• Schon kurz nach meiner Ankunft, ich war noch nicht ganz bei der Truppe angekommen, aber von den Offizieren auf Grund meiner Mission mit der Ala bereits gut integriert, fand ein Markttag auf dem Forum des Lagers statt. Schon früh am Morgen waren die ersten Händler eingetroffen und bauten ihre Stände auf. Der Lagerpräfekt hatte uns am Morgen klare Anweisungen gegeben, welche Gegenstände wir auf jeden Fall kaufen sollten und was wir nicht brauchten.


    So streifte auch ich durch eine der vielen entstandenen Strassen aus Ständen, meinen Blick fest auf die dargebotenen Waren gerichtet, als ich gegen etwas stiess. Ein Blick nach unten zeigte einen kleinen Jungen, scheinbar mit seinem etwas älteren Bruder. Der Kleine war mir in die Beine gelaufen während der Ältere dich bereits entschuldigte.


    Ganz väterlich beugte ich mich nach unten um dem umgefallenen Kleinen zu helfen.


    Bei den Göttern, hast du dich verletzt kleiner Mann? Warte, lass mich dir helfen.


    Ich hob ihn hoch und stellte ihn wieder auf die Beine, gleich neben seinen Begleiter.


    Na, was macht ihr denn ganz alleine auf dem Markt? Seid ihr eurem Vater abgehauen?

  • Ingwin war noch ein wenig erschrocken, jedoch nicht so sehr wie sein kleiner Bruder, der nun entsetzt den Mann anstierte, der ihn ansprach und wieder auf die Beine hob. Ohne Gegenwehr ließ Werlin es geschehen, nur um sich dann wieder hinter seinem Bruder zu verstecken. Ingwin jedoch hatte sich schnell wieder gefangen und musterte den Mann, der nun fragte, ob sie ihrem Vater abgehauen waren.
    “Ist das ein echter Legionär?“, wollte Werlin etwas scheu wissen. Doch Ingwin selbst interessierte die Frage nicht sonderlich. “Wir wollen etwas zum Essen kaufen!“, stellte er fest. “Mein Vater hat seinen Stand dort drüben!“ Er deutete hin zu Wulf, der gerade mit einem Römer ins Gespräch gekommen war. “Mein Vater ist Schmied und macht viel bessere Eisenwaren als eure Schmiede!“ Ohne es zu bemerken hatte er sich ein wenig in die Brust geworfen. “Er hat Pfeil- und Tretspitzen dabei. Die solltest du ihm unbedingt abkaufen!“ Der junge Germane nickte entschlossen.

  • Ach, sollte ich das? war meine erste Reaktion und als ich bemerkte, wie der Junge schon fast trotzig reagierte, schob ich schnell, aber nicht hastig nach Dann werde ich wohl diese Dinge begutachten. Wie gut, dass ich hier als Offizier auch etwas zu sagen habe.


    Dann kniete ich mich hin, damit ich nicht so von oben herab zum kleinen Kerl sprechen würde, der sich hinter seinem grösseren Bruder versteckte.


    Nein, kein Legionär, ein Offizier, aber dafür ein echter, ja.


    Dann wieder zu beiden: Da drüben am Stand werdet ihr sicherlich etwas zum Essen und trinken finden. Ich schaue mir derweil die Waren eures Vaters an.


    Während ich dies sagte erhob ich mich wieder.

  • Ingwins Stimme hatte in der Tat ein wenig trotzig geklungen, doch hatte er bereits gelernt, dass ein Germane niemals vor einem Römer zurück wich. Zwar war sein Vater jemand, der sich versuchte mit den Umständen in seiner Heimat zu arrangieren, doch gab es in ihrem Dorf auch andere, die die Römer nicht sonderlich gerne sahen. Als der Römer nun meinte, die Gegenstände, die der Schmied im Angebot hatte anschauen zu wollen, nickte Ingwin entschlossen. Dass der Mann ein Offizier war hätte er nicht vermutet, doch es beeindruckte ihn auch nicht sonderlich. Ganz im Gegensatz zu Werlin, dessen Augen sich nun weiteten. Der Jüngere schaute dem Römer erstaunt entgegen, als sich dieser nun vor ihn kniete. Werlin nickte hastig und griff nach Ingwins Hand, als würde er nun einen Halt suchen. “Ein richtig großer Offizier?“, wollte er dann wissen. Dann erschien ein neugieriges Lächeln auf seinen Lippen.


