Insula Angularis | habitatio Aeliana

  • Auf einmal schien sie Schwierigkeiten haben ruhig zu atmen. Auch wenn es ihr immer noch gelang, aber sie musste sich bemühen. Caius kam ihr näher, noch näher, so nahe, dass sich ihre Körper berührten. Jetzt keimte in ihr doch der Wunsch, zur Seite wegzuweichen, aber sie wagte es nicht, sich zu rühren, und ein winziger Teil von ihr wollte auch nicht weg, sondern eher, dass er noch näher kam. Und so stand sie einfach nur da, während ihr Mund sich nun leicht öffnete, als sie sein Raunen hörte. Vielleicht… Vielleicht? Was denn nun vielleicht? Vielleicht sollte sie Angst haben? Sie zuckte ganz leicht zusammen, als Caius dann auch noch über ihre Seite strich, aber sie brachte kein Wort über die Lippen. Inzwischen war sie überzeugt davon, dass er keinen Spaß machte. Was sie davon halten sollte, wusste sie aber auch nicht. Ihre Hand krampfte sich um den Wasserbecher, während sie fieberhaft überlegte, was sie sagen oder tun könnte, und sie sah zu ihm hinauf, in sein Gesicht, seine Augen, die so seltsam funkelten, in denen es zu blitzen schien.


    Genauer gesagt, in denen der Schalk blitzte. Caius griff an ihr vorbei und nach der Keksdose, und Seiana begriff, wie gnadenlos sie ihm auf den Leim gegangen war. Mit offenem Mund und großen Augen starrte sie ihn erst mal nur an. Dann: „Arglos? Du und arglos?!? Ein ganz mieser Schuft, das bist du!“ Sie schüttete den Inhalt des Bechers in seine Richtung, aber da der schon leer war, konnten ihn nicht mehr als höchstens ein paar Tropfen treffen. Während ein Teil von ihr begann, so etwas wie Erleichterung zu spüren, und der andere so etwas wie Enttäuschung, musste sie gleichzeitig anfangen zu lachen. „Das war so unfair!“

  • Gerade knusperte er seinen Keks (den vierten an diesem Tag), als ihn einige Wassertropfen trafen. Caius machte eine abwehrende Bewegung mit den Händen, was dazu führte, dass die in der Dose befindlichen Kekse klapperten, und grinste Seiana frech an.
    »Wie, ich? Hm. Das hat so was Dunkles an sich. Sag Schuft zu mir...« Caius blinzelte verträumt und grinste noch breiter.
    »Wieso denn das? Du weißt doch, dass ich dich niemals auf die dunkle Seite der Macht ziehen würde, Hasi«, erwiderte er dann leicht spöttisch und stellte die Dose samt Deckel auf den Tisch. Dann schnappte er sich zwei Kekse und den Papyrus und wedelte kurz damit.
    »Ich geh nur mal schnell flüchten. Äääähm. Den wegbringen, ehe du es dir anders überlegst. Warte nicht auf mich mit den Keksen. ...du wolltest doch neue backen, oder?« Er streckte Seiana die Zunge heraus und war dann schneller aus der Tür, als sie die leere Keksdose erblicken UND ihn zurechtweisen konnte. Sein Selbsterhaltungstrieb funktionierte demnach tadellos wie eh und je. 8)

  • Er tat es schon wieder. Sag Schuft zu mir… Seiana starrte ihn fassungslos an. „Die dunkle Seite? Was… Du…“ Sie war sprachlos, wusste nicht, was sie antworten sollte, und verfluchte die Tatsache, dass sie so gar keine Erfahrung hatte. Oh ja, sie musste dringendmit Elena reden und sich ein paar Tipps holen von ihr. Dringend. Caius machte sich nur lustig über sie, das zeigte sich auch anschließend. Flüchten, pah! Wenn ihr nur etwas Passendes darauf eingefallen wäre! Leider fiel ihr nichts ein, was sie darauf hätte erwidern können, jedenfalls nicht auf die Schnelle. Sie starrte Caius nur weiter an und stammelte. „Kekse? Was meinst… Wie, was, backen?!?“ Im nächsten Augenblick war ihr zauberhafter Verlobter schon verschwunden. Und Seiana stand da, nahm die leere Keksdose in die Hand und wusste nicht, was sie sagen sollte. Empörung mischte sich mit Erheiterung, und diese Mischung war ihrer Stimme auch anzuhören, als sie reichlich verspätet – so sehr, dass er es vermutlich gar nicht mehr hörte, aber hier ging es ums Prinzip – hinter ihm herrief: „Und nenn mich nicht Hasi!“


  • An
    Caius Aelius Archias
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Provincia Alexandria et Aegyptus


    Lieber Archias!


    Ich frage mich, wie lange es schon her ist, dass wir nichts mehr voneinander gehoert haben. 3 oder 4 Jahre? Ich weiss es auch nicht mehr. Ich weiss sogar nicht mehr, ob du dich noch an mich erinnern kannst, Piso, den seltsamen Flavier. Der, mit dem du immer in unserer gemeinsamen Zeit in Ravenna zusammengehaengt bist. Wir waren als Kinder die besten Freunde, doch dann sind wir unterschiedliche Wege gegangen.
    Ich hoffe, du hast mich nicht vergessen, denn ich persoenlich habe das nicht. Wie koennte ich auch, bei all jenen Abenteuern, die wir erlebt haben. Erinnerst du dich, als wir mit 7 Jahren den Weinkeller meines Vaters pluenderten? Wir wir damals die Wette abgeschlossen haben, dass jener, der innerhalb eines Monats die meisten Maedchen abschleppen kann, vom anderen haben kann, was er will? Du hast gewonnen, aber ich bin mit dem Abschied meiner persischen Muenze noch halbwegs guenstig davongekommen.
    Ehrlich, ich war komplett ueberrascht, als ich erfahren habe, wo du jetzt wohnst. Aegypten! Das war ja jener Platz, in dem so viele von den Abenteuern, die wir gemeinsam ersponnen haben, stattfanden, der Inbegriff des Exotischen. Es ist schoen zu erfahren, dass du jetzt dort wohnst. Vor 4 Jahren bin ich auch dort gewesen, ein wunderschoenes Land.
    Du bist vielleicht erstaunt, dass ich nicht von Ravenna aus schreibe, oder von irgendeinem anderem Ort auf der Welt, sondern von Rom aus. Hier wohne ich jetzt, ich wollte nicht mehr meine Zeit in Ravenna in Gesellschaft meines - wie du weisst, sehr eigenen - Vaters totschlagen.
    Ich habe auch gehoert, du bist jetzt Praefectus Vehiculorum. Es muss ein sehr aufregender und verantwortlicher Posten sein! Leider habe ich noch nichts in der Richtung erreicht, aber auch will bald eine Karriere anstreben.
    Es wuerde mich freuen, wenn du wieder nach Rom zurueckkommen wirst. Ich habe so gewisse Geruechte gehoert, dass du das bald machen wirst. Es wuerde mich unheimlich freuen, wenn du das machen wuerdest, und wir uns treffen koennten, um auf die guten alten Zeiten anzustossen.


