaner ein, die eigentlich nur etwas Trinken und essen wollten. Aber irgendwie kam es zum Streit, weil sie sich an der Versammlung um den Fremden störten. Simon mein Mann hatte sich mit ihnen angelegt und schließlich gingen die Soldaten dann… nur um ein paar Stunden später wieder zu kommen, um ihn mitzunehmen,“ erinnerte sie sich schluchzend. Über das Warum hatte sie sich auch immer wieder den Kopf zerbrochen, denn sie hatten doch nichts getan, was gegen die Gesetzte der Römer war.
    „Die Soldaten warfen ihm vor, Christen Unterschlupf zu gewähren…. wir wussten doch davon gar nichts… wir sind keine Christen!“, beteuerte sie und war nur noch ein einziges Nervenbündel.

  • Endlich redete sie, weinend und schluchzend, doch sie redete. In einer anderen Situation hätte er es vermutlich als unangenehm empfunden, die verzweifelte Frau dazu zu bringen, ihm zu sagen, was er wissen musste. Doch kreisten seine Gedanken nicht um die Sorgen irgendeiner Wirtin. Genausowenig interessierte es ihn, ob sie oder ihr Mann wirklich schuldig waren oder nicht, es war weder seine Aufgabe, das zu beurteilen, noch war es im Augenblick in seinem Interesse, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Vielmehr verlor er sich in der Tatsache, dass kein Wort aus ihrem Mund in irgendeiner Weise Gutes für seine Geliebte verheißen wollte. Dass Urbaner und ausgerechnet Christen involviert waren ließ ihn alles andere als aufatmen und er kam zu dem Schluss, mit Sibel konnte von obdachlos über verhaftet bis hin zu tot alles passiert sein. Avianus fuhr sich erst verkrampft durch die Haare, dann übers Gesicht, nur um sich den Handrücken dann einen Moment lang vor den Mund zu halten, weil er befürchtete, dass es bald wieder Zeit für seine stressbedingte Übelkeit war. Die Anwesenheit der Wirtin brachte ihn dazu, sich weiterhin im Griff zu haben, obwohl es vermutlich keine Rolle spielte, was die wirre Frau dachte.
    "Aber Sib… Beroe … Sie hatte doch damit nichts zu tun?" Nein, sie konnte unmöglich eine Christin sein. Bestimmt hätte er davon gewusst, niemals hätte sie es ihm verschwiegen. Auch hatte sie versprochen, auf sich aufzupassen, und er wollte nichts mehr, als daran zu glauben, dass sie genau das versucht hatte, ganz egal was passiert war. Und Christen brachten Schwierigkeiten, dessen musste sich auch Sibel bewusst sein.

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    Mirjam


    In all ihrer Kümmernis hatte Mirjam gar nicht mehr an diejenige gedacht, weswegen der junge Mann eigentlich hergekommen war. Das lag wohl zum einen daran, dass ihre traumatischen Erlebnisse sie immer noch zu sehr mitnahmen, zum anderen aber lag es wohl auch daran, dass sich die Lykierin an jenem Abend klammheimlich aus Mirjams Blickwinkel verabschiedet hatte. Sie hätte auch nur mutmaßen können, was mit Beroe geschehen war. Doch bei einem war sie sich ziemlich sicher gewesen.
    „Deine Freundin hat sich für diese Leute nicht interessiert, wenn du das meinst,“ erwiderte die Wirtin nach einiger Zeit. Sie sprach jetzt etwas ruhiger und besonnener. „Beroe hatte angefangen, bei uns in der Schankstube zu arbeiten. Wahrscheinlich ging ihr langsam das Geld aus… ich weiß es nicht. Aber mir und meinem Mann konnte das nur recht sein,“ begann sie. „An jenem Abend hatte sie, wie die Tage zuvor, in der Schankstube bedient. Sie kümmerte sich nicht darum, was die Leute zu besprechen hatten. Sie machte nur ihre Arbeit. Als dann die Urbaner hier waren und sich an den Leuten störten, die sich um diesen Rabbi versammelt hatten, war sie es, die sie sogar beschwichtigte.“ Doch es gab noch etwas, was Mirjam bisher noch gar nicht erwähnt hatte, vielleicht weil sie es selbst nicht wahrhaben wollte. „Aber an dem Abend… da kam auch meine Tochter in die Taberna. Sie hatte sich zu diesen Leuten gesetzt. Als sich die Situation zuspitzte hat Beroe sie bedrängt mit ihr zu verschwinden. Aber sie wollte nicht. Mein Mann hat sie schließlich der Taberna verwiesen… Mein armes Kind… was ist nur mit ihr geschehen?“ Mirjam stürzte wieder in ihren Kummer. Ihr Leben war nur noch ein einziger Trümmerhaufen: Der Mann verhaftet, die Tochter hatte sich einer gefährlichen Sekte angeschlossen, die Taberna geschlossen, ihre Existenz war zerstört. Alles was ihr jemals wichtig gewesen war, war dahin.

  • Er nickte nur langsam, hörte im Grunde gar nicht mehr, wie sich die Wirtin erneut in ein Loch tiefer Verzweiflung stürzte - irgendwas wegen ihrer Tochter... denn nicht nur sie stand völlig neben sich. Seit er aus Germania zurückgekehrt war, hatte er sich kaum etwas sehnlicher gewünscht, als Sibel wiederzusehen, doch hier hatte ihn nicht mehr erwartet, als eine bloße Fortsetzung dieser unerträglichen Ungewissheit, von welcher er gehofft hatte, sie heute endlich beenden zu können. Wenn es um Sibel ging, musste er von jetzt an wohl an wirklich alles denken, an jeden noch so abwegigen Zwischenfall, der ihr zustoßen könnte – zumindest falls er in der Lage war, sie wiederzufinden. Bisher waren die Urbaner sein einziger Ansatz und das behagte ihm ganz und gar nicht. Wo sollte er sonst anfangen, in einer Stadt wie Rom, wenn nicht einmal die Wirtin ihm mehr sagen konnte? Sein Blick wanderte wieder von leer in der Luft hängend zu der verwahrlosten Frau hinüber.
    "Sonst noch irgendetwas? War das alles, was du weißt?", fragte er etwas heiser und kramte bereits in seinem Geldbeutel, um der Wirtin zumindest ein paar Münzen zu hinterlassen. Selbst wenn sie ihm nicht gesagt hatte, was er hören wollte, hatte sie ihm gewissermaßen doch geholfen, so gut sie konnte jedenfalls.

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    Mirjam


    Jammernd verfiel die Frau wieder in ein unverständliches Gemurmel. Sie hatte sich von ihm abgewandt, vielleicht aus Scham, damit er ihr Elend, was doch ganz offensichtlich war, nicht sah. Der Kummer fraß sie auf. Dabei konnte sie nicht länger die Kraft aufbringen, sich auch noch um den Verbleib der Lykierin zu kümmern. Die Last war schwer genug, die ihr aufgebürdet worden war.


