Der Beginn der Trauerfeier für den verstorbenen Augustus

  • Für die Bestattung hatte man aus Wachs eine naturgetreue Statue des toten Iulianus hergestellt, in der die Asche des verblichenen Imperators eingearbeitet worden war. Leichenblass lag dieses Abbild nun auf der elfenbeinernen Totenbahre, die mit Gold überzogen worden war. Man hatte das Abbild mit einem Lorbeerkranz bekränzt und dem Gewand der Triumphatoren angetan.


    Und wie seit sieben Tagen, spielte sich auch an diesem Mittag die Zeremonie ab, die traditionell vor der Bestattung des Imperator Caesar Augustus vollzogen wurde:
    Zur rechten des toten Kaisers saßen Senatoren. An diesem Tag jedoch waren die angesehensten unter ihnen erschienen: Consulare von höchstem Ruf, sowie ehemalige Statthalter, die amtierenden Magistrate und andere waren unter ihnen. Alle trugen schwarze, wertvolle Togen und hatten sich nicht rasiert, um ihre Trauer zum Ausdruck zu bringen.
    Auf der linken Seite hatten sich die ehrbarsten Matronen der Stadt postiert, um am Bett des Toten zu wachen. Im Gegensatz zu den Männern trugen sie allerdings gänzlich weiße Kleider und weder Schmuck, noch Ringe.


    Der kaiserliche Leibarzt, der dieser Tage viel Zeit mit Valerianus verbracht hatte, betrat das Vestibulum, in dem der Leichnam aufgebahrt worden war. Auch er hatte heute seine beste Trauerkleidung angelegt.


    Vorsichtig trat er an das Totenbett des Iulianus und betrachtete das wächserne Gesicht. Dann blickte er traurig auf und sah zu Valerianus, der ebenfalls erschienen war. Anders als die sechs Tage zuvor, an denen er stets nur auf den immer schlimmer werdenden Zustand der Figur (und damit symbolisch der des Iulianus) hingewiesen hatte, meinte er diesmal nur


    "Er ist tot."


    Die ehrbaren Frauen begannen auf Zeichen der Augusta mit der Totenklage. Unter diesen herzzerreißenden Klängen traten die Senatoren an das Totenbett heran, an dessen Ringe nun zwei lange Stangen befestigt wurden. Die Senatoren, sowie angesehene Ritter würden den Leichnam nun durch die Stadt tragen, um ihn dann symbolisch auf dem Marsfeld zu verbrennen.

  • Nun war ihr Mann als auch in Rom noch einmal symbolisch gestorben. Die letzten Tage waren besonders schwer gewesen und gleichzeitig wichtig, um doch endlich endgültig Abschied nehmen zu können. Die Bestatter hatten ganze Arbeit geleistet und der nachgebildete Leichnam ihres Mannes war ihnen trefflich gelungen. Tränen stiegen der Augusta in die Augen, als die unvermeidlichen Worte gesprochen wurden und die Totenklage einsetzte.

  • Rom war gross geworden seit der göttliche Romulus die erste Mauer errichtet hatte, sehr gross und, so schien es dem Tiberier in diesem Moment, mittlerweile war es an der Grenze seines Wachstums angelangt.


    Es mochten ungewöhnliche Gedanken sein, die sich hinter der steineren Fassade des Tiberius Vitamalacus abspielten, einer Fassade, die durch den Bart noch schwerer zu durchschauen war, Gedanken, die selbst für einen Soldaten, für den der Tod zum Alltag gehörte, ausgesprochen kühl waren. Doch schliesslich war er dabei gewesen, in jenem Moment da Iulianus seine letzte Reise antrat und zusammen vier Legionen hatte er den Leichnam zurück ins Reich getragen und dort verbrannt. Emotionen, die da gewesen sein mochten, waren schon lange seiner kühlen Rationalität gewichen.


    In jenen Tagen, da die Ritten für ein Begräbnis begründet worden waren, hatte man jeden Leichnam Frist gerecht ins Pommerium zurückbringen können, heute, da die Grenze des Imperiums immer weiter ausgedehnt worden war, war es immer schwieriger die Riten der Alten einzuhalten...


    Zusammen mit anderen trat er vor, bereit die Totenbarre durch die Stadt zu tragen. Er hatte Iulianus vor Dura Europos bis hierher gebracht, er würde ihn auch noch die letzten Schritte begleiten...