    Alles Gute,
    dein Freund
    Aulus Flavius Piso

  • »Scheiße, nee!« entfuhr es Caius, als er den Namen des Absenders las. Katander hatte ihm einen Brief gebracht, und jetzt hockte er an seinem Schreibtisch und riss das Siegel auf. Lieber Archias, stand da. Tzah! Das war mal wieder typisch für den alten Patrizierschnösel! Trotzdem strahlten die aelischen Augen begeistert auf, während sie von Wort zu Wort hüpften. Caius sog die Neuigkeiten auf wie ein Schwamm.


    Soso, da hatte es den alten Haudegen also nach Rom verschlagen. Die Damen mussten jetzt also einmal mehr auf ihre Tunikasäume aufpassen, während die in Ravenna endlich mal Ruhe hatten. Caius grinste verwegen. Er freute sich tierisch, von dem schon verloren geglaubten Freund etwas zu hören. Das mit den Gerüchten verwunderte ihn zwar ein bisschen, aber wer wusste schon, was Quarto bei Valerian erreicht hatte? Wenn doch nur ein Brief käme, der diese Gerüchte auch endlich zu ihm selbst tragen würde. In der Acta stand sowas ja nicht drin. Caius seufzte tief und holte sich dann einen frischen Papyrus, sowie seinen mürben Schwanenkiel hervor. Dann begann er zu schreiben...

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    Caius Aelius Archias
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Provincia Alexandria et Aegyptus


    Ha! Ha! Ha! Hacke, Hacke, dreimal verdammte Hacke! Archias! Ha! Ha ! Ha!


    Unglaublich, dass du dich noch an unseren gemeinsamen Gruss erinnerst! Du hast halt immer schon ein gutes Gedächtnis gehabt! Ja, ich existiere gerade mal noch so eben, und es geht mir saugut, vor allem jetzt, wo ich weiss, dass du mich nicht vergessen hast. Und ich habe dir Briefe nach Raetien gekritzelt, Unmengen davon. Sicherlich mehr als 2. Oder doch nur 2. Oder warte, den einen habe ich gar nicht fortgeschickt. Den anderen aber ganz sicher. Glaube ich mal.
    Sesselpupsender Senator waere genau das richtige fuer mich. Erinnerst du dich an unsere Furzwettbewerbe? Ich habe da des öfteren gewonnen (Fürze haben einen sublimen ästhetischen Wert, welchen Kleingeister gar nicht erfassen können). Und he, die Münze ist nicht wertlos, die war uralt und das Prachtstück meiner Münzsammlung. Aber gut zu hören, dass du sie noch hast.
    Na, gut, dass du meinen Vater noch in Erinnerung hast. Der Grund wieso ich in Rom bin, ist schnell erklärt. Er hat mich eines Tages – wieder mal – wegen irgendetwas angemotzt. Doch ich habe dann Konter gegeben. Und am Ende ist dann ein richtig feines Brüllduett herausgekommen, was mich veranlasst hat, mein Säckchen zu schnüren. Und ab in die ewige Stadt! Alles lass ich mir nicht bieten.
    Klar habe ich den guten Kerl noch. Stinken tut er noch immer, aber er hält mich aus (was eigentlich das einzige wichtige Kriterium ist). Ich habe gar keine Armada von Sklaven, sondern nur genau zwei, so wie du – ich habe mir gerade erst eine Sklavin in Rom gekauft. Semiramis, aus Syrien – ich sage dir, das ist ein Schnuckel! Da fallen dir die Augen raus, wenn du die mal siehst! Leider ist sie ein bisschen böse hie und da, aber das macht mir nichts aus, sie wird dadurch noch interessanter – auf eine gute Art und Weise, versteh mich nicht falsch.
    Also, jetzt mal langsam. Als ich das Wort „Verlobte“ gelesen habe, habe ich gerade Wasser getrunken und mich dran verschluckt. Nach einigem Husten habe ich dann realisieren muessen, dass du heiraten willst. Verflucht, du willst GEBUNDEN sein? Das ist ja noch schrecklicher als die Versklavung! Na ja, nicht ganz, aber du verstehst doch, was ich meine? Immerhin hast du die Junggesellenabschiedsfeier nicht vergessen... und hoffentlich kannst du dich noch an die VERBOTENEN VIER erinnern, die derjenige von uns machen muss, der als erster heiratet. Tut mir Leid, Kumpel, ich muss drauf bestehen, Abmachung ist Abmachung. Ich haette es auch gemacht. Aber leider ist momentan ein bisschen tote Hose (im wahrsten Sinne des Wortes). Die Weiber in Ravenna werden von Jahr zu Jahr hässlicher. Mal schauen, was sich jetzt in Rom ergibt. Vielleicht kann ich mir dort eine herzeigbare Trulla angeln.
    Was du über den Job sagst, klingt interessant! Wie du mich kennst, habe ich noch nichts in Rom gemacht. Auf der faulen Haut zu liegen und von den Ertraegen meiner Laendereien zu leben. Ja, du hast richtig gehöert, Ländereien – endlich hat mein Vater sich dazu breitschlagen lassen, welche mir zu geben! Kannst du dir vorstellen, was es für ein Gefühl ist, über dein eigenes Land zu reiten? Ich kann es dir ja mal zeigen, wenn du wieder in Italia bist.
    Aber zurück zum Thema Verlobte. Wie ist sie so? Ich nehme mal stark an, dass sie eine flotte Biene sein dürfte. Genügsam wird sie wohl sein, wie könnte man dich sonst aushalten? Kleiner Scherz am Rande! Jetzt mal ganz im Ernst, sie muss ein wundervoller Mensch sein, wenn sie zu dir passt. Kann es gar nicht erwarten, sie kennen zu lernen.
    Aber eines verwundert mich; dieser Knilch hat dir einen Brief geschrieben und dir Prügel versprochen? Wenn der Kerl Probleme mit dir hat, hat er Probleme mit mir. Lass dir sowas nicht bieten! Schreibe dem mal eine gepfefferte Antwort zurueck. Drohen ist nicht verboten. Aber beleidigen auch nicht. Wetten, dass der wohl kaum bis nach Alexandria gehen wird, um dich mal ganz locker und lässig zu verdreschen? Du musst es nicht allen Leuten Recht machen, und schon gar nicht dieser A(zensiert)geige.
    Klingt wunderschoen, was du von Aegypten sagst. Von Italia kann ich nur sagen, dass sich hier nichts geaendert hat. Ein paar Leute sind gekommen, ein paar sind gegangen. Aber im Grunde das selbe. Von den Iuniern kenne ich keinen, aber vielleicht ändert sich das ja noch. So ein Liebesgedicht ist ja ein netter Gedanke, nur, dass du daran gedacht hast, zeigt schon deine Liebe zu Seiana. Mach dir also keinen Kopf, von wem das Gedicht eigentlich stammt!
    Verdammt, die Taube! Die hat GESTUNKEN! Das war nicht lustig! Nun ja. Irgendwie doch. Es war lustig, so im nachhinein betrachtet, sogar wirklich gut. Aber meine Revanche hatte dann auch was. Ich denke kaum, dass du mein Paket mit dem Exkrement (hausgemacht vom dreckigsten Sklaven der Villa Flavia in Ravenna) drinnen vergessen hast. Das Vogelhaus gibt es noch, aber nicht mehr an der Stelle, das hat mein alter Herr umgepflanzt... umpflanzen alssen, natürlich, damit macht er sich nicht die Hände schmutzig.
    Danke für die Einladung, Archias, vielleicht komme ich euch ja einmal besuchen! Aber zunächst werde ich mal das Leben geniessen und mir vielleicht mal einen Job suchen. Ich hoffe, du heiratest bald, sodass ich dich bald hier in Rom sehen werde!
    Apropos, die Wahlen sind sehr gut ausgefallen für Gracchus, der ist jetzt frischgebackener Praetor! Auch Aristides hat gut abgeschnitten. Es geht aufwärts mit unserer Familie! Ich hoffe, abld auf mal zur Wahl zu stehen. Das fände ich prima – du wählst dann hoffentlich für mich, oder?
    Ich schliesse jetzt. Mögen die Götter die Hände über dich halten, und pass gut auf dich auf, mein Freund. Alles erdenklich Gute für dich wünscht dir