    Beide Jungen blickten dann zu dem Stand, zu dem der Römer deutete. In der Tat gab es dort soetwas wie eine Garküche, an der schon einige Leute anstanden, um von den Köstlichkeiten etwas zu kaufen. Doch Ingwin war nun nicht mehr nach essen. Viel lieber würde er dabei sein wollen, wenn der Mann zu seinem Vater ging, um die Waren zu begutachten. Auch Werlin machte nun nicht mehr den Eindruck, als wäre er versessen auf etwas zum Essen, denn er schien beschlosssen zu haben, dass das Ganze noch etwas Zeit hatte. “Was macht denn ein Offizier den ganzen Tag?“, wollte er wissen und im Gegensatz zu seiner vorherigen Scheu, sah er den Römer auch weiterhin offen an. Die Hand seines Bruder hielt er jedoch noch immer fest ergriffen. “Wir kommen mit!“, sagte Ingwin dann kurzentschlossen. “So viel Hunger haben wir gar nicht!“. Auch er sah den Mann an, jedoch noch immer unter einer Mischung aus Skepsis und Erwartung. “Mein Vater heißt Wulf und wir haben uns schon früh auf den Weg gemacht, um hierher zu kommen!“, ließ er dann noch folgen. Dann setzte er sich in Bewegung, um mit Werlin an der Hand neben dem Römer her zu gehen. Nicht dass der Offizier noch vom Wege abkam.

  • Der Ältere der beiden imponierte mir immer mehr. Seine Art war zwar etwas forsch und sicherlich konnte er manchmal auch beleidigend wirken, aber eine derart starke Persönlichkeit schon in seinem jungen Alter war wirklich bemerkenswert.


    Während wir nun in Richtung des Standes ihres Vaters gingen, antwortete ich auf die beiden Fragen des Kleinen: Nein, kein grosser Offizier, eher ein ganz junger, kleiner. Aber trotzdem ein richtiger Offizier. Und ich plane und überwache täglich das Training und die Arbeit der Legionäre und stelle sicher, dass sie die Regeln einhalten und die zivile Bevölkerung in Ruhe lassen.

  • Ingwin blickte während sie gingen zu dem Mann, der sich ihnen als Offizier vorgestellt hatte hinauf. Auch Werlin starrte hin geradezu unablässig an, bis er beinahe gestolpert wäre, hätte sein Bruder ihn nicht an der Hand gehalten. Dennoch hörten beide aufmerksam zu, während ein Seitenblick verriet, dass Wulf ihnen schon entgegen schaute. “Wie kann man denn Anführer sein, wenn man noch jung ist?“, wollte Ingwin wissen und wieder hatte sich etwas Skepsis in seinen Unterton geschlichten, auch wenn er gestehen musste, dass er nun doch ein wenig beeindruckt war. Er hatte schon gehört, dass die Römer viele Regeln hatten, die zu befolgen waren. “Was ist denn das...zivil?“, wollte Werlin unterdessen wissen, der offenbar den Offizier nun recht intressant fand. “Wenn ich groß bin, werde ich auch mal Anführer!“, stellte Ingwin für sich fest und man konnte ihm deutlich ansehen, dass er seine Worte sehr ernst meinte. “Die alte Seherin hat das auch gesagt!“ Bis zu Wulf waren es nur noch wenige Schritte. Noch hatte sich kein Interessent an seinem Stand eingefunden, doch waren sie auch gerade erst angekommen.

  • Die Jungs waren scheinbar von mir fasziniert, denn es kamen immer wieder andere Fragen. Ich beschloss, zuerst die des Kleinen zu beantworten.


    Zivil, das sind Leute wie zum Beispiel ihr, also alle Leute, die nicht zum Militär gehören. Diese nennen wir Zivilisten im Gegensatz zu den Militärs.


    Dann fragte ich an den Grösseren gewandt, ob ich so kurz vor dem Zusammenstoss mit seinem Bruder auch den Namen richtig verstanden hätte.


    Du bist Ingwin, oder nicht? So hat dich doch der Kleine gerufen, bevor wir zusammengestossen sind. Du wirst ganz bestimmt einmal ein grosser Anführer werden. Diese braucht jedes Volk und wenn die Seherin das sagt, dann wird sie schon wissen, was sie sagt. Und natürlich kann man auch schon jung ein Anführer sein, wenn die anderen Männer einen respektieren und die Befehle akzeptieren. Tun sie dies nicht, so ist auch schwierig ein Anführer zu sein, wenn man älter ist.


