Diese Frau vertraute ihm wirklich, sie fing an zu erzählen, plauderte fast schon mit ihm… und der Iunius würde dafür sorgen, dass sie und alle ihre Christianer-Freunde im Carcer landeten. Sie glaubte daran, dass er ihr helfen wollte. Stattdessen würde er ihr Weltbild zerstören und ihr Leben gleich mit. Doch er ermahnte sich, sich vom äußeren Schein nicht trügen zu lassen. Sie mochte als hilflose und naive junge Frau vor ihm sitzen, doch sie gehörte immer noch zu jenen Leuten, die alle Götter verachteten, an die er glaubte, römische Sitten und Bräuche ablehnten, bei Versammlungen in Kellern angeblich unvorstellbares anstellten und seit Jahrzehnten unaufhörlich Zwietracht im Volk säten.
Aus freien Stücken schlossen sich die Leute ihnen also an. Natürlich, weil sie durch leere Versprechungen angelockt, manipuliert und dazu gebracht wurden, den Lehren der Sekte Glauben zu schenken. Genau so, wie er es jetzt mit ihr tat. Sie erzählte ihm alles vollkommen freiwillig. Bei so viel Leichtgläubigkeit war es kein Wunder, dass sie Christainerin war.
"Gut... ich verstehe. Wir haben Zeit, vielleicht kann sie uns später noch ein paar Fragen beantworten...", meinte Avianus zum Zustand der Wirtin und ließ sich noch einmal den Rest des Gesagten durch den Kopf gehen.
"Kannst du mir noch von diesen Versammlungen erzählen?", fragte er dann weiter und ließ ihr absichtlich eine Wahl. Schließlich hatte er sie genau da, wo er sie haben wollte. Und wenn er Glück hatte, würde seine kleine Vorstellung als nette Urbanertruppe dazu führen, dass auch der Rest der Sekte sich wieder etwas beruhigte. Und je ahnungsloser die Christianer waren, desto besser waren ihre Chancen, wenn sie versuchen würden, dem wuchernden Geschwür von einem Christianernest ein Ende zu machen.
"Dann darfst du von mir aus gehen, und dein Freund hier ...", er deutete mit einer flüchtigen Geste zu dem Perser hinüber, "... kann dich begleiten."
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Narseh
Kein Stück traute er dem Kerl. Er lullte Sarah vollkommen ein, sie ahnte es nicht einmal und er musste hilflos zusehen, denn der Soldat, der neben ihm stand, ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, fast so, wie er den Optio unverwandt anstarrte. Und jeden Satz, den er aussprach, sezierte er, um einen Beweis für seine Theorie herauszulesen, nämlich, dass diese Männer ihnen nichts Gutes wollten. Er würde sie gehen lassen, hieß es dann plötzlich und Narseh machte ein noch skeptischeres Gesicht als zuvor.
"Was?", rutschte es ihm ungläubig heraus. Der Soldat neben ihm musterte ihn aus schmalen Augen, was Narseh wieder schweigen ließ. Er ließ sie einfach gehen? Seit wann ließen einen die Urbaner einfach gehen? Der Kerl führte was im Schilde, es konnte gar nicht anders sein.
"Du hast richtig gehört", bekam er jedenfalls als Antwort.
Der Perser warf Sarah warnende Blicke zu, selbst wenn er nicht daran glaubte, dass sie ihnen Beachtung schenken würde.