    Dein
    Aulus Flavius Piso

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    Caius Aelius Archias
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Provincia Alexandria et Aegyptus


    Na, hör mal, Archi,


    Ich meine, hast du etwas vor deiner Verlobten zu verbergen? Nun, wenn ich es mir recht überlege, vielleicht doch. Es ist ja so ein alter Wunschtraum von Männern, dass irgendwann einmal eine Frau auf dich zukommt und sagt, dass deine Fürze sie anmachen. Tja, leider ist das unrealistisch. Viel realistischer ist es, dass sie fortrennen. Also gut, keine Furzwitze mehr.
    Aber wieso liest sie deine Briefe? Wohnt ihr zusammen? Das ist ja ein starkes Stück! In Rom sehen sich ja die Brautleute bis zur Hochzeit oft gar nicht. Ist echt schön, das zu lesen. Bis auf die Möglichkeit, dass sie meine Briefe abfängt. Aber das ist jetzt eh kein Problem mehr, weil ich das Wort Furz nicht mehr erwähnen werde.
    Wieso willst du mich abbringen? Du weisst doch, das es keinen Sinn hat. Der Grund dafür ist dir viellicht bekannt - die verdammte Sturheit. Wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt habe, bin ich nicht mehr davon abzubringen. Geschrumpft bin ich leider nicht, ich hoffe, du bist das ebenfalls nicht, sonst kann man dich nur noch mehr mit der Lupe finden, hihi. Ne, jetzt echt, ich verspreche dir eines – falls ich einmal in den Senat komme, werde ich den alten Trübsalblasern dort drinnen mal Feuer unterm Hintern machen. Die werden Augen machen!
    Gut, wenden wir uns wichtigeren Themen zu, namentlich den Vieren. Ich kann ja echt verstehen, dass wir uns vielleicht als junge Kerle da ein bisschen übernommen haben... ich meine, du musst ja nicht unbedingt eine Amphhore Wein auf einen Zug hinunterkippen. Ein Krug reicht. Und mit der Rennerei werden wir schon eine Alternative finden. Mal sehen, vielleicht fällt dir da was ja ein? Und ja, das Geschrei muss sein. Aber man muss es ja nicht an den Märkten machen. Machen wir es irgendwo in den Horti Lolliani, dort ist eh niemand herum. Aber um eines wirst du nicht herumkommen! Ich will am Ende des Abends entweder die Unterwäche einer Dame oder den Helm eines Soldaten in deinem Besitz wissen. Das kann doch nicht allzu schwer sein. Mit Höflichkeit kann man so viel erreichen... und wenn das versagt, hast du ja noch eine gewisse Kaufkraft, soviele Geschäfte wie du schmeisst. Ich habe übrigens schon mal Waren von dir gesehen. Datteln, am Markt von Rom. Da habe ich sofort zugegriffen. Haben echt gut geschmeckt!
    Bei mir schaut es in Punkto Finanz leider, abgesehen von meinen Landgütern, ein bisschen bescheiden aus... stell dir vor, meine Lyra ist kaputt, und so eine dumme Sklavin hat meine Tunika ruiniert. Na ja, indirekt halt. Jetzt kann ich überhaupt nicht mehr spielen, stell dir vor! Hatte ich doch früher die Leute mit meinem Gesang immer zum Schweigen gebracht... und, nun ja, auch vertrieben (wohl weil sie ihre eigenen Unzulänglichkeiten einsahen und sich schämten!).
    Wundervoll, dass du auch Land hast! Da hast du ja schon eine Lebensgrundlage. Aber selbst wenn ich Senator werde, werde ich trotzdem nach Aegypten kommen (ich meine, Furianus hat das auch gemacht, und kein Hahn kräht danach. Und Meridius ist auch unten bei euch. Ich meine, letzterer hat einen senatorischen Auftrag, aber mein Vetter? Da weiss ich nicht wirklich. Als Senator kann man da sicher was ritzen!). Decurio und dann Ritter müsste ich eh vorher werden, und wer weiss, wie lange ich das bleibe. Keine Sorge, ich werde noch viel Zeit haben, um dich zu besuchen.
    Momentan schaut es aber ein bisschen mies aus. Hauptproblem: Ich habe kein Geld, und ich bin nicht wirklich der Anpumpertyp. Ausserdem... ich habe da jemanden kennen gelernt. Jemanden weiblichen Geschlechtes. Mehr sage ich dir jetzt nicht, habe noch keine Ahnung, wie das endet. Und ausserdem habe ich gesehen, dass die unbedingt einen Primicerius a libellis brauchen. Nun, anfragen werde ich mal, vielleicht wird ja was draus? Was aber heissen wird, dass ich dann schon einen Job habe. Nun ja, Urlaub werde ich mir sicher mal nehmen können, zuerst mal will ich ein bisschen reich werden! Habe mir schon überlegt, eine Fischerei aufzumachen, wenn ich mal Knete habe, weil jeder mag mal von Zeit zu Zeit nen toten Fisch.
    Sag mal, wie heisst den eigentlich dieser dubiose Bruder? Und ist der hier in Rom? Nur, damit ich weiss, wer das ist, damit ich ihn im Auge behalten kann.
    Was du von Seiana erzählst, klingt wundervoll. Mensch du, du bist echt beneidenswert. Bei den Mädels hast du schon immer marginal mehr Glück gehabt als ich (obwohl du im Gegensatz mir doch gar nicht künstlerisch begabt bist, ich dachte, die Frauen mögen das?). Wie dem auch sei, das klingt echt gut. Wann werdet ihr heiraten?
    Mensch, ich danke dir. Das ist echt grosszügig von dir, zumal ich als Flavier nicht wirklich als der allgemeine Liebling von Kaiser und Consul gelten kann. Aber eines... wieso schnöde? Jetzt ehrlich. Ich bin so ziemlich der letzte Mensch der Welt, der schnöde werden wird. He, bei mir ist doch immer was los! Wo ich bin, da geht es rund! Wenn auch nur, weil die Leute erbost sind.
    Das mit dem Rittertum klingt nun doch relativ nett. Ein edler Ritter ohne Furcht und Tadel, da würde ich auch nicht nein sagen. Aber Senator klingt dann doch am besten. Dann würden einige Zeitgenossen mich nicht mehr so leichtfertig anmotzen, weil ihnen meine Musik nicht gefällt, diese Banausen!
    Wie dem auch sei. Mir geht langsam die Tinte aus. Ich hoffe, in Aegypten schwitzt du dich nicht zu Tode, und hoffe, bald wieder von dir zu hören! Und nochmals, danke für die angebotene Unterstützung, echt stark von dir!
    In aufrichtiger Freundschaft