    Doch die Fragen des jungen Mannes wollten nicht abreißen. Doch diesmal beantwortete sie sie lediglich mit einem Kopfschütteln. Sie hatte ihm doch schon alles berichtet, was vorgefallen war und alles gesagt, was sie wusste. Es gab nichts mehr, womit sie ihm hätte weiterhelfen können.


    Mirjam war es natürlich nicht verborgen geblieben, dass er begonnen hatte in seinem Geldbeutel herumzukramen, um ein einige Münzen herauszufischen. Noch einmal wandte sie sich zu ihm um, trat auf ihn zu, ergriff ihn an seinen beiden Oberarmen und beschwor ihn. „Bitte, behalte dein Geld. Wenn du etwas für mich tun willst, dann sorge dafür, dass sie meinen Mann wieder gehen lassen. Du hast doch die Macht. dir werden sie glauben, dass er unschuldig ist. Bitte!“ Sie galubte fest daran, dass Avianus ihre letzte Hoffnung war.

  • Nichts mehr, keinen weiteren Grashalm wollte sie ihm reichen, an den er sich klammern könnte. Wieder stand er in Gedanken versunken da, um erneut sacken zu lassen, was er in den letzten Minuten erfahren hatte. Wie sie ihn dann an den Armen packte, brachte ihn in seiner eigenen Verzweiflung vollkommen aus dem Konzept, sodass er sie nur stumm anstarrte. Macht? Was für eine Macht? Ein kleiner Soldat war er, Garde hin oder her… Und was sollte er den Urbanern sagen? Dass er irgendetwas mit der Sache hier zu tun hatte? Er konnte froh sein, wenn er dazu in der Lage war, für Sibel wieder alles in Ordnung zu bringen und das würde auch seine erste Sorge bleiben. Er löste sich aus ihrem Griff und wich ein paar Schritte zurück.
    "Ich danke dir", sagte Avianus erst nur mit belegter Stimme. Die Münzen in seiner Hand zählte er nicht, sondern ließ sie nur auf einem der Tische liegen. Ihre Bitte ließ er unbeantwortet. Was sollte er auch sagen. Er konnte ihr nicht das Geringste versprechen, nicht einmal ob er es überhaupt versuchen würde. "Kauf dir was zu essen", waren die letzten Worte, die die Wirtin hören würde, bevor er wieder verschwand und die wirre Frau alleine zurückließ.

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    Mirjam


    Mirjam starrte ins Gesicht des jungen Römers. Ob sie in diesem Augenblick seine Verzweiflung erkannte? Genauso wenig wie sie, war auch er nicht der Retter in der Not. Auch ihr flehender Blick, das Jammern und Schluchzen hatte nicht geholfen. Er löste sich aus ihrem Griff und ließ sie zurück. Sein Dank wirkte auf sie wie ein Hohn. Ein Tritt, der sie zurück in ihr Elend schleuderte. Die Münzen, die er zurückließ, würde sie nicht anrühren. Stattdessen schaute sie ihm jammernd nach und verfiel dann wieder in ihr unverständliches Kauderwelsch.
    Dann war er fort.

  • Seitdem die Nachricht von der Hinrichtung des Christianerpredigers Ioannis die Runde im Trans Tiberim gemacht hatte, herrschte eine sehr angespannte Stimmung in der dortigen Christengemeinde. Offenbar hatte die Staatsmacht einmal mehr ein Exempel statuieren wollen, als sie ihn und einige seiner Getreuen, die vor etlichen Wochen bei einer Razzia festgenommen worden waren, entlang der Via Apia kreuzigen ließ. Die Botschaft war eindeutig gewesen, für alle, die jener östlichen Sekte angehörten: Rom würde jede noch so kleine Bemühung sofort im Keim ersticken, die in irgendeiner Weise nach Missionierung roch. Die Mehrheit der Gläubigen war sich darüber einig, dass dies die schärfsten Maßnahmen gegen sie seit Jahren waren und dass dies nur der Anfang einer noch viel schlimmeren Hetzkampagne war. Schlimme Zeiten würden über die Brüder und Schwestern im Glauben hereinbrechen. Große Angst, Fassungslosigkeit und auch Pessimismus machte sich daher unter ihnen breit. Manche sahen darin auch eine Prüfung, wie stark ihr Glaube wirklich war. Andere mussten resigniert feststellen, dass ihre Furcht größer war, als der Glaube an den gekreuzigten Gott aus Iudäa. Doch die, die glauben konnten, rutschten noch enger zusammen, halfen einander und trösteten jene, die zu zweifeln begannen. Gegenseitig bestärkten sie sich in ihren geheimen nächtlichen Treffen. Einige Männer hatten sich als Wächter angeboten, die die Augen und Ohren auf den Straßen des Trans Tiberims aufhalten sollten, um die Anderen im Notfall zu warnen….


    Wie durch ein Wunder war Simon den Henkersknechten entgangen. Nach einer wochenlangen Haft in der man ihn mehrmals der Folter unterzogen hatte, war der Wirt des 'Silbernen Sterns' einfach laufen gelassen worden. Der Kerker hatte ihn um Jahre altern lassen. Kaum noch zum Laufen fähig, hatte er es mit letzter Kraft zu der Insula im Trans Tiberim geschafft. Dort fristete er nun ein Schattendasein. Nie wieder würde er in seiner Taberna arbeiten können. Dafür hatte man im Carcer gesorgt.
    Mirjam, seine Frau, pflegte ihn. Sie hatte Gott gedankt, als er ihn lebend zu ihr zurückgeschickt hatte. Doch allabendlich sandte sie noch immer ihre Gebete zu ihm, damit er auch noch ihre Tochter nach Hause sandte.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander[Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/140909/jwwkw45z.gif] | Elias