  • Kein Vater sollte seinen Sohn zu Grabe tragen müssen und es war die logische Konsequenz daraus, dass die Söhne ihre Väter bestatten mussten. Auch ein Kaiserhaus machte dabei keine Ausnahme. Trotzdem fiel Valerianus der Anblick schwer und er war unfähig, ein passendes Wort herauszubringen. Mehrere Tage war er nun schon in Rom und hatte nach seiner Ankunft versucht, etwas Ruhe zu finden, um für diesen Tag vorbereitet zu sein. Schwer wie die Toga auf seinen Schultern lasteten Trauer und Krankheit auf seiner Seele. Der ungesunde Husten war zurückgekehrt, als wenn er nur fort gewesen wäre, um nach Rom zu eilen und ihn dort wieder in Empfang zu nehmen. Auch jetzt erschütterte wieder ein Hustenanfall den Körper von Valerianus, während er zuschaute, wie die Totenbahre aufgenommen wurde.

  • Mit ernstem Gesicht trat Victor in seiner schwarzen Toga nach den Worten des Leibarztes und zusammen mit den anderen Honorationen an die Seite des Totenbettes. Mit intensivem Blick musterte der Octavier die Wachsstatue und versuchte sich nochmal an den letzten Augenblick zu erinnern, als Iulianus noch gelebt hatte. Auch wenn dieser Tag schon weit länger zurücklag als für den Legaten der Prima, fiel es dem Senator doch nicht allzu schwer.


    Aus diesem Gedanken wurde Victor aber von einem neuerlichen Hustenanfall des neuen Imperators gerissen und in die nicht nur inszenierte Trauer mischte sich bei dem Octavier auch eine Spur Besorgnis. Erstmal allerdings stand nun der letzte Dienst an seinem verstorbenen Patron aus auf den er sich nun wieder konzentrierte.

  • Crassus erschrak etwas als er das erste Mal die Wachstatue sah. Der alte Kaiser war für ihn schon lange gestorben, doch als er in das Gesicht des Toten blickte, sah er nicht den schon verabschiedeten Kaiser, sondern einen guten Bekannten mit dessen Tod er nicht gerechnet hätte. Nach einem gedankenverlorenen Seufzer ging er an seine Position und nahm dann gemeinsam mit den anderen Trägern, die Bahre auf.

  • In den hinteren Reihen der wachenden Senatoren hatte heute auch Tiberius Durus gestanden. Im Prinzip fand er dieses Ritual befremdlich - dennoch übte es eine gewisse Faszination aus, dabeizustehen wie ein Verwandter der Familie, während der Kaiser starb. Die Wachsfigur war trefflich gelungen, auch wenn sie weitaus blasser war, als Durus den Kaiser in Erinnerung hatte. Wenn er sich recht erinnerte, hatte der echte Iulianus auch mehr Falten gehabt...aber das hier war ja nur ein Ritus, der aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Vergöttlichung des Imperator enden würde.


    Nachdem der Arzt den Tod der Figur bestätigt hatte, legte Durus noch einmal seine prächtige schwarze Toga zurecht und trat an den hinteren Teil der rechten Tragestange - genau vor seinen Vetter Quintus. Aus der Erinnerung an die Lustratio hatte er gelernt, sich einen strategisch günstigen Platz beim Tragen von Bahren zu suchen (Quintus gehörte wohl zu den rüstigsten Trägern heute). Doch als die Männer anhoben, stellten sich seine Sorgen als unbegründet heraus: Es waren so viele Männer beteiligt, dass selbst das prächtige Totenbett für den einzelnen federleicht war.

  • Wie es sich gehörte, hatte ich mich am Tor angemeldet und hierher geleiten lassen, gerade rechtzeitig, wie es schien. Eine Vielzahl von bekannten Gesichtern und Männer mit Rang und Namen waren bereits anwesend, und gleich sollte die Bahre angehoben werden und den Trauerzug anführen. Ich nickte Durus zu, den ich im Gewirr erkannte, ebenso meinem Patron und einigen anderen bekannten Männern, hernach nahm ich meinen Platz bei den anderen amtierenden Magistraten Roms ein. An der vorderen rechten Stange fand sich noch eine Lücke für mich. Gemeinsam wurde die Bahre schließlich angehoben. Einer erdrückenden Bürde gleich lastete nun greifbar gewordene Trauer auf an Schultern der Tragenden, und ich riskierte einen Blick zu Valerianus, zu Roms neuem Herrscher, der sich soeben unter einem peinigenden Husten krümmte. Auch die Augusta streifte ich mit einem Blick, Iulianus' Eheweib, das man seit der Kunde seines Todes nirgends hatte erblicken können, sah man von der Ausrufung ihres Adoptivsohnes zum Kaiser aus.