    Dein
    Aulus Flavius Piso


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    Decima Aeiana
    habitatio Aeliana in Alexandria
    AEGYPTUS



    M. Aurelius Corvinus Decimae Seianae s.d.


    Lange habe ich nichts mehr von dir gehört – ich hoffe, du befindest dich dennoch wohl.


    Ich schreibe dir heute aus einem geschäftlichen Anlass. Besitzt dein Verlobter nicht einen Architekturbetrieb? Ich hätte ihm einen Vorschlag zu unterbreiten. Mogontiacum benötigt dringend Hilfe bei der Instandsetzung und Sanierung seiner Tempel. Um wie viele Gebäude es sich insgesamt handelt und wie groß die Schäden zusammenfassend sind, kann ich allerdings nicht benennen. Als amtierender aedilis ist es mir ein Anliegen, den Blick auch über Rom hinweg zu richten, weswegen ich angeboten hatten, einen Teil oder die gesamten Kosten dieses Projektes zu tragen. Falls dein Verlobter Interesse an diesem Auftrag hat, möge er sowohl mich als auch den duumvir Mogontiacums, Numerius Duccius Marsus, davon in Kenntnis setzen. Uns liegt an einer zügigen Abwicklung.


    Die Götter mit dir.


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    - senator et pontifex -




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    ROMA, ANTE DIEM XV KAL APR DCCCLIX A.U.C. (18.3.2009/106 n.Chr.)


  • Seiana hatte sich endlich dazu durchgerungen, den lange überfälligen Brief an ihren Bruder zu schreiben, um sich anschließend an jenen für ihren Patron zu setzen, als von gerade diesem ein Brief geliefert wurde. Rasch überflog sie ihn und begann dann, zu schreiben, nur um einige Zeit später Elena mit den Briefen und einem Päckchen loszuschicken.


    Als Caius an diesem Abend nach Hause kam, war sie bereits in der Wohnung und wartete auf ihn. Grinsend kam sie ihm entgegen, als sie die Tür hörte. „Grüß dich“, sagte sie und drückte ihm kurz einen Kuss auf den Mund. Dann zog sie ihn hinter sich her in den Wohnraum. „Kekse gibt es heute keine. Aber dafür hab ich einen Brief von meinem Patron gekriegt, und er meinte, er hätte möglicherweise einen Auftrag für dich. Also, für jemanden mit einem Architekturbetrieb, und du hast doch einen. Scheint eine größere Sache zu sein, es geht jedenfalls um die Sanierung von den Tempelanlagen in Mogontiacum. Was sagst du, möchtest du das übernehmen?“

  • Mit einem Krachen fiel die Tür ins Schloss. Direkt dahinter ließ Caius seine Arbeitstasche und den Umhang auf den Boden plumpsen.
    »Bin dahaaa, wer nohooch?« krähte er fröhlich in die Runde, wie jeden Abend. Seiana erschien grinsend, knutschte ihn und führte ihn ins Wohnzimmer.
    »Hallo Sonnenschein«, erwiderte Caius noch, ehe er auf eine Liege gedrückt wurde. Sichtlich enttäuscht wurde dann der Ausdruck auf seinem Gesicht, als Seiana ihm verkündete, dass es keine Kekse gab.
    »Keine Kekse?« hakte er lieber noch einmal nach. Aus der Küche drang ein weibliches Kichern, gefolgt von Katanders sonorer Stimme. Caius seufzte und streckte sich.
    »Ähm, wie? Moment mal, nicht so schnell. Dein Patron scht einen Architekten? Äh, für Mogontiacium?! Aber er weiß schon, dass ich in Ägypten bin, oder?« Misstrauisch runzelte Caius die Stirn. Die sponnen echt, die Patrizier. Dann aber wurde er hellhörig.
    »Hast du gerade TempelanlaGEN gesagt?« 8o

  • „Nach deiner Aktion letztes Mal? Ich sag’s dir, Kekse hat’s für lange Zeit zum letzten Mal gegeben…“ Ihr verschmitztes Grinsen vereitelte den Eindruck, den ihre gespielt tadelnden Worte sonst vielleicht hätten machen können, aber das machte Seiana nichts aus.