    „Ich kann’s immer noch nicht glauben, dass Bruder Ioannis nicht mehr unter uns weilen soll,“ entgegnete Evander bedrückt. Zusammen mit Elias, seinem Freund und Mitbruder lief er durch die Straßen seines Viertels, um sich nach Neuigkeiten umzuhören. „Ja, er war ein so guter Mensch.“
    Evanders Fäuste ballten sich unmerklich. Er hasste es, einfach nur untätig herumzusitzen und zu warten, bis wieder ein Trupp Urbaner die Tiberbrücke überquerte um seine Leute aufzumischen. Wenigstens hatte der Rat dem Vorschlag zugestimmt, dass täglich ein paar Männer auf der Straße Patrouille liefen. Doch wenn es nach Evander gegangen wäre, hätte er noch viel mehr getan!
    „Und ich sage dir, wir sind verraten worden! Irgendjemand hat seine Klappe nicht halten können. Und wenn ich den in die Finger kriege, dann…“ Elias blieb abrupt stehen und sah seinen Freund beschwörend an. „Daran solltest du nicht einmal denken, Evander! Glaub mir, Rachegedanken bringen uns nicht weiter, sondern verursachen nur noch mehr Leid.“ Evander betrachtete seinen Freund, dann entspannte sich sein Körper wieder. „Du hast recht, Bruder, Rache bringt uns nicht weiter.“
    Die beiden setzten ihren Weg weiter fort und liefen eine ganze Weile still nebeneinander her. Doch in Evanders Kopf schienen sich die Gedanken weiter fort zu spinnen.
    „Ich habe gehört, dass an dem Abend, an dem die Razzia stattgefunden hat, ein paar Urbaner im ‚Silbernen Stern‘ gesehen worden sein sollen. Die sollen sich ganz angeregt mit dem Wirt und dieser Schickse, die bei ihm gearbeitet hat, unterhalten haben. Vielleicht sollten wir denen mal einen Besuch abstatten,“ platze es plötzlich aus Evander heraus. Elias zögerte einen Moment. Er kannte seinen Freund und wusste um seine Ungeduld. „Ich kenne Simon, den Wirt. Er wurde damals auch verhaftet. Im Gefängnis haben sie ihn zum Krüppel gemacht. Aber wir sollten ihm wirklich einen Besuch abstatten, um zu sehen, wie es ihm geht. Vielleicht können er und Mirjam unsere Hilfe gebrauchen.“, meinte schließlich milde lächelnd.
    Die beiden schlugen den Weg zur ehemaligen Taberna ein, die von außen inzwischen ziemlich heruntergekommen und verlassen wirkte. Doch im Inneren und in der Wohnung über ihr hausten noch immer der Wirt und seine Frau.

  • Einige Tage später, nach Evanders und Elias Besuch in der ehemaligen Taberna, hatte sich Sarah, Elias´ jüngere Schwester, mit einem Korb voller Lebensmittel auf den Weg zu den beiden Wirtsleuten gemacht. Ihr Bruder und dessen Freund hatten sich bei ihrem Besuch ein Bild von der desolaten Lage machen können, in der die beiden seit jener schicksalhaften Nacht vor einigen Wochen steckten. Noch am selben Tag hatten sich noch einige andere Männer der christlichen Gemeinde eingefunden, um die Taberna gemeinsam wieder auf Vordermann zu bringen. Simon und Mirjam sollten wenigstens wieder eine Existenzgrundlage haben, um ihr weiteres Leben einigermaßen bestreiten zu können. So wurde in der Taberna Trümmer beseitigt, gehämmert und gesägt, getüncht und geputzt. Nach und nach wurden aus dem Chaos, welches die Urbaner hinterlassen hatten, wieder ein ansehnlicher Schankraum und eine saubere Küche.


    Simon, der zwar anfangs nicht sehr aufgeschlossen gegenüber den Christianern war, hatte scheinbar seine Meinung geändert. Während seiner Zeit im Carcer waren es ausgerechnet die Christianer gewesen, die ihm trotz aller Brutalitäten, die man ihm angetan hatte, immer wieder Mut zugesprochen hatten. Eigens für ihn hatten sie nun eine einfache Kline mitten in den Schankraum gestellt, von wo aus er alle Arbeiten mit verfolgen konnte.


    Auch Mirjam schien durch diese unerwartete Hilfsaktion wieder neuen Mut schöpfen zu können, dennoch gab es etwas, was sie immer noch bedrückte - ihre Tochter Rachel. Doch in Gegenwart ihres Mannes traute sie sich nicht, darüber zu sprechen, schließlich hatte er ja damals Rachel verstoßen. Doch was Mirjam nicht ahnte, war dass er seine Tochter in jedem seiner Gebete mit bedachte.


    Sarah und Mirjam waren in der Küche verschwunden und bereiteten für die Männer einen großen Topf Puls vor. Sarah hatte frisches Gemüse und ein Stück Hammelfleisch vom Markt mitgebracht. Nun waren die beiden Frauen in ihrem Element. Lange hatte die Küche kein so fröhliches Geschnatter oder gar Gelächter gehört, wie an diesem Tag. So war es nicht verwunderlich, dass sie das Klopfen an der Tür nicht gehört hatten.
    Draußen im Schankraum jedoch verstummten die arbeitenden Männer, die sich zuvor ausgelassen miteinander unterhalten hatten. Alle Augen waren zur Tür gerichtet. Elias war es dann, der sie einen Spalt weit öffnete, um hinauszulugen. „Wer bist du? Und was willst du hier? Die Taberna ist geschlossen.“


    „Salve, ich bin Beroe. Ist Mirjam da?“, antwortete die Lykierin. Nachdem sie im Lupanar wieder zu Kräften gekommen war und ihr erstes Geld verdient hatte, war ihr erster Weg die kleine Taberna im Trans Tiberim gewesen. Elias blickte die Frau einen Moment lang forschend an. Schließlich ließ er sie ein. „Mirjam ist in der Küche.“ Die anderen Männer sahen der auffallend gut gekleideten Frau nach, die zielstrebig die Küche ansteuerte.


    „Mirjam…“ Beroe blieb im Türrahmen stehen und beobachtete die beiden Frauen. Sobald sie das Erscheinen der Lykierin wahrgenommen hatten, hielten sie in ihrem Tun inne und starrten die Frau in der Tür an. „Beroe!“, rief Mirjam entgeistert aus. Die Wirtin schien bereits in der Beroes Mimik lesen zu können, dass sie keineswegs mit guten Nachrichten kam. „Mirjam, es tut mir so leid, dass ich nicht früher kommen konnte“, begann Beroe. Sie fürchtete sich davor, Mirjam mit der bitteren Wahrheit konfrontieren zu müssen. „Hast du Neuigkeiten von Rachel? Geht es ihr gut? Ist sie gesund?“ Im Grund wusste Mirjam bereits die Antwort. Ihre Augen wurden feucht. Ein Zittern um ihre Mundpartie stellte sich ein. „Rachel und ich… wir waren bei dieser Versammlung… dann waren plötzlich überall die Urbaner. Sie haben uns verhaftet und in den Carcer gesteckt…“ Beroe brachte es nicht über sich, weiter zu sprechen, doch Mirjams fordernder Blick ließ ihr keine andere Wahl. Die Wirtin war inzwischen auf Beroe zugegangen. „Was ist mit meinem Kind? Ist sie noch am Leben?“
    „Sie hatten uns getrennt eingesperrt. Bis vor ein paar Tagen war ich im Carcer. Als sie mich frei ließen, sagten sie mir, Rachel sei…“ Beroe biss sich auf ihre Lippen. Am liebsten hätte es nicht ausgesprochen. „Ja…?!“ Mirjam begann die Lykierin zu schütteln, als wolle sie so die fehlenden Worte aus ihr herausbekommen. „Mirjam, Rachel ist gestorben.“ Tränen rannen inzwischen an ihren Wangen herab. Mirjam hingegen schien plötzlich wie versteinert zu sein. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Mund schien einen stummen Schrei ausstoßen zu wollen. Sarah trat neben die Wirtin und legte ihre Arme tröstend um sie. „Du solltest jetzt besser gehen!“, meinte sie, an Beroe gewandt. Die Lykierin nickte erschüttert und wollte sich zum Gehen umwenden, bevor sie jedoch einen Schritt vor den anderen setzten wollte, stellte sich ihr Evander in den Weg. Er, wie auch die anderen Männer, hatten das Gespräch mit angehört.
    „Soso, bis vor ein paar Tagen warst du also selbst noch im Carcer, ja?! Und dann haben sie dich in die diese feinen Klamotten gesteckt und dich laufen lassen.“ Unter den Männern bahnte sich ein unterschwelliges Murmeln an. „Lass sie, Evander!“, mahnte ihn ein Mann, dessen Name Phillipos lautete. „Wieso?“, entgegnete Evander. „Du bist doch die kleine Hure, die hier gearbeitet hat? Was haben sie dir gezahlt, damit du uns verrätst, hmm?“ Evander rückte der Lupa noch dichter auf die Pelle und packte sie schließlich an ihrem Arm.
    Beroes Trauer war nun voll der Angst gewichen. Hilfesuchend sah sie in die Gesichter der Männer, die sie mit verschlossener Miene anstarrten. „Mir hat niemand etwas gezahlt und ich habe auch niemand verraten. Hast du nicht gehört, sie hatten mich selbst für viele lange Wochen gesperrt. Das müsst ihr mir glauben!“, erklärte sich Beroe. Doch diese Antwort wollte Evander nicht einfach so gelten lassen? „Du lügst doch! Wie kommt es dann, dass du so gut gekleidet bist? Die Fummel müssen doch furchtbar teuer gewesen sein!“ Wieder zerrte er sie an ihrem Arm, so dass es Beroe weh tat. „Ich habe in einem Lupanar Arbeit gefunden. Die Kleider hat man mir überlassen,“ antwortete sie verzweifelt mit verzerrtem Gesicht.
    „Evander!“ mahnte diesmal eine andere, weitaus respekteinflössendere Stimme, die es schließlich bewirkte, dass Evander von Beroe abließ. „Dreckige Hure! Ich werde dich im Auge behalten.“ Beroes Herz wollte sich überschlagen. Als der Mann sie endlich losgelassen hatte, wollte sie sich an ihm vorbeischieben. Nur schnell weg hier, dachte sie sich. Doch sie kam nicht weit…