    Nun waren wir beim Stand der Vaters, Wulf, angekommen.


    Salve Wulf, ich bin Lucius Annaeus Florus Minor, Tribunus Laticlavius der Legio II. Deine Söhne hier sagten mir, dass du interessante Waren für mich hast?

  • Werlin schien mit der Antwort einigermaßen zufrieden zu sein, denn er nickte eifrig. “Ach so!“, gab er von sich, während Ingwins Miene noch immer ein wenig Skepsis zeigte. “In meinem Volk kann jeder Mann ein Krieger sein!“, stellte er fest. Dass gerade in seinem Volk die tapfersten und besten Männer lebten war etwas, was er tief verinnerlicht hatte und auch nicht so schnell aufgeben wollte. “Ja, ich bin Ingwin,“ sagte er. “Und das ist mein Bruder Werlin!“. Wieder nickte Werlin fest. Was der Offizier nun sagte gefiel Ingwin ungemein, denn schließlich wiedersprach dieser weder seinem eigenen Empfinden noch der Seherin. Auch als junger Mann konnte man führen, selbst wenn sein Vater meinte, dass dazu eine gewisse Lebenserfahrung gehörte. Doch man musste stark sein und genau das hatte sich Ingwin sich schon immer vorgenommen. Vielleicht würde er sogar eines Tages gegen die Römer kämpfen, von denen so mancher sagte, sie wären in ihr Land eingefallen, um ihnen allen die Freiheit und die Vergangenheit zu nehmen.


    Wären sie nicht bereits am Stand angekommen, so hätte Ingwin mit Sicherheit auch diesen Gedanken geäußert, doch nun war es an Wulf, den Römer zu begrüßen. “„Sei gegrüßt, Tribun!“, erklärte der Schmied, doch zeigten seine Gesichtszüge im ersten Moment die gleiche Skepsis wie die seines Sohnes. Dann allerdings begann er zu lächeln. “Die Torwache sagte mir, dass es vielleicht keine schlechte Idee war, meine Waren hier verkaufen zu wollen,“ erklärte er weiter, während er auf seine Auslage deutete. Mit zwei Schritten war er auch um den Stand herum getreten und förderte einen dort verwahrten Sack zutage, den er nun öffnete, damit der Tribun hineinschauen konnte. “Tretspitzen!“, erklärte er. “Auch Pfeilspitzen habe ich im Angebot. Man sagte, dass ein hier Verantwortlicher vielleicht großes Interesse an dieser Ware haben könnte.“ Auch Ingwin trat nun an den Stand heran, nachdem er die Hand seines Bruders losgelassen hatte und schaute Florus fest entgegen. Werlin unterdessen nutzte die Gelgenheit, zaghaft am Zipfel von Florus Tunika zu zupfen, um eine neuerliche Frage zu stellen. “Was ist ein Lati...clvinus?“, wollte er wissen und schaute den Römer dabei wieder mit großen Augen an. Wulf schnalzte mit der Zunge, jedoch ließ er seinen Jüngsten gewähren. “Sie waren noch nie in einem römischen Lager,“ erklärte er stattdessen. “Sie sind noch sehr jung!“

  • Nun kam ich doch langsam etwas in Bedrängnis, sollte ich doch gleichzeitig die Waren von Wulf dem Schmied begutachten und wollte ich doch trotzdem die Fragen des kleinen Werlin nicht vernachlässigen. Und dann war da noch Ingwin, dessen trötzeliges Verhalten mir irgendwie gefiel. Doch den musste ich jetzt erst einmal sein lassen.


    Verzeiht mir, Schmied, ich möchte zuerst noch die Frage des Kleinen beantworten. wandte ich mich daher an den Vater und dann zu Werlin gewandt: Ein Laticlavius ist ein mittlerer Offizier. Er hat zwar schon viel zu sagen, aber es gibt eben noch höhere über ihm. Und jetzt, junger Mann, muss ich mit deinem Vater über diese Dinge hier sprechen, in Ordnung?


    Das war zwar als Frage formuliert, aber typisch römisch nicht so gemeint und schon gar nicht so betont. Daher drehte ich mich nun wieder zum Schmied.


    Also Schmied, du hast hier Tretspitzen? Lass mich einmal sehen. Ich streckte die Hand aus und bedeutete ihm, mir eine zu zeigen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!