    „Na ja. Äh. Also. Klar weiß er, dass du in Ägypten bist! Aber das lässt sich doch alles regeln, ich mein, deine anderen Sachen lieferst du doch auch sonst wohin… Und wenn nicht, reisen wir zwei einfach nach Germanien. Da wollt ich eh mal hin, und du kennst dich ja aus“, endete sie. Ihr Patron würde sich bei der Anfrage schon etwas gedacht haben. Dann ging sie zu einem Tisch hinüber und nahm den Brief zur Hand. „Also er schreibt hier: Mogontiacum benötigt dringend Hilfe bei der Instandsetzung und Sanierung seiner Tempel. Da geh ich von aus, dass mehrere Tempel damit gemeint sind. Also eigentlich alle, so wie das da steht. Meinst du nicht? Allerdings schreibt er auch, dass er nicht weiß, wie viele es sein werden und wie viel Arbeit da wartet. Kann sein, dass das ein Riesenauftrag wird, kann aber auch sein dass es nur, hm, Verschönerungsarbeiten an der Fassade sind… Wahrscheinlich ein Mittelding, denk ich. Für winzige Sachen würden sie jemanden vor Ort Fragen, und was Großes… Hm. Ich glaub nicht, dass irgendeine Stadtverwaltung so lange warten würde, bis sie ihre Tempel renovieren lässt…“ grübelte sie. „Na ja egal, das erfährst du dann sicher noch. Hast du Interesse? Wenn nicht, schreib ich ihm das, wenn ja, dann kannst du dich ja direkt bei ihm melden. Und bei einem…“, wieder ein Blick auf das Pergament, „… Numerius Duccius Marsus. Der Mann ist Duumvir von Mogontiacum. Der kann dir sicher sagen, wie viel das ungefähr wird.“

  • Caius starrte Seiana entgeistert an.
    »Dir ist klar, dass man Architekturleistungen nicht irgendwohin liefern kann?« fragte er rhetorisch.
    »Und wie, Germanien? Ich kenne mich da gar nicht aus, zumindest nicht so weit oben. Und wir können nicht einfach so nach Germanien reisen. Ich kann hier nicht einfach so weg, Seiana. Ich meine, ich müsste erst einen Nachfolger finden und so. Und Scamander müsste auch mitkommen. Außerdem...« Caius kratzte sich an der Schläfe. Scamander war ein Stararchitekt, so viel war sicher. Auch wenn er noch bei weitem nicht so bekannt war wie ein gewisser Architekt aus Rom. Es verwunderte Caius eh, dass Seianas Patrizierpatron an ihn gedacht hatte, und nicht an seinen bedeutensten Konkurrenten in Rom. Vermutlich war das Vetternwirtschaft. So musste es sein. Wenn Seiana nicht Klientin gewesen wäre, würde das Angebot nicht auf dem Tisch liegen.


    »Aber vielleicht kann ich Scamander allein hinschicken«, überlegte Caius nachdenklich.
    »Hmm. Vielleicht schreibe ich einfach mal ganz unverbindlich diesem duumvirn und frage an, wie schlimm die Schäden in etwa sind. Immerhin kostet es auch was, überhaupt erstmal hinzukommen und die ganze Sache zu begutachten. Die Passage und so, und Mogontiacum ist auch ziemlich weit im Norden. Da müsste ich erstmal sehen, ob sich das lohnt und ich nicht hinterher was drauflege, wenn ich wen da hoch schicke.«

  • „Na ja, schon, sicher war mir das klar!“ Nur hatte sie zuvor nicht so wirklich daran gedacht, dass es mit Architekturleistungen etwas schwierig sein könnte. Schwieriger als mit Obst, beispielsweise. Weswegen ihre Stimme einen leicht verlegenen Tonfall angenommen hatte. „Also, eigentlich. Mh. Ich weiß ja, dass wir nicht so einfach dahin reisen können“, seufzte sie dann. Aber man durfte ja noch ein bisschen herumspinnen, das tat Caius ja auch häufiger. „Aber es wär schön gewesen. Meinst du denn, dass du Scamander hier entbehren kannst? Ich meine… Also, wenn sie sonst nicht gerade einen guten Architekten aus Mogontiacum zur Hand hätten, dem sie das anvertrauen könnten, müssten sie ja so oder so jemanden dorthin kommen lassen. Da müssen sie dann damit rechnen, dass sie dafür ein bisschen mehr zahlen.“ Seiana selbst machte sich nicht wirklich Gedanken darüber, warum dieses Angebot bei ihnen, genauer gesagt, bei ihrem Verlobten gelandet war. Caius’ Betrieb leistete gute Arbeit, also warum sollte ihr Patron nicht ihn zuerst fragen? Sicherlich spielte es eine Rolle, dass sie Corvinus’ Klientin war, aber dafür waren diese Beziehungen ja schließlich da. Und sie war überzeugt davon, dass der Aurelier nicht angefragt hatte, ohne sich vorher über den Ruf von Caius’ Architekturbetrieb erkundigt zu haben – und dass er, wäre er unzufrieden mit dem gewesen, was er zu hören gekriegt hatte, ihr gar nicht erst geschrieben hätte. „Was drauflegen sollst du auf keinen Fall, aber ich kann mir eben nicht vorstellen, dass sie das erwarten. Und es wäre doch toll, wenn sich dann rumspricht, dass du den Auftrag für die Sanierung bekommen hast. Schreib diesen Duccier an, das ist eine gute Idee. Dann kannst du es dir ja immer noch überlegen, ob es sich lohnt.“


  • Ad Caius Aelius Archias
    Praefectus Vehiculorum
    Cursus Publicus Aegyptus
    Provincia Alexandria et Aegyptus




    Salve Praefectus,


    Es erfreut mich zu lesen, das die Frühlingsmonate überall im Reich dazu genutzt werden Inspektionen vorzunehmen, das macht uns in Rom die Arbeit leichter und schafft die Möglichkeit noch im selben Jahr die anstehenden Ausbesserungen an Gebäuden, den Austausch von Betriebsmitteln oder den Zukauf von Getier zu organisieren. Ich hoffe das du mit deiner Arbeit gut voran kommst und erwarte deinen Bericht darüber in Rom.


    Was die Ernennung des Ducciers angeht, so lege ich die Entscheidung direkt in deine Hände und komme diesem Wunsch damit nach. Auch Duccius Lando ist mir ein fleißiger Begriff. Daher ist diesem Brief die Urkunde beigefügt.


    Du wirst den Marcus Duccius Rufus hoffentlich noch vor deiner Abreise ordnungsgemäß einarbeiten, das der Versand aus Aegypten auch in Zukunft gleichwohl zuverlässig wie bisher verläuft.



    So verbleibe ich mit römischen Grüßen,



    [Blockierte Grafik: http://www.ostheim21.de/udo/Imperium/Medicus_Post_Sig.gif]



    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH


    Marcus Duccius Rufus


    MIT WIRKUNG VOM


    ANTE DIEM XI KAL APR DCCCLIX A.U.C.
    (22.3.2009/106 n.Chr.)