  • Der Marsch von der Castra aus quer durch die Urbs Aeterna hatte Avianus genug Zeit gelassen, sich alle möglichen Szenarien durch den Kopf gehen zu lassen, die er in der Taberna eventuell zu erwarten hätte – dachte er zumindest. Außerdem hatte er – nicht zum ersten Mal – den Beschluss gefasst, keine Miene mehr zu verziehen. Rein, ein paar Fragen stellen, sich vielleicht ein wenig umsehen, raus. Keine große Sache, und mit größter Wahrscheinlichkeit auch ohne große Zwischenfälle. Und als die Taberna endlich in Sichtweite war, gab er letzte Anweisungen: " Miles Cluvius Sulca, Tirones Germanicus Antias und Peducaeus Hispo, ihr wartet vor der Tür. Ihr könnt euch auch gerne ein wenig umsehen. Sollte aber irgendjemand auffälliges die Taberna verlassen und verschwinden wollen, während wir drin sind, dann will ich von euch wissen wohin. Keine Festnahmen, und verhaltet euch unauffällig. Der Rest geht mit rein."
    … und dann stand er bereits vor der alten Holztür, drückte sie auf, nachdem er sich noch einmal mit einem tiefen Atemzug dazu ermahnt hatte, ruhig zu bleiben, was ihn in der Taberna auch immer an Umständen erwarten würde, und kaum hatte er die ersten Schritte in den Schankraum gesetzt, blieb er wie versteinert stehen. Seine Augen hingen geweitet und vollkommen fassungslos an der jungen Frau, die mitten im Raum stand, die restlichen Anwesenden nahm er mit einem Mal nur noch am Rande wahr. Unmöglich, sagte es in seinen Gedanken. Nichts anderes als ein Hirngespinst konnte das sein, was da vor ihm stand, und genauso aussah wie sie. Und mit Sicherheit würde es sich sogleich in Luft auflösen... oder zu Asche zerfallen. Doch selbst als er hinter sich die Caligae seiner Männer auf den Dielen der Taberna hörte, war sie noch da, selbst als er dadurch an seine Aufgabe erinnert wurde und realisierte dass er in dieser Truppe das sagen hatte. Seine Truppe… Sag was… verdammt. Irgendwas. Und dabei drehte sich in seinem Kopf gerade alles und er war heilfroh, dass er nicht auch noch weiche Knie bekam und hier vor seinen eigenen Leuten einknickte. Keine Miene verziehen, hatte er sich gesagt.
    "Jungs, setzt euch... Wird hier noch was ausgeschenkt?", fragte er trotz aller Mühen leicht verkrampft und ließ seinen Blick endlich auch durch den Rest des Raumes wandern, wobei seine Augen dennoch ständig wieder zu Sibel zurückkehrten, als wollten sie ihr sagen: Bleib.
    "Und ist eine gewisse Mirjam da?", fügte er dann ein ganzes Stück sicherer hinzu. Auf dieses Szenario war er eindeutig nicht gekommen.

  • „Das ist doch wohl nicht wahr.“ stöhnte Hispo mit einer Mine maßloser Enttäuschung. „Meine Zunge klebt am Gaumen, und der lässt uns hier draußen stehen wie die Hofhunde.“
    Obwohl ihm eigentlich nicht danach war konnte sich Antias ein schadenfrohes Grinsen nur schwer verkneifen. Ihm wäre es auch lieber gewesen, von der Straße weg zu kommen, allerdings nicht des Weines wegen, sondern weil er unter all den Passanten hinter jedem wehenden Pallasaum und unter jedem braunen Haarschopf Apolonia zu erkennen glaubte. Seit sie den Tiberis überquert hatten, waren diese Trugbilder fast unerträglich geworden. Immer und immer wieder hatte er sich selbst zur Ordnung rufen müssen. Er musste mit ihr reden, er würde mit ihr reden, irgendwie. Und bevor er nicht wusste, wie Apolonia zu alldem stand, machte es wenig Sinn, sich mit Tagträumen herumzuprügeln und sich oder schlimmer noch seine Kameraden damit womöglich in Gefahr zu bringen, immerhin waren sie hier nicht auf dem Exerzierplatz sondern mitten in Trans Tiberim. Besonders bedrohlich wirkte die Umgebung auf den ersten Blick allerdings nicht: Eine ganz normale kleine Handwerkergasse, die sich sanft abfallend und leicht verschlungen von Osten nach Westen durch das Häusergewirr wand, zur Gasse hin geöffnete Werkstätten, Händlerstände, Garküchen und an der Nordseite ebenjene zweigeschossige Taberna in der der Optio mit dem Rest der Männer verschwunden war. Eine Taberna wie es in Roma Tausende geben mochte, verwittert zwar und dennoch nicht heruntergekommen, einladend aber nicht gerade verheißungsvoll, `Rufo's Elysium' gar nicht so unähnlich. Das einzig auffallende an der kleinen Taberna waren lediglich drei Männer, die in lange Mäntel gehüllt den Passantenstrom stauten und unentschlossen auf die Tür zum Schankraum starrten.
    „Bleiben wir jetzt alle drei hier stehen oder was?“ fragte Antias Miles Cluvius, der ganz offensichtlich wenig Begeisterung dafür aufbringen konnte, die Amme für zwei grüne Tirones spielen zu müssen. „Nein. Ihr Vögel bleibt hier, ich seh mir den Schuppen mal von hinten an.“ knurrte der Miles muffig, und ging auf den schmalen Durchgang zu, der die Taberna vom Nachbarhaus trennte. Während Hispo dem davonstapfenden Cluvius einige unschöne Schimpfwörter nachmurmelte, sah sich Antias erneut in der Gasse um.
    „Du hast doch Durst, oder?“
    „Worauf du einen lassen kannst!“
    „Fein. Dort oben ist ein Weinhändler, der dir sicher gern einen Becher verkauft. Außerdem hat man von seinem Laden aus eine hervorragende Aussicht auf die Taberna.“
    Hispo folgte Antias' Blick die Gasse hoch. „Verstehe. Und du? Siehst aus als könntest du auch einen Tropfen vertragen.“
    „Später vielleicht, ich schau mir mal die Arbeit des Kunstschmieds da unten an.“
    „Wie du meinst.“