    Gemächlich setzte sich die Bahre nun in Bewegung, im Gleichschritt getragen, von Klageweibern begleitet und im Angesicht vieler Honoratoren und Senatoren Roms.

  • Auch Hungi, als einer der Klienten des verstorbenen Kaisers, war natürlich zugegen und ausgewählt, die Totenbahre zu tragen. Einen letzten Blick warf er auf die Figur, die den Kaiser darstellte, dann machte auch er sich bereit, die Bahre zu tragen. Wie all die anderen hatte er eine schwarze Toga anlegen lasen, als Bartträger war er ohnehin unrasiert, allerdings hatte er an diesem Morgen auf seine Gesichtshaarpflege verzichtet.


    Mit den anderen Senatoren ergriff er die Tragestange, hob die Bahre und folgte seinen Vormännern, während er seine Zeit mit dem "Impi", wie Hungi ihn in Gedanken des öfteren nannte Revue passieren ließ.

  • Potitus wich nicht von der Seite seines Imperators und Freundes Valerianus. Dessen Vater, den verstorbenen Kaiser, hatte er nicht halb so gut gekannt. Seine Hoffnung hatte schon lange auf Valerian geruht. Als die Senatoren die Bahre mit dem Kaiser aus Wachs aufnahmen, legte Potitus seinem Freund eine Hand auf die Schulter. Dann trat er selbst vor, um seinen Platz unter den Trägern einzunehmen. Er stand am Ende der Bahre, um alle im Blick zu behalten.

  • Auch Meridius hatte sich unter die Reihe der Senatoren und Klienten des Verstobenen eingefügt. Er hielt sich jedoch im Hintergrund, hielt er es doch dem Anlass angemessen. Rom hatte einen großen Imperator, einen überlegten Herrscher und behutsamen Feldherrn verloren. Und die Familie der Decima einen ihrer größten Förderer und Gönner. All die Gespräche, welche sie miteinander geführt hatten, kamen Meridius noch einmal in den Sinn. Und natürlich die große Familienlegende, der beinahe überlebensgroße Mythos, welcher um die Tatsache gestrickt wurde, dass sein Vater sein Leben gegeben hatte, um einen Hinterhalt auf den Kaiser zu verhindern. Wie die Zeiten vergingen. Der Kaiser wurde nun bestattet ...

  • Claudius gehörte zu den Honoratoren, die auserwählt waren, die Totenbahre zu tragen. Ihn verband wenig Persönliches mit dem verblichenen Augustus, aber er war sein Imperator und damit oberste Feldherr gewesen, er hatte ihn in den Rang eines Stabsoffiziers und in den Stand eines Senators erhoben. Menecrates beruflicher und politischer Werdegang wurde demnach maßgeblich vom Augustus geprägt. Die Verbindung basierte auf dem durch den Kaiser entgegengebrachten Vertrauen, dessen sich Menecrates stets bewusst gewesen war.


    Er war am heutigen Tag noch stiller als sonst, in sich gekehrt, selbst sein Gruß an die anwesenden Senatoren und Valerianus bestand einzig aus einem Kopfnicken, als er neben dem Totenbett Platz nahm. Er befand selbst die Tatsache, dass Letzterer ungewohnt oft hustete für nicht wichtig genug, um ein Wort zu verlieren, wenngleich er den Caesar mit einem langen, fragenden Blick bedachte. Er hatte ihn zu Zeiten seines Militäreinsatzes als gesund erlebt und ihn auch so in Erinnerung behalten.


    Nachdem die Totenklage eingesetzt hatte, erhob sich Menecrates, legte seine Linke auf die rechte Schulter, um die dem Anlass angemessene schwarze Toga zu sichern, während er auf Absprache hin die Bahre mit den anderen Senatoren zugleich anhob. Sein Gesicht wirkte versteinert wie die Wachsmaske des Iulianus und von seinem Empfinden her schien die Zeit stillzustehen, als er den Weg beschritt, der für den Leichenzug vorgesehen war.

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