    ZUM


    STATIONARIUS von ALEXANDRIA





  • Ad
    Caius Aelius Archias
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Provincia Alexandria et Aegyptus


    Hey Archias,
    habe ja auch nie was anderes behauptet, als dass deine Zukünftige was anderes sein kann als das netteste Mädchen weit und breit. Kann es kaum erwarten, sie kennen zu lernen! Das einzige, was jetzt noch fehlt, ist, dass sie gut kochen kann.
    Aber wenn das alles so anständig war, wie du es mir zu verklickern versuchst, wieso ist sie dann umgezogen? Ach was, ich weiss, es ist nutzlos, solche Fragen zu stellen. Frauen sind halt komisch. Daran kannst du nichts ändern. Find dich damit ab, ihr werdet bald wieder zusammen wohnen.
    Halsabscheider? Ich habe mir echt gedacht, die Ägypter sind grundverschieden von den Römern. Aber in der Hinsicht sind die beiden Völker wohl unglaublich ähnlich, hihi.
    Aber gut, dass sie meine Briefe nicht liest! Jetzt können wir ja also wieder hemmungslos über Flatulenzen sprechen. Allerdings ist das ein eher stinkiges und seichtes Thema.
    Ganz im Gegensatz zu der Sache mit der Lyra! Ich habe jetzt eine neue Lyra gekauft. Weil... ich es mir jetzt leisten kann. Ja, da staunst du, gell? Dir schreibt, hier, in diesem Brief, der neue Primicerius a libellis. Was glaubst du, was man anstellen kann, wenn man in der kaiserlichen Kanzlei beschäftigt ist! Jetzt fragst du dich, wie ich hier einen Posten ergattert habe, obwohl der Kaiser und meine Familie sich echt nicht riechen können. Die Antwort ist simpel: Intelligenz, Können, und natürlich mein umwerfender Charme. Nun ja, und die Tatsache, dass es sonst niemanden gab, der bereit war, den lausigen Job zu übernehmen, hat auch noch ein kleines bisschen geholfen. Auf jeden Fall habe ich jetzt schon ein bisschen Übung darin, Briefe zu schreiben.
    Habe jetzt also eine viel bessere Lyra wie die Alte. Und ich gedenke sie sofort einzusetzen. Weil mein Genie jetzt endlich erkannt wurde. Hast du schon den Artikel von mir in der Acta Diurna gelesen? Dann weisst du sicher, dass ich mich jetzt mit Fug und Recht als der Jungstar der alternativen Musikszene bezeichnen darf. Ich sag dir was, ich werde mal ganz gross rauskommen, dann werde ich Millionen von Sesterzen verdienen, und muss nie wieder in einem stickigen Büro hocken! Mensch, freue ich mich schon drauf! Dann werde ich mir nicht nur 2 neue Tuniken kaufen können (habe ich kürzlich getan, man höre und staune!), sondern ganz Oberitalien, wenn ich will... Mensch, das wird ganz schön mächtig werden.
    Aber bis dahin werde ich noch weiterhackeln. Und wenn du schon von der Hochzeit redest... ich war dabei! Ganz schön eindrucksvoll. Der Aurelier, Corvinus, der muss Geld haben, das ist unglaublich. Weißt du, ich schau mich jetzt nämlich ganz vorsichtig nach potentiellen Patronen um. Der Kerl wäre vielleicht ein solcher! Meinst du, ich soll mir einen Patronen nehmen, oder ist es besser, wenn ich mich allein hocharbeite? Ich bin so unentschlossen deswegen!
    Und, Archi, ich bin nicht so doof, wie ich ausschaue! Ich weiss, denke ich, wie das funktioniert. Nun, du hast recht, Decurio muss ich ja nicht werden, ich weiss eh schon... aber was du mir da geschrieben hast von den Rittern, das hört sich gut an, ehrlich. Ich habe mich mal schlau gemacht. Die grosse Macht hat natürlich der Kaiser, dagegen kommt ein Würstchen wie ich nicht dagegen an, selbst wenn ich in den Senat katapultiert werde. Vielleicht mache ich das dann später. Aber das geld liegt bei den Rittern! Da kriegt man Jobs, da bekommt man soviel Zaster, wie man es im Leben nicht ausgeben kann! Also, ich möchte schon erstmal Ritter werden und die dicke Knete machen, bevor ich dann in den Senat komme.
    Gut, kommen wir nun zum Teil des Briefes, auf den du schon die ganze Zeit vermutlich wartest. Also, sie. Ich möchte zuerst mal sagen, dass ich entsetzt bin. Jawohl, entsetzt. Glaubst du, ich heirate Pomonia? Jedes einzelne Jahr wird die hässlicher. Warte noch 5 Jahre, und sie wird ausschauen wie eine Schildkröte. Und Furnilla, hm, die wär akzeptabler, mittlerweile ist sie ein wirklich hübsches Mädel. Aber so zickig, dass man es keine 15 Minuten mit ihr aushält. Die Sache mit den Steinen hält sie mir heute den Göttern sei Dank nicht mehr vor... aber die Schlange im Bett, die wir ihr damals hineingeschmuggelt haben, noch immer. Oh Mann, dabei war das nette Tier doch überhaupt nicht giftig! Glaube ich mal. Also, keine Umschweife mehr, du hechelst sicher schon nach einer Beschreibung! Ich habe sie an jenem Hochzeitsschiff kennen gelernt. Habe sie leider bis jetzt nicht wiedergesehen, leider! Aber ich hoffe, das wird noch. Ich sage dir, die ist so ein Schnuckel, da wird dir kalt und heiss, wenn du die anschaust. Und ein irrsinnig liebes Mädchen, und ich gklaube auch, dass sie meine Musik mögen wird (irgendetwas sagt mir das!). Also, ihr Name ist... nun, bitte setz dich erst Mal, und wenn du ein Getränk in der Hand hast, stell es beiseite! Erst dann lies weiter. Also. Ihr Name ist Decima Serrana. Die Namensähnlichkeit mit deiner Verlobten ist unglaublich, nicht wahr (sie ist ganz, ganz entfernt mit ihr verwandt!). Aber jetzt stehen wir vor einem Problem. Ich bin Patrizier. Sie ist Plebejerin. Eine üble Situation, das sage ich dir. Ihr Vater würde mich, glaube ich, gerne als Schwiegersohn sehen. Aber meine Familie? Was die sagen wird, das will ich mir erst gar nicht vorstellen. Seufz.
    Zu den Fischen möchte ich nur sagen, ich habe mich eingehend damit beschäftigt. Nach intensiven Studium glaube ich jetzt, dass Fische gar nicht in der Luft atmen können... seltsam. Wie dem auch sei, ich habe schon ein paar tüchtige Leute ausfindig gemacht, die besser mit Fischen umgehen können. Ich glaube, ich werde noch ein Spitzenfischer! Habe auch schon ein Revier entdeckt, den Lacus Volsinii, angeblich gibt es dort wundervolle Viecher im Wasser! Gemüse werde ich sicher nicht anbauen, sonst komme ich wieder in Versuchung, mit einer Gurke und einer Aubergine durch die Strassen zu rennen und damit den Leuten auf den Kopf zu hauen, wenn ich mal zu viel Wein erwischt habe. Ich glaube nicht, dass das meiner Karriere gut tun würde...
    Danke für die Tinte, sie ist echt super! Ganz andere Qualität wie das brackige Zeug, das man in Rom kriegt. Ich hätte dir jetzt gerne einen Fisch aus dem Lacus Volsinii an diesen Brief angeheftet, aber leider würde das unter Umständen zu Komplikationen führen, glaube ich (was macht ihr bei der Post eigentlich mit stinkenden Briefen, wirft ihr die ins Meer?). Also, wenn du irgendetwas aus dem Norden willst, dann schreib mir nur, und ich lass es dir zukommen, weil ich mich noch revanchieren will für die ausgezeichnete Tinte.
    Also dann, mach's gut! Hoffe, dass ich bald wieder von dir hoere!