    Gemächlich schlenderte Antias auf die Werkstatt zu. Im schmalen Eingang zur Schmiede war eine ältere Frau dunkler Hautfarbe damit beschäftig, verschiedene Schmuckstücke in eine Holztruhe zu sortieren, kupferne Torques, silberne Armreifen, kleine Bernsteingemmae, der Schmied schien sein Handwerk zu verstehen. Als Antias näher trat, erntete er einen misstrauischen Blick aus schwarzen Augen, der sich rasch in ein geschäftstüchtiges Lächeln wandelte.
    „Salve Herr. Gefallen die schönen Stücke meines Mannes? Es gibt mehr.
    „In der Tat eine wunderbare Arbeit.“
    „Wenn kommen herein, zeigen dir noch anderes.“
    Antias blickte sich um. Hispo lehnte entspannt am Stand des Weinhändlers und sah mit seligem Lächeln zu ihm herunter, vor der Taberna tat sich nichts. Trotzdem war Wachsamkeit angebracht.
    „Graviert dein Mann auch?“
    „Gravieren, natürlich.“
    „Und wo kommt ihr her?“
    „Arieldela, Arabia Petraea, warum willst du wissen Herr?“
    Antias blickte wieder zur Taberna. Nur Passanten, keine Gäste.
    „Weiß dein Mann wie eine Gazelle aussieht?“

  • Mit Evanders zornigem Blick im Nacken und den missbilligenden Mienen der Männer, die nun jeden ihrer Schritte beobachteten, beschleunigte sie ihren Gang. Als jedoch unmittelbar vor ihr die Tavernentür aufgestoßen wurde und ein paar Männer eintraten, blieb sie schlagartig stehen und musterte die Hereinkommenden argwöhnisch. Anfangs hatte sie gefürchtet, sie hätte es hier mit einigen Freunden der bereits Anwesenden zu tun, die ihr am Ende noch Böses wollten. Doch diese hier schienen aus einem ganz anderen Grund hier zu sein. Schließlich blickte sie in das Antlitz ihres Anführers, der sie unvermindert anstarrte und dem es sichtlich schwer zu fallen schien, sein Augenmerk von ihr zu lösen, gerade so als habe er einen Geist erblickt. Doch auch Beroe ging es von diesem Augenblick an nicht anders.Bei diesem Anblick wurde sie in ihren Grundfesten erschüttert. Er ist es, er ist es wirklich, war ihr erster Gedanke. Doch wo war das vertraute Schwarz seiner Uniform geblieben? Und warum sagte er nichts? Wenn er es tatsächlich war, dann hätte er sie doch ansprechen müssen! Oder war dies gar ein Trugbild? Ihre Gedanken schienen ihr nur einen bösen Streich spielen zu wollen. Sie bildete sich das alles nur ein. Nur ein Trugbild, weiter nichts! Wieso sollte er hierher zurückkommen, in diesem Aufzug und in Begleitung dieser Männer? Dennoch entwich ein zarter sehnsuchtsvoller Hauch ihrer Kehle, als ob vielleicht doch noch eine Chance bestehen könne... „Aulus…“ Ihre traurigen Augen bekamen einen feuchten Glanz.
    Doch dann lösten sich seine Blicke von ihr und er wandte sich dem eigentlichen Grund seines Besuchs zu. Nun schien es sich doch zu bestätigen, dass alles nur Einbildung gewesen war. Auch wenn ihr die Stimme vertraut vorkam. Doch dieser Mann war nicht der, für den sie ihn irrtümlich gehalten hatte. Ihre Augen und nun auch noch ihre Ohren hatten sie genarrt, weil sie sehen und hören wollten, was aber nicht war, mehr nicht.


    Hinter ihr drang eine Stimme hervor, die an die Fremden gerichtet war. „Die Taberna ist geschlossen, das sieht man doch, oder?!“„Was wollt ihr von Mirjam?“, fragte eine andere Stimme misstrauisch. Indessen versuchte sich Beroe an den Fremden vorbeizuschieben, um eilig zur Tür hinauszustürzen. In diesem Haus war sie nicht mehr willkommen. Dies war ein anderes Leben, welches sie nun endgültig hinter sich gelassen hatte.


    Natürlich fiel ihr draußen nicht auf, dass die Tür der Taberna beobachtet wurde. Schnellen Schrittes versuchte sie, nur noch von hier Weg zu kommen. Doch sie kam nur bis zur nächsten Straßenecke. Dort blieb sie stehen und begann hemmungslos zu heulen.

  • Sie erwiderte seine Blicke. Der Iunius war sich sicher, sie hatte ihn erkannt, es konnte gar nicht anders sein. Leise vernahm er dann ihre Stimme, kaum mehr als ein Wispern, und sie brachte damit beinahe sein rasendes Herz zum Stillstand.
    Er hatte von Anfang an nicht viel darüber gewusst, was sich während seiner Reise nach Germania hier abgespielt hatte, und im Grunde verstand er seit den letzten paar Sekunden praktisch gar nichts mehr, aber eines wusste er: Sie war da. Aus irgendeinem Grund war sie da. Bleib. Bleib. Er wollte sie an sich drücken, sie küssen, sich erklären, sagen, dass es ihm leid tat. Aber die Tatsache, dass er nicht alleine und aus dienstlichen Gründen in die Taberna gekommen war, schien ihn wie Ketten festzuhalten.


    "Von außen nicht", presste Avianus eine Antwort hervor und versuchte dabei, Sibel nicht aus den Augen zu verlieren. "Ich will mich kurz …" Er stockte, als sie ging auf die Tür zuging. "… mit ihr unterhalten. Keine große Sache."
    Ob er bereits etwas schräg beäugt wurde, entging ihm völlig, und würde in diesem Moment für ihn auch keine große Rolle spielen, denn sie verschwand, flüchtete nach draußen, und ließ ihn alleine im Schankraum zurück – so fühlte es sich jedenfalls an. Vielleicht hatte er sich geirrt, vielleicht suchten seine Träume ihn nun schon tagsüber heim, und die junge Frau war jemand vollkommen anderes. Aber was wenn es nicht so war. Er hatte in ihre Augen gesehen, ihre Stimme gehört, und war sich dabei so sicher wie selten zuvor, dass er sich nicht irrte.
    Panik breitete sich in ihm aus. Nicht noch einmal. Nicht noch einmal wollte er zögern. Denn selbst wenn sie es nicht war, wenn seine Sinne ihm nur einen Streich spielten, was hatte er zu verlieren?
    Ein weiterer fahriger Blick ging zu der Tür.
    "Verdammt… wartet hier", sagte er zu seinen Leuten, die ihm zögerlich zunickten, und ließ mit seinem Befehl ganz nebenbei die fremden Männer in der Taberna wissen, dass es ihn gerade weniger als gar nicht kümmerte, dass der Laden geschlossen war. Genauer genommen interessierte ihn im Moment sowieso nur eines, und diese eine Sache brachte ihn dazu, wieder durch die Tür auf die Straße zu eilen und die Gegend nach der schwarzhaarigen Frau abzusuchen, doch sie war spurlos im Durcheinander der Stadt verschwunden, stattdessen entdeckte er einen seiner drei Beobachter am Eingang der nächsten Werkstatt. Den packte er auch sogleich am Mantel.
    "Wo ist sie hin?", fragte er eindringlich, im Vergleich dazu, wie es in seinem Inneren aussah, aber dennoch ruhig. Der Tiro hatte allerdings besser seine Arbeit nicht vernachlässigt, ansonsten würde ein Gewitter über ihm hereinbrechen, das er so noch nie erlebt hatte.


    "Und was machen wir jetzt?", fragte Carbo seinen Kameraden Maso, der wie er mitten in der Taberna zurückgeblieben war. Sein Kollege zuckte lediglich mit den Schultern.
    "Warten...?"
    "Habt ihr echt nix zu trinken?", fragte Pennus etwas ärgerlich in die Runde und interessierte sich scheinbar wie sein Optio nicht im geringsten dafür, dass er und seine Kameraden hier unerwünscht waren. Der Befehl des Optios galt schließlich mehr, als die Bemerkung irgendeines Fremden. Und wenn er hier schon warten musste, konnte er auch gleich einen Schluck trinken.

  • „Ich frage, Herr.“
    Leise verschwand die dunkle Frau nach hinten. Ein paar Sätze in einer fremden Sprache wurden hörbar, gefolgt von einem heiseren Männerlachen. Antias lies seinen Blick durch die Gasse wandern. Hispo stand wie gehabt vor dem Laden des Weinhändlers, der Eingang zur Taberna war geschlossen, keiner der Vorübergehenden würdigte die Tür auch nur eines Blickes. Was da drin wohl vor sich ging? Cluvius war auch nicht wieder aufgetaucht, vielleicht war er auf der Rückseite der Taberna auf das Weinlager gestoßen. Sänften schwankten vorbei, eine kleine Gruppe von Vigiles marschierte die Gasse hinunter … „Er weiß.“ Antias fuhr herum, die Frau des Schmieds stand wieder vor ihm.
    „Was?“
    „Mein Mann kennt Gazellen natürlich, auch alle anderen Tiere. Sehr gut macht er Löwen und Adler und Armreife wie Schlangen.“
    „Das ist schön, aber ich dachte da an eine Gemma mit ziseliertem Goldblech überzogen und ...“
    Die Tür der Taberna wurde aufgestoßen. Eine junge Frau stürzte sichtlich aufgelöst heraus und ging leicht schwankend die Gasse hinauf. Hispo ließ den Becher sinken und starrte fragend zu ihm herunter. Würden da noch mehr kommen? Gütige Salus, die waren zu fünft da drinnen und hatten die Lage doch wohl unter Kontrolle! Oder nicht? Antias nickte Hispo verstohlen zu und machte ihm ein beiläufiges Handzeichen, die Angelegenheit sachte anzugehen. Die junge Frau strebte mit unsicheren Schritten an Hispo vorbei auf eine der zahllosen Seitengassen zu, blieb dann aber plötzlich stehen und schlug sich schluchzend die Hände vor's Gesicht. Was war in der Taberna passiert? Diese Schweine hatten doch nicht etwa ..
    „Herr?“
    „Ich komm' wieder..“ Antias war gerade im Begriff, ebenfalls die Gasse hinauf zu gehen, als die Wirtshaustür erneut aufflog. Heraus stürmte der Optio, blickte sich einen Moment suchend um, entdeckte Antias, stürzte auf ihn zu und zischte mit äußerst ernstem Blick auf ihn ein. Wo sie hin war? „Sie ist da oben, Optio ..“ entgegnete Antias leise. „.. an der Ecke, dem Weinladen schräg gegenüber. Peducaeus ist dran. “ War er doch, oder? Eine Gruppe von Sklaven kam mit Körben voll Perlhühnern die Gasse herab und versperrte die Sicht auf den Stand des Weinhändlers. Zwischen den Leibern der Passanten konnte er immer wieder die Frau erkennen. Sie hatte sich wie es schien wieder etwas gefasst und machte Anstalten weiter zu gehen. Kam Hispo ihr nach? Scheiße! Diese verfluchten Idioten mit ihrem mistigen Federvieh! Antias ging ein paar Schritte, spähte die Gasse hinauf und erblickte nur geflochtene Körbe, Sänften und Lastträger. „Ich seh Peducaeus nicht, Optio!“ rief er halblaut hinter sich. „Soll ich mir die Frau schnappen?“

  • „Keine große Sache, also!“, echote Evander, der plötzlich hervortrat und sich mit verschränkten Armen vor den Fremden aufbaute. „Worum geht´s denn?“ Die Spannung, die spürbar in der Luft lag, schien sich mit Evanders vorpreschen nur noch mehr zuzuspitzen. Natürlich musste es den Männern klar sein, dass diese Fremden mit Sicherheit nicht nur auf einen Becher Wein in die Taberna gekommen waren. Ganz abgesehen davon, dass sich deren Anführer so seltsam verhielt, seitdem er die Lupa erblickt hatte. Der eine oder andere musste sich womöglich fragen, ob die beiden sich vielleicht kannten. Vielleicht waren ja Evanders Anschuldigungen doch nicht so abwegig gewesen und die Lupa steckte mit den Fremden unter einer Decke. Ganz gleich, wie das eine mit dem anderen zusammen hing, Fakt war dass die Nervosität bei den Männern mehr und mehr zunahm. Seit der Razzia vor ein paar Wochen waren sie misstrauisch gegen alles und jeden geworden. Außerdem hatten die wenigsten von ihren Erfahrung damit, wenn es zum Äußersten kommen sollte. So nahmen die meisten von ihnen gar keine Notiz mehr, als die Lupa endlich verschwand, sondern konzentrierten sich auf die Fremden.. und ganz besonders auf deren Anführer.