    Dein
    Aulus Flavius Piso

  • An
    Decima Seiana
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Aegyptus



    Liebe Seiana,
    ich habe eine schlimme Nachricht aus Germanien bekommen.
    Unser Bruder Appius ist gestorben.
    Ich hasse es, der Überbringer dieser Nachricht zu sein. Und ich weiss nicht was ich sagen soll. Ich habe es schon vor einer Weile erfahren, aber ich habe es erst nicht geglaubt, nicht glauben wollen, und ich habe selbst nach Germanien geschrieben um mich zu vergewissern. Nun, es ist wahr, einer seiner Kameraden hat mir zurückgeschrieben. Es ist nicht im Kampf passiert, und es war auch kein Unfall - er schreibt, dass Appius plötzlich zusammengebrochen ist, aus heiterem Himmel, sie brachten ihn ins Valetudinarium, aber er war nicht mehr zu retten. Er schreibt, der Medicus hätte gesagt, Appius’ Herz hätte einfach nicht mehr weitergeschlagen. Ich verstehe das einfach nicht! Wie kann das sein, unser Bruder war doch kerngesund! Appius hatte mir auch von seiner Grundausbildung bei der Secunda geschrieben, und das klang natürlich anstrengend aber sonst ganz positiv.
    Ich muss da an die Sache mit seiner Freundin denken... er hat uns so zurückhaltend davon erzählt, aber es war doch deutlich, dass es ihn fuchtbar tief getroffen hatte. Vielleicht war es das, der Verlust seiner Aeala, was ihm das Herz gebrochen hat. Aber so plötzlich.
    Und Mutter, mit ihrem schwachen Herzen, und Grossmutter ja auch... Ich bin sehr, sehr traurig... und zugleich habe ich Angst, dass diese Sache irgendwie in der Familie liegt. Das Treffen am Tag meiner Rückkehr, als wir alle drei zusammen in Deinem Cubiculum sassen, erscheint mir so unwirklich. So lange nicht gesehen, wiedergefunden, und gleich wieder genommen. Wenigstens haben wir ihn nochmal gesehen.
    Sie haben seine Asche dort in der Nähe des Castells beigesetzt. Ich habe mir überlegt, ob wir sie nach Tarraco überführen sollen. Aber ich glaube, Germanien entspricht Appius viel mehr, unserem Einzelgänger und Abenteurer, er hatte doch wohl eine tiefe Bindung zu dem Land. Einen Stein müssen wir ihm aber setzen. Ein Bild von ihm mit seinem Pferd wäre doch passend, oder? Entschuldige, meine Worte sind profan, aber ich weiss nicht, was ich angemessenes sagen kann. Es ist so unsinnig und so schrecklich, aber wir können ja nichts anderes tun als weiterzumachen.


    Nach diesem Schlag erscheint mir auch die Sache mit Deiner Verlobung halb so wild. Meine Briefe war schon übertrieben, ich hatte sie sofort losgeschickt, in Zukunft schlafe ich einmal über solchen Dingen. Entschuldige bitte. Du weisst dass ich sehr hoch von Dir denke. Und wenn Du Deinen Aelier wirklich so sehr magst, werde ich ihn auch nicht verprügeln.


    Es gibt noch etwas. Etwas sehr gutes. Mit der einen Hand nehmen die Götter, mit der anderen geben sie, stimmt in unserem Fall wirklich... Livianus wird zurückerwartet. Ich weiss nichts genaues, aber er soll schon in Kürze in Rom eintreffen, und das werden wir natürlich feiern. Magst Du nicht auch, wenigstens für kurze Zeit, wenigstens zu diesem Anlass, nach Rom zurückkommen? (Du könntest ja auch Deinen Verlobten mitbringen.)
    Ich vermisse Dich, grosse Schwester, und ich würde Dich jetzt gerne in den Arm nehmen.


    Vale
    Dein Faustus

  • Es war der Tag dieser schrecklichen Nachricht, von der Caius aber noch nichts wusste. Also kam er von der Arbeit nach Hause, spazierte in die im ersten Stock gelegene Wohnung – und war irritiert. Ihm war zuerst nicht klar, was falsch war. Doch nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte, wurde es ihm klar: Es roch gar nicht nach Essen.
    »Seiana? ... ... ... ... Katanderfiraselenaaaaaa?« fragte er in die unnatürliche Stille hinein und horchte dann angestrengt. War da ein Rascheln? Ein Schniefen? Schlief die faule Bande etwa selig, statt was Anständiges auf den Tisch zu zaubern? Caius runzelte leicht verärgert die Stirn und spitzte die Lippen. Dann begab er sich auf Erkundungsmission, um festzustellen, was zum Geier eigentlich los war.