    Jedoch geschah dann etwas, womit wohl die Wenigsten gerechnet hatten, nicht einmal die Fremden. Als sich hinter der Lupa die Tür wieder geschlossen hatte ließ der Anfüher der Fremden seine Männer zurück und stürmte ebenso zur Tür hinaus. Zurück ließ er fragende Gesichter, die sich keinen Reim darauf machen konnten, was hier gerade passierte.
    Eine gewisse Entspannung trat erst wieder mit der fast schon flehentlichen Frage des einen Fremden nach etwas Trinkbaren ein. Auch bei den anderen Männern schien ein wenig Anspannung abzufallen, was in ein unterschwelliges Murmeln mündete. Schließlich erbarmte sich einer von ihnen, wahrscheinlich aus seiner christlichen Nächstenliebe heraus, griff sich ein paar Becher und eine Kanne Wein, die eigentlich für die arbeitenden Männer bestimmt gewesen war und trat den Fremden entgegen. „Hier, wir haben zwar nicht viel. Aber nehmt und trinkt.“
    „Elias! Was tust du da, Bruder?“, ereiferte sich Evander und wurde dabei von einigen der anderen unterstützt. Doch Elias ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, füllte die Becher und reichte sie den Fremden. „Gib und dir wird gegeben werden, Bruder!“, rief er Evander zu, dessen Skepsis dadurch aber lange noch nicht ausgeräumt war.


    Indessen auf der Straße


    Beroe stütze ich mit einer Hand an der Hauswand ab, die andere hielt sie vor ihr Gesicht. Die Tränen rannen unvermindert an ihren Wangen herab und es schien, als ob aller Schmerz aus ihr herausbrechen wollte. Die Männer in der Taberna hatten sie zu Recht als dreckige Hure beschimpft. Zwar hatte sie die Christen an jenem Abend nicht ans Messer geliefert, doch traf sie die Schuld an Rachels Tod. Hätte sie sich damals bei dem Urbaner nicht gesträubt, dann hätte er sie laufenlassen und man hätte sie niemals in den Carcer gebracht. Und dann Avianus, ihn hatte sie verraten, damit sie frei kam. Nur deswegen hatte sie seinen Namen ausgeplaudert. Sie war wirklich das Letzte!

  • Avianus ließ den Tiro los und sah in die Richtung, welche Antias ihm deutete. "Gut gemacht", murmelte er und klopfte dem Soldaten auf die Schulter. Komplett neben der Spur beschrieb seinen aktuellen Zustand perfekt. "Nein… nein, such deinen Kameraden, und behaltet die Taberna im Auge. Ich bin sofort wieder da." Dann ließ er den Tiro wieder alleine zurück und schob sich hastig durch die Leute. Verdammt, warum konnte er nicht einfach laut nach ihr rufen? Warum musste alles so verflucht kompliziert sein? Noch mehr plagte ihn allerdings der Gedanke, weshalb sie überhaupt weggelaufen war. Was wenn sie ihn hasste, wenn sie ihn nie wieder sehen wollte… Weiter drängte er sich an den Leuten vorbei, rempelte dabei den ein oder anderen an, bis er sie erreichte. Ohne lange nachzudenken, nahm er sie am Arm und zog sie in die nächste Seitengasse. Dort löste er seinen Griff und blickte sie einen Augenblick lang sprachlos an.
    "Sibel …", brachte er dann hervor, als er ihr verheultes Gesicht in seine Hände nahm, und ihr mit dem Daumen sanft eine Träne wegwischte. Es bestand nicht mehr der geringste Zweifel, obwohl er noch immer damit beschäftigt war, es vollends zu begreifen. Sie war tot, hatte er sich unendlich viele Male gesagt. Er hatte doch ihre Asche gesehen, wie sie sich auf dem verdreckten, feuchten Boden der Zelle verteilt hatte, hatte gehört, wie der Optio ihren Namen gerufen hatte, die vermeintlich Tote beschimpft hatte, wieder und wieder. Trotzdem war sie da, und er bildete sie sich nicht nur ein. Auch Antias und die restlichen Soldaten hatten sie gesehen, und zum ersten Mal seit langem wünschte er sich, nicht endlich aufzuwachen. Dann schlang er bereits seine Arme um ihren schmalen Körper und presste sie an sich, als könnte sie sofort wieder zwischen den Leuten verschwinden, würde er es nicht tun. Endlich konnte er seine nur mühevoll und teilweise nur dürftig aufrecht erhaltene Fassade fallen lassen. Die Erkenntnis, dass sie wirklich am Leben war, drückte ihm vor Freude die Tränen in die Augen, sodass diese leicht zu schimmern begannen. Du lebst, wollte er laut rufen. Doch ihm blieb die Stimme weg. Es tut mir leid, alles tut mir so leid, wollte er sagen. Lediglich ein weiteres leises "Sibel" verließ am Ende mit bebender Stimme seine Kehle.
    _______________________


    "Danke, wir bezahlen auch", meinte Pennus und griff bereitwillig nach dem Becher Wein, der ihm gereicht wurde und setzte sich an einen Tisch. Die anderen Milites nickten zustimmend und taten es ihm gleich.
    "Also ich find's hier gar nicht so übel …", sagte Cocles zu seinen drei Kameraden und trank einen Schluck. Wie die beiden Männer miteinander gesprochen hatten, war ihm natürlich nicht entgangen.



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    Narseh


    Narseh beobachtete die Szene mit Argwohn, vor allem, da er selbstverständlich von der letzten Razzia der Urbaner wusste und nicht so recht daran glaubte, dass die Sache damit gegessen war. Der Mann persischer Abstammung , wegen seines Aussehens von Römern zumeist skeptisch gemustert und oft gemieden, genoss es, zwischen seinen Glaubensbrüdern und -schwestern ein gleichwertiges Mitglied zu sein, und hatte nicht im geringsten vor, irgendetwas davon wieder aufzugeben. Und dass diese seltsamen Römer darauf bestanden, in einer halbfertigen Taberna zu verweilen, behagte ihm ganz und gar nicht. Beim letzten Mal hatte es doch ganz ähnlich angefangen, nach allem was er gehört hatte. Eine Truppe aufdringlicher Römer war eingeschneit und hatte sich ein wenig unterhalten wollen. Und am Ende hatten sie einen halben Keller voller Leute verschleppt, von denen die meisten nie wieder gesehen worden waren.
    "Das gefällt mir nicht", flüsterte er kaum hörbar Elias zu. "Wenn das hier wieder so eine Sache wird …"