  • Seiana saß da, in ihrem Zimmer, das sie bewohnte, bei Flaminia Aviola. Sie hatte die ältere Dame im Lauf der letzten Monate in ihr Herz geschlossen, und es war nicht einfach gewesen, Lebewohl zu sagen. Ein Abschied. Um sie herum wirkte der Raum aufgeräumt, mehr noch, leer, was kein Wunder war angesichts der Tatsache, dass alles gepackt und hinaus gebracht worden war. Sie sah auf den Brief in ihrer Hand hinunter, Faustus’ Brief. So oft hatte sie ihn in den letzten Wochen gelesen. Noch ein Abschied. Dass Appius, ihr Bruder, ihr ältester Bruder, nicht mehr leben sollte, das war… unbegreiflich. Nach wie vor. Es hätte genauso gut sein können, dass er einfach… in Germanien war. Wie er es geplant hatte, wie er es erzählt hatte. Sie konnte es nicht überprüfen. Wie hätte sie das auch, es war ja nicht wie damals beim Tod ihrer Mutter, den sie hautnah miterlebt hatte, wie sie dahin gesiecht war, wie sie immer schwächer wurde, wie es immer schwieriger geworden war für sie, das Essen, das Atmen, das Leben… Und wie es selbst dann noch gedauert hatte. Zu schwach zum Leben, zu stark zum Sterben. Appius’ Tod war anders gewesen, nach dem, was Faustus geschrieben hatte. Schnell und überraschend, aber ohne dass er hatte leiden müssen. Aber wie damals beim Tod ihrer Mutter, und auch wie beim Tod ihres anderen Bruders, hatte sie mit niemandem darüber gesprochen. Oh, Caius und Elena und die anderen hatten durchaus davon erfahren – aber Seiana hatte nichts von dem nach außen gelassen, was die Nachricht in ihr ausgelöst hatte. Wie nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie nach Beschäftigung gesucht, nach Ablenkung, hatte alles mögliche getan, während sie innerlich sich Stück für Stück an die Wahrheit heran getastet hatte, Stück für Stück zugelassen hatte, dass das Geschehene sich in ihr ausbreitete, dass sie es realisierte. Ihre Finger strichen über den Brief, fuhren sacht die Buchstaben nach, die in der charakteristischen Handschrift ihres Bruders dort standen. Der Tod ihres Bruders schien immer noch seltsam irreal zu sein, dafür hatte Seiana in den letzten Wochen etwas anderes realisiert: sie musste zurück. Nein, sie wollte zurück. Sie brauchte ihre Familie, sie wollte bei Faustus sein. Wer wusste schon, wen von ihnen es als nächsten treffen würde. Das Leben war zu kurz, die Abschiede, die es einem aufzwang, zu endgültig, um allzu viele selbst gewählte Abschiede hinter sich zu bringen von den Menschen, die einem wichtig waren. Und sie hatten so viel Zeit vergeudet nach ihrem lächerlichen Streit, als er damals fortgegangen war.


    Caius hatte ihren Entschluss gefasst aufgenommen, als sie es ihm gesagt hatte. Seiana konnte nur vermuten, dass er nicht begeistert davon war, aber er verstand es wohl, und er hatte gemeint, er würde nachkommen, sobald es ihm möglich war. Sie hätte nicht gewusst, was sie hätte tun sollen, hätte Caius nicht deutlich gemacht, dass er ohnehin plante ebenfalls bald nach Rom zu gehen. Sie konnte nicht ständig hin und her reisen. Aber sie konnte auch nicht in Rom bleiben, wenn Caius hier war, in Alexandria, nicht wenn ihre Verlobung Bestand haben sollte. Aber Faustus im Grunde gar nicht mehr zu sehen, nur aus Briefen von ihm zu hören, das auszuhalten fiel ihr zunehmend schwerer. Sie war froh, dass ihr diese Entscheidung abgenommen worden war, dass der nächste Abschied, der ihr bevorstand, von vornherein als ein Abschied auf hoffentlich nicht allzu lange Zeit definiert war. Und so saß sie nun hier, nahm in diesem Augenblick innerlich Abschied von Alexandria und Ägypten. Von Caius hatte sie sich bereits verabschiedet. Sie hatte ihn darum gebeten, sie nicht zum Hafen zu begleiten, sie auch bei ihrem Aufbruch allein zu lassen, und auch dem hatte er zugestimmt. Seiana wusste nicht, wie viel er geahnt oder gemerkt hatte, aber sie selbst hatte das Gefühl gehabt, dass es für sie zu viel an Abschied werden würde, wenn Caius auch noch zum Hafen mitkam. Mit dem nach wie vor kaum verarbeiteten Tod ihres Bruders im Hintergrund und dem Verlassen Ägyptens, in dem sie in der kurzen Zeit so heimisch geworden war, hatte sie das Gefühl, sie würde Tränen oder sonst etwas in der Richtung nicht mehr zurückhalten können, wenn der Abschied von Caius auch noch am Hafen stattfinden würde, und das wollte sie nicht. Sie wollte sich vor ihm nicht so gehen lassen und schon gar nicht vor diversen anderen Menschen, die sich am Hafen tummelten, vor Reisenden und Arbeitern und Seeleuten. Nein, Abschied, genauso wie Trauer, war besser zu verkraften, wenn er häppchenweise kam.


    Elena war unten bei Katander und verabschiedete sich auch, oder besser gesagt, immer noch. Eigentlich hätte sie schon längst hier sein sollen, um sie abzuholen, damit sie aufbrechen konnten, dem Gepäck hinterher, das bereits zum Hafen gebracht worden war. Aber Seiana machte keine Anstalten, sie zu rufen. Sie wusste, wie Elena und Katander zueinander standen, und sie hatte ihr gesagt, dass sie hier bleiben sollte, aber Elena hatte sich rundheraus geweigert. Und obwohl Seiana ein schlechtes Gewissen hatte, war sie zu froh darüber, nicht gänzlich allein zu sein auf dem Weg nach Rom, dass sie nicht widersprochen hatte, sondern ihr nur zutiefst dankbar war. Lange dauerte es jedoch nicht, bis Elena schließlich doch noch kam, und ohne viele Worte zu wechseln brachen sie auf und machten sich auf den Weg in den Hafen, um sich von dort aus auf den Weg gen Rom zu machen.

  • Seit dem Absenden seines Briefes an Quarto saß Caius sozusagen auf glühenden Kohlen. Er rechnete jeden Tag mit einer Antwort, auch wenn es erst zehn Tage her war, dass er den Brief auf die Reise geschickt hatte. Rechnete man die doppelte Schiffspassage ein, war es unsinnig, dass er jetzt schon wartete. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, trotzdem nervös die tabellarii abzupassen. Spätestens nach dem dritten Tag schüttelten die schon vorsorglich den Kopf, wenn Caius um die Ecke gepest kam, um sie zu Briefsendungen für ihn zu interviewen.


    Aber Quarto war ja nicht der einzige, auf den er wartete. Er hatte auch dem Legaten geschrieben, Seiana und seinem Freund Piso, und bisher hatte er noch von keinem eine Rückmeldung erhalten. Katander war ebenfalls ein Nervenbündel. Nicht etwa, weil er selbst es kaum erwarten konnte zu erfahren, ob sie nach Italien oder Germanien reisen würden, sondern weil Caius ihn schlichtweg kirre machte. So warteten Herr uns Sklave darauf, dass möglichst bald ein tabellarius mit vollen Händen bei ihnen Halt machen würde, statt nur den Kopf zu schütteln.

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