  • Antias ging dem Optio langsam nach, sah ihn die Gasse hinauf hasten und die weinende Frau in die Seitengasse zerren. Ziemlich seltsam das alles. Aber solange den beiden keiner folgte, ging ihn das nichts an, oder? Der wird damit schon klar kommen, sagte er sich, obwohl er das Gefühl nicht los wurde, dass der Optio momentan schon genug zu tun hatte, mit sich selber klar zu kommen. Nachdenklich blieb er auf halber Strecke stehen, blickte in die Menge und entdeckte endlich Hispo, der sich durch eine Gruppe tratschender Vetteln auf ihn zu wühlte.
    „Was war das denn? Hast du gesehn' wie der Optio ...“
    „Hab ich nicht! Genau sowenig wie du. Wir kümmern uns um die Taberna.“
    Hispo sah ihn irritiert an und zuckte die Achseln.
    „Na schön. Gehen wir jetzt doch rein?“
    „Nein. Da sind immer noch vier von uns drin, das wird ja wohl reichen, wofür auch immer.“
    „Also winkt mir noch ein Becherchen?“
    „Wenn du's verantworten kannst?
    Konnte Hispo anscheinend, ohne Antwort zu geben machte er sich grinsend wieder auf den Rückweg zum Weinhändler. Antias blickte kopfschüttelnd auf seinen davon schlendernden Freund, dann auf die Seitengasse – nichts auffälliges – dann zur Taberna. Die Tür stand immer noch offen, aber niemand betrat oder verließ das Gasthaus. Nur mäßig beruhigt ging er wieder auf die Werkstatt zu, wo die Frau des Schmieds ihr anfängliches Lächeln wieder durch eine Mine des Misstrauens ersetzt hatte.
    „Eine Gemma also Herr?“
    „Ja, oder ein ziselierter Anhänger .. kommt drauf an, wie lange so was dauert. Ich bin nur zwei Tage in der Stadt und habe noch immer kein Nachtlager.“ Wieder sah er sich nach der Taberna um, alles ruhig. “Ob man in der Taberna dort drüben wohl für eine Nacht unterkommen könnte? Mein .. äh .. Geschäftspartner schien von dem Laden ja nicht gerade angetan.“ Die dunkle Frau folgte seinem Blick über die Gasse.
    „Glaube nicht, dass schon wieder geöffnet, Herr.“
    „Verstehe. Aber die Tür steht offen und vorhin sind auch ein paar Männer reingegangen.“
    „Männer kommen, Männer gehen .. meistens wenn Abend, wenn ..“
    „Hanan!“ Antias schrak herum. Im schmalen Durchgang zur Werkstatt stand plötzlich eine massiger Bulle, verschwitzt und schmutzig mit glühenden dunklen Augen. Die Frau ließ die Schmuckstücke in die Truhe fallen und ging eilig nach hinten.
    „Drei oder vier Tage für gravierte Gemma!“ Antias brauchte einen Moment, um sich vom Schreck zu erholen. „So lange? Ich bin nur zwei Tage ..“
    Der Schmied funkelte ihn feindselig an. Der Vorstoß mit der Taberna war wohl doch zu plump gewesen. Trotzdem war ihm nicht ganz klar, warum der bullige Kerl derart allergisch auf ihn reagierte.
    „Ich habe noch andere Arbeiten! Werkzeuge, Hufeisen, Schildbeschläge, und .. ja, auch Waffen ..“
    Worauf wollte der Bursche eigentlich hinaus? „.. Spitzen für Pila und Hastae, Pugiones und auch Gladii wie du einen unter Mantel hast. Mit offiziell Auftrag, das wollten du doch wissen, Urbaner, oder?“

  • Zunächst versuchte er, das Gesagte zu ignorieren. Woher sollte der Schmied auch wissen, wer er war und was er unter seinem Mantel trug, vermutlich hatte der in seinem Grimm nur ins Blaue hinein phantasiert und dabei einen Zufallstreffer gelandet. Schweigend musterte Antias die blitzenden dunklen Augen und die tiefe Zornesfalte dazwischen. Doch, der wusste genau, wovon er redete. Entweder verfügte der Bursche über die berufsbedingte Fähigkeit, eine Schwertklinge noch durch den dicksten Mantel zu riechen oder er hatte einfach nur eine Nase für auffällig unauffällige Urbaner in Zivil. Was es auch sein mochte, Aufsehen zu erregen war das letzte, was Antias zulassen durfte. Nach einem kurzen Blick zur Taberna bemühte er sich daher um einen möglichst besänftigenden Tonfall: „Na gut Schmied, du hast recht .. tatsächlich überprüfe ich die Lizenzen für die Waffenherstellung. Es hat in jüngster Zeit immer wieder Verstöße ...“
    „Dann kannst du fragen!“ belferte der Schmied empört. „Warum erzählen Frau Dinge von Gemma und Gazalah?“ Offensichtlich hatte er sich da in etwas hineingesteigert. „Kontrolle alle zwei Tage! Vigiles kontrollieren Feuer in Esse, Urbaner kontrollieren Dokumente, Praetorianer kontrollieren alles! Sind wir Menschen! Keine Verbrecher!“ So langsam drohte die Angelegenheit aus dem Ruder zu laufen. Antias riskierte einen weiteren Blick durch die Gasse. Hispo streckte bereits den Hals und auch einige Passanten waren auf den wütenden Monolog des Gerrarius aufmerksam geworden. Der indes schien gerade erst warm geworden zu sein.
    „Vor zwei Monaten Diebe stehlen Kupferblech und zwei Spindeln Golddraht aus Werkstatt! Interessiert das Vigiles? Nein! Interessiert das Urbaner? Nein! Euch nur interessiert Kontrolle! Nichts zu essen? Egal! Wichtig nur Dokumente!“ Antias hatte allmählich die Nase voll von dem Gezeter, er wollte sich doch verdammt nochmal nur nach einem passenden Schmuckstück für Apolonia erkundigen und hatte sich hier ansonsten völlig friedlich in Position gebracht. „Na, dann zeig sie mir doch endlich, deine Dokumente!“ blaffte er zurück. „Bringen wir's hinter uns!“ Der Schmid fletschte bedrohlich die Zähne, besann sich dann aber und rief seiner Frau über die Schulter ein paar unverständliche Sätze zu. Statt der Frau erschien aber schließlich ein breiter rußgeschwärzter Geselle im Durchgang und reichte seinem Meister knurrend einen Stapel Tabulae, den dieser sofort Antias vor die Nase hielt. „Kannst du lesen. Auftrag, Lizenz. Alles da!“ Ja, alles da! stellte Antias genervt fest, während er die Tabulae überflog. Es war alles vollständig, es war alles korrekt und es interessierte ihn alles einen feuchten Scheißdreck! Gezwungen höflich gab er dem Schmied die Tafeln zurück. „Danke. Alles in Ordnung.“
    „Und die Gemma?“
    „Vielleicht nächstes mal.“ Das war's dann also an der Schmiede, er musste seinen Beobachtungsposten verlagern, nur wohin? Am besten zum Stand des Weinhändlers, Hispo hatte seinen Schlund mittlerweile sicher mehr als ausreichend geflutet.

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